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Nummernschalter

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Der Nummernschalter, in der Umgangssprache auch als Wählscheibe bezeichnet, diente lange Zeit und zum Teil auch heute noch bei Telefonen zum Wählen der Rufnummer. Durch dieses Bauteil wurde der Benutzer eines Telefons in die Lage versetzt, eine Telefonverbindung selbst, d. h. ohne Hilfe einer weiteren Person in einer Vermittlung, aufzubauen. Die Wählscheibe (die korrekte Bezeichnung ist Fingerlochscheibe) ist jedoch nur das sichtbare Bedienelement eines Nummernschalters.

Telefon mit Wählscheibe

Geschichte

Datei:Strowger finger-wheel sub station dial 1.jpg
Schaltbild des "Strowger finger-wheel sub station dial" aus der US-Patentschrift No. 597,062. - Seite 1
Datei:Strowger finger-wheel sub station dial 2.jpg
Schaltbild des "Strowger finger-wheel sub station dial" aus der US-Patentschrift No. 597,062. - Seite 2
Datei:Sperrnummernschalter.jpg
Feinmechanisches Meisterwerk: Ein Sperrnummernschalter

In den Anfangszeiten der Fernsprechtechnik war es nicht möglich, selbst eine bestimmte Telefonverbindung aufzubauen. Um eine Verbindung zu bekommen, musste man die Vermittlungskraft im Fernsprechamt "wecken" (das war tatsächlich der offizielle Ausdruck für diesen Vorgang). Das geschah mittels Kurbelinduktor, teilweise auch durch Betätigen einer Ruftaste. Dem Vermittlungspersonal teilte man seinen Verbindungswunsch mit, das die Verbindung dann mittels Klappenschränken aufbaute. Da an einer solchen Handvermittlung meistens mehrere Personen beteiligt waren, dauerte der Verbindungsaufbau lange und war durch die mündliche Weitergabe des gewünschten Ziels fehleranfällig.

Erst das von Almon Strowger 1889 erfundene Vermittlungssystem (Automatic Telephone Exchange - US patent No. 447,918 [1]), ermöglichte dem Telefonnutzer eine selbstständige Wahl. Das Strowger-System hatte für jede Stelle der zu wählenden Rufnummer eine Taste, die der Ziffer entsprechend oft gedrückt werden musste. Um beispielsweise die Rufnummer 432 zu wählen, betätigt der Anrufer viermal die 100er-Taste, dreimal die 10er-Taste und zweimal die 1er-Taste. Die Bedienung war entsprechend umständlich und fehleranfällig. Ebenso war der Installationsaufwand hoch, da zu den bestehenden zwei Leitungsadern für die Sprechverbindung jede dieser Taste über eine weitere Ader mit der Vermittlungsstelle verbunden war.

Am 20. August 1896 meldeten A. E. Keith und die Brüder John and Charles J. Erickson, die Mitarbeiter der "Strowger Automatic Telephone Exchange Company" waren, ein anwenderfreundlicheres System zum Patent an. Das US patent No. 597,062 [2] wurde am 11. Januar 1898 für dieses System erteilt. Die Tasten wurden durch eine Wählscheibe, den "Strowger finger-wheel sub station dial" ersetzt. Die Wählscheibe zeigte an, ob die Hunderter-, Zehner- oder Einerstelle gewählt wurde. Zwei Leitungsadern dienten der Übertragung der Wahlimpulse zur Vermittlungsstelle und waren dort mit jeweils einem Elektromagneten verbunden. Die Hunderter- und Einerstelle wurden über die eine Leitung übertragen und die Zehnerstelle über die andere. Diese Einrichtung benötigte zum Betrieb eine lokale Batterie die, da sie regelmäßig erneuert werden musste, einen hohen Wartungsaufwand mit sich brachte.

In Deutschland wurden im Jahre 1908 von der Reichstelegraphenverwaltung in den Fernsprechapparaten vom Typ OB/SA (genannt "Hildesheim") Nummernschalter eingesetzt.

Der eigentliche, bis heute verwendete Nummernschalter, der ohne den Einsatz einer lokalen Batterie auskommt und zudem die Leitungsadern für die Sprechverbindung zur Übertragung der gewählten Nummer nutzt, wurde von dem Franzosen Antoine Barnay entwickelt und am 18. Mai 1923 patentiert.

Es wurden in der Vergangenheit auch andere Bedienelemente für den Nummernschalter verwendet, so gab es z. B. Trommelnummernschalter und Zugnummernschalter, die sich aber nicht durchgesetzt haben.

In Münzfernsprechern, wie z.B. dem Tln Mü 55b, wurden spezielle Sperrnummernschalter eingesetzt, um bestimmte Rufnummern (z. B. Vorwahlen für Fern- und Auslandsgespräche, Ansagedienste etc.) zu sperren. Diese wiesen eine sehr aufwändige mechanische Konstruktion auf (siehe Foto). Beim Wählen wurde ein dreiarmiges Hebel- und Kontaktwerk in Gang gesetzt, welches nacheinander die ersten drei Ziffern überprüfte. Drehbewegung und Kontaktführung der drei Arme ähnelten der eines Wählers. Durch Umlöten von bestimmten Kontaktverbindungen konnte man die Sperrnummernschalter quasi auf die gesperrten Rufnummern "programmieren".

Nummernschalter waren Verschleißteile, die nach einer längeren Betriebszeit ausgetauscht oder überholt werden mussten. Vom Verschleiß betroffen waren insbesondere der Fliehkraftregler, dessen Lager und der Kontaktsatz. Die Fa. Krone entwickelte Anfang der 1970er-Jahre einen wartungsfreien, besonders langlebigen Typ. Dieser konnte sich jedoch aufgrund der hohen Fertigungskosten für die Apparate der Deutschen Bundespost nicht durchsetzen. Im Laufe der Zeit wurden die Getriebe zunehmend aus Kunststoff gefertigt.

In Deutschland ging schließlich in den 1980er-Jahren die Ära der mechanischen Nummernschalter zu Ende; sie wurden durch elektronische Bauteile ersetzt, die deren Funktion nachbildeten. So wurde im Bereich der vorhandenen Vermittlungsstellen eine Tastwahl ermöglicht. Eine solche Baugruppe wird als Tastwahlblock (TWB) bezeichnet.

Ältere Telefone mit Nummernschaltern (wie z. B. der klassische W48) erfreuen sich aber heute wieder einer zunehmenden Beliebtheit.

Aufbau und Funktionsweise

Der Nummerschalter besitzt eine Fingerlochscheibe mit zehn Löchern, jede Ziffer von 1 bis 9 sowie die 0 ist je einem Loch zugeordnet. Eine Ziffer wird gewählt, indem der Benutzer den Zeigefinger in das entsprechende Loch der Fingerlochscheibe steckt und die Rückdrehfeder durch diese Rechtsdrehung bis zum Anschlag (Fingeranschlag) spannt (tech. Bez.: Aufziehen). Dann wird der Finger herausgezogen und die Rückdrehfeder dreht die Fingerlochscheibe in ihre Ursprungslage zurück (techn. Bez.: Ablauf). Bei diesem Ablauf wird durch den Nummernschalter eine der gewählten Ziffer entsprechende Anzahl von Unterbrechungen (Impulse) der Telefonleitung erzeugt und so zur Vermittlungsstelle signalisiert.

Bestandteile

Datei:Nummernschalter.jpg
Nummernschalter Bauart NS38 von der Fa. Merk Telefonbau aus dem Jahre 1959

Der Nummernschalter besteht im Wesentlichen aus

  • Fingerlochscheibe
  • Fingeranschlag
  • Ziffernblatt (Zahlenkranz)
  • Rückdrehfeder
  • Fliehkraftregler
  • Nockenscheibe
  • Stromstoßrad
  • sowie drei Kontakten.

Je nach Bauart des Nummernschalters können zur Übertragung der Drehbewegung noch diverse Zahnräder und Rutschkupplungen dazu kommen.

Der Fliehkraftregler

Eine normgerechte Dauer der Impulse wird durch den Fliehkraftregler sichergestellt, der für eine gleichmäßige Drehgeschwindigkeit von etwa 40 Umdrehungen pro Sekunde (je nach Ausführung) beim Ablauf sorgt. Durch die aufgezogene Rückdrehfeder angetrieben, regelt er die Drehzahl des Stromstoßrads und der Nockenscheibe je nach Bauart über eine Schneckenwelle oder ein Zahnrad. Dabei werden zwei durch eine Feder vorgespannte Bremsbacken durch die Fliehkraft gegen eine kleine Bremstrommel gedrückt. Mittels Änderung der Federspannung lässt sich die Drehzahl des Reglers feinjustieren und somit die Ablaufzeit des Nummernschalters korrigieren.

Die Kontakte

Sowohl beim Aufziehen als auch beim Ablauf des Nummernschalters werden drei Kontakte über ein so genanntes Stromstoßrad und eine Nockenscheibe betätigt.

Die Bezeichnungen dieser drei Kontakte lauten


n s a = Nummern - Schalter - Arbeits - oder Abschalte - Kontakt
n s i = Nummern - Schalter - Impuls - Kontakt
n s r = Nummern - Schalter - Reduzier- oder Ruhe - Kontakt


Die Nummernschalterkontakte in einem FeAp 611
n s a - Kontakt
Der n s a wird beim Aufziehen des Nummernschalters durch die Nockenscheibe geschlossen und bleibt dies auch bis zum Ende des Ablaufs. Er überbrückt die 'innere' Telefonschaltung (Sprechkreis). Hierdurch wird erreicht, dass keine Impulsverzerrungen auftreten und die Wählimpulse (Knacken) nicht in den Handapparat (Telefonhörer) gelangen. Durch dieses Kurzschließen sinkt die Arbeitsspannung am Telefon, je nach Endgerätetyp, von ca. 8 - 12 Volt auf 0 Volt.
n s i - Kontakt
Durch den n s i wird die Wahl erzeugt, indem das Stromstoßrad diesen Kontakt unterbricht. Die gewünschte Nummer entsteht durch eine gleichmäßige rhythmische Unterbrechung der Leitungsschleife (Telefonleitung). Dadurch liegt die Leerlaufspannung (ca. 60 Volt) für einen kurzen Moment am Telefon. Hierbei ist zu beachten, dass der n s i immer zwei zusätzliche Impulse, die so genannten Leerlaufimpulse erzeugt. Wird beispielsweise die Ziffer 5 gewählt, produziert der n s i 5 + 2 = 7 Impulse.
n s r - Kontakt
Die Aufgabe des n s r ist es, die durch den n s i erzeugten zwei zusätzlichen Leerlaufimpulse auf der Leitungsschleife (Telefonleitung) unwirksam zu machen. Dies geschieht dadurch, dass der n s r den n s i bei den beiden Leerlaufimpulsen überbrückt. Die Überbrückung der zwei Leerimpulse kann je nach Konstruktion des Nummernschalters am Anfang oder am Ende der Impulsserie erfolgen. Eine Überbrückung am Anfang hat den zusätzlichen Vorteil, dass der Fliehkraftregler mehr Zeit erhält, seine Soll-Drehgeschwindigkeit zu erreichen. Der n s r wird beim Ablauf durch die Nockenscheibe geschlossen. Hierdurch wird erreicht, dass zwischen zwei gewählten Ziffern eine genügend große Pause (auch Spatium genannt) entsteht. Damit soll verhindert werden, dass zwei schnell hintereinander gewählte Ziffern "1" als Ziffer "2" von der Vermittlungsstelle erkannt werden. Zusätzlich erreicht man durch diese Impulspause eine ausreichend freie Zeit zum Durchsteuern der mechanischen Gruppenwähler (Hebdrehwähler, Edelmetall-Motor-Drehwähler) in der Vermittlungstechnik. Die Gesamt-Ablaufzeit inklusive Spatium beträgt 1,20 Sekunden. Ältere Nummernschalter der Bauart NS30, die zum Beispiel in Fernsprechern, wie dem W28 oder dem ersten Modell 36 einbaut waren, hatten diese Zwangspause noch nicht. Erst ab 1938 wurde sie mit der Einführung des W38 Typen mit n s r (Bauart NS38) eingesetzt.

Da in dem geschalteten Stromkreis induktive Komponenten enthalten sind, unterliegen die Nummernschalterkontakte infolge von Funkenbildung und Materialwanderung einem Verschleiß. Deshalb wurden bereits ab den 1920er Jahren zusätzliche Bauelemente zur Funkenlöschung in die Telefonapparate eingebaut. Im Laufe der Jahre kam es zu weiteren technischen Verbesserungen - zum Beispiel wurde eine sogenannte "Rücklaufsperre" eingebaut (Bauart NS38a). Diese verhinderte, dass sich das Stromstoßrad beim Aufziehen rückwärts mitbewegen konnte und dadurch Störungen verursachte.

Mit Einführung der elektronischen Vermittlungstechnik konnte der n s r und die zusätzliche Erzeugung von Leerlaufimpulsen durch den n s i entfallen, da hier keine Zeitverzögerung durch mechanisch träge Gruppenwähler mehr bestand.

Impulsdiagramm des n s i

Impulsverhältnis

Für eine korrekte Wahl der gewünschten Telefonnummer ist der gleichmäßige Lauf des Nummernschalters von entscheidender Bedeutung.
Das Impulsverhältnis, also das Verhältnis von Öffnen zu Schließen, des n s i-Kontakts soll in Deutschland im Verhältnis 1,6 : 1 erfolgen und die Ablaufzeit für 10 Impulse (Wahl der Ziffer 0) soll 1 Sekunde betragen.

Hierdurch beträgt die Zeit für 1 Impuls = 100 ms. Somit ergibt sich für einen Impuls ein Impulsverhältnis von 62 ms Öffnungszeit und 38 ms Schließzeit für den n s i-Kontakt.

Einige moderne digitale Vermittlungsstellen erlauben auch 20 Pulse pro Sekunde.

Nationale Besonderheiten

Die Ziffern auf der Wählscheibe sind in fast allen Ländern entgegen dem Uhrzeigersinn angeordnet: 1, 2, 3, 4, 5 ,6, 7, 8, 9, 0. In Neuseeland ist die Reihenfolge umgekehrt. In Schweden steht die Null an erster Stelle, gefolgt von 1 bis 9.

In Österreich wurden bereits in der Zwischenkriegszeit auf der Wählscheibe selbst zu jeder Ziffer entsprechend auch ein Buchstabe aufgedruckt. So konnte man bereits Kombinationen zwischen Ziffern und den ersten zehn Buchstaben als Telefonnummer wählen. Man könnte es als Vorgänger einer Vanity-Rufnummer bezeichnen.

In Australien beträgt das Impulsverhältnis - also das Verhältnis von Öffnen zu Schließen - 2 : 1. In den meisten Ländern ist das Impulsverhältnis des n s i-Kontaktes aber im Verhältnis 1,6 : 1 genormt.

Bedingt durch die früheren unterschiedlichen Normierungen der einzelnen nationalen Aufsichtsbehörden für Fernmeldetechnik weicht dieses Verhältnis bei Nummernschaltern jedoch von einander ab. Die Funktionsfähigkeit eines im Ausland gefertigten Nummernschalters ist trotz dieser Abweichungen dennoch in de Regel auch in einem anderen Land gegeben. Nur wurden die Zulassungsbedingungen des entsprechenden Landes nicht erfüllt, was einen offiziellen Einsatz dieses Bauteils in anderen Ländern verhinderte.

Sonstiges

Um auf einfache Weise abgehende Gespräche zu verhindern, wurden gelegentlich kleine Schlösser in die Fingerlochscheibe eingesteckt, wobei die Ziffern einer Notrufnummer noch erreichbar blieben. Einen wirksamen Schutz stellte diese Maßnahme allerdings nicht dar, da ein versierter Benutzer die Nummernschalterfunktion durch geschicktes Betätigen des Gabelumschalters nachbilden konnte.

Siehe auch

Literatur

  • Kaszynski/Schönhoff: Fernsprechendgeräte. Verlag Technik GmbH, Berlin 1991, ISBN 3-341-00822-5
  • Günther Mergelsberg: Das Telefon und seine Entwicklung. 2 Bde., Sammler- und Interessengemeinschaft für das historische Fernmeldewesen e.V., 1996, Bad Homburg.

Weblinks

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