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Anna von Kleve

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Anna von Kleve (* 22. September 1515 in Düsseldorf; † 16. Juli 1557 in Schloss Richmond House, Whitehall, London) war die zweitälteste der drei Töchter von Johann III., Herzog von Jülich-Kleve-Berg († 1539), und Maria von Geldern († 1543). Bekannt wurde sie durch ihre Heirat mit dem englischen König Heinrich VIII.. Als vierte Frau des Königs war sie die erste deutsche Königin von England.

Anna von Kleve

Kindheit und Jugend

Über die frühen Jahre Annas ist wenig bekannt. Sie wuchs in Düsseldorf unter der Obhut ihrer Mutter auf. Ihr Vater war Anhänger von Erasmus von Rotterdam und verfolgte einen gemäßigten Reformationskurs. Er stand dem Schmalkaldischer Bund nahe, und ging damit in Opposition zum katholischen Karl V., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Anna und ihre beiden Schwestern Amalie und Sibylle hatten eine altmodische Erziehung. Es wurde Wert auf Sticken und Nähen, aber nicht auf das Erlernen von Fremdsprachen, Singen oder das Spielen eines Musikinstruments gelegt. Auch kleidete man sich auf dem kleinen deutschen Fürstenhof nicht nach der italienischen Mode, wie es während der Renaissance in Adelskreisen üblich war. Schon im Kindesalter wurde für Anna ein Heiratsvertrag mit Franz I. von Lothringen geschlossen, der jedoch nie umgesetzt wurde. Nach dem Tod ihres Vaters im Februar 1539 übernahm sein Sohn Wilhelm der Reiche die Herrschaft in Jülich-Kleve-Berg.

Heirat mit Heinrich VIII.

Heinrichs Brautsuche in Europa

Nach dem Tod seiner dritten Frau Jane Seymour, die zwölf Tage nach der Geburt des Sohnes Eduard am Kindbettfieber starb, verfiel König Heinrich VIII. in eine schwere Depression. Jedoch wurde für ihn eine neue Heirat geplant. Der Lordsiegelbewahrer des Königs, Thomas Cromwell, suchte nach einer starken Allianz und bemühte sich, eine politisch sinnvolle Ehe für den König zu arrangieren. Er schrieb Briefe innerhalb ganz Europas an seine Botschafter. Da Heinrich seine zweite Frau (und später auch die fünfte) hatte köpfen lassen, gestaltete sich die Suche schwierig. Außerdem wollte der zögernde König der Heirat nur zustimmen, wenn seine Braut sehr attraktiv war. So ließ er seinen Hofmaler Hans Holbein mehrere Heiratskandidatinnen porträtieren. Seine Favoritin wurde Christina von Dänemark, die Nichte von Karl V., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Karl V. war jedoch gerade um eine Aussöhnung mit dem verfeindeten Frankreich bemüht. Aus diesem Grund verschlechterten sich die Beziehungen Englands mit dem Reich, woraufhin Karl V. gegen die Hochzeit intervenierte. Auch Christina wollte auf jeden Fall ihren Kopf behalten und lehnte ab. In Wilhelm dem Reichen fand Cromwell einen möglichen Bündnispartner gegen den Kaiser Karl V., und Franz I. von Frankreich. Wilhelm regierte seit 1538 gegen den Willen des Kaisers das Herzogtum Geldern. Damit kontrolierte er das größte Territorium im Norden Deutschlands. Hans Holbein hatte auch seine Schwester Anna von Kleve und ihre jüngere, ebenfalls unverheiratete Schwester Amalie von Kleve (1517-1586) porträtiert. Heinrich wählte die zweitälteste Schwester, denn Annas Porträt gefiel ihm sehr. Außerdem lobten die englischen Abgesandten Anna dem König gegenüber in den höchsten Tönen. So unterschrieb er am 6. Oktober 1539 den Heiratsvertrag.

Reise nach England

Nach der Unterzeichnung des Heiratsvertrages wurde ein Weg gesucht, um Anna sicher nach London zu bringen. Es bestand ein hohes Risiko, dass Heinrichs Braut von einem seiner Gegner abgefangen werden würde. Heinrich plante zunächst eine schnelle Seereise Kleves nach London. Die Klever Botschafter lehnten jedoch eine längere Schiffsfahrt im Winter ab. So wurde der lange Landweg gewählt, auf dem Anna nach Calais gebracht wurde und dann nach Dover übersetzte. Auf der langen Reise nach London wurden ihr die Benimmregeln am Hof und die wichtigsten englischen Kartenspiele beigebracht. Englische Beobachter bezeichneten ihre Kleidung und Verhalten als „sehr ungewöhnlich“. Nach einer wochenlangen Fahrt erreichte Anna die Stadt Rochester. Der König, der die erste Begegnung mit seiner neuen Frau kaum abwarten konnte, reiste ihr entgegen. Am 1. Januar 1540 besuchte er Anna im Palast des Bischofs von Rochester.

Erstes Treffen mit Heinrich

Durch den spanischen Botschafter ist das erste Treffen der beiden genau dokumentiert. Anna beobachtete gerade eine Bullenhatz durch ein Fenster, als der König eintraf und ihr ein Geschenk überreichte. Da der König verkleidet war, erkannte Anna ihn nicht. Sie nahm das Geschenk entgegen und schaute sich dann weiter den Stierkampf an. Von Heinrich nahm sie weiter keine Notiz. Heinrich ging aus dem Raum, um kurze Zeit später ohne Verkleidung zurückzukehren. Erst jetzt erkannte Anna den König. Nach dem ersten Treffen war Heinrich von seiner neuen Braut maßlos enttäuscht. Der Maler Holbein hatte sie seiner Meinung nach viel zu schmeichelhaft dargestellt. Ihr Gesicht soll durch Pockennarben entstellt gewesen sein, was auf dem Bild weggelassen wurde. Ihre Kleidung wirkte auf Heinrich schwer und ländlich. Er änderte seine Meinung und war jetzt gegen die Hochzeit. Er beschuldigte Cromwell, ihn hereingelegt zu haben. Zu Cromwell soll er gesagt haben:

Ich kann nicht entdecken, was andere an ihr finden, und ich kann nicht begreifen, warum so weise Männer mir dieses berichtet haben. Ihr habt mir eine flämische Stute geschickt.

Heinrich befahl Cromwell, eine Möglichkeit zu finden, die Hochzeit zu verhindern. Es sollte überprüft werden, ob der Heiratsvertrag aus ihrer Kindheit noch gültig war. Der Gesandte berichtete dass dieser Vertrag schon Jahre zuvor gelöst worden war, und so bot sich für den König kein Ausweg aus der Situation. Anna selbst schwor, dass sie durch keinerlei Verträge einem anderen Mann verpflichtet war.

Heinrich musste Anna am 6. Januar 1540 heiraten.

Leben am Englischen Hof

Signatur Anna von Kleves

Der König bemühte sich nur in den ersten sechs Nächten um Anna, bevor er verkündete, dass „seine Manneskraft sie verabscheue“. Anna kümmerte sich nicht um die Ratschläge der Hofdamen, die seine Unzufriedenheit beunruhigte; sie glaubte, ein Kuss genüge, um ein Kind zu zeugen. Zu ihren Hofdamen soll sie gesagt haben:

Wenn der König ins Bett geht, gibt er mir einen Kuss, nimmt meine Hand und wünscht mir eine gute Nacht. Am Morgen küsst er mich und sagt mir auf Wiedersehen. Ist das nicht genug?

Noch während der Ehe begann Heinrich eine leidenschaftliche Affäre mit Annas eigener Hofdame Katharina Howard. Die Feindschaft zwischen Franz I. und Karl V. brach wieder offen aus und die politischen Gründe für die Hochzeit bestanden für Heinrich nicht mehr. Cromwell wurde verhaftet und am 10. Juni in den Tower von London gebracht. Anna musste den Hof in London verlassen.

Scheidung und Leben in England

Keine sechs Monate nach ihrer Hochzeit ließ Heinrich die Ehe am 9. Juli 1540 für ungültig erklären. Als Begründung wurde der Heiratsvertrag zwischen Anna und dem deutschen Herzog genannt. Außerdem behauptete Heinrich, dass diese Ehe nie vollzogen wurde. Anna von Kleve gab dem König ihren Ehering zurück, und erklärte sich sofort mit der Auflösung einverstanden. Sie bestätigte, dass der König und sie nie intim geworden wären. Der erfreute Heinrich stattete Anna mit einigen Titeln und Rechten aus. Anna erhielt 2.600 Pfund Sterling Jahresrente, die Bezeichnung „Schwester des Königs“ und lebte bis zu ihrem Tode in England. Nach der Scheidung entwickelte sich jedoch eine freundschaftliche Beziehung zwischen Anna und Heinrich und sie machte häufig Besuche am Hof.

Thomas Cromwell wurde des Hochverrats und der Ketzerei angeklagt, zum Tode verurteilt und am 28. Juli 1540 hingerichtet. Annas Bruder Wilhelm behauptete sich noch bis 1543 gegen den Kaiser Karl V., bis er das Herzogtum Geldern an das Reich abgeben musste. Der Maler Hans Holbein fiel beim König in Ungnade. Er blieb zwar Hofmaler, sollte jedoch nie wieder ein Mitglied der königlichen Familie malen.

Zwei Wochen nach seiner Scheidung heiratete der König Katharina Howard. Die junge Frau fand sich jedoch nicht in ihre Rolle als Königin von England, und wurde am 13. Februar 1542 wegen einer Affäre mit ihrem Kammerdiener enthauptet. Kurzzeitig macht sich Anna Hoffnung, dass der König sich jetzt wieder ihr zuwende. Diese Bemühungen wurden aber schon frühzeitig durch Cromwells Nachfolger Stephen Gardiner unterbunden.

Anna von Kleve überlebte Heinrich und alle seine Frauen. Ihren letzten öffentlichen Auftritt hatte sie bei der Thronbesteigung ihrer Stieftochter Maria. Als dritte Dame ritt sie neben Marias Schwester Elisabeth hinter der neuen Königin. Sie verstarb am 28. Juli 1557 an einem Krebsleiden. Anna wurde mit großem Aufwand in einer Kapelle in der Westminster Abbey in London bestattet. Das von Hans Holbein gemalt Bildnis der Anna von Kleve zählt zu seinen bekanntesten Werken, und ist im Pariser Louvre zu sehen.

Legende flämische Stute

Ob Anna von Kleve wirklich so hässlich war, wie von Heinrich VIII. beschrieben, wird heutzutage stark bezweifelt. Auch der Ausdruck Flämische Stute ist möglicherweise erst von Horace Walpole erdacht worden. Andere Aussagen über Anne könnten erfunden worden sein, um die schnelle Scheidung von Heinrich möglich zu machen.

Literatur

David Starkey Six wives, The Queens of Henry VIII., London 2003. ISBN 0-7011-7298-3
Antonia Fraser The six wives of Henry VIII, London 1992. ISBN 1-8418-8027-2
Retha M. Warnicke The marrying of Anne of Cleves, royal protocol in early modern England, Cambridge 2000. ISBN 0-5217-7037-8

Museen und Grabmal

Weblinks


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