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Satz des Pythagoras

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Rechtwinkliges Dreieck
Rechtwinkliges Dreieck
Pythagoras von Samos
Pythagoras von Samos

Pythagoras von Samos

Der Satz des Pythagoras ist einer der fundamentalen mathematischen Sätze der euklidischen Geometrie: Für die Seiten jedes rechtwinkligen Dreiecks gilt die Beziehung , wobei a und b für die Längen der winkelanliegenden Seiten, der Katheten, stehen und c die Länge der dem rechten Winkel gegenüberliegenden Seite, der Hypotenuse, darstellt. In der modernen Mathematik ist der Satz aufgrund seiner Aussagen zum Konzept des Senkrechtstehens bedeutsam.

Der Satz ist theoretischer Ausdruck der von indischen, babylonischen und ägyptischen Baumeistern und Priestern entwickelten praktischen Kunst, bei Abmessungen von Feldern und Bauten mit Hilfe von Seilen präzise rechte Winkel zu erzielen. Schon eine kleine Abweichung vom rechten Winkel führt bei Bauwerken zu katastrophalen Ergebnissen, insbesondere bei großen Konstruktionen wie Pyramiden konnten sich die historischen Ingenieure nicht die geringste Abweichung erlauben.

Von der historischen Praxis zur Irrationalität

Seilspanner und ihre mathematische Adelung

Datei:PyramidDatePalms gr.jpg
Cheops-Pyramide

Um die auch heute noch verblüffende Präzision ihrer Bauten zu erreichen, hatte die ägyptische Priesterschaft mit den so genannten Harpedonapten eine eigene Zunft: die Seilspanner. Mit einem Kunstgriff erzielten die Seilspanner genaue rechte Winkel, indem sie 12 gleiche Teile eines langen Seils durch Knoten im Verhältnis 5:3:4 unterteilten und aus dem Seil mit Hilfe von Pflöcken ein Dreieck bildeten – es muss und wird sich auf diese Weise immer ein rechter Winkel ergeben (Pythagoreische Tripel). Diese Methode wandten die Seilspanner ferner an, wenn die Schlammfelder nach dem Rückgang der Nilfluten neu abzumessen waren. Auch die indischen Priester bestimmten ihre rechten Winkel, beispielsweise für den Bau ihrer Altäre, nach der gleichen Methode, unterteilten ihre Dreiecke jedoch im Seitenverhältnis 39:15:36. Erhebt man die Zahlen ins Quadrat und bringt sie in eine Gleichung, ergibt sich (Ägypter) oder (Inder) – und allgemein bei immer ein rechter Winkel. Was bei Babyloniern, Indern und Ägyptern in praktischer, ursprünglich probierender Anwendung entstanden war und nach heutigem Wissensstand seinerzeit nicht auf seine Allgemeingültigkeit hinterfragt wurde, erhielt somit im Lehrsatz des Pythagoras mit seine abstrakte, verallgemeinerte mathematische Adelung.

Pythagoras - Suche nach der Harmonie der Welt

Datei:Turmbau babel Bruegel.jpg
Pieter Bruegel: Der Turmbau zu Babel

Die ältesten bekannten mathematischen Aufzeichnungen mit Pythagoreischen Tripeln und sogar ihrer Quadratur finden sich auf babylonischen Tontafeln, die in die Zeit der Hammurabi-Dynastie datiert werden (1829 bis 1530 v. Chr). Die Grundlagen des Satzes waren also lange vor dem griechischen Mathematiker und Philosophen Pythagoras von Samos bekannt. Die Benennung des Satzes nach Pythagoras stammt von Euklid, der in seinem berühmtesten Werk Elemente das mathematische Wissen seiner Zeit zusammengetragen und dabei diesen Satz Pythagoras zugeschrieben hatte. Pythagoras, der viele Jahre in Ägypten verbrachte, und seiner asketischen, aristokratisch-elitären Schule kommt allerdings wahrscheinlich das Verdienst zu, diesen Satz um 540 v. Chr. für die westlichen Kulturen neu entdeckt, in seine verallgemeinerte, abstrakte Formel gebracht und weiterentwickelt zu haben. Zwar enthielt beispielsweise das älteste bekannte Rechenbuch der Welt, das ägyptische Rechenbuch des Ahmes (auch Papyrus Rhind) aus dem 17. Jahrhundert v. Chr. bereits komplizierte Aufgaben, es fehlte jedoch jede Verallgemeinerung, Regel, Definition. Bei Pythagoras wurde aus der Praxis Wissenschaft. Wie der Neuplatoniker Proklos um 470 n. Chr. beschrieb:

...verwandelte Pythagoras die Beschäftigung mit diesem Wissenszweige in eine wirkliche Wissenschaft, indem er die Grundlage derselben von höherem Gesichtspunkt aus betrachtete und die Theoreme derselben immaterieller und intellektueller erforschte.

Dabei stand für die Pythagoreer nicht die Mathematik, wie wir sie heute begrifflich verstehen, im Vordergrund. Vielmehr war die Mathematik Teil der Philosophie in der Tradition der Vorsokratiker Thales von Milet und Anaximander; wie diese hofften auch die Pythagoreer, die innere Harmonie der Welt und ihr zusammenhaltendes Element in mathematischen Beziehungen und Formeln finden und abbilden zu können. Und auch der rund 150 Jahr später lebende Euklid nannte sein Werk nicht etwa Kompendium der Mathematik, sondern Elemente. Der griechische Schriftsteller Plutarch berichtete um 70 n. Chr. über den Pythagoreer Petron von Himera:

«Petron lehrte «, es gäbe 183 Welten, die in Form eines gleichseitigen Dreiecks geordnet seien, von denen jede Seite 60 Welten umfasse. Von den übrigen Welten sei je eine an einem der Winkel gelagert... .

Entdeckung der Irrationalität

Der Satz des Pythagoras führte noch die Pythagoreer zur Entdeckung der Irrationalität von . Hat man ein Quadrat mit der Seitenlänge 1 und berechnet dessen Diagonale, folgt aus dem Satz des Pythagoras: . Die positive Lösung c dieser Gleichung nennen wir . Unmittelbar darauf folgte dann die Frage, ob sich die Länge dieser Diagonalen exakt durch eine rationale Zahl, also einen Bruch p/q darstellen lässt. Schon die Pythagoreer konnten zeigen, dass dies nicht möglich ist. Ein Beweis durch Widerspruch, der auch heute noch in der Schule gelehrt wird, ist uns von Euklid überliefert.

Das Weltbild der Pythagoreer, die die Zahl als das Maß aller Dinge betrachteten, war durch die Entdeckung der Irrationalität in Frage gestellt. Parallel zum Messbaren, parallel zur klaren Gesetzmäßigkeit existierte das Unmessbare, die nicht ausdrückbare Zahl. Der Erkenntnis verschlossen sich die Pythagoreer nicht, weigerten sich aber, das Irrationale den Zahlen zuzuordnen. Solche Ehrfurcht hatten diese Männer vor der Theorie des Irrationalen, berichtet Proklos, dass sie annahmen, dass derjenige, welcher zuerst die Betrachtung des Irrationalen aus dem Verborgenen in die Öffentlichkeit brachte, durch einen Schiffbruch umgekommen sei, und zwar weil das Unaussprechliche und Bildlose immer verborgen werden sollte ... .

Mathematische Aussage und Anwendungen

Aussage

Rechtwinkliges Dreieck mit drei Quadraten a², b², c²
Die Fläche des unteren Quadrats (rot) entspricht der Summe der Flächen der beiden anderen Quadrate (blau und grün)

Die allgemeine Aussage des Satzes des Pythagoras lautet:

Sind a, b, c die Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks mit c als Hypotenuse, so gilt .

Die Umkehrung gilt ebenso:

Gilt die Gleichung in einem Dreieck, so ist dieses Dreieck rechtwinklig.

Eng verwandt mit dem Satz des Pythagoras sind der Höhensatz und der Kathetensatz. Der Kosinussatz ist eine Verallgemeinerung des pythagoräischen Satzes. Die Sätze zusammen bilden die so genannte Satzgruppe des Pythagoras.

Anwendungen

Aus dem Satz des Pythagoras folgt: Die Länge der Hypotenuse ist gleich der Quadratwurzel aus der Summe von und , es gilt also:

Die gewöhnliche Anwendung ist es, aus zwei bekannten Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks die Dritte zu berechnen. Dies ist durch Umformung der Gleichung für alle Seiten möglich:

Man kann den Satz des Pythagoras auch in seiner Umkehrung verwenden. Dabei wird überprüft, ob der Satz bei einem beliebigen Dreieck zutrifft. Es reicht allein die Kenntnis der Seitenlängen eines gegebenen Dreiecks, um daraus zu schließen, ob es rechtwinklig ist:

Seitenlängen 3, 4, 5 => 32 + 42 = 9 + 16 = 25 = 52 => Das Dreieck ist rechtwinklig.

Seitenlängen 4, 5, 6 => 42 + 52 = 16 + 25 = 41 ≠ 62 => Das Dreieck ist nicht rechtwinklig.

In der Praxis wird der Satz des Pythagoras, neben Sinus- und Kosinussatz, auch heute noch vor allem für das Vermessen von Geländen verwendet.

Kartesisches Koordinatensystem

In kartesischen Koordinaten ausgedrückt, ist der Satz von Pythagoras die Formel für den Abstand zweier Punkte in der Ebene. Wenn (x0, y0) und (x1, y1) Punkte in der Ebene sind, dann ist ihr Abstand c durch

gegeben.

Beweise

Für den Satz sind über 200 verschiedene Beweise bekannt. Der Satz des Pythagoras ist damit der meistbewiesene mathematische Satz. Exemplarisch stellen wir hier drei geometrische dar:

Diagramm zum Ergänzungsbeweis
Zwei Quadrate mit Seitenlänge a+b

Geometrischer Beweis durch Ergänzung

In ein Quadrat mit der Seitenlänge a+b werden vier gleiche (kongruente) rechtwinklige Dreiecke mit den Seiten a, b und c (Hypotenuse) eingelegt. Dies kann auf zwei Arten geschehen, wie im Diagramm dargestellt ist.

Die Flächen des linken und des rechten Quadrates sind gleich (Seitenlänge a+b). Das rechte besteht aus den vier rechtwinkligen Dreiecken und einem Quadrat mit Seitenlänge c, das linke aus den gleichen Dreiecken sowie einem Quadrat mit Seitenlänge a und einem mit Seitenlänge b. Die Fläche c² entspricht also der Summe der Fläche a² und der Fläche b², also a²+b²=c². Dies ist der Satz des Pythagoras.

Veranschaulichung des Scherungsbeweises
Zweifache Scherung der Kathetenquadrate und Drehung in das Hypothenusenquadrat
Zweifache Scherung der Kathetenquadrate und Drehung in das Hypothenusenquadrat

Scherungsbeweis

Eine weitere Möglichkeit ist die Scherung der Kathetenquadrate in das Hypotenusenquadrat. Unter Scherung eines Rechtecks versteht man in der Geometrie die Überführung des Rechtecks in ein Parallelogramm unter Beibehaltung der Höhe. Bei der Scherung ist das sich ergebende Parallelogramm zu dem Ausgangsrechteck flächengleich. Über zwei Scherungen können die beiden kleineren Quadrate dann in zwei gleich große Rechtecke umgewandelt werden, die zusammen genau in das große Quadrat passen.

Beim exakten Beweis muss dann noch über die Kongruenzsätze im Dreieck nachgewiesen werden, dass die kleinere Seite der sich ergebenden Rechtecke jeweils den Hypotenusenabschnitten entspricht. Wie üblich wurden in der Animation die Höhe mit h, die Hypothenusenabschnitte mit p und q bezeichnet.

Beweis mit Ähnlichkeiten

Es ist nicht unbedingt notwendig, zum Beweis des Satzes von Pythagoras Flächen heranzuziehen. Geometrisch eleganter ist es, Ähnlichkeiten zu verwenden. Sobald man sich durch Berechnung der Winkelsummen im Dreieck überzeugt hat, dass die beiden grünen Winkel im obigen Bild gleich groß sein müssen, sieht man, dass die Dreiecke ACB, CDB und ADC ähnlich sind. Der Beweis des Satzes von Pythagoras ergibt sich dann wie im Bild gezeigt.

Pythagorasbeweis mit Ähnlichkeiten

Pythagoreische Tripel

Ein pythagoreisches Tripel ist eine Gruppe von drei ganzen Zahlen, für die die Gleichung: gilt. Es gibt unendlich viele Tripel mit dieser Eigenschaft.

Das einfachste solcher Tripel bilden die bereits von den Ägyptern genutzten Zahlen 3, 4 und 5 (wegen 3²+4²=5², also 9+16=25). Dieses wird in der "Gärtnerkonstruktion" von rechtwinkligen Parzellen oder Beeten verwendet:

Man bringe an einem Stück Schnur in regelmäßigen Abständen (etwa alle 50 cm) einen Knoten an und knote sie dann so zusammen, dass eine Schleife mit im Ganzen 12 Knoten entsteht. Nehmen jetzt drei Personen je einen Knoten in die Hand, so dass sich die Strecken zwischen ihnen wie 3:4:5 verhalten, so ist der Winkel zwischen den beiden kürzeren Seiten (Katheten) genau 90°.

Großer Fermatscher Satz

In der Zahlentheorie gibt es die fundamentale Fragestellung, ob es pythagoreische Tripel für Gleichungen der Art

für n größer als zwei gibt, also ob es natürliche Zahlen gibt, die z.B. die Gleichung a3 + b3 = c3 erfüllen. Der Mathematiker Andrew Wiles konnte zeigen, dass es keine derartigen Lösungen gibt, indem er den berühmten großen Satz von Fermat bewies.

Verallgemeinerungen

Abstrahiert man vom gewöhnlichen euklidischen Raum, so erhält der Mathematiker Innenprodukträume, also Vektorräume mit einem Skalarprodukt. Hier gilt der Satz von Pythagoras ebenfalls, und zwar in folgender Form: Gegeben seien zwei Vektoren v und w. Sind die beiden orthogonal, stehen also senkrecht aufeinander, so gilt:

Die Umkehrung gilt ebenfalls. Trifft die obige Gleichung zu, so stehen die beiden Vektoren senkrecht aufeinander. Eine weitere Verallgemeinerung führt zur Parsevalschen Gleichung.

Cosinussatz

Der Cosinussatz ist die Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras für nicht rechtwinklige Dreiecke:

wobei der Winkel gegenüber von c ist. Der Cosinussatz unterscheidet sich also durch den Term "" vom Satz des Pythagoras; da der Cosinus von 90° null ergibt, fällt dieser bei einem rechten Winkel weg und der Spezialfall in Form des Satzes von Pythagoras bleibt übrig.

Nichteuklidische Geometrie

Nichteuklidische Geometrien sind solche, in denen das Parallelenaxiom nicht gilt, wie beispielsweise die Geometrie der Kugeloberfläche. Dort gilt der Satz des Pythagoras nicht mehr.

Quellen und Literatur

  • Anna M. Fraedrich: Die Satzgruppe des Pythagoras. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1994 ISBN 38-6025-669-6
  • Hans Schupp: Elementargeometrie UTB, 1977 ISBN 35-0699-189-2
  • Paul Karlson: Vom Zauber der Zahlen. Eine unterhaltsame Mathematik für Jedermann. Verlag Ullstein, Berlin 1954. Zitate Proklos nach Seiten 103, 118 ISBN B0-000B-JZH-3
  • Egmont Colerus: Vom Einmaleins zum Integral. Mathematik für Jedermann. Rowohlt, 1982 ISBN 34-9916-692-5
  • Heinrich Tietze: Mathematische Probleme. Gelöste und ungelöste mathematische Probleme aus alter und neuer Zeit. Vierzehn Vorlesungen für Laien und Freunde der Mathematik. C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1990 ISBN 34-0602-535-8
  • Wilhelm Capelle (Hrsg.): Die Vorsokratiker. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1963. Zitat Plutarch nach Seite 102 ISBN 35-2011-908-0
  • A.K. Dewdney: Reise in das Innere der Mathematik Birkhäuser Verlag, Berlin 2000 ISBN 37-6436-189-1

Weblinks