Pecherei

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. März 2004 um 08:54 Uhr durch El (Diskussion | Beiträge) (Änderungen von Wiska Bodo rückgängig gemacht und letzte Version von Srbauer wiederhergestellt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Pecher bei der Arbeit

Pecherei ist der im südlichen Niederösterreich gebräuchliche Ausdruck für die Harzgewinnung aus Schwarzföhren. Die Pecherei diente der Gewinnung von Baumharz (auch "Pech" genannt) das in weiterer Folge zu einer Reihe chemischer Produkte verarbeitet wurde. Denjenigen, der die Pecherei ausübt, bezeichnet man als "Pecher".

Der wichtigste Nutzungsbaum für die Pecherei war die Kiefer oder Schwarzföhre (pinus nigra), die von allen europäischen Nadelhölzern der harzreichste Baum ist und schon von den Römern zur Harzgewinnung verwendet wurde. Mit 90 bis 120 Jahren befand sich eine Föhre im günstigsten Alter zur Harzgewinnung. In Niederösterreich ist die österreichische Schwarzföhre (pinus nigra austriaca) der vorherrschende Baum, dessen Harz besonders hochwertig war und das österreichische Pech zum besten der Welt machte.

Geschichte

Im südlichen Niederösterreich (Industrieviertel, Wienerwald) wurde die Pecherei vermutlich seit dem 17. Jahrhundert betrieben. Eine Urkunde aus dem Jahr 1830 beschreibt dies so:

"Die Einwohner treiben den Feldbau und besitzen unweit des Dorfes im Gebirge ihre Waldungen, woraus sie Holz und Pech verkaufen."

Für die bäuerlichen Familien in diesem Landstrich bildete die Harzgewinnung eine wichtige Einnahmequelle. Ab den 1960er Jahren kam dieses Gewerbe jedoch langsam zum Erliegen. Grund dafür waren vor allem Billigimporte aus den ehemaligen Ostblockländern sowie aus der Türkei, aus Griechenland und aus Portugal. Hinzu kamen noch Fortschritte in der technischen Chemie, die das Harz als Rohstoff in vielen Bereichen überflüssig machten.

Rohstoffe und Verarbeitung

Das Rohharz

Das Rohharz ist hellgelb, reich an organischen Kohlenwasserstoffen, arm an Sauerstoff und stickstofffrei. Es besteht aus einem Gemisch von vorwiegend aromatischen Stoffen mit Säureeigenschaften. Seinen aromatisch-würzigen Geruch verdankt das Pech den in ihm reichlich enthaltenen ätherischen Ölen.

Der Harzfluss ist je nach Jahreszeit und Witterung unterschiedlich, Wärme und Feuchtigkeit wirken sich günstig aus. Pro Stamm und Jahr konnten 3 bis 4 kg Pech gewonnen werden.

Damit ein Pecher mit seiner Familie bescheiden leben konnte, musste er 2500 bis 3000 Bäume harzen. Sein Arbeitstag begann meist noch vor dem Sonnenaufgang mit den Marsch zum Arbeitsplatz in den Föhrenwald und dauerte oft zehn bis zwölf Stunden.

Verarbeitung und Verwendung

Die aus dem Harzbalsam im Dampfdestillationsverfahren hergestellten Produkte, das Terpentinöl und Kolophonium, wurden vorwiegend in der Papier-, Lack-, Seifen-, Kabel- und Schuhcremeindustrie verwendet.

1 Rowisch, 2 Schartenhobel, 3 Schrott- oder Mondhackl, 4 Anzeschhacke, 5 Rintler, 6 Fürhackdexel, 7 Fürhackhacke, 8 Anschlaghammer, 9 Pechnagel, 10 Anschlageisen, 11 Plätzdexel, 12 Hobel, 13 Ritzer, 14 Pechkrickel, 15 Pechscherreisen

Die Jahresarbeit des Pechers

Das Arbeitsjahr des Pechers gliederte sich in die Winter-, Frühlings-, Sommer- und Herbstarbeit. Wichtigste Arbeiten im Winter waren das Vorbereiten der Geräte und das Anfertigen der Pechscharten mit dem Schartenhobel.

Besonders aufwendig waren die Arbeiten im Frühjahr. Je nach verwendeter Methode unterschieden sich dabei die einzelnen Arbeitsschritte:

Grandl- oder Schrottmethode

Zu Beginn der Pecherei sammelte man das Harz am unteren Stammende in einfachen, mit Lehm ausgeschmierten Erdgruben. Wegen der dadurch verursachten Verschmutzung des Harzes entwickelte man die Grandl- oder Schrottmethode. Dazu arbeitete der Pecher für die Harzaufnahme in Bodennähe mit der Hacke eine Ausnehmung aus dem Holz heraus (das "Grandl" oder "Schrott"). Da der neue Harzbehälter glatt und sauber sein musste, wurde das Grandl mit einer schmäleren Hacke mit abgerundeter Schneide, dem Mond- oder Schrotthackl (3), geglättet. Mit einem zugespitzten Holzstück, dem Rowisch (1), wurden die Holzspäne aus dem Inneren entfernt. Gleichzeitig diente der Rowisch als Zählstab: Nach jedem neu angefertigten Schrott schnitt der Pecher eine Kerbe in den Rowisch. So kannte er immer die Anzahl der fertigen Bäume.

Mit dem Dexel, der später auch das Zunftzeichen der Pecherei wurde, und der Hacke (7) entfernte der Pecher anschließend die Rinde vom Baumstamm. Um nun den Harzfluss in den Sammelbehälter leiten zu können, mussten Pechscharten quer über den Stamm angelegt werden.

In regelmäßigen Abständen (etwa alle zwei Wochen drei Mal) folgte vom Frühjahr bis zum Frühherbst das Plätzen als älteste Arbeitsmethode. Dabei schlug der Pecher mit dem Plätzdexel (11) stückweise die Rinde bis zum Stamm herunter, sodass die Lachte immer größer wurde und der Harzfluss aufrecht blieb.

Ein Grandl oder Schrott nahm je nach Größe zwischen 0,25 und 0,35 kg Pech auf. Ein auf diese Weise bearbeiteter Baum konnte 12 bis 18 Jahre lang Pech liefern.

Zeschen und Plätzen

In der Zwischenkriegszeit begann die Umstellung von der Grandl- auf die Zapfbechermethode, bei der Pechhäferl verwendet wurden. Dazu mussten neue Pechbäume, die "Heurigen" vom Boden weg mit der Hacke abgerichtet werden. Bei diesem Vorgang, dem Zeschen, wurde zuerst mit der Anzeschhacke (4) und dann mit dem Rintler (5) die Rinde von etwa einem Drittel des Stammumfanges entfernt, sodass eine V-förmige Abgrenzung entstand.

Anschließend musste der Pecher mit dem Fürhackdexel (6) oder mit der Anzeschhacke jeweils an der rechten Seite des Baumstamms eine Nut zur Aufnahme der Pechscharten, die Laß, hacken und die Pechscharten einziehen. Knapp unterhalb der engsten Stelle wurde mit dem Fürhackdexel ein Schnabel zur Aufnahme des Pechhäferls herausgehackt, eine Pechnagellänge darunter ein Pechnagel (9) eingeschlagen und zum Schluss das Pechhäferl mit dem Deckel aufgesetzt. Damit war der Baum zur Harzgewinnung fertig vorbereitet und musste, wie oben beschrieben, in regelmäßigen Abständen geplätzt werden.

Die bereits mehrere Jahre gepechten Bäume wurden auf ähnliche Weise bearbeitet. Beim "Fürhacken" nahm der Pecher seine Arbeitsgeräte, die Pechscharten, den Pechnagel und die Pechhäferl beim Hinaufklettern auf die Leiter mit. Nach dem Entfernen der Rinde mit dem Rintler (5), dem Aufhacken (entfernen des verkernten Teils an den Lachterändern), dem Laßhacken und dem Einsetzen der Pechscharten folgte statt des Schlagens des Schnabels mit dem Fürhackdexel das Anschlagen mit dem Anschlageisen (10) und -hammer (11).

Ritzen

Wie bei allen Bearbeitungsmethoden musste beim Rillenschnitt, dem Ritzen, vorher mit dem Rintler (5) der obere Teil der Baumrinde entfernt werden. Anschließend nahm der Pecher mit dem Ritzer (13) eine mehrere Millimeter dicke Rindenschicht ab. Wichtig war dabei eine genaue Schnittführung. Bei diesem Hobelverfahren entstanden keine zusammenhängende Flächen, sondern v-förmige Rillen im Stamm. Dadurch ersparte sich der Pecher das Einsetzen der Pechscharten, da das Harz durch die Rillen ins Pechhäferl fließen konnte.

Obwohl bei der Ritzmethode durch den Wegfall des Fürhackens eine Arbeits- und Zeitersparnis entstand, wurde sie im südlichen Niederösterreich nur vereinzelt angewendet, da der Ertrag bis zu 50% geringer war, als bei den beiden anderen Harzgewinnungsverfahren, dem Plätzen und Hobeln. Das Hauptproblem beim Ritzverfahren lag aber in der Verstopfung der Rillen mit Harz. Deshalb kehrten die meisten Pecher wieder zum Hobelschnitt zurück. Der Rillenschnitt wurde vorwiegend bei der Harznutzung der Weißkiefer angewendet.

Zeschen und Hobeln

Da das Plätzen sehr anstrengend war, entwickelten die Pecher die neue Arbeitsmethode des Hobelns. Das war nicht nur weniger anstrengend, sondern erforderte auch einen geringeren Zeitaufwand.

Das Arbeitsverfahren für neue und bereits mehrere Jahre bearbeitete Pechbäume blieb wie bereits oben beschrieben gleich, nur wurde anstelle des Plätzens eben das Hobeln angewendet. Mit dem Hobel (12) schnitt der Pecher mit einem einzigen Schnitt einen breiten, flachen Span vom Stamm. Beim Plätzen konnte dies erst mit vielen Schlägen des Dexels erreicht werden. Auf diese Weise brauchte er nur etwa ein Sechstel der Zeit, die er für das Dexeln benötigt hatte.

Nicht nur bei neu angelegten Pechbäumen (Heurigen), sondern auch bei bereits seit mehreren Jahren bearbeiteten Föhren wurde das Hobeln praktiziert und zwar wie beim Plätzen insgesamt drei Mal innerhalb von zwei Wochen, wobei der Pecher meist in der ersten Woche ein Mal und in der zweiten Woche zwei Mal aufhobelte. Das wiederholte sich solange, bis das Häferl voll war (etwa sechs bis acht Mal) und begann anschließend wieder von vorne.

Pechbaum: 1 Rinde, 2 Lachte, 3 Pechscharten, 4 Laß, 5 Leben, 6 Schnabel, 7 Pechhäferl, 8 Nagel

Die Harzernte

Bei der Harzernte, dem "Ausfassen" (je nach Witterung drei- bis viermal jährlich von Frühjahr bis Herbst), halfen meist die Familie und Verwandte mit. Dabei wurde der Inhalt des Pechhäferls (rund 0,75 bis 1 kg mit dem Pechlöffel in das Pechpittel (es fasste zwischen 25 und 30 Pechhäferl Harz) geleert und dieses wiederrum in das Pechfass gegeben. Das so genannte "Pechscherrn" bildete im Herbst die letzte Arbeit des Pechers. Dabei musste mit dem Pechscherreisen (15) das festgewordene Harz von der Lachte entfernt werden. Mit dem Pechkrickel kratzte der Pecher das starre Harz am Schartenrand und an der Laß ab und nahm die Pechscharten heraus (diese konnten bis zu zehn Jahre lang verwendet werden). Das in einem Schurz, dem Scherrpechpfiata, aufgefangene Harz leerte er in das nach oben offene Scherrpechfass und trat es mit dem Füßen fest. Dieses Scherrpech war von schlechterer Qualität als das Häferlpech und erzielte deshalb auch nur einen geringeren Preis.

Weitere Werkzeuge und Einrichtungen

Die Leiter

Ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Bearbeitung von bereits mehrere Jahre gepechten Bäumen war die Leiter. Sie wurde aus zwei dünnen, langen Föhrenbäumchen, die als Holme dienten, und zähem Hartriegelholz für die Sprossen angefertigt. Bis zu 22 Leitersprossen, das entspricht einer Höhe von 6 m, ist ein Berufspecher mehrere hundert Male am Tag hinauf gestiegen, hat den Stamm bearbeitet und ist dann mit den an den Oberschenkeln und Knien befestigten Rutschflecken aus Leder hinuntergerutscht.

Die Pecherhütte

Nach alter Gepflogenheit wurde mitten im Wald eine Pecherhütte aus Holz errichtet. Sie war ähnlich einer Holzhackerhütte und diente vor allem als Schutz und Zuflucht bei Schlechtwetter. Innen stand meist ein grob gezimmerter Tisch und eine Bank. Hier nahm der Pecher auch gelegentlich sein Essen ein. Ab und zu war auch ein Ofen aufgestellt. Fast immer ging der Pecher täglich nach Hause, nur in Ausnahmefällen nächtigte er in der Hütte. Damit die zur Bearbeitung der verschieden hohen Bäumen benötigten Leitern nicht immer nach Hause mitgenommen werden mussten, wurde ein Leiterplatz errichtet.

Pechfässer

Für die Harzernte, das Ausfassen, wurden (Rinn-)Pechfässer aus Hartholz (später Eisen- und zuletzt Plastikfässer) im Waldboden bis zur Hälfte eingegraben und blieben bis zum Abtransport in den Pechverarbeitungsbetrieb im Wald. Ein volles Holzfass wog zwischen 130 und 160 kg, ein Eisenfass zwischen 180 und 200 kg.

Die Wassergrube

Um die mitgebrachte Jause besonders im Sommer kühl zu halten, baute der Pecher an einem schattigen Platz eine Wassergrube. Dazu hob er das Erdreich ab, stellte Seitenwände mit Steinen auf, setzte ebenfalls aus einem Stein einen Deckel auf und bestreute zum Abschluss die kleine Grube mit Reisig.

Literatur

  • Helene Grimm: Die Pecher. Manutiuspresse Wulf Stratowa Verlag, Wien-München 1960 (weitgehend vergriffen, allenfalls antiquarisch erhältlich)
  • Heinz Cibulka - Wieland Schmied: Im Pechwald. Edition Hentrich Berlin, Wien-Berlin 1986, ISBN 3-926175-13-3

Weblinks