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Ren

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Ren
Ren (Rangifer tarandus) in Nordamerika
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Vorlage:Ordo: Paarhufer (Artiodactyla)
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Wissenschaftlicher Name
Rangifer tarandus
(Linnaeus, 1758)
Datei:Rentier fws 2.jpg
Nordamerikanisches Rentier

Das Ren oder Rentier (Rangifer tarandus) lebt in den Tundren von Nord-Eurasien, Nord-Nordamerika, Grönland und anderen arktischen Inseln. Es ist heute ein arktisches Tier, war aber einst auch in Teilen der gemäßigten Zonen verbreitet. Bemerkenswert ist es, weil es als einziger Vertreter der Hirsche in großem Stil domestiziert wurde und weil nur bei dieser Art auch die Weibchen ein Geweih tragen. In Nordamerika werden Rentiere als caribou bezeichnet, was im Deutschen oft Karibu geschrieben wird. Das Wort entstammt der Sprache der Mi'kmaq-Indianer.

Merkmale

Die Größe schwankt sehr mit dem Verbreitungsgebiet. Die Kopfrumpflänge reicht von 120 bis 220 Zentimeter, die Schulterhöhe von 90 bis 140 Zentimeter, das Gewicht von 60 bis 300 Kilogramm. Das Fell ist dicht und lang, dunkel-graubraun oder auch hell, besonders bei gezähmten Tieren; im Winter dabei sehr viel heller als im Sommer. Die Peary-Karibus aus dem arktischen Kanada sehen sogar ganzjährig fast rein weiß aus. Durch die helle Farbe sind Rentiere auf die Entfernung vor Fressfeinden getarnt. Eine dichte Unterwolle schützt das Ren im harten arktischen Klima vor dem Frost.

Unter den Hirschen tragen nur beim Ren beide Geschlechter ein Geweih. Die Geweihe sind in hohem Maße unregelmäßig und asymmetrisch und bei keinen zwei Tieren identisch. Sie sind stangenförmig und weit verzweigt; nur die tiefste Sprosse bildet am Ende einer Stange eine kleine Schaufel, die man auch als „Schneeschaufel“ bezeichnet, da man früher glaubte, das Ren räume mit ihr den Schnee beiseite. Das Geweih des Männchens ist mit einer Länge von 50 bis 130 Zentimeter deutlich größer als das des Weibchens, welches nur 20 bis 50 Zentimeter lang wird. Das Geweih des Männchens wird im Herbst abgestoßen -das des Weibchens im Frühjahr; gegebenenfalls nicht beide Seiten zugleich, sodass das Ren vorübergehend nur eine Geweihhälfte hat.

Die Hufe der Rentiere sind sehr breit und durch eine Spannhaut weit spreizbar. Außerdem sind lange Nebenhufe ausgebildet. Dies ermöglicht den Tieren selbst in steinigem oder schlammigem Gelände einen sicheren Tritt.

Verbreitung

Das heutige Verbreitungsgebiet umfasst die Tundra, wobei Rener weiter nördlich leben als die meisten anderen Großsäuger. Selbst auf hocharktischen Inseln wie Spitzbergen und der Ellesmere-Insel gibt es Rentiere. Wo das Verbreitungsgebiet es zulässt, unternehmen Rener große Wanderungen, um den arktischen Wintern zu entkommen. Der bei diesen jährlichen Wanderbewegungen zurückgelegte Weg kann bis zu 5000 Kilometer betragen; damit handelt es sich um die längste Wanderung eines Landsäugetiers überhaupt. Am Ende ihres Weges erreichen sie die Taiga und boreale Nadelwälder, wo sie vor dem Frost Schutz suchen.

Südlich des Polarkreises gibt es einige versprengte Populationen, die vor allem in Gebirgen leben, so in der norwegischen Hardangervidda. Die weiteste Verbreitung hatte das Ren in der letzten Eiszeit, als es bis nach Mitteleuropa und an die heutige mexikanische Nordgrenze vordrang. Nach dem Ende des Pleistozäns begann der allmähliche Rückzug nach Norden. Dabei überlebte das Rentier erstaunlich lange in Teilen der gemäßigten Zone. In Norddeutschland gab es noch zur römischen Antike wilde Rener, und in Polen überlebten sie sogar bis ins Mittelalter. Der Mensch dürfte letztlich eine Mitschuld an ihrem Verschwinden aus diesen Gegenden tragen. Es ist aber anzunehmen, dass die Bestände in gemäßigten Klimazonen ohnehin im Abnehmen begriffen waren, so dass der Mensch den Vorgang des Aussterbens lediglich beschleunigte.

Lebensweise

Nordamerikanische Rentierherde

Rentiere sind Herdentiere. Die Herden finden sich zu den jahreszeitlichen Wanderungen zusammen und können dann gebietsweise mehrere 100.000 Tiere umfassen; aus Alaska ist eine Herde mit 500.000 Tieren bekannt. Außerhalb der Wanderungen lösen sich diese Herden in kleinere Verbände zu zehn bis hundert Tieren auf. Diese kleineren Gruppen bestehen meistens entweder nur aus Männchen oder nur aus Weibchen. Eine Hierarchie, die sich nach der Geweihgröße richtet, besteht in den Verbänden. Gelegentlich wird die Hierarchie durch ritualisierte Kämpfe entschieden.

Zur Paarungszeit versuchen Männchen, einen Harem um sich zu sammeln. Sie paaren sich mit so vielen Weibchen wie möglich. Nach einer Tragzeit von 230 Tagen bringt das Weibchen ein einziges Junges zur Welt. Die Paarung findet im Oktober statt, die Geburt im Mai oder Juni. Das Jungtier ist anders als die meisten Hirschkälber nicht gefleckt und schon kurz nach der Geburt sehr selbstständig. So kann es bereits eine Stunde nach der Geburt auf eigenen Füßen laufen. Ihr aus luftgefüllten Haaren bestehendes Fell schützt sie vor der Kälte, sofern es trocken bleibt. Bei nasskaltem Wetter ist die Sterblichkeit der Kälber sehr hoch, obwohl Rentierkälber ihre Wärmeerzeugung um das Fünffache beschleunigen können und damit über außergewöhnliche thermoregulatorische Fähigkeiten verfügen. Geschlechtsreif werden die Tiere nach etwa zwei Jahren, und sie werden etwa 12 bis 15 Jahre alt, in Extremfällen auch mehr als 20 Jahre.

Rentiere sind hauptsächlich Grasfresser, die im Sommer aber fast jede pflanzliche Kost zu sich nehmen, die sie finden können. Im Winter sind sie durch die Umstände oft auf Rentierflechten, Moose und Pilze beschränkt. Als natürliche Feinde können Wölfe, Vielfraße, Luchse und Eisbär betrachtet werden, außerdem verschiedene Innen- und Außenparasiten.

Menschen und Rentiere

In Höhlenzeichnungen der Steinzeit findet man Rener häufig dargestellt. Sie waren wohl schon für die Neandertaler eine begehrte Jagdbeute. Bis heute werden Rentiere in vielen Teilen der Welt gejagt, da man ihr meist sehr mageres Fleisch und ihr Fell schätzt. In den Regionen, in denen Großwild, Faserpflanzen und Baustoffe spärlich sind, haben Menschen beinahe jeden Körperteil des Rentiers genutzt: ihre Haut für Leder, ihr Geweih und ihre Knochen zur Werkzeugherstellung.

Rentierschlitten in Russland um 1900

Es ist unbekannt, welches Volk zuerst Rentiere domestizierte. Die Nutzbarmachung des Rens verbreitete sich um etwa 1000 v. Chr. von Sibirien bis nach Skandinavien. In Nordeuropa übten die Samen diese Kunst aus. Noch heute wird Rentierzucht in Lappland betrieben. In Norwegen und Schweden ist sie ein Privileg der Samen, in Finnland wird sie hauptsächlich von Finnen ausgeübt. Die Herden können frei umherwandern, die Menschen folgen ihnen. Die Rentiere werden zu festgelegten Zeiten zusammengetrieben, um die Kälber zu markieren oder ausgewählte Tiere zu schlachten. Rentiere können problemlos mitten in der Herde geschlachtet werden, ihre Artgenossen stören sich nicht daran. Das Zusammentreiben großer Herden wird heute gewöhnlich mittels Hubschraubern und/oder Motorschlitten erledigt.

Da Rentiere Temperaturen aushalten können, bei denen jedes andere Nutztier sterben würde, hat man noch im 20. Jahrhundert domestizierte Rentiere in Grönland, Alaska und Kanada eingeführt, wo die einheimischen Völker zuvor nur Wildrener gejagt und niemals selbst domestiziert hatten. Auch auf einigen subantarktischen Inseln wie Südgeorgien oder den Kerguelen hält die (hauptsächlich aus Forschern bestehende) Einwohnerschaft heute kleine Rentierherden.

Im Volksglauben wird der Schlitten von Santa Claus von Rentieren gezogen, er soll die Sprache dieser Tiere verstehen.

Rentiere sind nicht unbedingt scheu; im nördlichen Finnland oder Schweden laufen sie häufig auf den Landstraßen und verlassen sie auch nicht sofort, wenn ein Auto kommt. Man kann daher auf etwa ein bis zwei Meter an sie heranfahren, ohne dass die Tiere fliehen. Zu Fuß ist ein Abstand von weniger als fünf bis zehn Metern allerdings nur bei solchen Tieren möglich, die Menschen gewohnt sind.

Unterarten

Europäisches Ren im Norden Finnlands

In verschiedenen Teilen der Welt ist das Ren durch die Bejagung zwischenzeitlich sehr selten geworden. Heute gibt es weltweit etwa 4 Millionen wilde und 3 Millionen domestizierte Rentiere. Drei Viertel der wilden Rentiere leben in Nordamerika, und mehr als drei Viertel der domestizierten Rentiere sind in Sibirien beheimatet.

Man unterscheidet je nach Lehrmeinung zehn bis zwanzig Unterarten des Rentiers. Dazu gehören:

Die Unterarten unterscheiden sich voneinander in Fellfärbung und Größe. Beispielsweise ist das Kanadische Karibu dunkelbraun, das Europäische Rentier eher graubraun gefärbt. Die kleinsten Rener sind die inselbewohnenden Unterarten. So ist das Spitzbergen-Ren im Durchschnitt um 15 Prozent kleiner als das Europäische Ren.

Namen und Aussprache

Die Sámi nennen ein Rentiermännchen sarves, ein kastriertes Männchen hierke und ein Weibchen vaia. Diese Begriffe wurden weltweit überall dort übernommen, wo heute Rener als Haustiere gezüchtet werden. Der englische Name ist „reindeer“.

Als Pluralformen von Ren sind „Rens“, „Rene“ und „Rener“ möglich. Fachsprachlich wird nur die Form „Rener“ gebraucht.

Der aus dem Nordischen stammende Begriff „Ren“ (schwed. Ren, norw. rein) ist in der deutschen Sprache seit dem 16. Jahrhundert belegt.

Literatur

  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999. ISBN 0801857899
  • Tom Walker: Caribou: Wanderer of the tundra. Graphic Arts Center Publishing Company, 2000 ISBN 1558685243
  • Rangifer (Zeitschrift für Rentierbiologie und Rentierzucht, erscheint jährlich) ISSN 0333256X

Siehe auch

Wiktionary: Ren – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Weblinks

Commons: Ren – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien