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Obergermanisch-Raetischer Limes

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Der Obergermanisch-rätische Limes ist ein Grenzwall mit Kastellen, Wachtürmen, Mauern und Palisaden, mit dem die Römer die Landstriche auf dem östlichen Rheinufer für lange Zeit unter ihre Kontrolle brachten. Der Begriff Limes bedeutete im lateinischen "Grenzweg"; neben dem rätisch-germanischen Limes ist der Hadrianswall zwischen England und Schottland besonders bekannt, der 1987 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Im Jahr 2005 wird entschieden, ob auch das Bodendenkmal in Deutschland, das in großen Teilen erhalten oder ausgegraben ist, zum Weltkulturerbe zählen wird.

Ausgrabung und Vermessung

Rekonstruktion von Palisaden und Graben in der Nähe der Saalburg

Wenn im Deutschen von Limes die Rede ist, ist damit meist der raetische Limes sowie der obergermanische Limes gemeint, zusammen als Obergermanisch-Raetischer Limes bezeichnet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen Archäologen damit, den zuvor nur rudimentär bekannten Verlauf des Limes genauer aufzunehmen und die ersten Ausgrabungen vorzunehmen. Im Verlauf dieser Arbeiten, die sich bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts erstreckten, wurde der Verlauf des Limes exakt vermessen und in Strecken eingeteilt, die auch heute noch gültig sind. Dabei stellte es sich heraus, dass die Römer ihre Grenze des öfteren um einige Kilometer verschoben hatten. Die exakte Ursache für diese Grenzverschiebungen ist nicht überliefert, sie resultiert weniger aus kriegerischen Auseinandersetzungen und mehr aus der Flexibilität der römischen Machtausübung gegenüber den Germanen, denn der obergermanisch-raetische Limes galt während der Zeit seines Bestehens als Friedensgrenze.

Die römische Baugeschichte des Limes

Die Vorgeschichte des Limes geht zurück bis in das Jahr 9 nach Christus, als die Römer unter ihrem Feldherrn Varus eine vernichtende Niederlage durch aufständische Germanen unter ihrem Anführer Arminius erlitten. Insgesamt drei römische Legionen gingen bei dem verunglückten Unternehmen unter, die Germanen in das römische Imperium zu integrieren. Sie wurden in der sogenannten Varusschlacht oder auch Schlacht im Teutoburger Wald fast völlig aufgerieben. Nach dieser Katastrophe zogen sich die Römer auf die linke Seite des Rheins zurück.

Es kam zwar einige Jahre später nochmals zu begrenzten Aktionen seitens der Römer; diese hatten aber mehr den Charakter von Rachefeldzügen. Den Gedanken einer dauerhaften Eroberung des Landes östlich des Rheins in europäischen Dimensionen hatten die römischen Kaiser auf Dauer verworfen.

Dass es dennoch etwa ein Jahrhundert später zu einer erneuten Landnahme kam, lässt sich am ehesten mit dem römischen Bedürfnis nach Sicherheit erklären, denn es zeigte sich, dass der Rhein keine absolut kontrollierbare und undurchlässige Grenze war. Die östlichen Nebenflüsse dieses Stromes reichten weit nach Osten und zogen aus den Tiefen des kontinentalen Raumes immer wieder größere Völkermassen Richtung Westen. Also mußte das gesamte östliche Ufer des Flusses samt seiner Nebenflüsse unter Kontrolle gebracht werden, weniger als militärische Demarkationslinie sondern mehr als bewachte Wirtschaftsgrenze nach Germanien hin. Nach verschiedenen kleineren Feldzügen entwickelte sich der obergermanische Limes zunächst aus einem reinen Postenweg, der durch eine künstlich geschlagene Schneise in den germanischen Wäldern führte.

In einem zweiten Schritt folgten Wachtürme aus Erde und Holz in einem durchschnittlichen Abstand von 800 Metern, gleichzeitig wurden Palisaden aus Holz errichtet. Sodann ersetzte man die verwitterungsanfälligen Holztürme durch Türme aus Stein. Im letzten Schritt wurde schließlich hinter der Palisadenreihe ein Graben als weiteres Annäherungshindernis ausgehoben.

In analoger Art und Weise entwickelte sich der raetische Limes, nur dass im letzten Schritt statt eines Grabens eine durchgehende massive Mauer errichtet wurde. Bedingt durch seine Eigenart als Wirtschaftsgrenze besaß der Limes eine Reihe von Durchlässen, die von Zöllnern bewacht wurden.

Der Verlauf des Limes

Karte des obergermanisch-raetischen Limes

Die folgende Beschreibung der Abschnitte des Limes lehnt sich an die Aufteilung der Reichslimeskommission an. Diese Aufteilung nach den im Deutschland des 19. Jahrhunderts vorhandenen Verwaltungsgrenzen, geht also nicht auf antike Vorbilder zurück:

  • Strecke 1: Rheinbrohl - Bad Ems
  • Strecke 2: Bad Ems - Adolfseck bei Bad Schwalbach
  • Strecke 3: Adolfseck bei Bad Schwalbach - Taunus - Köpperner Tal
  • Strecke 4: Köpperner Tal - Wetterau - Marköbel
  • Strecke 5: Marköbel - Groß-Krotzenburg am Main
    • Strecke 6a: Hainstadt - Wörth am Main (ältere Mainlinie)
    • Strecke 6b: Trennfurt - Miltenberg
  • Strecke 7: Miltenberg - Rehberg
  • Strecke 8: Rehberg - Walldürn - Buchen - Osterburken - Jagsthausen (neuere Odenwaldlinie)
  • Strecke 9: Jagsthausen - Welzheim - Haghof
  • Strecke 10: Wörth am Main - Bad Wimpfen (ältere Odenwaldlinie)
  • Strecke 11: Bad Wimpfen - Köngen (Neckarlinie)
  • Strecke 12: Haghof - Lorch (Ende des obergermanischen Limes), (Beginn des raetischen Limes) - Aalen - Ruffenhofen
  • Strecke 13: Ruffenhofen - Gunzenhausen
  • Strecke 14: Gunzenhausen - Weißenburg - Kipfenberg
  • Strecke 15: Kipfenberg - Einig
Rekonstruktion des Ostkastells von Welzheim

Die Bauwerke des Limes

Auf einer Länge von etwa 550 Kilometern trennten die Grenzbefestigungen, die beim obergermanischen Limes aus Erdaufschüttungen und Holzpalisaden, beim raetischen Limes dagegen aus bis zu drei Meter hohen Mauern bestanden, Germanien von den römischen Provinzen Raetia, Germania Superior und Germania Inferior. In Sichtweite voneinander befanden sich kleinere Wachtürme von etwa zehn Meter Höhe, die zunächst aus Holz und Erde, später dann massiv in Stein erbaut wurden. Im hinteren Gelände dieser unmittelbaren Grenzbefestigung befanden sich im Abstand von etwa zehn Kilometern kleinere Kastelle (burgus) für die sogenannten Auxiliartruppen, die bei einem lokalen gegnerischen Einbruch in die Grenzbefestigung von den Besatzungen auf den Wachttürmen an die Einbruchstelle geschickt werden konnten. Schöne Beispiele für derartige Kastelle sind die Saalburg, das Kastell am kleinen Feldberg im Taunus und die Kapersburg ebenfalls im Taunus. Ein besonders großes Kastell für eine berittene Einheit lag im heutigen Stadtgebiet von Aalen.

Rekonstruierter Steinturm bei Rheinbrohl
Rekonstruierter Holzturm bei Lorch

Vermessungstechnische Besonderheiten am Limes

Am obergermanischen Limes existieren mehrere Abschnitte, die durch ihre offensichtliche Eigenschaft der Geradheit auffallen; sie wirken also wie mit dem Lineal in die Landschaft gelegt. Der längste dieser Abschnitte reicht von einem ansonsten unbedeutenden Wachturm bei Walldürn (Strecke 8) bis zum Haghof südlich von Welzheim und ist somit fast 80 Kilometer lang. Ein derartig langes gerades Stück ist selbst von der ungleich längeren chinesischen Mauer nicht bekannt. Die Gründe zum Bau eines so in die Landschaft trassierten Linienzuges aus Palisaden und Graben dürften wohl im Willen zu einer Machtdemonstration gegenüber der germanischen Bevölkerung gelegen haben.

Alltag am Limes

In den vielen Jahrzehnten seines Bestandes war die gesamte Anlage des Limes mehr eine wirtschaftliche als eine militärische Grenze anzusehen. Das römische Kaiserreich dehnte durch eine geschickte Wirtschaftspolitik seinen Einflußbereich weit nach Osten über die Grenze hinaus. Zeugnis davon geben die vielen Grenzübergänge, die zwar von römischen Soldaten gesichert wurden und dennoch einen regen wirtschaftlichen Austausch ermöglichten. In diesem Zusammenhang lassen sich im weiten Vorfeld des Limes eine große Anzahl archäologische Funde nachweisen, die in direkter Verbindung mit dem römischen Imperium stehen.

Auch die gegenüberliegende Seite des Limes war für Rom von Interesse. Man siedelte hier bevorzugt römische Legionäre an, denen nach Abschluß der aktiven Dienstzeit das römische Bürgerrecht verliehen wurde und das Anrecht auf den Erwerb einer Parzelle zustand. Damit wuchs in der der Nähe der Grenze eine Bevölkerung mit großer Loyalität zum römischen Reich heran.

Der Untergang des Limes

Der Grund für den Untergang des Limes ist in der zunehmenden Inanspruchnahme der militärischen Kräfte des römischen Reiches zu suchen, das sich ab Mitte des dritten Jahrhunderts in seinen orientalischen Provinzen einer immer größer werdenden Herausforderung durch seine östlichen Nachbarn gegenüber sah. Als Reaktion darauf wurden immer mehr Truppen vom Limes abgezogen, bis sich die Bewachung der Grenze nicht mehr aufrecht erhalten ließ. Den verbleibenden Truppen blieb dann ebenfalls nicht anderes mehr übrig als den Rückzug auf die linke Seite des Rheines anzutreten.

Manchmal kam es aber auch zu gewalttätigen Eskalationen. Eine solche wurde von den Archäologen im Kastell Osterburken rekonstruiert. In den Gräben der Festung fanden sich die Überreste zahlreicher Menschen, die bei der Belagerung eines gewaltsamen Todes gestorben waren. Vielen Germanen waren beim Versuch, die Mauern zu überklettern, von den römischen Soldaten die Hände abgeschlagen worden. Dennoch eroberten die Belagerer das Kastell, raubten es aus und brannten es anschließend nieder.

Der Limes heute

Der Limes stellt sich in Deutschland als ein Bodendenkmal von internationaler Bedeutung dar, in seinem Verlauf sind fast alle Kastelle und Wachtürme ausgegraben, konserviert und teilweise restauriert worden. Im Jahr 2005 wird entschieden, ob das Bauwerk in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wird. Prominentes Beispiel ist die Saalburg bei Bad Homburg sowie das Doppelkastell in Aalen, die jeweils bedeutende römische Museen in ihren Mauern bergen. Im gesamten Verlauf des Limes wird man weitere Beispiele dieser Art finden, meistens sind das Wachtürme wie in Rheinbrohl oder Teilrekonstruktionen eines Kastelles wie in Welzheim.

Von der eigentlichen Grenzbefestigung haben sich am besten Wall und Graben des obergermanischen Limes erhalten. Sie haben sich in den seit beinahe zwei Jahrtausenden ununterbrochen forstwirtschaftlich genutzten Wäldern des Westerwaldes und des Taunus hervorragend erhalten. Die begleitenden Reihen aus Palisaden sind zwar längst verrottet, ihre einstmaligen Standlöcher in der Erde lassen sich aber an manchen Stellen immer noch mühelos als flaches Gräbchen erkennen.

Beim raetischen Limes markiert dagegen ein breiter Streifen aus Gesteinsschutt den Verlauf der Befestigung. Kleine Hügel aus Erde und Schutt finden sich bei beiden Limites an den Stellen, an denen ein Wachturm gestanden hat, häufig sogar direkt nebeneinander.

Der Gedanke der Landesverteidigung durch ein derartig großes Bauwerk hat auch beim Bau des Westwalles eine Rolle gespielt, denn nicht umsonst trug das größte Programm zum Bau dieser den Zweiten Weltkrieg vorbereitenden Festungsanlage den Namen Limesprogramm.

Weitere als Limes bekannte Bauwerke

Ein weiterer bekannter Limes ist der Hadrianswall, der das römische England von Schottland abtrennte. Daneben existierte der Donaulimes in den Provinzen Noricum und Pannonien, wo die Donau die Grenze bildete. Der Orientlimes war durch die oft wechselnde Grenze zwischen dem römischen Reich, Armenien und den Parthern größtenteils wenig ausgeprägt. Außerdem existierten noch der arabische Limes und auch die Grenzen der afrikanischen Provinzen zur Wüste waren unter dem Namen Limes bekannt, insbesondere der limes Tripolitanus im heutigen Libyen.

Siehe auch: Liste der Limeskastelle

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 3., überarb. Aufl. Gebrüder Mann Verlag, Berlin 1993. ISBN 3-7861-1701-2
  • Britta Rabold, Egon Schallmayer, Adreas Thiel: Der Limes. Die Deutsche Limes-Straße vom Rhein zur Donau. Theiss-Verlag, Stuttgart 2000. ISBN 3-8062-1461-1
  • Rudolf Pörtner: Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit. Moewig, Rastatt 2000 (auch andere Ausgaben) ISBN 3-8118-3102-X
  • Anne Johnson: Römische Kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in den germanischen Provinzen des Römerreiches. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987 (Kulturgeschichte der antiken Welt, 37) ISBN 3-8053-0868-X

Weblinks