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John Locke

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John Locke
John Locke

John Locke [dʒɒn lɒk] (* 29. August 1632 in Wrington bei Bristol; † 28. Oktober 1704 in Oates (Essex)) war ein englischer Philosoph.

Locke gilt als ein Hauptvertreter des englischen Empirismus. Seine politische Philosophie beeinflusste die Unabhängigkeitserklärung der USA, die Verfassung der USA, die Verfassung des revolutionären Frankreichs und über diesen Weg die meisten Verfassungen liberaler Demokratien maßgeblich. John Locke bildet zusammen mit George Berkeley (1684–1753) und David Hume (1711–1776) das große Dreigestirn der englischen Aufklärung und des aufkommenden Empirismus.

Leben

Locke wurde als Sohn eines Gerichtsbeamten in der Grafschaft Somerset geboren. Sein Vater stand im Englischen Bürgerkrieg auf der Seite des Parlaments. So war es John Locke 1647 möglich, die ehemals königliche Westminster School zu besuchen. Er studierte ab 1652 in Christ Church in Oxford „klassische Wissenschaften“, was eine Schulung an Aristoteles und der Scholastik einschloss. 1656 wurde ihm der Bachelor of Arts verliehen. Überlegungen, sein Studium abzubrechen und in eine Anwaltskanzlei einzutreten, gab er auf. Stattdessen legte er die Prüfung zum Master of Arts bereits zwei Trimester vor Ablauf der planmäßigen Studienzeit im Jahr 1658 ab. Danach wurde er als senior student Mitglied des Lehrkörpers und nahm seine Tätigkeit als Dozent auf. Er war ab 1660 Lecturer für Griechisch, dann Rhetorik (1662) und Ethik (1663 „Censor of Moral Philosophy“). Nach dem frühen Tod seiner Eltern und seines jüngeren Bruders erbte Locke etwas Land und einige Cottages, wodurch er finanziell unabhängig wurde.

Bereits als Student hatte Locke, wie sich aus seinen Aufzeichnungen ergibt, Interesse an medizinischen Fragen und den neu aufkommenden empirischen Methoden gezeigt. So befasste er sich mit den Naturwissenschaften und hörte bei Richard Lower inoffiziell medizinische Vorlesungen. In dieser Zeit hatte er engeren Kontakt zu Robert Boyle und den experimentellen empirischen Methoden der Wissenschaften. Nach einer 1665 in diplomatischem Auftrag für die englische Regierung unternommenen Reise quer durch Europa wurde er Sekretär und Leibarzt des späteren Earl of Shaftesbury und später Erzieher dessen gleichnamigen Enkels. 1672 erhielt er durch Shaftesbury ein Regierungsamt. Locke wurde 1668 Mitglied der Royal Society. Aufgrund seiner Tätigkeit als Arzt bemühte sich Locke um den Titel eines Doktors der Medizin, erhielt aber 1675 wegen fehlender offizieller Kurse und ohne Prüfungen nur den Bachelor für Medizin zugesprochen. Als Shaftesbury im Verlauf von Machtkämpfen in der Regierung in Haft kam, unternahm Locke von 1675 bis 1679 eine weitere Europareise. Shaftesbury ging nach erneuter Regierungsposition wegen der Verschwörung gegen Jakob II. 1682 ins holländische Exil, wo er 1683 starb; Locke blieb zwar zunächst in England, verbarg sich aber nach dem Rye House Plot von 1683 bis 1688 in Holland. 1684 befahl der englische König ihn in Abwesenheit aus dem Christ-Church-College auszuschließen. Erst mit dem Machtantritt von Wilhelm von Oranien wurde ihm 1689 wieder ein Regierungsamt angeboten, das er aus gesundheitlichen Gründen aber ablehnte. Ab 1690 zog er sich auf das Gut eines befreundeten Adligen zurück.

In seinen späten Jahren fernab des politischen Tagesgeschehens veröffentlichte er seine Hauptwerke: 1686 die anonym veröffentlichten Briefe über Toleranz, 1690 ebenfalls anonym Zwei Abhandlungen über die Regierung, im selben Jahr Versuch über den menschlichen Verstand; 1692 die bereits 1668 geschriebenen Betrachtungen über die Senkung des Zinssatzes und die Erhöhung des Geldwertes, in denen er sich für eine frühe Form des Freihandels einsetzte.

Erkenntnistheorie

An Essay concerning Humane Understanding (London: T. Basset/ E. Mory, 1690).

Locke lieferte einen bedeutenden Beitrag zur Erkenntnistheorie. Er befürwortet zwar die rationale Theologie und selbstverständlich die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, die die rationalistische Philosophie vor allem Descartes verdankt. Locke wendet sich aber gegen die Rechtfertigung der Naturwissenschaften aus dem bloßen Denken und sucht ihr Fundament stattdessen in der Erfahrung.

Dennoch nahm er wie Descartes als Ausgangspunkt der philosophischen Überlegungen den Zweifel an der gegenständlichen Wirklichkeit, an der Existenz der Außenwelt. Die Aufhebung dieses Zweifels wurde von ihm nun nicht mehr über den Gottesbegriff vollzogen, sondern angeregt durch Gassendi empiristisch. In seinem aus vier Büchern bestehenden Hauptwerk An Essay concerning Humane Understanding untersuchte Locke den Ursprung, die Gewissheit und den Umfang menschlichen Wissens in Abgrenzung zu Glauben, Meinen und Vermuten. Ausgangspunkt war einerseits Lockes scholastische Ausbildung in Oxford auf Basis des in England vorherrschenden Nominalismus. Andererseits hatte er sich in seinem vierjährigen Frankreichaufenthalt intensiv mit Descartes und dessen Vorstellung eingeborener Ideen auseinandergesetzt.

Entsprechend untersuchte Locke im ersten Buch zunächst den Ursprung der Ideen und entwickelte eine Vielzahl pragmatischer Argumente gegen die Existenz eingeborener Ideen. Seine Grundthese ist die bereits weit vor ihm formulierte Aussage: Nihil est in intellectu quod non (prius) fuerit in sensibus (Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen gewesen wäre); siehe dazu auch: Lateinische Sprichwörter. Das zweite Buch befasst sich mit dem Zusammenhang der Ideen mit der Erfahrung. Das menschliche Bewusstsein ist bei der Geburt wie ein weißes Blatt Papier (tabula rasa), auf das die Erfahrung erst schreibt. Ausgangspunkt der Erkenntnis ist die sinnliche Wahrnehmung. Allerdings war Locke kein Sensualist. Er unterschied äußere Wahrnehmungen (sensations) und innere Wahrnehmungen (reflections). Der nächste Schritt ist im dritten Buch die Untersuchung der Rolle der Sprache, ihres Zusammenhangs mit den Ideen und ihrer Bedeutung für das Wissen. Buch vier handelt schließlich von den komplexen (zusammengefassten) Ideen, von den Grenzen des Wissens und dem Verhältnis von Begründung und Glauben.

Ideen

Lockes Kritik der Vorstellung der eingeborenen Ideen (ideae innatae) hat einen aufklärerischen Charakter. Durch die Untersuchung der Dinge selbst soll den Dogmen, Vorurteilen und den von Autoritäten vorgegebenen Prinzipien, wie sie zu seiner Zeit an der Tagesordnung waren, der Boden entzogen werden. Besonders ausdrücklich wandte er sich gegen Descartes' Annahme, dass auch die Gottesidee angeboren sei: denn es gebe viele Gegenden in der Welt, wo es keine entsprechende Gottesvorstellung gibt.

Wenn es eingeborene Ideen gäbe, müssten diese auch bei geistig zurückgebliebenen Menschen vorhanden sein.

Erstens nämlich ist es offensichtlich, daß alle Kinder und Idioten nicht im geringsten eine Vorstellung oder einen Gedanken von diesen Sätzen haben. Schon dieser Mangel genügt, um jene allgemeine Zustimmung zunichte zu machen, die notwendig und unbedingt die Begleiterin aller angeborenen Wahrheiten sein müßte. (Buch I, Kapitel 1, Abschnitt 3)

Eingeborene Ideen würden auch die Vernunft überflüssig machen, da man ja nicht erst zu entdecken braucht, was man schon besitzt. Prinzipien wie das vom ausgeschlossenen Widerspruch (Nichts kann zugleich und in der selben Hinsicht sein und nicht sein.) oder von der Identität (Alles was ist, das ist.) sind evident, müssten aber erst durch die Vernunft erschlossen werden. Es gibt keine Kriterien zur Unterscheidung eingeborener von erworbenen Ideen. Auch das Kriterium der Evidenz kann aus Sicht Lockes nicht eingeborene Ideen kennzeichnen, denn es gebe so viele evidente Aussagen, dass diese unmöglich angeboren sein können. Aus den gleichen Gründen gibt es auch keine eingeborenen moralischen Prinzipien. Grundsätze wie Gerechtigkeit oder das Einhalten von Verträgen müssen durch die Vernunft begründet werden, damit sie Allgemeingültigkeit erhalten.

Übersicht über die Darstellung der Ideen bei John Locke

Als wesentliches Argument gegen den Innatismus sah Locke an, dass seine eigene, für ihn schlüssige Erkenntnistheorie ohne die Vorstellung der eingeborenen Ideen auskam.

Das Material der Erkenntnis sind einfache Ideen. Deren Ursprung liegt in der Erfahrung. Locke unterschied dabei sensations (äußere Eindrücke) und reflections (innere Eindrücke), die erst im Verstand zu komplexen Ideen verbunden und geformt werden. Die inneren Eindrücke umfassen geistige Tätigkeiten wie Wahrnehmen, Zweifeln, Glauben, Schließen, Erkennen oder Wollen. Komplexe Ideen entstehen durch Vergleichen, Zusammensetzen, Abstrahieren und andere entsprechende Tätigkeiten des Verstandes. Damit war Locke nicht – wie so oft zu lesen ist – Sensualist. Für ihn gab es sehr wohl einen aktiven Verstand (vgl. intellectus agens), der im Erkenntnisprozess eine wesentliche Rolle spielt. So weit gibt es keinen Unterschied zu Kant. Für Locke gab es lediglich keine Ideen a priori, sondern nur das Vermögen, Wahrnehmungen zu verarbeiten zu Abbildern, komplexen Ideen und Begriffen. Bei komplexen Ideen unterschied er Substanzen, Relationen und Modi. Substanzen sind Dinge, die eigenständig existieren einschließlich der Engel, Gott und anderer 'konstruierter' Gegenstände. In Relationen drückt sich das Verhältnis verschiedener Ideen aus. Modi sind Ideen, die nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern geistige Konstrukte, beispielsweise „Dreieck“, „Staat“ oder „Dankbarkeit“.

Bei der Erfassung der Substanzen, die für Locke jeweils komplexen Ideen entsprechen, unterschied er primäre und sekundäre Qualitäten. Primär sind solche Eigenschaften, die den Substanzen unmittelbar innewohnen wie Ausdehnung, Festigkeit oder Gestalt. Sekundäre Qualitäten sind Eigenschaften, die nicht tatsächlich im Körper des Gegenstandes vorzufinden sind, sondern in der Idee der jeweiligen Substanz von unserer Wahrnehmung hinzugefügt werden.

Was in der Idee von Süß, Blau oder Warm ist, ist nur eine gewisse Größe, Gestalt und Bewegung der sinnlich nicht wahrnehmbaren Teilchen in den Körpern selbst, die wir so benennen. (II, 8,15)

Locke fand in der Unterscheidung der sekundären Qualitäten ein Problem, das noch in der Philosophie der Gegenwart unter dem Stichwort Qualia intensiv diskutiert wird. Sekundäre Qualitäten sind für Locke Produkte des Geistes. Sie sind nichts weiter als die Vermögen verschiedener Kombinationen der primären Qualitäten. (II,8,22). Primäre Qualitäten sind Eigenschaften fester Körper, deren Abbilder Ideen im menschlichen Geist hervorrufen. Dies setzt einen nicht näher bestimmbaren Träger voraus (II,22,2), eine Substanz, deren Erkenntnis angenommen werden muss, ein Ding von dem wir offensichtlich keine klare Idee haben. Diese Substanz stellte sich Locke in Anlehnung an Gassendi und in Übereinstimmung mit dem von Boyle vertretenen Atomismus als nicht wahrnehmbare kleinste Teilchen vor. Diese Vorstellung kennzeichnete Locke ausdrücklich als Hypothese. Die Welt ist so, wie sie uns erscheint, auch wenn sie mit der realen Welt nicht übereinstimmen muss. Aber an der Annahme einer realen Welt muss man festhalten. Als Konsequenz ergibt sich ein Dualismus von Geist und Materie. Die Annahme sowohl einer geistigen Welt, als auch einer realen Welt war der Ansatzpunkt der Kritik sowohl für Berkeleys Idealismus als auch für Humes Skeptizismus.

Erkenntnis

Konzept der Erkenntnis bei John Locke

Erkenntnis ist die Perzeption (Wahrnehmung) der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Ideen. Zur Erkenntnis bedarf es also des Urteils, ob eine Aussage gültig ist. Locke unterschied grundsätzlich drei Elemente der Erkenntnis, die intuitive, die demonstrative und die sensitive Erkenntnis. Intuitiv erkennt man Ideen als solche, dass sie im Geist als Einheit vorhanden sind (Identität) und dass sie sich von anderen Ideen unterscheiden (Distinktheit). Das intuitive Erfassen einer Idee ist notwendig für die weiteren Erkenntnisschritte. Intuitive Wahrheit ergibt sich, wenn die Ideen nicht mehr weiter analysierbar sind (Evidenz).

Demonstrative Erkenntnis findet nur mittelbar statt. Der Verstand hat das Vermögen, mit Hilfe der Ideen einen Zusammenhang zwischen zwei Ideen herzustellen. Dieses Vermögen ist nach Locke die Vernunft und die Art zu erkennen nannte er auch die rationale Erkenntnis. Die Verknüpfung der Ideen erfolgt dabei in Einzelschritten, wobei jeder Schritt durch intuitive Erkenntnis bestätigt wird. Die scholastischen Syllogismen waren für Locke nur deduktiv, also nicht geeignet, tatsächlich neue Erkenntnis zu erzeugen. Sie hatten für ihn nur didaktische Funktion.

Mit der sensitiven Erkenntnis schließlich erfasst der Mensch die Existenz realer Gegenstände; denn niemand kann im Ernst so skeptisch sein, dass er über die Existenz der Dinge, die er sieht oder fühlt, ungewiss wäre. (IV, 11, 3). Allerdings sind die Sinne gegenüber der Evidenz und der Ableitbarkeit mit einer gewissen Unsicherheit gehaftet, so dass Locke am Ende die Erkenntnis im engeren Sinne als intuitive und demonstrative Erkenntnis bestimmt.

Diese beiden, Intuition und Demonstration, sind die Grade unserer Erkenntnis. Alles, was nicht einer diesen beiden entspricht, ist – wie zuversichtlich man es auch annehmen mag – bloßer Glaube oder Meinung, aber nicht Erkenntnis. (IV,2,14)

Wie sicher ist aber das Wissen um das Erkannte? Lockes Empirismus begrenzt die Erkenntnis auf die Erfahrung. Was jenseits der sinnlichen Erfahrung liegt, die Essenz (das Wesen) der Dinge, könne nicht erkannt werden. Der Verstand gibt dem Erkannten Einheit, indem er den Begriff von der reinen Substanz im allgemeinen (II,4,18) bildet. Aber über die Natur lässt sich nichts Endgültiges sagen. Mit Hilfe der Vernunft kann der Mensch die Sinne nicht übersteigen. Er kann nur Hypothesen aufstellen als Leitfaden für die Forschung und Experimente. Absolute Gewissheit ist auf empirischen Wege nicht möglich. Im Bereich der Hypothesen arbeitet der Verstand mit abstrakten Begriffen wie Art und Gattung, indem er von der Erfahrung abgeleitete, aber abstrahierte komplexe Ideen wie Relationen und Modi verwendet. Solche Ideen wie die des Dreieckes haben nicht nur nominale, sondern auch reale Essenz. Deshalb ist es in den abstrakten Wissenschaften wie der Mathematik auch möglich, unanfechtbare Wahrheiten zu finden.

Allgemeine und sichere Wahrheiten sind lediglich in den Beziehungen und Verhältnissen der abstrakten Ideen begründet. (IV,12,7)

Da Gerechtigkeit, Dankbarkeit oder Diebstahl auch als Modi einzustufen sind, zählte Locke die Moral zu den abstrakten Wissenschaften, für die man diese allgemeinen und sicheren Wahrheiten mit Hilfe der Vernunft herleiten kann.

Rezeption der Erkenntnistheorie

Erste Reaktionen auf den Essay gab es bereits zu Lockes Lebzeiten, wobei sich sowohl Cartesianer (John Norris) als auch Thomisten (John Sergeant) ablehnend äußerten. Von den bekannten Philosophen reagierten sowohl Leibniz mit Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand (1704, gedruckt 1759) als auch Berkeley mit der Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis (1709) unmittelbar, wenn auch jeder aus seiner Sicht, kritisch auf das Werk Lockes. Dieses kann daher als Anstoß für eine neue Gattung von Abhandlungen in der Philosophie angesehen werden, die sich ausschließlich auf die erkenntnistheoretische Frage konzentriert.

In diesem Sinn stehen auch Humes Untersuchung über den menschlichen Verstand und Kants Kritik der reinen Vernunft in einer Linie der Diskussion über die Erkenntnistheorie. Während Locke, Berkeley und Hume jeweils die empiristische Position vertraten, sind Leibniz und Kant Vertreter des Apriorismus – ein Gegensatz, der seit Descartes und Locke die philosophische Auseinandersetzung über den Positivismus (Mill) und Neopositivismus einerseits, sowie den deutschen Idealismus einschließlich Schopenhauer, der Locke als seicht kritisierte, und dem Neukantianismus andererseits bis in die Gegenwart bestimmte.

Gesellschafts- und Staatstheorie

Locke schrieb seine Werke vor dem Hintergrund der Konflikte zwischen Parlament und Krone. Zu seiner Zeit waren es keine abstrakten Überlegungen, sondern argumentatorische Waffen im Konflikt um die neue Gesellschaftsordnung. Dabei stand das absolute Recht des Königs gegen die Ansprüche des Bürgertums auf Regierungsbeteiligung und eigene Rechte gegenüber dem König. Locke begründet, warum die Macht des Herrschenden eingeschränkt ist.

In seinen Two Treatises of Government geht der Whig (Parlamentsanhänger) Locke von natürlich gegebenen Rechten der Menschen aus (siehe Naturrecht). Er setzt bestimmte Annahmen über den Zustand des Menschen in Abwesenheit des Staates und deduziert von diesen, wie die Menschen im Naturzustand zusammenlebten. Über die Anhäufung von Eigentum bildeten sich Gesellschaften. Mithilfe seiner Vertragstheorie begründet Locke, wie diese sich Regierungen gaben. Da diese Regierungen nur geschaffen wurden, um bestimmten menschlichen Zwecken zu dienen, kann er im folgenden legitime und illegitime Regierungen unterscheiden. Gegen illegitime Regierungen stellt er ein Recht auf Revolution fest.

Naturrechtslehre

Locke erklärt in seinem politischen Hauptwerk Two Treatises of Government (Zwei Abhandlungen über die Regierung) Freiheit, Gleichheit und Unverletzlichkeit von Person und Eigentum zu den höchsten Rechtsgütern. Er geht dabei von dem Gedanken aus, dass das höchste Ziel und Zweck des Menschen das Leben sei. Locke begründet dies noch explizit damit, dass der Mensch durch Gott geschaffen sei:

„...by his [Gods] order and about his business, they are his property whose workmanship they are, made to last during his, not one another's pleasure: ... [human being] has no liberty to destroy himself, or so much as any creature in his possession, yet when some nobler use than its bare possession calls for it. (II. ii. 5).
deutsch: Sie sind sein Eigentum, denn sie sind sein Werk, von ihm geschaffen, dass sie so lange bestehen wie es ihm gefällt, nicht aber wie es ihnen untereinander gefällt. ... [Der Mensch] hat doch nicht die Freiheit, sich selbst oder irgendeinem in seinem Besitz befindliches Lebewesen zu zerstören, es sei denn ein edlerer Zweck als bloße Erhaltung fordere es.

Aber er stellt auch fest, dass Gottes Wille durch reines Nachdenken und Weltbeobachtung erkennbar sei (vgl. Natürliche Theologie). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Argumentation auch ohne Gott funktioniert. Um dieses Überleben zu sichern, sind die Rechte auf Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum (Life, Health, Liberty, Property) notwendig.

Im Gegensatz zur Konzeption Thomas Hobbes' sind die Naturrechte bei Locke durch die Rechte anderer begrenzt. Während bei Hobbes im Prinzip jeder ein Recht auf Alles hat, werden die Rechte auf Freiheit und Eigentum bei Locke durch die Freiheits- und Eigentumsrechte anderer eingeschränkt. „No one ought to harm another in his Life, Health, Liberty, or Possessions.“ (II, 6, II, 9-10). (deutsch: .. dass niemand einem anderen an seinem Leben, seiner Gesundheit, seiner Freiheit oder seinem Besitz Schaden zufügen soll.) Aus dieser Einschränkung leitet er selbst deduzierte Rechte ab, diejenigen zu bestrafen und Ausgleich gegenüber denen zu fordern, die sie verletzten. Während Hobbes von individuellen Rechten ausgeht, ist Lockes „Law of Nature“ überindividuell angesiedelt: „the state of nature has a law of nature to govern it, which obliges every one.“ (II, 6, II, 6-7) (deutsch: Im Naturzustand herrscht ein natürliches Gesetz, das für alle verbindlich ist.). Damit greift er auf ältere naturrechtliche Konzeptionen zurück.

Leben

Locke begründet als erstes Recht, das Recht „a man has to subsist and enjoy the conveniences of life.“ (I 97, II, 2-3) Das Recht ergibt sich zwingend aus seiner Begründung der Naturrechte. Wichtig ist hier, dass dieses Recht nicht nur die reine Selbsterhaltung einschließt, sondern auch die Freude am eigenen Leben. Folgend seiner Konzeption der Naturrechte und des daraus resultierenden Naturzustandes bedeutet es auch, dass das Leben der Menschen bereits im Naturzustand gesichert ist. Anders als bei Hobbes kann die Aufgabe der Regierung nicht nur sein, das Leben der Menschen zu schützen.

Freiheit

Die zweite Abhandlung beginnt mit dem Recht auf Freiheit:

„Freedom to order their Actions, and dispose of their Possessions and Persons as they think fit, within the bounds of the Law of Nature, without asking leave, or depending upon the Will of any other man.“ (II, 4, II, 3-6)
[Der Naturzustand] ist ein Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes seine Handlungen zu lenken und über seinen Besitz und seine Person zu verfügen, wie es einem am besten scheint – ohne jemandes Erlaubnis einzuholen und ohne von dem Willen eines anderen abhängig zu sein.

Locke definiert aber auch eine legitime totale Einschränkung der Freiheit: Sklaverei. Menschen können andere Menschen in dem Moment legitim versklaven, in dem letztere einen ungerechten Krieg beginnen und verlieren. Der Sieger hat, um den Krieg zu beenden, in diesem Moment nur die Wahl seinen Gegner entweder zu töten oder zu versklaven.

Eigentum

Arbeitstheorie: Aneignung der Natur

Lockes Argumentation zum Eigentum verläuft zweistufig. In der ersten Stufe, der Arbeitstheorie, begründet er, wie Menschen überhaupt rechtmäßig Privateigentum erwerben können. Im ersten Schritt widerspricht er der absolutistischen These, die nur dem König legitime Eigentumsrechte zubilligt. Sie lautet, dass die Welt Adam, Noah und dann ihren Nachfahren, den Königen gegeben worden sei, um über sie zu herrschen. Nach Locke gab Gott die Natur allen Menschen gemeinsam (siehe 1. Mose), begründungsbedürftig ist vielmehr, dass Einzelne sich Privateigentum aneignen können und damit den anderen Menschen Zugriff auf diesen Teil der Natur verwehren.

Das Eigentum rechtfertige sich aus dem Selbsterhaltungsrecht: Der Mensch sei folgend dem Freiheits- und Selbstbestimmungsrecht nicht nur Eigentümer seiner selbst und damit auch seiner Arbeit, sondern auch berechtigt, der Natur ein angemessenes Stück zu entnehmen, um sich selbst zu erhalten.

natural reason ... tells us, that Men, being once born, have a right to their Preservation, and consequently to Meat and Drink, and such other things, as Nature affords for their subsistence (II, 25; 1)
die natürliche Vernunft ... sagt, dass die Menschen, nachdem sie einmal geboren sind, ein Recht haben auf ihre Erhaltung und somit auf Speise und Trank und alle anderen Dinge, die die Natur für ihren Unterhalt hervorbringt.

Durch die Vermischung der Natur, die noch allen gehört, mit der eigenen Arbeit, die dem Individuum selbst gehört, ist der Mensch berechtigt, sich diesen Teil der Natur anzueignen. Er selbst gibt als Beispiel die Aneignung eines vom Baum gefallenen Stückes Obst: Es gehört dem, der es aufgehoben hat, weil er es durch das Aufheben mit seiner Arbeit vermischt hat:

The labour that was mine, removing them (objects) out of that common state they were in, hath fixed my Property in them. (II, 28)
Meine Arbeit, die sie dem gemeinen Zustand, in dem sie sich befanden, enthoben hat, hat mein Eigentum an ihnen bestimmt.

An dieser Stelle der Argumentation greift Locke noch auf ältere Theoretiker des Privateigentums wie Hugo Grotius oder Samuel von Pufendorf zurück. Das Eigentum ist bei Locke zunächst durch mehrere Einschränkungen begrenzt: Man darf der Natur nicht mehr entnehmen, als man selbst verbrauchen kann. Andere Menschen müssen ebenfalls genug von der gemeinsam gegebenen Natur zurückbehalten, um selbst überleben zu können.

Vor allem der erstgenannte Punkt ist in seiner Argumentation wichtig. Es ist verboten, sich Früchte der Natur anzueignen und sie dann, im ursprünglichen Sinn des Wortes, verderben zu lassen:

„As much as any one can make use of to any advantage of life before it spoils; so much he may by his labour fix a Property in. Whatever is beyond this, is more than his share, and belongs to others. Nothing was made by God for Man to spoil or destroy.“ (II, §31, 7-12)
So viel, als ein jeder zu irgendwelchem Vorteil für sein Leben nutzen kann, bevor es verdirbt, darf sich zu seinem Eigentum machen. Was darüber hinausgeht, ist mehr als ihm zusteht, und gehört den anderen.

Geldtheorie: Ansammlung von Eigentum

In der zweiten Stufe seiner Geldtheorie legt er dann dar, wie die ursprüngliche, auf Subsistenz beruhende Eigentumsordnung rechtmäßig in eine kapitalistisch geprägte Eigentumsordnung übergehen kann: Es ist erlaubt, verderbliche Gaben der Natur gegen weniger verderbliche einzutauschen, also beispielsweise Äpfel gegen Nüsse. Man darf mehr Nüsse besitzen, als man aktuell braucht, solange diese nicht verderben. Über diesen Zwischenschritt erlaubt er es dann auch, Naturprodukte, die man sich angeeignet hat, gegen Geld, das heißt Gold oder Silber zu tauschen:

if he would give his nuts for a piece of metal, pleased with its color, or exchange his sheep for shells, or wool for a sparkling pebble or diamond, and keep those by him all his life, he invaded not the right of others, he might heap up as much of the durable things as he pleased; the exceeding of the bounds of his property not lying in the largeness of his possessions, but the perishing of anything uselessly in it. (II. 5. 46.)
Gab er dann auch Nüsse für ein Stück Metal, dessen Farbe ihm gefiel, tauschte er seine Schafe gegen Muscheln ein oder Wolle gegen einen funkelnden Kiesel oder Diamanten, um sie sein ganzes Leben bei sich zu tragen zu können, so griff er nicht in die Rechte anderer ein, mochte er von diesen beständigen Dingen auch so viel anhäufen wie er wollte. er überschritt die Grenzen rechtmäßigen Eigentums nicht durch Vergrößerung seines Besitzes, sondern dann, wenn irgend etwas ungenutzt umkam.

Dies allerdings ist bei Locke kein Recht im eigentlichen Sinn, sondern entsteht durch menschliche Übereinkunft und Akzeptanz. Da Geld nicht verdirbt, darf man sich davon so viel aneignen wie man will und kann. Damit umgeht Locke die im älteren Naturrecht entwickelte und aufrechterhaltene Schranke für das private Eigentum, ohne sie zu verletzen. Die naturrechtliche Beschränkung, dass nichts verderben darf, bleibt formal anerkannt, faktisch darf man sich aber „unendlichen“ Reichtum aufhäufen, da Geld nicht verdirbt.

Gesellschaftsvertrag und Regierung

Im Zuge dessen, dass Menschen Eigentumswerte ansammeln, nehmen aber auch die Ungleichheiten in der Gesellschaft zu. Im ersten Stadium sind Menschen an das gebunden, was sie persönlich produzieren und konsumieren können, die Eigentumsverhältnisse werden relativ gleich bleiben. In der fortgeschrittenen Geldwirtschaft werden die Eigentumsunterschiede beträchtlich, was zu Neid, Streitereien und häufigeren Verstößen gegen das Naturrecht führt. In der Theorie kann jeder jemanden bestrafen, der gegen das natürliche Recht verstößt. In der Praxis wird es jedoch meist das Opfer sein, dass die Strafe ausführt. Da die Strafe aber im Verhältnis zur Tat stehen sollte und da das Opfer oft die Schwere des Vergehens überschätzt, kann es hier häufig zu Überreaktionen kommen. Durch die übertriebenen Strafen und die darauf folgenden Retributionen kommt es zu Auseinandersetzungen bis hin zum Krieg. Laut Locke schließen sich die Menschen in diesem Moment zusammen, um den Vorgang abzubrechen und die eigenen Eigentumsrechte zu beschützen.

Locke baut auf die von Thomas Hobbes aufgebrachte Theorie vom Gesellschaftsvertrag auf, wonach die Beziehung zwischen Volk und Regierung als Volksverhältnis einer freien bürgerlichen Eigentümergesellschaft interpretiert wird. Dabei weitet er das Widerstandsrecht gegen die Regierung erheblich aus. Anders als bei Hobbes können Menschen bei Locke aber ihre Rechte, auch das auf Leben, ganz verwirken durch eine Tat „that deserves Death“ (II, 23, I, 10)

Ausgehend von der Entwicklung des Gesellschaftsvertrages besitzt Locke Maßstäbe, nach denen sich die Legitimität oder Illegitimität einer Regierung entscheiden lässt: Legitim sind diejenigen Regierungen, welche die natürlich gegebenen Rechte des Menschen beschützen; illegitim diejenigen, die sie verletzen. Da eine illegitime Regierung ihre eigene Existenzbegründung ad absurdum führt, ist es wiederum rechtmäßig gegen diese zu rebellieren.

Entstehung und Rezeption der Two Treatises

Zwar hatte Locke den Leviathan Thomas Hobbes' wahrscheinlich gelesen – es lassen sich in den Two Treatises implizite Hinweise darauf finden – vor allem aber war sein Buch als Erwiderung auf Robert Filmers Patriarcha, or the Natural Power of Kings konzipiert. Locke war sich der politischen Sprengkraft seines Werks bewusst. Er ließ es nicht nur anonym verlegen, sondern beseitigte auch alle Spuren, die ihn als Verfasser mit dem Werk in Zusammenhang bringen konnten. Erst in seinem Testament bekannte er sich zur Autorenschaft. Unter anderem vernichtete er dabei auch das Manuskript. Da die ersten Auflagen zahlreiche Druckfehler enthalten, die von Locke angemahnt wurden, ist es heute schwer von einer Originalversion auszugehen. Allgemein wird heute die 4. Auflage als autorisierte Version des Textes angesehen.

Neben dem politischen Konflikt um die zukünftige Regierung, entstand das Buch im Kontext der Kolonienfrage: Die britischen Gemeinde-Allmenden sollten aufgeteilt werden. Bei der Besiedlung Nordamerikas stellte sich die Frage, wie mit den riesigen Landstrichen vorzugehen wäre, die bisher von den Indianern genutzt wurden, im Verhältnis zu Europa aber nur äußerst dünn besiedelt waren. Ebenso gerieten die großen ungenutzten Landflächen des britischen Landadels immer mehr ins Visier der entstehenden bürgerlichen Schichten.

Lockes Staatstheorie hat die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776, den französischen Verfassungsentwurf 1791 sowie die ganze Entwicklung des bürgerlich-liberalen Verfassungsstaates bis heute maßgeblich beeinflusst. Die Einleitung der Unabhängigkeitserklärung baut direkt auf Locke auf:

We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness. -- That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed, -- That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it,
Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit. Dass zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten; dass sobald eine Regierungsform diesen Endzwecken verderblich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu verändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen,

Die Trias Life, Liberty and the pursuit of happiness ist eine literarisch adaptierte Version von Locke Naturrechten auf Life, Health, Liberty and Property, wobei in den ersten Entwürfen Property auch wörtlich im Text stand und Thomas Jefferson es erst später durch das weniger eindeutige Pursuit of Happiness ersetzte.

Neben den revolutionären Politikern der damaligen Zeit beeinflusste Locke aber auch die Entwicklung der politischen Theorie maßgeblich: die von ihm zugrunde gelegten Naturrechte sind bis heute Kernbestand des Liberalismus. Ebenso lassen sich mit ihm sämtliche Konzeptionen des Nachtwächterstaats begründen, die Eingriffe der Regierung in das Leben der Menschen nur zu eng definierten Zwecken zulassen.

In der akademischen Interpretation beeinflussten besonders Leo Strauss (1953) und C. B. Macpherson (1962) die Diskussion um seine Staatstheorie. Für Strauss und seine Anhänger hat Lockes Staatstheorie große Ähnlichkeiten mit der Thomas Hobbes, der größte Unterschied besteht ihrer Auffassung nach darin, dass Locke seine Ansätze für die damalige Zeit sozial akzeptabler formuliert habe. Macpherson legt eine marxistisch beeinflusste Interpretation vor, die Locke als Apologeten des Kapitalismus sieht. Ihnen beiden zufolge legitimiert Lockes Werk die unbegrenzte Eigentumsanhäufung des sich abzeichnenden Kapitalismus. Die Einschränkungen, die er macht, seien nur oberflächlich und letztlich bedeutungslos.

Andere wie James Tully interpretieren das Werk fast gegenteilig: hier brachten Geld und die damit verbundene Anhäufung von Reichtum, sowie die damit verbundenen Ungleichheiten nach Locke den Fall des Menschen. Die Einführung einer Regierung und damit die Loslösung aus dem Naturzustand war notwendig, um das schlimmste zu verhindern.

Während Locke in seiner Arbeit mit Hilfe der Geldtheorie die Verschwendungseinschränkung des Eigentums aushebelt, geht er auf die Feststellung, dass anderen Menschen genug zum Überleben bleiben müsse, nur knapp ein. Zu Lockes Zeiten handelte es sich hierbei um kein gravierendes Problem, da mit den neu entdeckten Amerikas scheinbar unbegrenzte natürliche Schätze zur Verfügung standen. Heute, nachdem es kein Land mehr auf der Erde gibt, das nicht von irgendwem beansprucht wird, beschäftigt sich ein großer Teil der wissenschaftlichen Diskussion damit, wie diese Einschränkung unter den heutigen Bedingungen zu interpretieren und praktisch umzusetzen sei.

Toleranz

In seinem Letter Concerning Toleration geht Locke auf das Verhältnis zwischen Staat und Religion ein. Die zugrunde liegende historische Situation war, dass er die Machtübernahme der Katholiken und eine Verfolgung aller Andersgläubigen fürchtete. Er sprach sich dafür aus, dass der Staat die Religion größtenteils seinen Bürgern überlasse. Locke greift dabei im wesentlichen auf ein religiös-christliches und drei im engeren Sinn philosophische Argumente zurück. Religiös argumentiert er, dass sich nirgendwo in der Bibel ein Hinweis darauf finde, dass Menschen mit Gewalt dazu gezwungen würden, ihre Religion zu wechseln. Innerhalb der philosophischen Argumentation greift er zum einen Gedanken aus seinen Two Treatises auf: der Daseinszweck der Regierung sei es, Leben, Freiheit und Eigentum zu schützen; würde sie in das religiöse Leben ihrer Bürger eingreifen, würde sie ihre Kompetenzen überschreiten. Dies wäre auch nicht sinnvoll, da es beim Glauben auf eine innere Einkehr und Überzeugung ankäme, die mit Gewalt und Verfolgung nicht erzwungen werden könne. Die rein äußerliche Annahme einer anderen Religion würde keinen Schritt zum wahren Glauben hinführen, aber in die Naturrechte der Untertanen eingreifen. Und selbst angenommen, die Regierung könnte auf eine Art die innere Überzeugung der Untertanen ändern, so wäre es immer noch fraglich, ob dies der wahren Religion helfen würde, da Regierungen an sich genauso anfällig dafür seien, eine falsche Religion zu propagieren wie ihre Untertanen. Nicht unter seinen Toleranzbegriff fallen aber Atheisten und die Katholiken. Atheisten nicht, da er den Glauben an Gott als notwendig ansieht, damit Menschen sich an moralische Grundwerte halten. Katholiken hält er in einem Staat für nicht tolerabel, da diese einem zweiten Fürst (dem Papst) gehorchen würden und somit das notwendige Herrschaftsmonopol einer Regierung außerhalb des Naturzustandes gebrochen würde.

Werke

  • A Letter concerning Toleration (Epistola de Tolerantia ad Clarissimum Virum) 1689 (Brief über die Toleranz)
  • An Essay concerning Humane Understanding 1690 (Ein Versuch über den menschlichen Verstand)
  • The Second Treatise of Civil Government 1690 (Zweite Abhandlung über die Regierung)
  • Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, an the Raising of the Value of Money 1692, 5. Aufl. 1705
  • Some Thoughts Concerning Education 1693 (Gedanken über Erziehung)
  • The Reasonableness of Christianity as Deliver´d in the Scriptures, 1695

Werkausgabe

mit einer Reihe nachgelassener Manuskripte:

  • The Works, I-III, London 1704, I-X, 11. Aufl. 1812, (new ed. corrected) 1823 (Nachdruck Aalen 1963)

Deutsche Textausgaben

  • Versuch über den menschlichen Verstand : in vier Büchern, Bd. 1., Buch I und II, 5., durchges. Aufl. 2000 (ISBN 3-7873-1555-1), Bd. 2., Buch III und IV, unveränd. Nachdr. 4. Aufl. 1988 (ISBN 3-7873-0931-4), Meiner, Hamburg
  • Über den richtigen Gebrauch des Verstandes / John Locke. Übers. von Otto Martin, Unveränd. Nachdr. d. Ausg. von 1920, Meiner, Hamburg 1978, ISBN 3-7873-0434-7
  • Über die Regierung = (The second treatise of government), In der Übers. von Dorothee Tidow. Mit einem Nachw. hrsg. von Peter Cornelius Mayer-Tasch, Stuttgart : Reclam, ISBN 3-15-009691-X
  • Zwei Abhandlungen über die Regierung, Übers. von Hans Jörn Hoffmann. Hrsg. und eingeleitet von Walter Euchner, Suhrkamp, Frankfurt/M 6. Aufl. 1995, ISBN 3-518-27813-4
  • Die Leitung des Verstandes, Wiss. Verl , Schutterwald/Baden 1999, ISBN 3-928640-61-5
  • Ein Brief über Toleranz (englisch-deutsch), Übers., eingeleitet und in Anm. erl. von Julius Ebbinghaus, Nachdr. der Ausg. von 1975, Meiner, Hamburg 1996, ISBN 3-7873-1143-2
  • Gedanken über Erziehung, Übers., Anm. und Nachw. von Heinz Wohlers, Reclam Stuttgart 1990, ISBN 3-15-006147-4

Literatur

  • Peter R. Anstey (Hrsg.): The philosophy of John Locke. New perspectives. Routledge, London 2003, ISBN 9-415-31446-1
  • Manfred Brocker: Die Grundlegung des liberalen Verfassungsstaates. Von den Levellern zu John Locke. Alber, Freiburg 1995, ISBN 3-495-47807-8
  • Walter Euchner: John Locke zur Einführung. Junius-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-88506-600-9
  • Crawford B. Macpherson: Die politische Theorie des Besitzindividualismus. Von Hobbes zu Locke. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1990, ISBN 3-518-27641-7
  • Leo Strauss: Naturrecht und Geschichte. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1989, ISBN 3-518-27816-9
  • Udo Thiel: John Locke. mit Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten, Rowohlt, Reinbek 1990, ISBN 3-499-50450-2
  • James Tully: A discourse on property. John Locke and his adversaries. Cambridge University Press, Cambridge 1982, ISBN 0-521-22830-1
  • Jeremy Waldron: God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke's political thought. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 0-521-89057-8
  • Michael P. Zuckert: Launching liberalism. On Lockean political philosophy. University Press of Kansas, Lawrence, Kansas 2002, ISBN 0-7006-1174-6
  • Locke Studies. An annual journal of Locke reserch. Lancaster University, Esrick, York 1. Jg. (2002) ff. [Vorgänger: The Locke newsletter]

Weblinks

Wikisource: John Locke (englisch) – Quellen und Volltexte
Commons: John Locke – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien