Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Stausee Lipno

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Januar 2007 um 19:05 Uhr durch My name (Diskussion | Beiträge) (Lesenswert, Glückwunsch!). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Stausee bei Horní Planá (Oberplan)
Datei:Lipno0.JPG
Karte der Region des Stausees Lipno

Der Stausee Lipno (tschech. Údolní nádrž Lipno) (dt. Lippen) ist ein See im Südwesten der Tschechischen Republik, Teil der sogenannten Moldau-Kaskade (tschech. Vltavské kaskády) und bildet deren vierte und höchstgelegene Stufe. Er liegt an der Grenze zu Österreich im Nationalpark und Landschaftsschutzgebiet Böhmerwald (tschech. Národní park a chráněná krajinná oblast Šumava) im Okres Český Krumlov (Bezirk Krumau); nur ein kleiner Ausläufer des Sees im Nordwesten liegt im Okres Prachatice (Bezirk Prachatitz). Der Stausee entstand im Jahr 1959, nachdem von 1952–1959 eine Staumauer mit Kraftwerk im Moldautal errichtet worden war. Mit dieser Maßnahme sollten einerseits die Region, andererseits auch Städte wie České Budějovice (Budweis) oder Prag, die flussabwärts liegen, vor Hochwasser geschützt werden. Bereits damals erhielt der See seinen Spitznamen Jihočeské moře (dt.: südböhmisches Meer) bzw. Šumavské moře (dt.: Böhmerwald-Meer).

Der See hat heute ein Volumen von 306 Millionen m³ und eine Gesamtfläche von etwa 4650 ha, und ist somit flächenmäßig der größte See der Tschechischen Republik. Sein Pegel befindet sich bei Vollstau bei etwa bei 725,60 m ü. NN. Seine Länge beträgt 48 km bei einer maximalen Breite von 10 km bei Černá v Pošumaví (dt.: Schwarzbach, im Folgenden einfach Černá genannt). Die durchschnittliche Tiefe beträgt 6,5 m, die maximale 21 m.

Der Staudamm hat eine Länge von 296 m, ist 25 m hoch und befindet sich am Flusskilometer 329,543. Es handelt sich dabei teilweise um einen Erdschüttdamm (rechtes Ufer) und teilweise um eine Gewichtsstaumauer (linkes Ufer) aus Beton. Das Speicherkraftwerk Lipno I hat eine Leistung von 120 Megawatt.

Das Ausgleichsbecken des Laufwasserkraftwerks Lipno II, das über einen Tunnel mit dem Kraftwerk Lipno I verbunden ist, befindet sich vor Vyšší Brod (Hohenfurth). Der Zweck dieses Ausgleichsbeckens ist, den nur zeitweilig stattfindenden Wasserabfluss vom Kraftwerk Lipno I auszugleichen und die Moldau unterhalb von Lipno II regelmäßig mit Wasser zu versorgen. Ursprünglich fiel zwischen den Kraftwerken das Flussbett der Moldau auf neun Kilometern trocken, erst seit 1996 wird ein sogenannter Sanierungsdurchfluss von 1,5 m3s-1 abgelassen.[1] Nur für Wassersportveranstaltungen und bei Hochwasser wird mehr Wasser abgelassen.

Der Damm von Lipno II ist 224 m lang, 11,5 m hoch und liegt auf Flusskilometer 319,108. Auch hier handelt es sich teilweise um einen Erdschüttdamm und teilweise um eine Gewichtsstaumauer. Der Stausee hat eine Fläche von etwa 12,4 ha, ein Volumen von 1,6 Millionen m³ und liegt auf einer Höhe von 558 m ü. NN. Unweit des heutigen Kraftwerks befand sich von 1902 bis in die 1950er Jahre bereits ein Kraftwerk, allerdings ohne Staudamm.

Vorgeschichte

Im Gebiet der oberen Moldau befand sich bereits im Tertiär ein natürlicher See, der etwa 44 km lang und 7-22 km breit war und der eine Tiefe von 80-100 m erreichte. Zwischen der Teufelswand (tschech. Čertova stěna) und dem Berg Luč durchbrach dieser See im Tertiär die Felsen, in die er sich seit Jahrtausenden gefressen hatte und schuf beim Durchbruch das Flussbett der Moldau.

Dieses Gebiet am Oberlauf der Moldau war bereits in der Mittelsteinzeit besiedelt, was insgesamt 15 Funde am Nordufer des Sees zwischen Frymburk nad Vltavou (dt.: Friedberg, im Folgenden einfach Frymburk genannt) und Horní Planá (Oberplan) belegen.[2] Die heutigen Siedlungen sind schon seit Jahrhunderten deutsches und tschechisches Siedlungsgebiet; Orte wie z. B. Frymburk wurden bereits 1277 erwähnt. Bereits damals nutzten die zahlreichen Holzfäller die Energie des Flusses zum Holzschwemmen. Am Oberlauf der Moldau waren damals Mühlen und Hammermühlen weit verbreitet (damals 23), welche ebenfalls den Fluss als Energiequelle nutzten. Štěpánek Netolický, Wasserbauer des Hauses Rosenberg, legte im Jahr 1530 einen Entwurf vor, der die Flößbarmachung der oberen Moldau vorsah, um den Holztransport zu vereinfachen. Dieses Vorhaben wurde um 1552 unter Albrecht von Guttstein zwischen Vyšší Brod und České Budějovice verwirklicht. So stieg der Umfang des Abholzens und des Flößens in den folgenden Jahrzehnten weiter an und erreichte sein Maximum um 1850. Erst der Ausbruch des Ersten Weltkrieges sowie die Abtrennung der Märkte durch Ausrufung der Tschechoslowakei führten zu einem Einbruch beim Holztransport und –verkauf.

Erste Planungen

Die Orte am heutigen See berichten in ihren Chroniken vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, vor allem aber in den Jahren 1740 bis 1890, von häufigem Hochwasser und von Überschwemmungen, auch gibt es einige erhaltene Markierungen der Wasserhöhe an Mauern und Felsen. Mit dem Jahr 1890, als wieder ein großes Hochwasser die Region heimsuchte, beginnt die eigentliche Geschichte des Stausees. Wenige Jahre später, im Jahr 1892, veröffentlichte der Ingenieur Daniel eine Broschüre, die die Errichtung mehrerer kleiner Staudämme entlang der oberen Moldau und ihren Nebenflüssen beschrieb, so z. B. bei Frymburk und bei Želnava (Salnau). Diese sollten zukünftige Überflutungen verhindern. Die Idee setzte sich durch, sodass der Landrat des Königreiches Böhmen über den Bau beriet. 1899 schlug Baurat Jan Jirsík den Bau einiger Stauseen vor, doch bereits nach ersten Verhandlungen zeigte sich, dass die Landwirte, die die fruchtbaren Auen bewirtschafteten, nicht bereit waren, ihre Grundstücke zu verkaufen – das Projekt geriet wieder in Vergessenheit.

Erst ein weiteres Hochwasser im Jahr 1920 führt zu einer erneuten Planung eines oder mehrerer kleiner Stauseen, die in der Lage wären, das Schmelzwasser im Frühling aufzufangen. 1930 gab es dann die ersten konkreten Pläne von Ingenieuren des Landesamtes, die den geplanten Damm in der Nähe von Lipno nad Vltavou (im Folgenden einfach Lipno genannt) platzierten, doch auch dieses Projekt ließ sich nicht verwirklichen; Grund hierfür war die Besetzung Böhmens und Mährens infolge des Münchner Abkommens und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Die Platzierung bei Lipno, welche in diesen Plänen vorgeschlagen wurde, hatte enorme Vorteile, die zum tatsächlichen Bau des Damms an dieser Stelle wenige Jahre später führen sollten: Das Flussbett befindet sich bei Lipno auf einer Höhe von 705 m ü. NN, bei Vyšší Brod auf 560 m ü. NN und bei Mělník an der Elbmündung nur noch bei 155 m ü. NN, sodass der erste kurze Abschnitt einen Abfall von 145 m hat (bei einer Entfernung von 3,5 km Luftlinie und 10 Flusskilometern), während die restlichen 322 Kilometer des Flusses bis zur Elbmündung nur noch um weitere 405 Meter abfallen. Da die Moldau bei Lipno selbst nur einen kleinen Abfall hatte, war die Stelle zum Anstauen gut geeignet. Auch die Zusammensetzung des Baugrunds (Gneis und Granit) war ein Vorteil.

Errichtung des Damms

Planung

Blick über den See von Pihlov (Pichlern) aus

Die Idee, einen Staudamm mit angeschlossenem Kraftwerk zu errichten, kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf, nachdem durch die Abschiebung (tschechische Sprachregelung; dt.: Vertreibung) der Sudetendeutschen, die die größte Bevölkerungsgruppe in der Region waren, die Grundbesitzverhältnisse für die Regierung „vereinfacht“ waren, da die Grundstücke dem Staat zufielen. Dabei war eine Studie aus dem Jahr 1948 die Grundlage für die zukünftigen Arbeiten. Für die kommunistische Regierung wurde der Staudamm zum Prestigeobjekt, für das per Flugblatt mit dem Motto Pomoz stavět Lipno, velikou stavbu socialismu v Čechách[3] (dt.: Hilf Lipno zu bauen, einen großen Bau des Sozialismus in Böhmen) im ganzen Land Arbeiter gesucht wurden. Die vorbereitenden Bauarbeiten begannen bereits im Jahr 1950 mit dem Sprengen und dem Abtransport von Granitfelsen für die projektierte Straße von Frymburk nach Lipno. In den Jahren 1951 bis 1959 wurde dann der Stausee mit zugehöriger Staumauer gebaut.

Die Moldau kurz nach dem Zusammenfluss der Kalten und Warmen Moldau oberhalb des Stausees

1951: Vorbereitende Arbeiten

In den ersten Monaten des Jahres 1951 begannen die Arbeiten am Wasserbecken, obwohl zu dieser Zeit die Planung des Projektes noch nicht ganz beendet war. Zunächst errichteten Maurer und Bauarbeiter der Firma Pozemní stavby České Budějovice in der Nähe der zukünftigen Staumauer Holzhäuser für die Arbeiter, welche später Grundlage der Siedlung Lipno (nach welcher der See auch benannt wurde) werden sollten, sowie Lager, Garagen und Werkstätten. Nun begann man mit dem Abholzen von Wäldern (etwa 550 ha) und Alleen, die in der Überschwemmungszone lagen, was in der dicht bewaldeten Region des Böhmerwaldes zu mehreren tausend LKW-Ladungen Holz führte. Des Weiteren wurden Häuser und andere Gebäude abgerissen, welche ebenfalls unter der künftigen Wasseroberfläche gelegen wären. Dies betraf zum Beispiel die Gemeinde Dolní Vltavice, einen Teil von Horní Planá und Frymburk sowie fast ganz Lipno. Zahlreiche Zufahrtsstraßen und Wege entstanden, um Baumaterial heranschaffen zu können. Dies alles machte das Moldau-Tal zu einer riesigen Baustelle, welche die angrenzenden Orte teilweise bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Des Weiteren fand eine geologische Untersuchung des Untergrundes des zukünftigen Damms statt.

1952-1956: Erste Ausbaustufe

Mündung der Moldau in den Lipno-Stausee bei Nová Pec (Neuofen)

Im Jahr 1952 begann man mit dem Bau des Staudamms am Flusskilometer 329,543. Dazu wurden zunächst entlang der Längsachse des Staudamms zwölf Schächte bis in eine Tiefe von 20 Metern getrieben, bei jedem dieser Schächte fielen etwa 600 Kubikmeter Abraum an. Der harte Felsen, auf den man dort traf, wurde in weiteren 20 Metern durch die Injektion von Zementmilch soweit gefestigt, dass die Fundamente dort sicher verankert werden konnten. Um ein Unterspülen des Damms zu verhindern, war es nötig, einen sogenannten Caisson zu errichten. Dieser Caisson, mit einem Gewicht von 60 t und der Form einer riesigen Schachtel bildet die Basis des heutigen Damms. Nach und nach entfernte man hier mehrere hundert Kubikmeter Abraum, bis der Caisson sich in der gewünschten Tiefe befand, anschließend wurde er mit Beton ausgefüllt (Gesamtgewicht 230 t).

Das Kraftwerk Lipno I ist als Kavernenkraftwerk konzipiert. 160 Meter unter dem linken Dammende befindet sich der Maschinenraum, der mit zwei 160 m langen Druckschächten mit einem Durchmesser von 4,5 m mit dem See und mit zwei 3,6 km langen Abflussstollen mit einem Querschnitt von 9 mal 8 m mit dem Ausgleichsbecken verbunden ist.

Am 13. Mai 1952 begann man von Vyšší Brod aus mit dem Bau der zwei Abflussstollen

Im Jahr 1954 wurde der Bau mit einem höheren Tempo fortgesetzt, was auch dadurch möglich war, dass es kaum zu Schwierigkeiten beim Bau kam. Trotz einer verringerten Anzahl von Mitarbeitern und hohen Wasserstands der Moldau kam der Bau gut voran. Die unerwünschten Fluten eines Hochwassers konnten abgeleitet werden, sodass ein normaler Betrieb gewährleistet war. Die Fertigstellung des nahegelegen Betonwerks begünstigte die Arbeiten weiter. Besonders intensiv arbeitete man am Durchbruch der beiden Stollen, welche Mitte Juli bereits eine Gesamtlänge von 1300 m erreichten. Im Herbst des Jahres begann man das neue Flussbett der Moldau zu betonieren.

Am 30. Dezember 1955 um 02:30 Uhr wurde die Moldau in ihr neues Flussbett umgeleitet. Außerdem begann man in diesem Jahr mit dem Vortrieb der Gegenstollen von Lipno aus, um die Arbeiten zu beschleunigen.

Am 10. Januar 1956 kurz vor Mitternacht kam es zum Durchbruch bei den beiden Stollen, welche von Vyšší Brod und von Lipno vorangetrieben wurden. Die Arbeiten verliefen so präzise, dass es trotz der Gesamtlänge von 3,6 km zu keiner nennenswerten Abweichung der beiden Stollen kam.

1957-1959: Abschließende Arbeiten und Bau des Kraftwerks

Mitte Januar 1957 begann der Bau des unterirdischen Kraftwerks. Der Granitfels wurde gebrochen und die so entstandene Höhle (Innenmaße 60 x 22 x 38 m) anschließend ausbetoniert. Der Bau am Lipno II kam ins Stocken durch die Überschwemmungen im Jahr 1955, die das Ausgleichsbecken mit 800 Kubikmetern Sand und Schlamm füllten. Nichtsdestotrotz wurde Anfang Oktober der Gewichtsblock des Beckens fertiggestellt und mit 25000 Kubikmetern Beton gefüllt. Dann sperrte man das Tal mit einem 11,5 m hohen Schüttwehr und installierte die erste Turbine, die bereits im Frühjahr 1957 in Betrieb ging. Im Herbst des Jahres war der Damm fertiggestellt.

Oberirdischer Teil des Kraftwerks Lipno I, photographiert von der Staumauer

Anfang des Jahres 1958 begann man mit der Installierung der Maschineneinrichtung der beiden Kraftwerksblöcke in der Kaverne. Die Bauherren erwarteten, dass der Damm bereits in diesem Jahr das Frühjahrshochwasser würde auffangen können, daher rechnete man damit, ab 1. März die Moldau anzustauen. Aus diesem Grunde wurden nun beschleunigt die letzten Objekte abgerissen, die noch in der Überschwemmungszone standen, wie z. B. einige Brücken über die Moldau. Die Absicht, den Stausee langsam zu füllen, um die Staumauer nicht gleich voll zu belasten konnte allerdings aufgrund von früh und stark einsetzender Schneeschmelze nicht realisiert werden. So kam es, dass bereits am 17. Februar der Wasserstand bei 715,15 m ü. NN lag und sich 12,5 Millionen Kubikmeter Wasser stauten. Die Schleusen wurden geöffnet, um den Damm wenigstens anfangs noch zu entlasten. Bis zum 20. Februar stieg der Wasserpegel auf 716,35 m ü. NN an, als das Ende der Schneeschmelze im Einzugsgebiet erreicht war, lag der Wasserpegel bei 717,40 m ü NN, es kam allerdings trotz der verfrühten Belastung zu keinen nennenswerten Problemen. Am 26. Juni 1958 schließlich wurde der letzte Block des Damms auf Straßenniveau betoniert. Somit wurde der Sommer 1958 zur ersten Urlaubssaison am Lipnostausee.

Anfang August wurde Kraftwerksblock 2 zur Montage übergeben. Am 1. September wurde dann der erste Teil der Francis-Turbine (mit einem Gewicht von dreißig Tonnen) in die Kaverne befördert, am 24. Oktober schließlich folgte die Einbetonierung von Block 1.

Am 15. Juli 1959 um 17:55 Uhr fand der erste Probelauf des elektrischen Systems statt. Am 7. Dezember ging die andere Turbine ans Netz. Nach diversen Testläufen ging Turbine zwei am 13. August 1959 und Turbine eins am 5. Januar 1960 in den Regelbetrieb. Seit dieser Zeit haben die beiden Turbinen von Lipno I und die Turbine von Lipno II insgesamt 6012 GWh Energie erzeugt (Stand 2000).

Reparaturen im Jahr 2004

Vollbesetzte Fähre über den See während der Bauarbeiten im Sommer 2004

Von Juli bis November 2004 erneuerte die Firma SSŽ (Stavby silnic a železnic) die gesamte Fahrbahn auf dem Damm. Dazu musste die Straße komplett gesperrt und samt Bürgersteig und Geländer abgetragen werden. Dabei musste besonders darauf geachtet werden, dass keine Asphaltreste etc. in den See stürzen, da sich dieser in einem Naturschutzgebiet befindet.[4] Während dieser Vollsperrung kam es zu erheblichen Behinderungen, da statt dieser Hauptverkehrsachse Umgehungsstraßen und Fähren genutzt werden mussten. Die Arbeiten wurden erfolgreich und planmäßig im November beendet.

Der See als Grenzgebiet

Die nach 1945 zum großen Teil entvölkerten Orte entlang der neuen Grenze Österreich-ČSSR wurden von der kommunistischen Regierung kurz nach Kriegsende zum militärischen Sperrgebiet erklärt, viele Dörfer verfielen oder wurden zerstört (siehe dazu auch: Truppenübungsplatz Boletice). Dies führte dazu, dass nach der Entstehung des Stausees das rechte Ufer bis auf einige Ausnahmen bei Přední Výtoň nicht betreten werden durfte, ebenso war es verboten, die Mitte des Sees in Richtung Österreich zu überqueren, Militär und Grenzpolizei kontrollierten dies streng. Nach der Wende im Jahr 1989 löste man das Sperrgebiet 1991 auf und begann das Gebiet touristisch zu erschließen. So gesehen erwies sich das Sperrgebiet sogar als Glücksfaktor für die heutige Nutzung, da dort die Natur, da kaum berührt, sehr gut erhalten ist.

Die Rolle des Stausees bei Hochwasser

Geöffnete Schleusen des Stausees Lipno im Jahr 2002

Der Stausee dient der Hochwasserregulierung an der Moldau überhalb von Prag. An deren Oberlauf, am Rand der Mittelgebirge, fällt besonders viel Niederschlag. Da Moldau und Elbe am Zusammenfluss ähnliche Durchflussmengen aufweisen, ist die Regulierung bis zum Oberlauf der Elbe spürbar (siehe hierzu auch: Hochwasserschutz in Dresden).

So wie andere Stauseen im damaligen Überschwemmungsgebiet konnte der Lipno-Stausee einen Teil des Hochwassers im August 2002 abhalten und damit Städte wie Český Krumlov, České Budějovice und Prag zunächst entlasten. Allerdings warfen diverse Zeitungen im weiteren Verlauf den Betreibern des Kraftwerks vor, sie hätten nicht genug Wasser abgelassen, als für den 11. und 12. August weitere Regenfälle vorhergesagt waren. Vorwürfe wurden vor allem laut gegen Zdeněk Zídek, da er zugleich Verwalter des Staudamms, Verwalter des Hafens in Lipno (in dem zahlreiche Segelboote vor Anker lagen) und Bürgermeister von Lipno ist. Man warf ihm einen Interessenkonflikt vor, doch waren diese Behauptungen nicht haltbar. Eine Untersuchung des Tschechischen Umweltministeriums aus dem Jahr 2003 entdeckte keine gravierenden Mängel bei der Bewältigung des Hochwassers. [5]

Seit diesem Hochwasser ist der Pegel des Sees ständig um ein bis zwei Meter abgesenkt, sodass mehr Spielraum vorhanden ist, auch größere Wassermengen aufzunehmen. Als im Jahr 2004 zusätzlich Wasser abgelassen wurde, um eine Rafting-Meisterschaft auf der Moldau durchführen zu können, führte dies dazu, dass einige Objekte aus dem Wasser auftauchten, die dort seit fast 50 Jahren versunken waren, wie z. B. Schienen und der ehemalige Bahnhof von Horní Planá. [6] Eben durch diese Absenkung hatte der See im Jahr 2006 eine Reserve von 127,7 Millionen m³[7], wodurch er den Wasserstand der Moldau beim Hochwasser desselben Jahres soweit regulieren konnte, dass die Überschwemmungen nicht so schlimm ausfielen, wie zunächst befürchtet.

Tourismus

Marina und Feriendorf Lipno

Der See, seit den 1960er-Jahren bis zur Wende 1989 eines der beliebtesten Reiseziele Böhmens, ist heute mit seinen zahlreichen touristischen Angeboten nicht nur Reiseziel tschechischer Urlauber, auch deutsche, österreichische und niederländische Touristen sind hier häufig anzutreffen. Dies mag einerseits an der Natur liegen, die vor allem am rechten Ufer noch sehr gut erhalten ist, aber auch daran, dass die Region touristisch sehr gut erschlossen ist. So lässt sich hier z. B. wandern, radfahren (es gibt einen Radweg rund um den See), campen, rudern, baden, schwimmen, segeln oder surfen. Aufgrund der guten Verhältnisse finden hier schon seit den 1970er-Jahren internationale Kajak- und Segelwettbewerbe statt. Motorbootfahren ist auf dem See verboten, davon ausgenommen sind weniger als 10 Schiffe, unter anderem die Polizei und ein Rundfahrtschiff der Rosenberger Lipno-Line. Bekannt ist der See auch für seinen Fischreichtum: Jährlich werden hier um die 60.000 Ein-Kilogramm-Karpfen ausgesetzt, aber auch Zander und Hechte können geangelt werden. Den dazu erforderlichen Angelschein gibt es in jeder größeren Ortschaft.

Weitere Attraktionen sind die historischen Ortskerne von Frymburk und Horní Planá (Adalbert Stifter-Geburtshaus), der allsommerliche Jahrmarkt in Černá, sowie die zahlreichen Marinas wie z. B. in Černá, aber auch die im Jahr 2003 neu errichtete Marina in Lipno mit angeschlossenem Schwimmbad. Im Winter gibt es um den See zahlreiche Langlaufmöglichkeiten sowie Abfahrtspisten in Lipno und Frymburk, aber zum Beispiel auch einen jährlichen Eislaufmarathon oder Eissurfing. Auch die Stadt Vyšší Brod am See Lipno II ist mit ihrem Kloster, dem historischen Stadtkern und einem Postmuseum sehenswert.

Über den Staudamm und das Kraftwerk besteht seit dem Jahr 2003 ein Informationszentrum, das sich in ehemaligen Räumlichkeiten des Kraftwerks befindet.[[8]

Über den See verkehren heute drei Fähren, es gibt zwei Brücken sowie eine Eisenbahnbrücke. Zu erreichen ist er aus Deutschland über den Grenzübergang Philippsreut, aus Österreich über die B 126 Leonfeldener Straße und den Grenzübergang Weigetschlag (Gemeinde Bad Leonfelden) oder aus Prag über die E 55.

Quellen

  1. Wasserkraftwerk Lipno (Offizielles Informationssystem der Region Český Krumlov) [1]
  2. Michálek, Jan Bemerkungen zur vor- und frühgeschichtlichen Besiedlung jenseits und diesseits des Böhmerwaldes In: Archäologische Arbeitsgemeinschaft Ostbayern/West- und Südböhmen. 6. Treffen, Espelkamp, 130-153
  3. Pomoz stavět Lipno, velikou stavbu socialismu v Čechách (Flugblatt) [2]
  4. Vodní dílo Lipno I, oprava koruny hráze (Bauarbeiten am Damm im Jahr 2004 durch SSŽ) [3]
  5. Hydrometeorologické vyhodnocení katastrofální povodně v srpnu 2002 (Studie des Umweltministeriums der Tschechischen Republik) [4]
  6. Tratě, které „utopilo“ lipenské přehradní jezero (Artikel der tschechischen Bahn (ČD), mit Foto und Karte der Region, bevor es den See gab (Tschechisch) [5]
  7. Zpráva o aktuálním vývoji povodňové sitauce na území ČR (Bericht des Umweltministeriums der Tschechischen Republik aus dem Jahr 2006) [6]
  8. Informationszentrum Lipno I (Artikel des Energiebetreibers ČEZ, Abschnitt Informationszentrum des Kraftwerks Lipno) [7]

Literatur

  • Beneš, Ivan: Lipenská přehrada. Kartografie Praha, 1982 (tschechisch)
  • Beneš, Ivan: Lipenská přehrada. Kartografie Praha, dritte Auflage 1992 (tschechisch), ISBN 8070112085

Weblinks

Vorlage:Koordinate Artikel