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Schwangerschaftsabbruch

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Bei einem Schwangerschaftsabbruch, auch Abtreibung oder in der Medizin Interruptio (lateinisch Unterbrechung) genannt, wird der Fruchtsack oder sofern bereits ausgebildet, der Embryo respektive der Fötus aus der Gebärmutter abgesaugt oder durch Zusammenziehen der Gebärmutter ausgestoßen - im Gegensatz zum Abort, der als übergeordneter Begriff auch einen Spontanabort ohne bewusste Handlung bedeuten kann.

In der Medizin wird eine Schwangerschaft grundsätzlich vom 1. Tag der letzten Regelblutung an gezählt, da die meisten Frauen diesen Tag in Erinnerung haben. Die Befruchtung findet zwar erst etwa 2 Wochen später statt, wird jedoch nicht wahrgenommen. In manchen Gesetzen bezieht sich die Frist jedoch auf die Befruchtung (z.B. Deutschland). Hier sind somit 2 Wochen dazuzurechnen, um zu der in der Medizin üblichen Berechnung zu kommen.

In nahezu allen Kulturen besteht ein großer Dissens bezüglich der Beurteilung der Abtreibung, der sich zumeist um die Frage dreht, ob bzw. ab wann der Embryo ein eigenes Lebensrecht besitzt, und wie sich dies auf die Entscheidungsfreiheit der Schwangeren auswirkt.

Medizinische Aspekte

Mit Embryo (griechisch für „ungeborenes Lebewesen“) bezeichnet man die Frucht ab Empfängnis/Zeugung. Ab dem dritten Monat spricht man auch vom Fötus (lateinisch für „ungeborenes Kind“).

Bis zur Nidation (Einnistung des Embryos in der Gebärmutter) ca. 14 Tage nach der Zeugung spricht man in der medizinischen Wissenschaft nicht von Abtreibung.

Von Spätabtreibung spricht man bei einem Abbruch nach der 12. Woche. Dabei handelt es sich fast immer um medizinisch notwendige Eingriffe.

Methoden des Schwangerschaftsabbruches

Absaugmethode/Vakuumaspiration (chirurgisch)

In örtlicher Betäubung oder in Vollnarkose wird zunächst der Muttermund mit speziellen Stiften aus Metall oder Plastik aufgedehnt. Danach wird ein Saugröhrchen (Durchmesser ca. 6-10 mm) in den Uterus eingeführt und der Inhalt der Gebärmutter abgesaugt. Dies ist die in Deutschland häufigste Methode (ca. 80 %) und wird meist zwischen der 6.-10. Woche durchgeführt. Diese Methode kann aber bis zur 14. Woche, gerechnet ab dem 1. Tag der letzten Regelblutung angewendet werden.

Ausschabung/Curettage (chirurgisch)

Nach der Aufdehnung des Muttermundes mit Hilfe von Hegarstiften erfolgt die Ausschabung der Gebärmutter mit einer sogenannten Curette (ein löffelartiges Instrument), womit der Fruchtsack mit dem Embryo und die Gebärmutterschleimhaut entfernt werden. Eine Curettage wird auch aus anderen Gründen bei Frauen durchgeführt, die nicht schwanger sind. Diese früher gebräuchliche Methode ist durch die Absaugung abgelöst worden und wird nur noch selten durchgeführt (vgl. u.a. [1]).

Medikamentöser Abbruch

Datei:Mifepristone.gif

Molekulare Struktur des Schwangerschaftsabbruchmittels Mifepriston

Mifepriston, die früher auch als RU-486 bezeichnete und heute unter dem Handelsnamen Mifegyne erhältliche so genannte „Abtreibungspille“, blockiert die Wirkung des Gelbkörperhormons (Progesteron). Dies führt dazu, dass sich der Muttermund öffnet und die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut mitsamt dem eingenisteten Fruchtsack und sofern vorhanden, dem Fötus eingeleitet wird. (Ein Fötus ist erst ab 6 1/2 Wochen vorhanden, die meisten medikamentösen Abbrüche werden jedoch vorher durchgeführt.) Zwei Tage später nimmt die Frau zwei Tabletten eines Prostaglandins (Misoprostol, Handelsname Cytotec), die dazu führen, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht und den Fruchtsack, den Fetus sowie die Gebärmutterschleimhaut ausstößt. Der Vorgang ähnelt einem Spontanabort, bzw. einer stärkeren Regelblutung. Diese Methode wird in den meisten europäischen Ländern und den USA bis zur siebten Woche (nach dem 1. Tag der letzten Periode) eingesetzt, in England, Schweden und Norwegen bis zur 9. Woche. 7 % der Abtreibungen in Deutschland werden mit Hilfe dieses Präparates durchgeführt. In der Schweiz und Schweden sind es etwa 50%.

Spätabbruch

Bei Abbrüchen aus gesundheitlichen Gründen (medizinische Indikation), nach der 12. Woche, ist die Kombination von Mifegyne gefolgt von einem Prostaglandin inzwischen die Standardmethode, da sie weniger Risiken und Schmerzen als andere früher gebräuchliche Methoden hat. Trotzdem wird ein Abbruch nach der 12. Woche wegen möglicher Komplikationen nur in Krankenhäusern durchgeführt. Ein Spätabbruch ist nur erlaubt, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, z.B. eine Gefährdung der gegenwärtigen oder zukünftigen körperlichen oder psychischen Gesundheit der Mutter (mütterliche Indikation) oder eine bestimmte in der Regel schwer wiegende Fehlbildung oder Behinderung des Fötus (embryopathische Indikation), z.B. wenn dieses nach einer Geburt nicht überlebensfähig wäre. Die Unterscheidung der letzteren Indikation wurde in Deutschland abgeschafft, ist in anderen Ländern jedoch nach wie vor in Kraft. Ein Spätabbruch wegen schweren Fehlbildungen wird in Deutschland nunmehr als medizinische Indikation definiert. In Deutschland werden jedes Jahr etwas mehr als 3.000 Spätabbrüche durchgeführt, das sind etwa 2,5% aller Abbrüche (Statistisches Bundesamt: [2] Nach der 22. Schwangerschaftswoche kann es vorkommen, dass Föten Abtreibungen mit dieser Methode überleben, meist jedoch mit schweren oder sehr schweren Behinderungen. Das in Deutschland bekannteste Beispiel ist das „Oldenburger Baby“ Tim. Um Lebendgeburten zu vermeiden, wird deshalb bei möglicherweise gegebener Lebensfähigkeit des Fötus dieser meist durch eine Kaliumchlorid-Injektion, die einen Herzstillstand auslöst, vor der Geburt getötet. Zum einen wird ihm dadurch das qualvolle Sterben nach der Geburt an Unreife oder den Folgen seiner Behinderung erspart. Zum anderen verhindert dies die Anwendung von lebensverlängernden Intensivmaßnahmen nach der Geburt. Nach dem Gesetz ist jeder Arzt verpflichtet, diese Maßnahmen sofort einzuleiten, unabhängig von dem Hintergrund der konkreten Situation. Eine Lebensverlängerung nach einer vorzeitig eingeleiteten Geburt wäre jedoch widersinnig, da die Entscheidung zum Spätabbruch ja gefällt wurde, um die weitere Entwicklung des Fötus zu beenden und so die Geburt eines schwer behinderten oder nicht lange lebensfähigen Kindes zu verhindern.

Spätabtreibung durch die Prostaglandin-Hormon-Methode

Veraltete Methode, die kaum noch angewendet wird: Die alleinige Gabe des Hormons Prostaglandin löst Wehen und damit eine Geburt aus. Häufig ist jedoch der Muttermund noch geschlossen und wird erst durch die Wehen langsam geöffnet. Deshalb ist diese Methode sehr schmerzhaft und langwierig. Durch die vorherige Gabe von Mifegyne ist der Vorgang schneller, schmerzärmer und schonender. Deshalb werden Prostaglandine nur noch in Kombination mit Mifegyne®/Mifepriston angewendet.

Instillation/Salzlösung

Eine heute nicht mehr praktizierte Form der Abtreibung aus der Zeit vor der Verfügbarkeit von Prostaglandinen und Mifepriston.

Nidationshemmung

Teilweise wurden auch so genannte Nidationshemmer als Frühabtreibungsmittel bezeichnet. Diese verhindern eine Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter. Dazu zählten die vor mehr als zwanzig Jahren verwendeten Spiralen, die damals noch kein Kupfer oder Hormon enthielten. Die geringe Menge Kupfer in den heute gebräuchlichen Spiralen machen die Spermien befruchtungsunfähig, weshalb zum Beispiel auch Eileiterschwangerschaften bei Frauen mit Spirale sehr selten sind.

Die so genannte „Pille danach“ verhindert oder verzögert nach neueren Erkenntnissen bei Anwendung in der entsprechenden Zyklusphase den Eisprung, ist also ein Ovulationshemmer. Sobald der Eisprung stattgefunden hat, ist die "Pille danach" wirkungslos. Zuvor vermutete man, dass sie auch als Nidationshemmer wirkt.

Der Straftatbestand Abtreibung bezieht sich in den meisten Ländern nur auf den Embryo nach Nidation, so dass Nidationshemmer juristisch gesehen keine Abtreibungsmittel sind. Aus ethischer Sicht werden sie allerdings häufig als solche betrachtet, da sie ein bereits entstandenes "menschliches Leben" daran hindern, sich weiter zu entwickeln.

Risiken

Körperliche Risiken

Wenn der Abbruch unter guten klinischen Bedingungen durchgeführt wird, gibt es nur sehr selten Komplikationen, etwa stärkere Blutungen oder Entzündungen. Das gesamte Gesundheitsrisiko (körperlich) einer Schwangerschaft übersteigt das eines fachgerecht durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs. Ernste körperliche Komplikationen treten mit einer Häufigkeit unter 1% auf, die Häufigkeit variiert nach der gewählten Methode. Mehrfach wurde – vor allem von Abtreibungsgegnern – behauptet, Abtreibungen würden das Brustkrebs-Risiko erhöhen. Eine Studie, die in der renommierten englischen Fachzeitschrift The Lancet 2004 veröffentlicht wurde, konnte jedoch keinen Zusammenhang der Häufigkeit des Auftretens von Brustkrebs mit vorausgegangenen Schwangerschaftsabbrüchen belegen. Eine Studie aus Schottland kam zum gleichen Befund (Brewster D.H. et al. J Epidemiol Community Health 2005;59:283-87) Ein komplikationsloser Abbruch hinterlässt keine Spuren, ist später von niemandem mehr nachweisbar und hat keine negativen Auswirkungen auf irgendeine Körperfunktion, insbesondere nicht auf die Fruchtbarkeit. Bereits nach 2-3 Wochen kommt es zum nächsten Eisprung und die Frau kann wieder schwanger werden.

In Länder und Kulturen, in denen Abbrüche illegal sind, werden sie häufig von unqualifizierten Menschen – sogenannten Engelmacherinnen – durchgeführt und führen daher regelmäßig zu Komplikationen, mitunter auch lebensbedrohlichen.

Psychische Risiken

Die Entscheidung für einen Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft ist für die meisten Frauen mit Gewissenskonflikten unterschiedlichen Ausmaßes verbunden. Nach dem Abbruch berichten die meisten Frauen über ein Gefühl der Erleichterung. Allerdings bestehen neben Trauer gelegentlich auch Schuldgefühle. Andere psychische Folgen, bezeichnet als Post-Abortion Syndrome (PAS), infolge einer Abtreibung sind Teil der Abtreibungsdebatte und werden kontrovers diskutiert.

Religiöse und philosophische Standpunkte zur Abtreibungsfrage

Atheismus

Häufig werden nur religiöse Standpunkte zur Abtreibung diskutiert und nichtreligiöse Standpunkte übersehen. Atheistische Vertreter kommen zu sehr unterschiedlichen Bewertungen der Abtreibung und „Kindstötung“. Mit anderen Denkern besteht grundlegende Einigkeit nur darin, dass ein Mensch nicht getötet werden darf. Fraglich ist allerdings, ab wann von einem Menschen die Rede sein kann. Extreme atheistische Standpunkte gehen davon aus, dass dies erst mit der Entstehung des individuellen Selbstbewusstseins der Fall ist. Dies tritt aber erst mit ca. 2-3 Jahren ein. Andere setzen den Zeitpunkt früher an, nämlich mit der Entstehung der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit. Insoweit wird die Auffassung vom Eintritt des Todes beim Menschen (keine Hirnströme mehr messbar) logisch konsequent auf seine Entstehung übertragen. Die entsprechende Hirnentwicklung setzt aber erst zwischen der 20. und 40. Schwangerschaftswoche ein. Diese Herangehensweise wird auch von den Resultaten der modernen medizinischen Forschung unterstützt. „Vor der 26. Woche ist die Hirnrinde nicht funktionsfähig. Deshalb ist es auf jeden Fall unzutreffend, von einer ‚Wahrnehmung‘ oder einer ‚bewussten Reaktion‘ des Fötus zu sprechen“ (Maria Fitzgerald, Prof. für Neurobiologie, London). Ein atheistischer Standpunkt kann es aber auch sein, die Entstehung des Menschen mit seiner Zeugung gleichzusetzen. Dies kann unter anderem damit argumentiert werden, dass der genetische Code der befruchteten Eizelle sich von dem der Körperzellen des Vaters und der Mutter unterscheidet, also individuell ist, so dass es sich bei der befruchteten Eizelle nicht um einen Teil des Körpers der Frau handele. Zudem ist der genetische Code der befruchteten Eizelle eindeutig der genetische Code eines Menschen. Ein Unterschied zu religiös fundierten Standpunkten ist, dass atheistische Vertreter weniger dazu tendieren, ihren besonderen Standpunkt zum moralischen und strafrechtlichen Maßstab aller Menschen zu machen, sondern eher bereit sind, es zu akzpektieren, wenn z. B. ein Katholik die Grenze aus religiösen Gründen für sich enger zieht. Nach der Meinung einiger Atheisten ist die strafrechtliche Relevanz der Abtreibung in ihrer heutigen Fassung ein Verstoß gegen das Grundgesetz, da bei der Bewertung dieser Sachverhalte einseitig die religiösen Standpunkte bevorzugt worden wären.

Naturreligionen

Eine allgemeine Aussage über die vielen teilweise sehr verschiedenen Naturreligionen ist insgesamt kaum möglich.

Vielerorts, insbesondere bei matrilinear lebenden Völkern, gilt die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch als alleinige Angelegenheit der Frau oder ihrer Sippe und die Kindesväter haben kein Mitspracherecht. In einigen an Seelenwanderung glaubenden Naturvölkern wird ein Schwangerschaftsabbruch nicht als Tötung angesehen, sondern als Angebot an das Kind, zu einem besser geeigneten Zeitpunkt wiederzukehren. Die Ureinwohner Australiens und andere Nomadenvölker setz(t)en Abtreibung gezielt zur Geburtenregelung ein.

Asiatische Religionen

In den Ländern des fernen Ostens war die Abtreibung bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Bewegungen des Kindes spürbar wurden (ungefähr ab dem 5. Monat), legal. In der Philosophie der Brahmanen hatte das Kind bis zu diesem Zeitpunkt keine Seele und konnte deshalb straflos zerstört werden. Sobald es sich jedoch selbständig bewegte, hatte es eine Seele, und eine Frau, die ihren Fötus dann noch abtrieb, musste wegen Kindesmord bestraft werden.

Altertum

Bei den Persern galt die Abtreibung als ein schlimmeres Verbrechen wie Ehebruch. Frauen die Kinder abtrieben, hielten damit ihrem König potentielle Soldaten vor. Aus denselben Gründen war Männern das Onanieren untersagt, weil dabei Samen verloren ging und keine Kinder zeugen konnte.

Abtreibung ist für die klassische Antike vielfach belegt. Im Corpus Hippocraticum wird die Anwendung eines Pessars verboten. Die Aussagen zur Abtreibung sind schwer zu deuten und einer der meistdiskutierten Punkte in der Geschichte der Medizin. In der Version, die heute noch bekannt ist, werden sowohl chirurgische als auch orale Abtreibungmethoden nicht ausgeschlossen. Dafür, daß Abtreibungen weder verboten noch verpönt waren spricht auch eine andere Stelle des Corpus, in dem einer Prostituierten geraten wird, solange auf und ab zu springen und mit den Hacken gegen das Gesäß zu schlagen, bis der Fötus abgestoßen wird.

Im attischen Recht gibt es nur eine Stelle mit Bezug zur Abtreibung. Dort wird einer Schwangeren eine Abtreibung untersagt, wenn ihr Mann während der Schwangerschaft verstirbt. Hier geht es jedoch nicht um moralische Probleme, sondern darum, daß somit ein Erbe geboren werden konnte, der dem Mann nachfolgte.

Die griechische Medizin unterscheidet auch zwischen Abtreibung und Verhütung. Außerdem gibt es Probleme mit der Terminologie. Möglicherweise sind medizinische Mittel, die kontrazeptiv eingesetzt wurden - um etwa Menstruationsblut auszutreiben - auch als Abtreibungsmittel verwendet worden, ohne daß die Abtreibung als solche benannt wurde. Das ist auch deshalb nicht mehr einfach zu deuten, weil der Prozeß der Zeugung anders als heute interpretiert wurde und eine Befruchtung noch nicht als der Beginn der Schwangerschaft, sondern als Teil eines längeren Prozeß interpretiert wurde. So konnte die Auslösung einer ausgebliebenen Menstruation auch eine Abtreibung gewesen sein, da eine beginnende Schwangerschaft nicht als solche betrachtet wurde.

Von Bedeutung war für die griechischen Ärzte auch der Grund einer Abtreibung. Laut Soranos gab es zwei Gruppen. Die erste legte den hippokratischen Eid in der Weise aus, daß Abtreibungen untersagt waren. Andere Ärzte hießen Abtreibungen aus therapeuthischen Gründen oftmals gut. Abtreibungen wegen sozialer und kosmetischer Gründe wurden jedoch meist abgelehnt.

Im römischen Recht der Republik und der frühen Kaiserzeit gab es kein Verbot der Abtreibung, da der Fötus nicht als unabhängiges Leben, sondern als Teil der Mutter angesehen wurde. Somit hatte ein ungeborenes Kind keinen Rechtsstatus. Unter Septimius Severus und Antoninus Pius wurde Abtreibung dann verfolgt und mit zeitweiser Verbannung bestraft, wenn die Frau eine Abtreibung ohne Erlaubnis ihres Mannes vornahm. Abtreibung war demnach sozial und rechtlich akzeptiert, wenn Vater oder Ehemann die Zustimmung gaben und die Frau die Abtreibung überlebte. Tat sie das nicht, war dies ein Strafdelikt, das auf den Trankverabreicher zurückfiel.

Das üblichste Abtreibungsmittel war die Gabe eines Abtreibungstrankes. Allerdings war die Gabe nicht ungefährlich, da sie zu Magenverstimmungen und Kopfbeschwerden führen konnten. Soranos rät, zunächst körperlich anstrengende Übungen und starke Massagen anzuwenden. Dazu sollte es Umschläge und Bäder geben. Schließlich folgte der Aderlaß und Schütteln. Wenn dann nichts anderes mehr hilft, sollten milde Zäpfchen eingesetzt werden. Spitze Gegenstände sollen wegen des damit verbundenen Risikos möglichst nicht eingesetzt werden. Dennoch gibt es schriftliche Zeugnis über die Verwendung während der gesamten römischen Kaiserzeit.

Judentum

Das antike Judentum trat gegen Kindstötung auf, wie zum Beispiel im Kult des Moloch praktiziert worden war, und lehnte auch Abtreibungen ab, es sei denn, das Leben der Mutter war durch die Schwangerschaft gefährdet. Beispielsweise verurteilte Philo von Alexandria (1. Jahrhundert) die Nichtjuden wegen der weit verbreiteten Praktiken von Abtreibung und Kindstötung.

Christentum

Antike

Bereits frühe christliche Quellen lehnen die Abtreibung ab. So sagt die Didache, einer der frühesten nicht-biblischen Texte, in Kapitel 2: „Du sollst nicht töten, ...du sollst kein Kind abtreiben, du sollst kein Neugeborenes töten.“ Auch der etwa gleichzeitige Clemens von Rom und spätere Kirchenväter (Basilius von Caesarea, Augustinus von Hippo, Johannes Chrysostomos) sprachen sich einhellig gegen die Abtreibung aus. Der christliche Barnabasbrief aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert fordert etwa: „Töte das Kind nicht durch Abtreibung, noch auch töte das Neugeborene!“. Dem schließt sich Tertullian in seiner „Aufforderung zur Keuschheit“ an und schreibt im 13. Kapitel: „Es ist uns ebensowenig erlaubt einen Menschen, der sich vor der Geburt befindet, zu töten als einen schon geborenen“. Minucius Felix schreibt in seinem Dialog Octavius, 30. Kapitel in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts: „nicht bei uns, [...] aber bei euch sehe ich, wie die neugeborenen Kinder ausgesetzt werden; dass manche Frauen durch eingenommene Arzneimittel den Keim künftiges Lebens vernichten und einen Kindesmord begehen.“. Ephräm der Syrer, †373, schreibt im zehnten Kapitel seiner Rede über den Jüngsten Tag: „die ihre Leibesfrucht vernichtet, [...] die ihr Kind zur Fehlgeburt gemacht, die wird am Jüngsten Tag durch dieses Kind selbst zur Fehlgeburt gemacht, und es entzieht ihr Leben und Licht des jenseitigen Lebens. [...] Das ist die Vergeltung für diejenigen, die ihren Kindern das Leben nehmen.“ Basilius von Caesarea verurteilt im Jahr 374 in seinem Brief an Amphilochius die Abtreibung: „Eine Frau, die absichtlich die Leibesfrucht abtreibt, macht sich eines Mordes schuldig. Eine spitzfindige Unterscheidung zwischen der Leibesfrucht vor und nach der Geburt gibt es nicht. [...] Die Frau gefährdet sich selbst und dazu kommt die Vernichtung des Embryos, der zweite, beabsichtigte Mord. - die Kirchenbuße soll nicht bis zum Tode ausgedehnt werden.“. Der Kirchenlehrer und Erzbischof von Ravenna Petrus Chrysologus, †450, hebt in einer Predigt (Sermo 72) die Gottesverwandtschaft des Menschen vor der Geburt hervor: „Ihr Glücklichen, [...] schon bevor euch eure Mutter sieht, hat der Vater im Himmel euch als Gotteskinder angenommen, in einer einzigartigen und dauernden verwandtschaftlichen Beziehung.“

Mittelalter

In der Katholischen Kirche des Mittelalters wurde die Abtreibung eines lebendigen Fötus als Mord verstanden (Todesstrafe und Exkommunikation), die Abtreibung eines nicht-belebten Fötus (bevor Kindsbewegungen spürbar waren) war ebenfalls Sünde, aber kein Mord (3 bis 14 Jahre Buße, je nach Fall). Diese Position galt gemeinhin auch im angelsächsischen Recht bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Neuzeit

In der Aufklärung kam von ärztlicher Seite die Erkenntnis, dass der Fötus von Anfang an menschliches Leben ist. Das führte Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa und in Amerika dazu, dass der Schwangerschaftsabbruch zur Straftat erklärt wurde. 1869 erließ Pius IX. ein generelles Abtreibungsverbot, und stellte fest, dass das Kind seine Seele bereits zum Zeitpunkt der Zeugung empfängt. In der "Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute" mit dem lateinischen Titel Gaudium et Spes hält das II. Vatikanische Konzil der katholischen Kirche fest: „Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen“ (Artikel 51). Und Papst Johannes Paul II. gibt die Lehre der Katholischen Kirche in dieser Frage in der Enzyklika Evangelium vitae (Nr. 62) mit folgenden Worten wieder: „Mit der Autorität, die Christus Petrus und seinen Nachfolgern übertragen hat, erkläre ich deshalb in Gemeinschaft mit den Bischöfen — die mehrfach die Abtreibung verurteilt und, obwohl sie über die Welt verstreut sind, bei der eingangs erwähnten Konsultation dieser Lehre einhellig zugestimmt haben — dass die direkte, das heißt als Ziel oder Mittel gewollte Abtreibung immer ein schweres sittliches Vergehen darstellt, nämlich die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen. Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche gelehrt.“ Nach Canon 1398 (CIC 1983) zieht sich der, der eine Abtreibung vornimmt, die Strafe der Exkommunikation zu. Nach der katholischen Morallehre ist Abtreibung Mord. Dies wird naturrechtlich begründet gilt daher als Norm für alle Menschen, nicht nur für Christen.

Die orthodoxe Kirche beruft sich auf die Kirchenväter und hat Abtreibung immer als Sünde gesehen. Auch namhafte evangelische Theologen (im 20. Jahrhundert z. B. Dietrich Bonhoeffer und Karl Barth) haben sich entschieden gegen die Tötung des ungeborenen Lebens ausgesprochen.

Islam

Zum Thema Abtreibung existieren im Islam verschiedene Haltungen. Generell wird die Tötung ungeborenen Lebens missbilligt. Der Koran untergliedert die Entwicklung im Mutterleib in drei Phasen. In überlieferten Aussprüchen des Propheten Mohammed ist davon die Rede, dass jede dieser drei Phasen 40 Tage dauern würde. Laut dieser Tradition empfängt der „Klumpen Fleisch“ am 120. Tag der Schwangerschaft die Seele, die ihm von einem Engel eingehaucht wird. Nach anderer Interpretation wird der Mensch bereits nach 40 Tagen beseelt. Nach Meinung einiger Gelehrter darf deshalb bei körperlichem oder seelischen Leiden der Mutter abgetrieben werden. In den letzten 20 Jahren wurden von manchen Gelehrten zudem auch die Abtreibung eines behinderten Embryo und eines Embryo, der aus einer Vergewaltigung entstand, unter bestimmten verfahrensrechtlichen Auflagen erlaubt. Andere Gelehrte stufen wiederum die Entfernung der Leibesfrucht ebenso als schwere Sünde ein, da die Frucht als Teil des weiblichen Körpers betrachtet wird und dieser Körper von Allah anvertraut wurde und damit unantastbar ist. Nach dem 120. Tag ist Abtreibung verboten, ausgenommen die Geburt gefährdet mit Sicherheit das Leben der Mutter.


Frauenbewegung

In der Frauenbewegung war die Abtreibung seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Thema. Während Feministinnen der Frühzeit eher zur Ablehnung der Abtreibung tendierten, setzte sich vor allem ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die Forderung mit dem Argument der „Selbstbestimmung der Frau“ durch („ob Kinder oder keine, bestimmen wir alleine“; „mein Bauch gehört mir“). So setzte sich die Frauenbewegung politisch für die Straffreiheit der Abtreibung, teilweise auch für ein Recht dazu, ein. Gräfin Bülow von Dennewitz aus Dresden war Vorkämpferin des Rechtes auf „Geburtenregelung“. Nach der Einführung der Antibabypille Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Diskussionen auch innerhalb der Frauenbewegung sehr kontrovers geführt, da nun im Gegensatz zu vorher einigermaßen sichere Verhütungsmittel zur Verfügung standen.

Linke Politiker und Ärzte wie der Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf (Theaterstück „Cyankali“) unterstützten diese Forderung aus sozialistischen Gründen. In der DDR bestand seit 1972 die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs bis zur 12. Woche. In der Bundesrepublik Deutschland wurde heftig darum gekämpft, besonders die Anzeigenkampagne nach französischem Vorbild, bei der sich hunderte von Frauen „outeten“, trieb die Diskussion voran.

Die Entwicklung des deutschen Abtreibungsrechts

  • 507: In der Lex Salica heißt es: Wer ein Kind im Mutterleibe getötet hat, oder bevor es einen Namen erhalten hat, und dessen überführt worden ist, werde um 4000 Denare, das sind 100 Schillinge, gebüßt.
  • 1532: Der Begriff „Abtreibung“ taucht zum ersten Mal in der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl des V. auf. Strafe für die Abtreibung: Folter durch den „glühenden Zangenriss“ und Tod durch das Schwert.
  • 1768: Unterzeichnung der „Constitutio criminalis“ von Kaiserin Maria Theresia. Strafe für die Abtreibung: Hinrichtung durch das Schwert. In der Folgezeit war auch das Auspeitschen lediger Ex-Schwangerer an der Tagesordnung.
  • 1794: Das „Allgemeine Preußische Landrecht“ setzt vorübergehend geringere Strafen fest.
  • 1813: im Strafgesetz für Bayern, das für Selbstabtreibung die Strafe von 4 bis 8 Jahren Arbeitshaus vorsieht, bei Fremdabtreibungen eine 16 bis 20jährige Zuchthausstrafe.
  • 1870: Das Preußische Strafgesetzbuch wird verabschiedet, das Abtreibungen per Gesetz verbietet.
  • 15. Mai 1871: Die Urfassung des § 218 des Strafgesetzbuches tritt in Kraft, in der eine Schwangere, „welche ihre Frucht abtreibt oder im Leib tötet“, mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren bestraft wird. Bei „mildernden Umständen“ konnte die Zuchthausstrafe in eine Gefängnisstrafe umgewandelt werden.
  • 1908: Die Frauenrechtlerin Camilla Jellinek fordert auf der Generalversammlung des Bundes deutscher Frauenvereine die Abschaffung von § 218. Nach einer äußerst heftig geführten Debatte folgt die Mehrheit Jellineks Vorschlag nicht.
  • 1909: Mehrere Entwürfe aus dem Reichstag sehen eine Änderung des § 218 mit dem Ziel der Strafmilderung vor.
  • 1920: Ein Antrag der SPD im Reichstag, den Schwangerschaftsabbruch in den ersten 3 Monaten straflos zu lassen, scheitert an den Mehrheitsverhältnissen im Reichstag.
  • 1926: Die Abtreibung wird vom Verbrechen zum Vergehen gemildert und nur noch mit Gefängnis bestraft.
  • 1927: Das Reichsgericht erkennt die medizinische Indikation des Schwangerschaftsabbruchs erstmals an (RGSt 61, 242). Argument: Wenn das Leben der Mutter durch das Embryo in Gefahr ist, dann liegt ein übergesetzlicher rechtfertigender Notstand vor, nach dem die Abtreibung gerechtfertigt ist. 1975 wurde diese Konstruktion in Gestalt des noch heute gültigen § 34 StGB positiviert.
  • 1935: Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses führt eine von der nationalsozialistischen Haltung zu Eugenik und Sterilisation motivierte Option auf Schwangerschaftsabbruch bei einer zu Sterilisierenden (Sechs-Monats-Fristenregelung) ein. Formale Bedingung für eine straffreie Abtreibung war unter anderem die „Einwilligung der Schwangeren“; in der Praxis dürften die Wünsche und Vorbehalte von als „minderwertig“ definierten Frauen allerdings oft missachtet worden sein.
  • 1943: Verschärfung der Strafe bei Abtreibung für den Fall, dass „die Lebenskraft des deutschen Volkes“ fortgesetzt beeinträchtigt wird. Die Todesstrafe für Abtreiber wird vorgesehen. Andererseits bleibt eine Abtreibung straflos, wenn sie die Fortpflanzung „minderwertiger Volksgruppen“ verhindert. Dies erlaubte in der Endphase des Krieges auch die legale Abtreibung für deutsche Frauen, die Opfer der Massenvergewaltigungen durch alliierte Soldaten geworden waren. (Siehe den Erlass des Reichsinnenministeriums des Inneren vom 14.03.1945 mit der Nummer "B b 1067/18,8,II")
  • 1945-1948: Durch Gesetze der Besatzungsmächte wird die NS-Strafrechtsnovelle aufgehoben. Die Abtreibung bleibt aber strafbar. In den Ländern der sowjetischen Besatzungszone werden zwischen 1945 und 1949 unterschiedliche Indikationenmodelle eingeführt, die jedoch nur bis 1950 gültig bleiben.
  • 1950: In der DDR wird mit dem „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ ein eher restriktives Indikationen-Modell zur bedingten Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs aus medizinischen und eugenischen Gründen eingeführt, das bis 1972 in Kraft bleibt. Mit der eugenischen Indikation, die über das parallele Abtreibungsrecht der Bundesrepublik deutlich hinausgeht, greift die DDR Weimarer Traditionen der Arbeiterbewegung auf, steht ungewollt aber auch in einer partiellen Kontinuität zur nationalsozialistischen Eugenik-Politik.
  • 4. August 1953: Abschaffung der Todesstrafe für Fremdabtreibung. (im Wortlaut des StGB; faktisch wurde jegliche Todesstrafe mit Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 abgeschafft)
  • Mitte der 60er Jahre: Die aufkommende „Frauenbewegung“ und die Emanzipationswelle fordern in vielen Demonstrationen („Mein Bauch gehört mir“) die Abschaffung des § 218 StGB. Es kommen mehrere Entwürfe zur Reform des Strafrechts in den Bundestag, die aber erst nach der Regierungsbildung unter Willy Brandt ab 1972 nach und nach beraten werden können.
  • 9. März 1972 DDR-„Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“: Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch, nach der Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate erlaubt ist. Zum ersten (und bis 1989 einzigen) Mal gibt es in der SED-gelenkten Volkskammer (religiös motivierte) Gegenstimmen aus der CDU-Fraktion der DDR.
  • 18. Juni 1974: Fristenlösung in der Bundesrepublik, die einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft straffrei lässt. Der Jubel darüber bekommt sofort vom Bundesverfassungsgericht, das von der CDU/CSU angerufen wird, einen Dämpfer:
  • 21. Juni 1974: einstweilige Anordnung, dass diese Fristenregelung in wesentlichen Teilen verfassungswidrig sei. Die Reform tritt somit nicht in Kraft.
  • 25. Februar 1975: Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die Fristenlösung wesentliche Teile des Grundgesetzes verletzen würde (BVerfGE 39, 1). Das Bundesverfassungsgericht sagte im Urteil: „Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung auch unter Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Abs. 1 GG, und hat auch Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau.“ Es wird eine so genannte Indikationslösung vorgeschlagen.
  • 18. Mai 1976: Neufassung des § 218 StGB tritt in Kraft und sieht grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe für denjenigen vor, der eine Schwangerschaft abbricht. In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren möglich. Begeht die Schwangere die Tat, so wird sie mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. In 4 Fällen (Indikationen) bleibt ein Schwangerschaftsabbruch aber straffrei: medizinische, kriminologische, eugenische und Notlagenindikation.
  • 3. Oktober 1990: alte Bundesländer: Indikationsregelung, neue Bundesländer: Fristenregelung (bisheriges DDR-Abtreibungsrecht).
  • 26. Juni 1992: Bundestag verabschiedet Schwangeren- und Familienhilfegesetz: Fristenregelung mit Beratungspflicht.
  • 4. August 1992: Einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (s.o.).
  • 5. August 1992: Schwangeren- und Familienhilfegesetz tritt teilweise in Kraft. Es treten nicht in Kraft: Art. 13 Nr. 1 (Änderung des Strafgesetzbuches) und Art. 16 (Aufhebung der auf dem Gebiet der ehemaligen DDR fortgeltenden Vorschriften).
  • 28. Mai 1993: Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Übergangsregelung für das gesamte Bundesgebiet ab 16. Juni 1993 (BVerfGE 88, 203).
  • 25. August 1995: Veröffentlichung des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes. Es tritt in wesentlichen Teilen am 1. Oktober 1995 in Kraft.

Rechtslage in Deutschland

Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland rechtswidrig, nach Vorlage:Zitat-dej des Strafgesetzbuches. Er ist jedoch straffrei, wenn er innerhalb von zwölf Wochen nach der Befruchtung (d.h. 14 Wochen gerechnet ab dem ersten Tag der letzten Regelblutung) durchgeführt wird und wenn vor dem Eingriff eine Schwangerschaftskonfliktberatung stattgefunden hat. Bis zur Geburt ist die Abtreibung rechtskonform, wenn Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Mutter besteht und dies nur durch eine Abtreibung verhindert werden kann (die so genannte medizinische Indikation, Vorlage:Zitat-dej Abs. 2). Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche ist eine Abtreibung auch dann rechtskonform, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung oder vergleichbaren Sexualstraftat ist (die so genannte kriminogene Indikation, § 218a Abs. 3). Das Gesetz regelt an dieser Stelle nicht konkret, wer für die Beurteilung in solchen Fällen zuständig ist; allerdings muss nach Vorlage:Zitat-dej Abs. 1 die Beurteilung einer medizinischen oder kriminogene Indikation durch einen unabhängigen Arzt erfolgen, der die Abtreibung nicht selbst vornimmt. Im Falle einer Abtreibung nach Beratung zwischen der 12. und 22. Woche bleibt die Mutter selbst straffrei, der Arzt handelt jedoch strafbar. Sollte das Kind die Abtreibung überleben, muss Erste Hilfe geleistet werden. Erleidet die Schwangere einen Hirntod und wird wie im Fall des Erlanger Babys künstlich am Leben erhalten, kann das Beenden der lebenserhaltenden Maßnahmen einen Schwangerschaftsabbruch durch Unterlassen darstellen. In der Rechtsprechung gibt es starke – häufig auch regionale – Unterschiede, die Verfolgung von Rechtsverstößen angeht.

Handlungen, deren Wirkung vor der Nidation einsetzt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begeht ein Täter keinen Schwangerschaftsabbruch, sondern ein Tötungsdelikt, sobald die Eröffnungswehen eingesetzt haben, da zu diesem Zeitpunkt „die Zäsur für den Beginn des menschlichen Lebens“ angenommen wird (BGHSt 32, 194).

Die seit Ende der 1960er einsetzende Bewegung der Liberalisierung des Abtreibungsrechts ist stets von scharfen Debatten und Protesten begleitet gewesen. Besonders viele Gegner findet die Abtreibung unter den Christen, Juden und Muslimen, hierbei ragen die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche sowie viele evangelikale Christen heraus.

Rechtslage in Österreich

Seit 1975 ist in Österreich ein von einem Arzt nach vorhergehender Beratung vorgenommener Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate straffrei. Ein späterer Schwangerschaftsabbruch ist straffrei, wenn die Schwangerschaft für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bedeutet (medizinische Indikation), wenn die Schwangere zum Zeitpunkt ihrer Schwängerung noch nicht 14 Jahre alt war, oder wenn das Kind schwer behindert geboren werden würde (eugenische Indikation).

Niemand ist verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder daran mitzuwirken, außer bei Lebensgefahr für die Schwangere. Niemand darf wegen Mitwirkung oder Verweigerung der Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch benachteiligt werden.

Rechtslage in der Schweiz

Seit dem 1. Oktober 2002 ist der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche auch in der Schweiz landesweit entkriminalisiert. Dies nach einer Volksabstimmung bei der die sogenannte Fristenlösung eine Zustimmung von 72,2 Prozent der Stimmbürger fand. Artikel 118 bis 120 des Strafgesetzbuches regeln den Schwangerschaftsabbruch. Bis zur 12. Schwangerschaftswoche wird die Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch der Frau überlassen und die Abtreibung ist in diesem Fall straffrei. Die Frau muss dabei schriftlich eine Notlage geltend machen. Zudem muss der Arzt oder Ärztin ein eingehendes Gespräch führen und die Frau beraten.

Abtreibung weltweit

Rechtliche Lage des Schwangerschaftsabbruchs weltweit

Nach Schätzungen der WHO sind weltweit etwa ein Drittel aller Schwangerschaften ungeplant und etwa ein Viertel aller schwangeren Frauen entscheiden sich zu einem Abbruch. Dies sind - hochgerechnet - jährlich etwa 46 Millionen Abtreibungen weltweit. Geschätzte 20 Millionen davon finden illegal und unter hygienisch prekären Bedingungen statt, was in 40 % dieser Fälle zu schweren medizinischen Komplikationen führt, im Gegensatz zu unter 1 % schweren Komplikationen bei unter medizinisch einwandfreien Bedingungen durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen (unter „schwerer medizinischer Komplikation“ werden hier jene Komplikationen verstanden, die Gesundheit oder Leben der Frau ernsthaft gefährden). Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da es sich - was die Situation in Ländern ohne legalisierte Abtreibung betrifft - um Hochrechnungen und Dunkelziffern handelt, da dort nur die Fälle statistisch erfasst werden, wo sich die Frau nach einer misslungenen Abtreibung in ärztliche Behandlung begeben muss oder stirbt. Nach Schätzung der WHO (2004) sterben jährlich etwa 70.000 Frauen infolge illegaler, durch unqualifiziertes Personal und/oder unter hygienisch prekären Bedingungen durchgeführten Abtreibungen. Die Legalität allein macht Abtreibungen nicht unbedingt ungefährlich. Viele Länder haben eine derart unzureichende medizinische Versorgung, dass ohnehin nicht genügend Ärzte vorhanden sind, die die Eingriffe vornehmen können. Aus diesem Grund hat Südafrika im November 2004 ein Gesetz erlassen, welches Krankenschwestern ohne medizinisches Studium die Durchführung von Abtreibungen erlaubt.

Viele Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens haben eine sehr restriktive Gesetzgebung in Sachen Abtreibung, was sich allerdings nicht in der Zahl der in diesen Staaten vorgenommenen Abtreibungen niederschlägt. Tendenziell wird in Ländern wie den Niederlanden und der Schweiz, wo legal abgetrieben werden kann und gleichzeitig Mittel zur Empfängnisverhütung leicht erhältlich und in den Schulen eingehende Sexualaufklärung stattfindet, eher weniger oft abgetrieben als in Ländern mit restriktiver Gesetzgebung, schlechtem Zugang zu Verhütungsmitteln und einer restriktiven Sexualpolitik oder -moral. Die Rechtslage hat insgesamt kaum Einfluss auf das Abtreibungsverhalten, sehr wohl aber Einfluss auf die Sterblichkeitsrate von Frauen in gebärfähigem Alter. In Rumänien beispielsweise stieg die Mortalität unter Frauen der fraglichen Alterskohorten nach einer Verschärfung der Abtreibungsgesetze 1966 so stark an, dass sie schließlich um einen Faktor 10 über der anderer europäischer Länder lag. Als die Gesetze 1989 wieder gelockert wurden, sank die Sterblichkeitsrate fast augenblicklich wieder auf das Vergleichsniveau.

In Kanada wurde das Verbot des Abbruchs vom Verfassungsgericht im Jahr 1988 ersatzlos gestrichen. Kanada ist somit eines der sehr wenigen Länder, in denen es kein Gesetz zum Abbruch gibt und lediglich die Betroffenen (die Frau und der ArztIn) das Vorgehen entscheiden.

Aus Indien und der Volksrepublik China wird von einer Zunahme der Zahl der Abtreibungen weiblicher Föten berichtet, die nach Untersuchung des Geschlechts durch Ultraschall durchgeführt werden.

Als Abtreibungsquote wird die Anzahl der Abtreibungen pro 1000 Frauen in einer territorialen Einheit pro Jahr bezeichnet. In Deutschland beträgt diese Quote 7.6, in Frankreich 16.2, und in Großbritannien 16.6. In Rumänien beträgt sie 51.6 und in Russland 54.2. Die niedrigste Abtreibungsquote Europas hat die Schweiz mit 6.8 (2003). Entgegen den Befürchtungen der Gegner der Fristenregelung stieg die Abtreibungsquote in der Schweiz infolge der Neuregelung von 2002 im Vergleich zu vorher somit nicht an.

Verwandte Themen

Schwangerschaft - Geburt - Empfängnisverhütung - Engelmacherinnen - Lebensrechtsbewegung - Bioethik - Fehlgeburt

Literatur

Zeitschriften

  • Zeitschrift für Lebensrecht. Juristen-Vereinigung Lebensrecht, Köln, 1. Jg. 1992.

Monographien

  • Alice Schwarzer,1971, Frauen gegen den § 218. Suhrkamp Verlag, Frankfurt.
  • Norbert Hoerster: Abtreibung im säkularen Staat. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-28529-7
  • Robert Jütte (Hrsg.): Geschichte der Abtreibung. Von der Antike bis zur Gegenwart. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37408-5
  • Bernadette Kurmann: Schwangerschaftsabbruch – In Verantwortung entscheiden. Frauen berichten aus ihrer Erfahrung. SVSS, Zollikofen 1998, ISBN 3-9521550-0-4
  • Dietmar Mieth: Schwangerschaftsabbruch. In: Johannes B. Bauer (Hrsg.): Die heißen Eisen in der Kirche. Styria-Verlag, Graz 1997, ISBN 3-222-12489-2, S. 249-261
  • Dietmar Mieth, Irene Mieth: Schwangerschaftsabbruch. Die Herausforderung und die Alternativen. Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-04016-6
  • Peter Singer: Praktische Ethik. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-008033-9, S. 177–224

Weblinks

Informationen zum Abbruch

Beratungsstellen (Pflichtberatung nur in Deutschland)

Weiterführende Informationen

Stellungnahmen für ein liberales Abtreibungsrecht

Stellungnahmen gegen ein liberales Abtreibungsrecht

Wiktionary: Schwangerschaftsabbruch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen