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JHWH

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JHWH (auch YHWH, ausgeschrieben meist Jahwe oder Jehova) ist der christlich-jüdische Gott. Er ist für gläubige Juden und Christen der einzige Gott der ganzen Welt, ihr Schöpfer, Retter, Richter und Erlöser. Dieser Gott ist für sie der gnädige Befreier und gerechte Bundespartner des erwählten Volkes Israel, wie ihn das 1. Gebot vorstellt (Ex 20,2):

Ich bin JHWH, dein Gott, der ich Dich aus der Knechtschaft in Ägypten herausgeführt habe. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

Für Christen ist JHWH als der exklusive Gott Israels zugleich der Vater Jesu Christi, der alle Völker durch das Sterben und Auferstehen seines Sohnes in seinen ewigen Bund einbeziehen will (Phil 2,9-11).

Das Tetragramm

Tetragrammaton (JHWH) in Phönizischer, Aramäischer und Hebräischer Schrift (von oben nach unten)

Der Eigenname Gottes wird im Tanach stets als Tetragramm (Vierfachzeichen) aus den hebräischen Konsonanten Jod (י), He (ה), Waw (ו), He (ה) dargestellt. Diese ergeben von rechts nach links das Wort יהוה („JHWH“). Dieses Wort erscheint dort nach der jüdischen Bibelenzyklopädie 6.823-mal, in der Biblia Hebraica Stuttgartensia 6.828-mal. Es ist darin der häufigste Eigenname.

Außerbiblisches Vorkommen

Im Tanach ist JHWH der exklusive Name des Gottes Israels. Das Wort findet sich aber auch in der altorientalischen Umwelt als Gottesname und Bestandteil von Personennamen.

Eine ägyptische Ortsnamensliste im Amontempel von Soleb aus der Zeit von Amenhotep III. (1402-1363 v. Chr.) nennt „das Land der Schasu-jhw“. Auch in der Zeit Ramses III. (1198-1166) taucht dieser Ausdruck auf. Er bezeichnete sowohl ein Gebirge im südlichen Ostjordanland als auch den Gott des dort lebenden Beduinenstammes.

Die Mesa-Stele aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. gilt als ältester Beleg dafür: Und ich nahm die Gefäße des JHWH und trug sie vor Kemos. Erst kürzlich wurde ein Tablett mit den phönizischen Zeichen YOD, HE, W, HE gefunden, das ebenfalls einen Gottesnamen wiedergibt, obwohl das Zeichen W damals eigentlich noch ein S (sin) bedeutete.

Aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. stammen erste Belege aus dem Raum Palästinas: Ein Priestersiegel trägt die Inschrift Dem Miqnejaw, dem Knecht JHWHs gehörig. Auf einer Grabinschrift bei Lachisch steht Gesegnet sei Urijahu von JHWH. Beide Personennamen enthalten eine Kurzform des Gottesnamens.

Fragmente aus der frühen israelitischen Königszeit in Kuntillat Ajrud (Sinaihalbinsel) notieren JHWH neben dem Gott Ba'al in phönizischer Schrift und verweisen eventuell auf einen damals noch üblichen Synkretismus. Auch mit dem - im Tanach streng als Götzendienst bekämpften - Kult der Fruchtbarkeitsgöttin Aschera wurde JHWH kombiniert.

In Grußformeln der Lachischbriefe aus dem 6. Jahrhundert heißt es z.B.: Möge JHWH meinen Herrn bald gute Nachricht hören/in Gesundheit leben lassen. Auch die biblische Schwurformel so wahr JHWH lebt findet sich hier. Die Verwendung als Gruß bestätigen Tontafeln (Ostraka) aus Arad, z.B. Möge JHWH deinen Frieden suchen.

Neben der Langform finden sich seit dem Exil (586-520 v. Chr.) vermehrt kürzere Formen wie JHW oder JHH auf Aramäisch. In der jüdischen Militärkolonie von Elephantine in Ägypten existierte bis 410 v. Chr. ein JHWH-Tempel. In diesem Umfeld wurden beide Kurzformen parallel in Briefen, Schwüren und Kulttexten genannt, z.B.: Ich segne dich durch JHH und CHNM. Diese synkretistische Formel kombinierte den jüdischen Gott mit dem ägyptischen Lokalgott.

Schreibweise

Psalm 1, Verse 1 und 2 nach der BHS. Das Tetragramm erscheint in der vorletzten Zeile an zweiter Stelle von links.

In hebräischen Papyrusrollen, z.B. aus Qumran, und griechischen Codices bis zum dritten nachchristlichen Jahrhundert wurde das Tetragramm im Unterschied zum sonstigen Text stets in althebräischer Schrift wiedergegeben. Dies gilt als Zeichen der besonderen Ehrfurcht vor dem Namen Gottes.

Das rabbinische Judentum setzte diese Tradition fort, indem es erst den Konsonantentext des Tanach (100-135 n. Chr.), dann seine Vokalisierung (bis 1000) verbindlich festlegte. Dabei vokalisierten die Masoreten das Tetragramm mit den Vokalen von Adonaj („mein Herr“), wobei sie auch den langen A-Laut der Anfangssilbe vermieden und durch den unbetonten E-Laut ersetzten. Dort, wo Adonaj im Konsonantentext neben JHWH stand, vokalisierten sie den Gottesnamen mit den Vokalen von Elohim („Götter“, „Gott“). Samaritanische Handschriften setzten nur das Vokalzeichen für A über die zweite Silbe von JHWH und wiesen so darauf hin, dass hier das Wort Schema (aramäisch „der Name“) zu lesen sei.

Dem Kenner der hebräischen Schrift sagten die Vokalzeichen zum Tetragramm, dass an dieser Stelle etwas anderes zu lesen sei (qere) als geschrieben steht (ketib) und der Leser demnach die Worte Adonai, Elohim oder Schema auszusprechen habe. Dies sollte das Aussprechen des Gottesnamens verhindern und bekräftigte so zugleich seine Einzigartigkeit. Doch diese Absicht der masoretischen Punktuation wurde im Mittelalter - auch im Judentum selber - weithin vergessen.

Die Biblia Hebraica Stuttgartensia folgt dem Masoretentext und vokalisiert den Namen daher verschieden:

JHWH: Jehwáh Jehwíh Jehowáh Jehowíh

Die dritte Lesart kombiniert die Konsonanten JHWH mit den Vokalen, die eigentlich die Aussprache von Adonaj verlangen. Das führte zu dem verbreiteten Missverständnis, Israels Gott heiße „JeHoWaH“, latinisiert „Jehova“. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war diese Lesart allgemein üblich; von den Zeugen Jehovas wird sie nach wie vor verwendet.

Aussprache

Für das Judentum ist Gottes Name unaussprechlich und wird deshalb nicht ausgesprochen. Bei Bibellesungen im Synagogengottesdienst wird das Tetragramm wohl schon seit dem 1. Jahrhundert immer durch die Anrede Adonaj („[mein] Herr“) oder Adonaj Elohim („Herr Gott“) ersetzt. Kurzformen wie JW oder JH werden als HaShem (der Name) gelesen.

Mit dem Wiederaufbau des Tempels (539 v. Chr.) begann diese jüdische Tabuisierung: Obwohl Gottes Name im Tanach offenbart ist, um angerufen zu werden und dazu privat weiterhin gebraucht wurde (siehe Lachischbriefe), wurde er kultisch nun als unaussprechlich und darum im öffentlichen Vortrag nicht verwendbar betrachtet und verschieden umschrieben. Diese Heiligung des Gottesnamens (hebr. Kiddusch Haschem) durch seine Vermeidung war zur Zeit Jesu im hellenistisch und pharisäisch geprägten palästinischen Judentum üblich, um das zweite Gebot (nach anderer Zählung das dritte) nicht unabsichtlich zu verletzen (Ex 20,7):

Missbrauche nicht den Namen JHWHs, deines Gottes.

Nur der Hohepriester durfte den Gottesnamen am Jom Kippur (Versöhnungstag) aussprechen, wobei der laute Gesang der Leviten dies akustisch überdeckte. Mit der Tempelzerstörung im Jahr 70 endete auch diese Praxis. Spätestens seit 100 n. Chr. wurde der Gottesname im Judentum nicht mehr genannt. Daher ging das Wissen um seine ursprüngliche Aussprache verloren.

Erst im frühen 19. Jahrhundert versuchte die christlich geprägte historisch-kritische Bibelforschung die Aussprache des Tetragramms zu rekonstruieren und es dazu auf eine gemeinsame Urform zurückzuführen. Die seitdem aufgestellten Thesen sind jedoch ebenso vielfältig wie die überlieferten Schreibweisen des Wortes. Schon der lutherische Theologe Romanus Teller (1703-1750) stellte 1749 fest:

Sanchuniathon schreibet Jevo, Diodorus aus Sicilien, Macrobius, Clemens Alexandrinus, der heilige Hieronymus und Origenes, Jao; die Samaritaner, Epiphanius, Theodoretus, Jahe, oder Jave; Ludwig Cappel lieset Javoh; Drusius, Jahve; Hottinger, Jehva; Mercerus, Jehovah; Castellio, Jovah; und le Clerc, Jawoh, oder Javoh.

Die Lesart JaHo-WaH bzw. JeHu-WaH wurde nach 1900 öfter vertreten und berief sich auf die in Personennamen enthaltenen Kurzformen. Der Alttestamentler Sigmund Mowinckel (1884-1965) etwa meinte (Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, Jg. 54, 1936, S. 269):

Hinweise [lassen] erkennen, ja sogar beweisen, daß Jahwéh nicht die richtige Aussprache des Tetragrammatons war...Der Name selbst lautete wahrscheinlich JAHÔH.

Auch die revidierte französische Bibelübersetzung nach Louis Segond kommentierte:

Die Aussprache Yahvé, die in einigen neueren Übersetzungen verwendet wird, stützt sich auf ein paar alte Zeugen, aber sie sind nicht schlüssig. Zieht man Eigennamen...in Betracht, wie zum Beispiel den hebräischen Namen des Propheten Elia (Eliyahou), dann könnte die Aussprache genausogut Jaho oder Jahou sein.

Andere hielten an der Dreisilbigkeit des Namens fest, wie er im Tanach auftrete. M. Reisel z. B. schrieb 1957 (The Mysterious Name of Y.H.W.H., S. 74):

Die Vokalisation des Tetragrammatons [ist] ursprünglich JeHuàH oder JaHuàH gewesen.

Ungeachtet dieser älteren Lehrmeinungen hält die Mehrheit der Hebraisten und Altorientalisten heute „Jahwe“ für die wahrscheinlichste ursprüngliche Lesart. Argumente dafür finden sie

  • in der masoretischen Vermeidung des Langvokals auf der ersten Silbe,
  • in der Eigenart des Hebräischen, offene Schlusssilben eines Verbs mit langem Vokal zu unterlegen,
  • in griechischen Übertragungen des Gottesnamens aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., z.B. iabe oder iaoue. Das griechische Beta oder Omega ersetzte das hebräische Wav, weil es ähnlich ausgesprochen wurde;
  • in neu gefundenen vor- und nachexilischen Inschriften aus Israels Umwelt, die den Namen des jüdischen Gottes mit „Jawe“, „Jabe“ und „Jauwe“ überliefern.

Etymologie

Die sprachliche Entstehung des Tetragramms ist bis heute ungeklärt. Es gilt als die eigentliche Form des Gottesnamens, da sie im Tanach nie mit anderen Namen oder Substantiven kombiniert ist. Dazu kennt dieser mehrere kürzere Nebenformen. Ihr Verhältnis zur Langform JHWH ist umstritten.

Als selbständige Form tritt JH vor allem in der liturgischen Formel halelu jah („Preiset Jah!“ = Gott) auf. Daneben gibt es die Formen JHW und JW: Diese treten im Tanach - anders als in außerbiblischen Belegen wie den Elephantine-Papyri - jedoch nie selbständig, sondern stets als theophores („gott-tragendes“) Element in Personennamen auf.

Von den drei Kurzformen wird JHW als urtümlichste vermutet, da sie in vorexilischer Zeit überwiegt. Sie tritt sowohl als vorangestelltes (z.B. Jeho-natan) wie auch angehängtes (z.B. Eli-jahu) Namenselement auf. Als Anhängsel wird JHW nach judäischer Schreibung zu JH verkürzt. Als Vorsilbe entwickelt sich JHW (jeho) zu JW (jo), z.B. von Jehoschua zu Josua. Vor allem im Nordreich findet sich aber auch im Auslaut die Schreibung JW, z.B. in .... Die Vokalisierung ist umstritten; meist nimmt man jaw an.

Immer wieder versuchten Hebraisten und Alttestamentler, die Langform aus diesen Kurzformen abzuleiten. Für G.R. Driver (Zeitschrift für Alttestamentliche Wissenschaft 1928) war JH als ekstatischer Ausruf „Jah!“ der Ursprung, den er in Ex 15,2 ausgedrückt fand:

JHWH ist meine Stärke und mein Lobgesang und mein Heil. Das ist mein Gott, JAH, ich will ihn preisen...!

Mowinckel nahm Jahu als Urform an und übersetzte sie als Kultruf mit "Oh Er!" In altertümlichen poetischen Sprüchen fand er dafür Anhalt, z.B. Dtn 32,6:

Ist ER nicht dein Vater und dein Herr? Ist es nicht ER allein, der dich gemacht und bereitet hat?

Dagegen weist Antonius Gunneweg (Biblische Theologie des Alten Testaments S. 77) auf die frühen außerbiblischen Belege des Tetragramms hin. Dass JHWH offenbar auch von anderen Stämmen im Raum Palästinas verehrt wurde, spreche gegen die Entwicklung des Namens im frühisraelitischen Kult und für seine Übernahme an einem vorgefundenen Bergheiligtum.

Auch die Gesetze der hebräischen Sprache erklären die Kurzformen eher aus der Langform als umgekehrt: In Verben gehen geschlossene Silben oft in offene über, während sie an Namensendungen wegfallen können (Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament Sp. 544).

Die Langform wird meist von der Verbwurzel HWH abgeleitet. Im Altarabischen heißt dieses Verb „fallen“; Exegeten des 19. Jahrhunderts deuteten den Namen daher kausativ mit "der Fällende" und bezogen ihn auf eine Gewittergottheit (Ex 19,16). B. Eerdmans (1868-1948) deutete die zweisilbige Kurzform Ja-Hu! als lautmalerischen Ausruf, der Blitz und Donner nachahmen solle. Julius Wellhausen (1844-1918) brachte die Kurzform JHW mit dem arabischen Verb HWH für „wehen“ in Verbindung, andere mit Arabisch HWA für „lieben“ oder dem ugaritischen Verb HWH für „sprechen“ oder „befehlen“.

HWH lässt sich aber auch als aramäische Version des hebräischen Verbs HJH für „leben, existieren, dasein, wirksam werden“ auffassen. Dies wird durch die verwandte Sprache des Amoritischen gestützt, die ein Verb HWJ mit derselben Bedeutung und Substantivierung kennt.

Demnach könnte JHWH als Hifil von HWH mit „der ins Leben, ins Dasein ruft“ übersetzt werden. Als Imperfekt von HJH würde JHWH bedeuten: „Er ist“ oder „Er erweist sich als wirksam“. Als Kausativ von HWH würde es bedeuten: „Er veranlasst zu werden“. Diese imperfekte Verbform der 3. Person ist mit vielen hebräischen und arabischen Personennamen vergleichbar, die mit „J“ beginnen und eine Aussage über den Namensträger machen: z.B. hebräisch Jôsêph = arabisch Jazîd = „er (der) hinzufügt“; hebräisch Jihjeh = arabisch Jahjâ = „er (der) lebt“.

Für Gunneweg setzt jede Deutung, die den Namen als Aussage über Gottes Dasein und Wesen auffasst, einen hohen Grad an theologischer Reflexion voraus, der für die sprachliche Herkunft noch nicht anzunehmen sei. Er hält eine Schöpfungsaussage („der ins Dasein ruft“, „der veranlasst zu werden“) für unwahrscheinlich, da der Gottesname im Tanach ursprünglich nicht mit der Weltschöpfung, sondern mit dem Geschichtshandeln im Exodus Israels und der Toraoffenbarung am Sinai verbunden ist. Auch Rainer Albertz sieht die einmalige Deutung des Gottesnamens im Tanach als Hinweis darauf, dass in Israel dessen Ursprungsbedeutung nicht mehr bekannt war, und betont (Religionsgeschichte Israels S. 82):

Gottesnamen sind häufig sehr viel älter als die aktuellen Religionen, und die Gottesvorstellungen wandeln sich unter der Hülse des gleichen Namens.

JHWH im Tanach

Die Namensoffenbarung

Der Bezug des Tetragramms zum Verb HJH wird durch eine Eigenaussage des Tanach gestützt. Das Buch Schemot (Exodus) gibt im 3. Kapitel eine ausdrückliche Erklärung sowohl für die auffällig seltene Verwendung des Gottesnamens in den Erzvätergeschichten (Gen 12-50) als auch für den Gottesnamen selbst. Danach war Gott den Stammvätern der Israeliten anfangs nicht namentlich bekannt, sondern wurde nach dem benannt, dem er zuerst begegnete: „Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs“ (Ex 3,6). Erst Mose, der die Israeliten aus Ägypten führte, erhielt auf seine Nachfrage den Eigennamen Gottes. Dabei erklärt Gott selbst seinen Namen mit אֶהְיֶה אֲשֶׁר אֶהְיֶה (Ex 3,14).

Dieser Vers ist die einzige Bibelstelle, die den Gottesnamen ausdeutet. Man nimmt an, dass er auf die eng verwandten Wurzeln הוה (HWH - hawah - „sein, werden“) und היה (HJH - hajah - „geschehen, veranlassen, da sein“) zurückgeht und bewusst mit deren Vieldeutigkeit spielt. Denn Präsens und Futur sind in hebräischen Verben oft identisch. Übersetzt man den Vers im Präsens, dann würde er lauten:

Ich bin, der ich bin.

Im Futur kann er auch heißen:

Ich werde (für euch) (da) sein oder Ich werde mich erweisen, als der ich mich erweisen werde.

Diese Bedeutung legt der Kontext nahe, weil es in Ex 3,12 heißt:

Ich werde mit Dir sein.

In Ex 3,7ff wird zudem auf das zukünftige Handeln Gottes am Volk Israel verwiesen:

Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihr Schreien über ihre Unterdrücker gehört; ich habe ihr Leiden erkannt. Und ich bin herabgefahren, um sie zu erretten aus der Ägypter Hand...

Demnach lässt der Name gerade nicht auf Gottes Vorhandensein schließen, sondern verweist auf sein zukünftiges Handeln in der Geschichte des erwählten Volkes. Die Tautologie enthält demnach eine deutliche Zurückweisung: Das Subjekt behält sich seine Selbstoffenbarung vor und setzt allen Versuchen, Gottes Wesen aus seinem Namen zu erschließen, eine Grenze. Diese Unbegreiflichkeit des Namensträgers zeigt auch der weitere Kontext: Mose erfährt Gott im brennenden Dornbusch als Feuer, das brennt, aber nicht verbrennt (Ex 3,2) und erhält den Befehl, dem Volk Israel zu erklären (Ex 3,14b):

Der אהיה ['Ich bin' oder 'Ich werde sein'] hat mich zu euch gesandt.

Die Septuaginta übersetzt später jedoch:

ἔγω εἰμὶ ὁ ὦν. („Ich bin der Seiende.“)

Das verschob den Sinnakzent vom dynamischen Handeln, in dem Gott sich als Retter und Helfer zeigt (wer ist Gott-für-uns?), zur statischen Theorie des Essenz- oder Substanzbegriffs (was ist Gott-an-sich?). Damit wurde die Zusage des unverfügbaren Beistands in Gottes freiem Willen als immerwährende Gegenwart zuständlich gedeutet. Dies zeigt den Einfluss des Hellenismus auf die jüdische Theologie im 4. Jahrhundert v. Chr.

Wird der Kontext jedoch für die Deutung herangezogen, dann ist der Name untrennbar von der Rettungszusage an Mose und Israel, in der Gott seine Identität allererst erweist und bewährt. Daraus erklärt sich auch der auffällige Tatbestand, dass der Gottesname in den prophetischen Gottesreden der Bibel nie zum Objekt wird, sondern immer als Subjekt auftritt: So spricht JHWH: Ich ... Anders als in der Namensmagie vieler Naturreligionen (siehe Rumpelstilzchen) lässt dieser Gott sich nicht wie mit einer Zauberformel herbeizitieren und über sein Wesen verfügen, sondern bleibt unverfügbar und souverän: auch der Person gegenüber, der ihn anruft und seine Zusage erhält.

Dem folgte die rabbinische Tradition, die den Gottesnamen von drei unterschiedlichen Zeitformen des Verbs HJH ableitete:

  • HJH hajah (היה): „er war“;
  • HWH howêh (הוה): „er ist“;
  • JHJH jehijê (יהיה): „er wird sein“.

Damit ist der Gottesname untrennbar von der Geschichtserfahrung des jüdischen Volkes.

Berggott der Midianiter und Keniter

Die lokale Herkunft des Gottesnamens ist ungeklärt und wird in der historisch-kritischen Bibelforschung kontrovers diskutiert. Die Bibel gibt jedoch einige Hinweise: Nach Ex 3,1 erhielt Mose den Namen JHWH „im Lande Midian“ am „Berg Gottes“, der hier „Horeb“ genannt wird. Diese Bezeichnung verwendete die israelitische Geschichtsschreibung für den Berg Sinai, an dem später nach Ex 19-24 die große Theophanie mit der Offenbarung des Dekalogs, der Tora und dem Bundesschluss mit dem ganzen befreiten Volk stattfand.

Die genaue Lage dieses Berges ist unbekannt. Er wurde erst in christlicher Zeit im Süden der heute nach ihm benannten Sinai-Halbinsel lokalisiert und heißt im Arabischen Deschebel Mosa (Moseberg). Westlich von ihm wurden am Dschebel Serbal Inschriften der Nabatäer von etwa 100 v. Chr. gefunden, die belegen, dass in dieser Gegend ein altes Wallfahrtsheiligtum lag.

Das Gebiet der Midianiter, eines Volkes kriegerischer Wüstennomaden, befand sich dagegen östlich des Golfs von Akaba. In diese Richtung weisen weitere archaische Bibelstellen, die den Sinai neben dem „Seir“, einem Gebirgszug östlich des Wadi El-araba zwischen Totem Meer und Golf von Akaba im damaligen Gebiet Edom nennen. In Dtn 33,2 heißt es:

JHWH ist vom Sinai gekommen und ist ihnen aufgeleuchtet vom Seir her.

Das „Aufleuchten“ spielt auf die „Wolken- und Feuersäule“ an, die den Israeliten nach ihrer nächtlichen Flucht aus Ägypten den Weg zum Schilfmeer wies (Ex 13,21f). Dieses Motiv stammt offenbar aus der Sinaierzählung und erinnert an deren Naturphänomene: Donner, Blitz, dichte Wolken (Ex 19,16) wie bei einem Gewitter, zudem Rauch, Feuer „wie von einem Schmelzofen“, Erdbeben (Ex 19,18) wie bei einem Vulkanausbruch. Darauf bezieht sich auch der Siegespsalm der Deborah nach siegreicher Schlacht, in dem es heißt (Ri 5,4f):

JHWH, als Du von Seir her auszogst und von den Gefilden Edoms einher gingst, da erzitterte die Erde, Himmel und Wolken troffen von Wasser. Die Berge, der Sinai wankten vor JHWH, dem Gott Israels.

Dieses Zitat taucht in Ps 68,8f fast wortgleich wieder auf. Dort heißt Gott geradezu „der vom Sinai“.

Obwohl hier literarische Motive eines göttlichen Machterweises im Spiel sind, kann echte Erinnerung dahinter stehen: Dann wäre der Name JHWH ursprünglich mit einer Berggottheit in vulkanischem Gebiet verbunden gewesen. Tätige Vulkane gab es damals aber nur südöstlich des Golfs von Akaba, nicht auf der Sinaihalbinsel. Auch dieser Gottesberg kann schon vor der Begegnung von Midianitern und Hebräern ein Wallfahrtsort gewesen sein: Nach Ex 3,1 war Mose der Schwiegersohn des „Priesters von Midian“.

Befreier der Hebräer

Mit dem Exodus beginnt für die Bibel JHWHs eigentliche Geschichte mit dem Volk Israel. In der Befreiung der hebräischen Sklaven aus der Fronarbeit in Ägypten zeigt dieser Gott seine Identität und beansprucht von da an dieses Volk zu seinem „Eigentum“ (Hos 13,4):

Ich bin JHWH, dein Gott, von Ägyptenland her, und du sollst keinen anderen Gott kennen als mich und keinen Retter außer mir allein.

Nicht ein Naturereignis und Weltentstehungsmythos, sondern die Erfahrung einer innergeschichtlichen Wende für Menschen, die in den Kulten antiker Großreiche keinerlei Rechte und Bedeutung hatten, war demnach der Ursprung der JHWH-Religion.

Das Exodusthema blieb im Judentum prägend und bestimmte weite Teile der biblischen Geschichtsschreibung, Gesetzgebung und Prophetie mit. Es bildete den normativen Kern der gesamtisraelitischen Glaubensbekenntnisse (z.B. Dtn 6, 20ff; Dtn 26, 5-10), auf die unterschiedlichste Zeugen späterer Jahrhunderte immer wieder zurückkamen (z.B. Jos 24/Ri 10,11/Ps 136/Hos 11,1/Jes 51,9/Ez 23,3). Dagegen fehlt es in anderen Büchern des Tanach, vor allem in spezifisch Jerusalemer Traditionen und späten Ketubim (Schriften).

Die Exodustradition (Ex 1-15) war anfangs selbstständig. Als ihre Keimzelle und ältestes Credo des Pentateuch gilt das Mirjamlied (Ex 15,21):

Lasst uns JHWH preisen, denn er hat eine herrliche Tat getan, Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.

Das Meerwunder der wunderbaren Rettung vor dem Heer des Pharao (Ex 14) - vermutlich eine Flucht durch seichtes Küstengewässer - wurde demnach als Begegnung mit dem bis dahin unbekannten JHWH, nicht als glücklicher Zufall gedeutet. Das Lob dieses Gottes wurde Ausgangspunkt der dann immer mehr ausgemalten „Zeichen und Wunder“, mit denen die Bibel JHWHs Überlegenheit und Demütigung seines Gegenspielers, des in Ägypten als Gott angebeteten Pharao, verkündet.

Historisch gesehen war nur ein kleiner Teil der späteren Israeliten in Ägypten. Ein Frondienst von Gruppen fremder Herkunft beim Bau von Vorratsstädten ist für etwa 1200 v. Chr. unter Ramses II. belegt. Sie wurden als HPR bezeichnet; derselbe Wortstamm oder Name („Chabiru“) ist auch in akkadischen und sumerischen Dokumenten jener Zeit nachweisbar. Er bezeichnete keine ethnische, sondern eine soziale Gruppe von Tagelöhnern, Sklavenarbeitern, Söldnern oder Räubern. Demnach war JHWH kein Stammes- oder Volksgott, sondern einer, mit dem diese landlosen, von Großreichen abhängigen und immer wieder versklavten Gruppen unerwartete Befreiungs- und Rettungserlebnisse verbanden. Dies ermöglichte anderen Nomadenstämmen, diesen Gottesnamen bei ihrer Begegnung im Kulturland Kanaan mit ihren eigenen unabhängig überlieferten religiösen Überlieferungen zu identifizieren (Albrecht Alt, Gerhard von Rad, Antonius Gunneweg, Rainer Albertz).

Die Exodustradition wurde vermutlich vom Josephsstamm nach Palästina importiert. Dort wuchs sie mit anderen Stammesüberlieferungen allmählich zum gemeinsamen Glauben Israels zusammen. Der „Auszug“ verband sich mit strukturell analogen Motiven der „Verheißung“ aus den nomadischen Erzvätererzählungen, der „Führung in der Wüste“, der „Gesetzesoffenbarung“ am Sinai und der „Landnahme“. Daraus entstand - nach heutiger überwiegender Meinung wohl erst in nachexilischer Zeit (5. Jahrhundert v. Chr.) - die theologische Gesamtkonzeption der Ursprungsgeschichte Israels im Pentateuch.

JHWHs Übernahme durch Stämme, die nicht in Ägypten waren, könnte sich in Josua 24 spiegeln. Dieses Kapitel vom sogenannten „Landtag in Sichem“, einem Kultzentrum im späteren Nordreich Israel, blickt auf die Vorgeschichte der Israeliten zurück und gipfelt in der Forderung:

So fürchtet nun JHWH und dient ihm treu und rechtschaffen und lasst fahren alle Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Euphrats und in Ägypten, und dient JHWH.

Die „Erwählung“ Israels zum „Volk JHWHs“ im Exodus tendierte also auf eine kontinuierliche Selbstverpflichtung aller Israeliten und verantwortliche Bindung an diesen Gott, der sie zu einem Volk vereinte. Die Kategorie der befreienden Rettung blieb maßgebend zur Deutung späterer Geschichtserfahrung, so dass das Judentum seine historischen Krisen und Katastrophen in der Erinnerung an seine Ursprünge bewältigen konnte. JHWH blieb sein Geschichtslenker und Hoffnungspotential: auch für andere Sklaven und Völker und gerade auch dort, wo Haftpunkte seines Glaubens, der Tempel, die soziale Ordnung und der Landbesitz, verloren gingen.

Schöpfer

Auch nach dieser Übernahme wurden die bisherigen Götter nicht abgelegt, sondern parallel verehrt und zum Teil mit JHWH, dem Gott Gesamtisraels, identifiziert. Dies galt besonders für El, den in Israels Umwelt bekannten „höchsten Gott“, den Erschaffer von „Himmel und Erde“ (Gen 14,18-20). Wahrscheinlich erst im Verlauf der staatlichen Vereinheitlichung des Stämmebundes oder sogar erst seit der Kultreform unter König Josia 621 v. Chr. schloss die JHWH-Verehrung den Synkretismus rigoros aus, wobei die Exodus- und Sinaitradition - JHWH als Befreier, Führer, Gesetzgeber seines Volkes - maßgebend blieb.

JHWH im Neuen Testament

Es gibt in den bekannten neutestamentlichen griechischen Handschriften keine Textbelege für eine Verwendung des Tetragramms. Dort wird durchgängig ausschließlich das griechische Kyrios (Herr) verwendet, das das hebräische „Adonaj“ - also die jüdische Umschreibung des Gottesnamens „Jahwe“ - übersetzt. Jedoch findet man in alten hebräischen handschriftlichen Übersetzungen der Christlich-Griechischen Schriften (d.h. des „Neuen Testaments“) das Tetragrammaton JHWH.

Wie in vielen anderen hebräischen Vornamen auch, ist im Namen „Jesus“ (hebräisch „Jehoschua“) der Gottesname JHWH - allerdings in Kurzform - enthalten: „Jeho“ < „Jahw“, „schua“ = „Rettung, Hilfe“. Der Name Jesus bedeutet daher „JHWH ist Rettung“.

Jesus von Nazaret hat als rabbinisch geschulter, aramäisch sprechender Galiläer den Gottesnamen wahrscheinlich nicht ausgesprochen: Die Tradition der Heiligung des Namens (Kiddusch Haschem) durch seine Vermeidung war zu seiner Zeit schon üblich (vgl. Mt 5,33-37). Andererseits hat er seine Jünger gelehrt, Gott als „Vater“ anzurufen (Mt 6,8).

Aufgrund der Erfahrung seiner Auferstehung übertrugen die Urchristen den Kyrios-Titel auf Jesus. Denn sie glaubten, dass mit seiner Überwindung des Todes die Auferstehung der Toten begonnen habe, die das Judentum am Ende der Zeit vom Kommen Gottes als Endrichter erwartete. Damit erhielt die Deutung des Namens JHWH einen neuen Bezug (Röm 4,24):

[Gott ist] der, der unseren Kyrios Jesus auferweckt hat von den Toten.

Dazu heißt es im ältesten Christushymnus des NT (Phil 2,9-11):

Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Namen gegeben, der über allen Namen ist, damit in dem Namen Jesu sich beugen sollen alle Knie derer, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus Herr (griechisch: Kyrios) sei, zur Ehre Gottes, des Vaters.

So wird Jesus mit JHWH identifiziert und zugleich eine Unterscheidung zwischen Vater und Sohn, welche nach christlicher Überlieferung beide dem Wesen nach Gott sind, verkündet.

Dieses Verhältnis zwischen Jesus und dem Vater ist Thema der bis zum Konzil von Nicäa (325 n.Chr.) entfalteten altkirchlichen Trinitätslehre. Dahinter verbirgt sich die Offenbarung von drei zu unterscheidenden Seinsweisen (Personen) in dem einen Gott, nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das Judentum und der Islam lehnen dagegen die Bezeichnung und Anbetung Jesu als „Gott“ oder „Herr“ ab. Sie sei unvereinbar mit ihrem Glauben an eine einzige benannte Person (im Judentum: JHWH bzw. im Islam: Allah) als Gott. Alle drei Religionen bekennen jedoch, dass es nur einen Gott gibt (Monotheismus).

Übersetzungen im Judentum

Griechische Septuaginta

Schon in der im dritten vorchristlichen Jahrhundert entstandenen griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, wird möglicherweise, teilweise analog zu Adonaj, das griechische Κύριος (Kyrios, Herr) für den Gottesnamen gebraucht, wobei diese Änderung eventuell erst im 2. oder 1. vorchristlichen Jahrhundert im bereits bestehenden Text vorgenommen wurde. Eine andere Annahme geht davon aus, dass zunächst in den ursprünglichen Handschriften der Septuaginta der Gottesname - wahrscheinlich in hebräischer Schrift - beibehalten wurde und es erst später zu einem Wechsel zu „Kyrios“ kam. In einzelnen, meist jüdischen Abschriften der Septuaginta ist der Name יהוה - mit althebräischen, hebräischen oder griechischen Buchstaben mitten im griechischen Text geschrieben - noch bis ins 9. Jahrhundert nach Christus nachweisbar (Ambrosiana O 39 sup.).

Da in späterer Zeit viele Gelehrte hebräisch nicht mehr verstanden, wurde die hebräische Variante vereinzelt als „PIPI“ gelesen, da man sie mit den griechischen Buchstaben Π Ι Π Ι verwechselte. Teilweise wurde der Name, in griechischen Buchstaben transliteriert, als ΙΑΩ geschrieben, was die Aussprache „Jao“ bzw. „Jaho“ nahelegen würde (einen Buchstaben für den H-Laut hat die griechische Schrift nicht). Diese Form wird auch von Klemens von Alexandria überliefert. Sie enthält mit Alpha und Omega den Anfangs- und Endbuchstaben des griechischen Alphabets und spielt damit ebenfalls auf das „ewige Dasein“ Gottes von Anfang bis Ende der Schöpfung an.

Mischna und Talmud

Im Judentum wird Gottes Namensoffenbarung in engem Zusammenhang mit seinem „Herabkommen“, „Retten“ (Ex 3,8) oder „Erbarmen“ als unvorhersehbare und unbegreifliche Zuwendung zum Menschen verstanden. Jüdische Ausleger betonen daher besonders den Aspekt von Gottes Gnade, die als besonders heilig angesehen wird.

Weder Tora noch Mischna verbieten den Gebrauch des Gottesnamens. Aber ein Jude, der den Namen öffentlich in negativem Kontext aussprach, lief im alten Israel Gefahr, als Gotteslästerer die Todesstrafe zu erleiden (3. Mose 24,16). Die Heiligkeit des Namens sollte vor solchem Missbrauch geschützt werden: Daher vermieden bereits die Chassidim - eine jüdische Richtung der „Frommen“, die etwa seit den Makkabäerkriegen im 2. vorchristlichen Jahrhundert entstand - die Aussprache des Gottesnamens. Auch Jesus von Nazaret vermied ihn und verbot den Eid, der vor Gericht oft mit dem Anrufen Gottes als Zeuge verbunden war (Mt 5,33-37). Doch erst mit der Kanonisierung der hebräisch-aramäischen Schriften (um 135 n. Chr.) wurde die generelle auch schriftliche Vermeidung des Gottesnamens üblich.

Kabbala

Eine lange Tradition hat auch die Namensdeutung des Tetragramms mithilfe der spekulativen Zahlensymbolik, wie sie in der jüdischen Kabbala des Mittelalters üblich war.

Das Jüdische Museum Berlin bot zur Kabbala im August 2004 eine Sonderausstellung mit dem Titel „10+5=Gott. Die Macht der Zeichen“. Der Titel bezog sich auf darauf, dass der Konsonant „Jod“ gemäß seiner Stellung im hebräischen Alphabet den Zahlenwert 10, He den Wert 5 erhält. Beide zusammen repräsentieren die hebräische Kurzform des Tetragramms (JH, „Jahu“ oder „Jah“). Der Ausstellungskatalog bemerkte dazu: „... den Namen Gottes zu schreiben ist im Judentum ein Tabu. Dargestellt wird die 15 daher mit den Buchstaben (Waw) und (Teth) = 6+9.“ Die Ausstellung selbst verwendete jedoch die originalen Zahlenwerte für „Gott“ öffentlich, ohne dies als Problem zu sehen.

Moses Mendelssohn (18. Jahrhundert)

Jüdische Übersetzer berücksichtigen dies gewöhnlich. Moses Mendelssohn, der die Hebräische Bibel im 18. Jahrhundert als erster jüdischer Theologe ins Deutsche übertrug, übersetzte Schemot (2. Mose) 3,13-15:

13 Mosche sprach zu Gott: „Wenn ich nun zu den Kindern Jisraels komme und ihnen sage: 'Der Gott eurer Väter sendet mich', und sie sagen: 'Wie ist sein Name?' Was soll ich ihnen antworten?“ 14 Gott sprach zu Mosche: „Ich bin das Wesen, welches ewig ist.“ Er sprach weiter: „So sollst Du zu den Kindern Jisraels sprechen: 'Das ewige Wesen, das sich nennt: 'Ich bin ewig' hat mich zu euch gesandt.'“ 15 Gott sprach weiter zu Mosche: „So sollst Du zu den Kindern Jisraels sprechen: 'Das ewige Wesen, der Gott eurer Voreltern, der Gott Awrahams, Jizchaks und Jaakows sendet mich zu euch. Dies ist immer mein Name, und dies soll immer mein Denkwort sein in zukünftigen Zeiten'...“

Diese Übersetzung von hebr. „ehjeh ascher ehjeh“ mit „Ich bin das ewige Wesen“ berücksichtigte die Eigenart des Hebräischen, wonach „Ehje“ sowohl „Ich war“, „ich bin“ und „ich werde sein“ bedeuten kann. Andererseits deutete Mendelssohn die dem Subjekt „Ich“ (Gott) vorbehaltene Selbstoffenbarung in der Zeit, die sich der Ausdeutung seines „Wesens“ in gewisser Weise entzieht, analog zur griechischen Metaphysik als Eigenschaft der immerwährenden Präsenz Gottes. Nachfolgende jüdische Übersetzer orientierten sich an seinem Kompromiss.

Martin Buber und Franz Rosenzweig (20. Jahrhundert)

Martin Buber und Franz Rosenzweig lehnten diese Wiedergabe im 20. Jahrhundert jedoch ab und begründeten dies so:

Die Einsicht in den pronominalen Charakter oder Gehalt der ursprünglichen Namensform gab die Richtung an. Darum steht in unserer Verdeutschung Ich und Mein, wo Gott redet, Du und Dein, wo er angeredet wird, Er und Sein, wo von ihm geredet wird. ... An einzelnen Stellen der Schrift - außerhalb des Pentateuch -, wo der Name in seiner vollen Erschlossenheit sich manifestiert, weil eben die Gegenwärtigkeit Gottes verkündigt werden soll, musste 'Er ist da' gewagt werden.

Nichtjuden sollten im Umgang mit Menschen jüdischen Glaubens den Gottesnamen - also die Vokalisierung des Tetragramms - möglichst nicht aussprechen oder aufschreiben, sondern analog zur jüdischen Praxis umschreiben: Dabei wird die Bezeichnung „der Herr“ von Juden und Christen gleichermaßen akzeptiert, während „Adonaj“, „HaShem“ (der Name) eher innerjüdische Begriffe sind. Manche strenggläubigen Juden sprechen oder schreiben auch das Wort „Gott“ nicht gern aus und vermeiden es mit Schreibweisen wie G´tt.

Übersetzungen im Christentum

Jehovah

Die Schreibweise Jehova oder Jehovah ist seit dem 13. Jahrhundert belegt. Sie geht auf den Dominikanermönch Raymund Martini zurück, der sie 1278 in seinem Werk „Pugio Fidei adversus Mauros et Judaeos“ einführte.

Um 1518 übersetzte der Humanist Erasmus von Rotterdam den Gottesnamen erstmals so, nachdem man den Masorentext als vermeintlichen „Urtext“ der Bibel wiederentdeckt hatte. Martin Luther, der sich für seine eigene Übersetzung der Hebräischen Bibel auf die Ausgabe des Erasmus stützte, folgte jedoch der Lesart des Judentums und übersetzte JHWH stets mit „der Herr“.

„Jehova“ findet sich dennoch in vielen alten deutschen Bibelübersetzungen wie der unrevidierten Elberfelder Bibel, den Erstauflagen der katholischen Van-Eß-Übersetzung und auch an einzelnen Stellen in der englischen King-James-Bibel. Diese Verwendung übertrug sich im deutschsprachigen Raum in Hunderte von Kircheninschriften, Kirchenlieder, Münzen und literarische Werke bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Diese dreisilbige Namensform wird häufig wie in der jüdischen Kabbala spekulativ ausgedeutet, z.B. in Der heilige Name Gottes, St. Johannis-Druckerei, 1988, S. 13:

Im Namen Jehovah selbst sind drei Zeitformen des hebräischen Verbes „sein“ zu finden: JE = erste Silbe von Jehi = er wird sein, HOV = erste Silbe von hoveh = er ist, AH = letzte Silbe von hajah = er war. So lässt sich die Bedeutung des Namens Gottes schon erahnen. Die hebräische Übersetzung des Wortes Jehovah ist: DER EWIG DA SEIENDE.

(ausführlich dazu der Artikel Jehovah)

Christliche Namensspekulation

Die jüdische „Kabbalistik“ wurde auch von christlichen Theologen und Mystikern übernommen und mit spekulativen Erklärungen zum Namen „Jesus“ (Jeschuah) verbunden. Diese Werke wurden von den jüdischen Kabbalisten jedoch meist abgelehnt.

Ein Beispiel für solche Namensspekulation bietet der christliche OkkultistPapus“. Er beschreibt in seinem Werk Die Kabbala (siehe Literatur) ausführlich die Bedeutung der Buchstaben des heiligen Tetragramms (יהוה) und erklärt sie zusammengefasst so:

Das Jod (י), das eigentlich nur als Punkt dargestellt wird, bedeutet das Prinzip, d.h. der Uranfang, aber auch das letzte Wesen der Dinge. Alle Buchstaben des hebräischen Alphabets sind nur durch verschiedene Gruppierungen des Jods entstanden. Das synthetische Studium der Natur brachte die Alten auf den Gedanken, dass es nur ein einziges Gesetz gebe, das alle Produktion der Natur beherrsche. Das Jod symbolisiert darin die Urquelle der Schöpfung. Der Anfang aller Dinge ist jedoch gleichzeitig der Urzweck am Ende aller Dinge.
An diesen Anfang aller Dinge stellt die Kabbala die absolute Bejahung des Seins durch sich selbst, das Ur-Ich, die das Iod symbolisch zum Ausdruck bringt.
Aber das Ich kann sich nur begreifen durch Gegenüberstellung des Nicht-Ichs. Kaum ist die Bejahung des Ichs vollzogen, so tritt sofort die Gegenwirkung des absoluten Ichs auf sich selbst ein, wodurch in einer Art Teilung der Einheit die Erkenntnis der eigenen Identität folgt. Dieses Prinzip ist der Ursprung der Dualität, der Gegenüberstellung, der Zweiheit, das Sinnbild des weiblichen Wesens, wie die Einheit das Sinnbild des männlichen Wesens ist.
Das He, zweiter Buchstabe des großen, heiligen Namens, symbolisiert das Passive, sowie Jod das Symbol des Aktiven ist, und ebenso das Nicht-Ich oder Du in Beziehung zum Ich, das Weib in Beziehung zum Mann.
Die Gegenüberstellung des Ich und des Nicht-Ich lässt sofort einen weiteren Faktor entstehen, eben die Beziehung zwischen diesem Nicht-Ich und Ich. Das Vau (ו), symbolisiert die Beziehung, ursprünglich einen Haken und Bindeglied in der Natur.
Außerhalb dieser Trinität (יהו (IHV), die als Gesetz betrachtet wird, existiert nichts. So bilden in Wahrheit nur drei Buchstaben den großen heiligen Namen.
Der vierte Buchstabe, das He, ist nur eine Wiederholung des Zweiten... [Er] symbolisiert den Übergang und das Werden. Dieses Symbol wird in der Kabbala verglichen mit dem Verhältnis, das zwischen einem Getreidekorn und seiner mütterlichen Ähre besteht. Die Ähre, als manifestierte Dreiheit im Jod-He-Vau, investiert ihr ganzes Wirken in die Erzeugung des Getreidekerns: der Schlußbuchstabe He.
Dieses Getreidekorn bildet der Übergang von der gebärende Mutterähre zur nächsten Generation, die dieser (weiblichen) Kraftanstrengung seine Entstehung verdankt. Die abschließende, weibliche Hieroglyphe He symbolisiert somit den ewigen Generationswechsel, der in der einzigartigen Komplexität, den wir Leben nennen, die göttliche Unsterblichkeit aller Lebewesen sicherstellt.

Moderne Bibelübersetzungen

Die katholische Einheitsübersetzung gebraucht an etwa 120 Stellen Jahwe, schreibt an den meisten Stellen aber Herr.

Die meisten evangelischen Bibelübersetzungen schließen sich der jüdischen Tradition an und schreiben Herr. Manche unterscheiden HErr oder HERR, um darauf hinzuweisen, ob an dieser Stelle JHWH oder Adonaj im Urtext steht; für Adonaj JHWH steht dann entsprechend Herr GOTT oder "Herr HErr". In den meisten anderen Sprachen wird dies ähnlich gehandhabt.

Die Zeugen Jehovas verwenden den Namen Jehova u.a. in ihrer „Neue-Welt-Übersetzung der heiligen Schrift“, sowohl im Alten Testament (6973 mal) als auch im Neuen Testament (237 mal).

Siehe auch

Literatur

  • Papus (Gerard Encausse): Die Kabbala, Fourierverlag, Papus, deutsche Übersetzung Julius Nestler, 1900
  • Walter Zimmerli: Ich bin Jahwe, in: Gottes Offenbarung, Theologische Bücherei Band 19, 1969
  • Walter Zimmerli: Der offenbare Name, in: Grundriss der alttestamentlichen Theologie. Kohlhammer, Stuttgart-Berlin-Köln, 5. Auflage 1985, ISBN 3170089560
  • Antonius H.J. Gunneweg: Biblische Theologie des Alten Testments. Kohlhammer, Stuttgart-Berlin-Köln 1993, ISBN 3170121995
  • Rainer Albertz: Religionsgeschichte Israels. Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3525516762
  • Otto Kaiser: Der Gott des Alten Testaments. Theologie des AT I: Grundlegung. Vandenhoeck&Ruprecht, UTB Nr. 1747, Göttingen 1993, ISBN 3825217477
  • Werner H. Schmidt: Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte. Neukirchener Verlag, 4. Auflage 1982, ISBN 3788706554
  • Walter Dietrich, Martin A. Klopfenstein (Hrsg.): Ein Gott allein? JHWH-Verehrung und biblischer Monotheismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte. Universitätsverlag Freiburg Schweiz 1994, ISBN 3525537743

Weblinks