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Plutarch

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Plutarch - Kupferstich von Johann Rudolf Holzhalb (1723–1806)

Plutarch (griechisch: Πλούταρχος, lateinisch: Plutarchus; * um 45 in Chaironeia; † um 125) war ein griechischer Schriftsteller und Verfasser zahlreicher biografischer und philosophischer Schriften. Durch große literarische und philosophische Bildung und umfassende Gelehrsamkeit gilt er in der griechischen Literaturgeschichte als einer der wichtigsten Vertreter des Attizismus. Sein bekanntestes Werk, die Parallelbiografien, stellt jeweils die Lebensbeschreibung eines Griechen und eines Römers einander vergleichend gegenüber. Durch solche Vergleiche versuchte Plutarch einerseits das Gemeinsame und Allgemeingültige herauszuarbeiten, andererseits die Gleichwertigkeit griechischer und römischer Kultur zu betonen.

Leben

Historischer Kontext

Plutarch lebte in einer Periode, in der das römische Reich den Höhepunkt seiner Expansion erreichte. Er erhielt seine Ausbildung unter der Herrschaft Neros, dem er 66 auch persönlich begegnete. Der Hauptteil seines Lebens fällt in die Regierungszeit der Flavier (69 bis 96), seine Parallelbiografien entstanden nach 96. Er dürfte während der Regierungszeit Hadrians gestorben sein. Nach seinem Tod errichteten die Einwohner Delphis zusammen mit denen seiner Heimatstadt Chaironeia eine Büste mit seinem Porträt.

Zur Zeit Plutarchs gab es für Rom keine ernsthaften äußeren Gegner mehr. Die griechischen Stadtstaaten hatten bereits mit der Eroberung Korinths durch den römischen Feldherrn Lucius Mummius 146 v. Chr. ihre politische Freiheit verloren und waren in römische Provinzen eingegliedert worden. Sie behielten eine begrenzte lokale Autonomie, standen jedoch unter der Amtsgewalt römischer Statthalter. Athen blieb zwar weiterhin der Mittelpunkt von Philosophie und Bildung, büßte seine Bedeutung für den Handel jedoch nahezu vollständig ein. Die griechische Kultur erlebte hingegen in den ersten Jahrhunderten n. Chr. eine neue Blüte. Die Kaiser Tiberius, Nero und Hadrian förderten den Wiederaufbau der zerstörten Städte, insbesondere Athens. Sie versuchten durch die Wiederbelebung des kommunalen Lebens und durch Förderung der Kultur eine Aussöhnung zu bewirken, die es ermöglichen sollte, dass alle Völker des römischen Reiches dieses als ihre gemeinsame Heimat anerkennen konnten. Dies führte zu einer Verbesserung der Situation der Griechen und ihrer Kultur im Reich. Latein war zwar Amtssprache, Griechisch blieb aber Hoch- und Kultursprache im gesamten östlichen Mittelmeerraum und damit über die Grenzen des ursprünglich griechischen Sprachgebiets hinaus. Für die Eliten Roms war es fast selbstverständlich, auch Griechisch zu beherrschen. Viele vornehme Römer studierten in Athen, und die Kaiser wendeten sich den griechischen Kulturgütern zu. Eine Romanisierung der griechischen Bevölkerung blieb anders als in vielen anderen Teilen des Reiches aus. Der Aufschwung beschränkte sich allerdings weitgehend auf die Städte, während viele ländliche, darunter auch agrarisch fruchtbare Regionen verarmten und aufgrund der Abwanderung ihrer Einwohner in die Städte verödeten.

Familie und Ausbildung

Plutarch stammte aus Chaironeia in Böotien, wo er gemeinsam mit zwei Brüdern, Lamprias und Timon, aufwuchs. Seine Familie gehörte zur alteingesessenen örtlichen Oberschicht und legte großen Wert auf Bildung. In seinen Schriften äußert Plutarch sich besonders positiv über seinen Großvater Lamprias, während er seinen Vater Autobulos nüchterner darstellt, da dieser in der Philosophie weniger versiert gewesen sei. Seine Mutter erwähnt Plutarch nicht, was auf ihren frühen Tod schließen lässt.[1] Der Wohlstand seiner Familie erlaubte es ihm, zahlreiche Reisen zu unternehmen und in Athen, dem antiken Zentrum philosophischer Bildung, bei dem platonischen Philosophen Ammonios zu studieren, der sein weiteres intellektuelles Leben prägte. Außerdem wurde er mit verschiedenen anderen athenischen Philosophenschulen bekannt, vor allem der Stoa. Er verfasste längere Streitschriften gegen Epikureer und Stoiker, die wichtige Quellen für die Geschichte dieser beiden Schulen sind. Nach seiner Ausbildung in Athen kehrte er nach Chaironeia zurück.

Leben in Chaironeia

Plutarch lebte mit seiner Ehefrau Timoxena auf dem ererbten väterlichen Gut und führte mit ihr eine glückliche Ehe. Das genaue Datum der Heirat ist aus den Quellen nicht erkennbar. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass er die Ehe gemäß der üblichen Praxis in recht jungen Jahren geschlossen hat, wohl vor Vollendung des 25. Lebensjahres.[2] Mit seiner Frau hatte Plutarch vier Kinder, drei Söhne und als jüngstes eine Tochter, die sich die Mutter besonders gewünscht hatte, und die deshalb nach ihr Tixomena benannt wurde. Allerdings starb die Tochter schon im Alter von zwei Jahren, und auch der älteste Sohn Soklaros muss kurz nach dem 12. Lebensjahr gestorben sein, weil er in den Schriften Plutarchs später nicht mehr erwähnt wird. Vermutlich haben nur die beiden Söhne Autobulos, benannt nach dem Großvater, und Plutarchos den Vater überlebt.[3]

Nach der Rückkehr von seinen Studien in Athen übernahm Plutarch zahlreiche politische Ämter, vornehmlich in seiner Heimatstadt Chaironeia und zeitweise auch in der Provinz Achaia (Griechenland). Er war unter anderem Leiter der Baupolizei und des öffentlichen Bauwesens in Chaironeia und hatte dort auch zahlreiche priesterliche Ämter inne. Seit etwa 95 versah er ein Priesteramt am Apollontempel von Delphi. Zusätzlich leitete er in seinem Heimatort eine Privat-Akademie. An dieser Akademie beteiligten sich zunächst Angehörige seiner eigenen Familie sowie Freunde und deren Verwandte, später auch Familien von außerhalb, die ihre Söhne zur Schule Plutarchs nach Chaironeia schickten. An der Akademie bildete sich bald ein großer Freundes- und Bekanntenkreis. Hier wurde Unterricht in Philosophie erteilt, zum einen durch Vorträge, zum anderen in Dialogform. Die Werke Platons spielten hierbei eine wichtige Rolle. Die Ethik stand im Mittelpunkt. Außerdem wurden Themen aus Politik, Mathematik, Musik und Astronomie diskutiert.

Reisen

Plutarch verbrachte den größten Teil seines Lebens in Chaironeia und fühlte sich seinem Heimatort verbunden, unternahm jedoch auch zahlreiche Reisen, auf denen er die griechische Heimat, Kleinasien, das ägyptische Alexandria und mehrmals Rom besuchte.

In Rom hielt er vor größeren Publikum philosophische Vorträge in griechischer Sprache. Er scheint gewisse Lateinkenntnisse besessen zu haben, die jedoch erst in seinen späteren Werken in Form von Lektüre lateinischer Autoren ihren Niederschlag fanden. In Rom knüpfte er zahlreiche freundschaftliche Kontakte zu prominenten Römern. Von seinem Freund Mestrius Florus, einem Freund des Kaisers Vespasian, nahm er den römischen Gentilnamen Mestrius an. Sein römischer Name ist daher Mestrius Plutarchus. Allerdings ist offen, wann dies geschah und ob die Verleihung des römischen Bürgerrechts bei einem seiner Aufenthalte in Rom oder schon vorher erfolgte. Plutarch selbst erwähnt in seinen erhaltenen Schriften seinen römischen Namen und sein römisches Bürgerrecht nicht, was man darauf zurückgeführt hat, dass er sich dafür zu sehr als Grieche gefühlt habe.[4]

Eine enge Freundschaft bestand zu Sosius Senecio, dem er die Parallelbiografien widmete und der ein Freund und Vertrauter des Kaisers Trajan war. Durch Sosius Senecio soll Plutarch consularische Privilegien (ornamenta consularia) erhalten haben, die ihm angeblich Mitbestimmungsrechte bei dem Statthalter in Illyrien gaben. Die Verleihung ist allerdings erstmalig bei Eusebius und in der byzantinischen Suda erwähnt und hat im Mittelalter zu gefälschten Schriftzeugnissen über eine angebliche Korrespondenz Plutarchs mit Trajan geführt, in der er als Tutor des Kaisers erscheint. In der Forschung werden sowohl die Verleihung als auch Plutarchs angebliches Tutorenverhältnis zu Trajan stark bezweifelt.[5] Die Ernennung selbst oder die damit verbundenen Vorrechte sind in den als echt geltenden Schriften Plutarchs nirgendwo erwähnt.

Werke

Die Werke Plutarchs werden gewöhnlich in zwei große Schriftengruppen unterteilt, die biografischen und die philosophischen Arbeiten.

Biografien

Die biografischen Arbeiten Plutarchs begannen mit den Caesaren- bzw. Kaiserviten, Biografien der römischen Kaiser von Augustus bis Vitellius (nur die von Galba und Otho sind erhalten, von Tiberius und Nero nur Fragmente). Diese Caesarenviten wurden wahrscheinlich unter den Flaviern oder unter Nerva (96–98 n. Chr.) veröffentlicht.

Es folgten die Bíoi parálleloi (Vorlage:Polytonisch, Vitae parallelae, „Parallele Lebensbeschreibungen“). Sie wurden ab 96 begonnen. In diesen Vitenpaaren wird jeweils ein herausragender Grieche mit einem Römer verglichen. In den Bioi paralleloi behandelt Plutarch die wichtigsten Staatsmänner der Vergangenheit von Theseus bis Marcus Antonius. Es handelt sich um 23 Biografienpaare, die jeweils einen Griechen und einen Römer zusammenstellen, deren Leben Ähnlichkeiten aufweisen (z. B. Alexander der Große und Caesar, Demosthenes und Cicero). Plutarch beschreibt seine Figuren mit negativen und positiven Eigenschaften, und einige große antike Persönlichkeiten werden mit genügend moralischen Mängeln geschildert, um als abschreckende Beispiele zu dienen, z. B. Demetrios. In den meisten Fällen ist die Beurteilung jedoch ausgewogener. Die 22 erhaltenen Paare sind:

Alexander - Caesar, Dion - Brutus, Demetrios - Antonius, Agesilaos - Pompeius, Nikias - Crassus, Theseus - Romulus, Lykurgos - Numa, Solon - Poplicola, Aristeides - Cato Maior, Themistokles - Camillus, Kimon - Lucullus, Perikles - Fabius Maximus, Alkibiades - Coriolanus, Lysandros - Sulla, Pelopidas - Marcellus, Timoleon - Aemilius Paulus, Demosthenes - Cicero, Phokion - Cato Minor, Eumenes - Sertorius, Pyrrhos - Marius, Philopoimen - Flamininus, Agis/Kleomenes - Gracchen.

In welcher Reihenfolge die Bíoi paralleloi geschrieben wurden, ist nur teilweise bekannt. Das verlorene Vitenpaar Epameinondas - Scipio bildet den Beginn der Reihe. Es ist unsicher, ob es sich bei Scipio um den Hannibalsieger oder um den Aemilianus handelte. Plutarch bietet in drei Vitenpaaren durch Selbstzitate und Querverweise Aufschluss über die Abfolge. So soll Demosthenes - Cicero das fünfte Paar sein, Perikles - Fabius Maximus das zehnte und Dion - Brutus das zwölfte Paar der Bíoi paralleloi.[6]

Außerhalb der Parallelviten, jedoch von ähnlichen Umfang, schrieb Plutarch einzelne Biografien; erhalten sind die Darstellungen von Aratos von Sikyon, die an Polykrates von Sikyon und dessen Söhne gerichtet ist, und die des persischen Großkönigs Artaxerxes II.

Intention der Biografien

Plutarch sieht sich als Biograf, keineswegs als Historiker, und grenzt seine biografische Arbeit deutlich von der Geschichtsschreibung ab.

So schreibt er beispielsweise in der Einleitung seiner Doppelbiografie zu Alexander und Caesar(Alex,1,2):

„Denn ich bin nicht Geschichtsschreiber, sondern Biograf, und es sind durchaus nicht immer die großen Heldentaten, in denen sich die Tüchtigkeit oder die Verworfenheit offenbart. Oft sagt ein unbedeutender Vorfall, ein Ausspruch oder ein Scherz mehr über den Charakter eines Menschen aus als die blutigsten Schlachten, die größten Heeresaufgebote und die Belagerungen von Städten.“

Plutarch kam es vor allem darauf an, den Charakter der Personen, ihre Tugenden und Fehler deutlich werden zu lassen. Seine Vitae, wie sie in lateinischer Sprache heißen (lat. 'Leben' pl.), verfolgten bestimmte Absichten: Zum einen wollte er mit seinen Parallelbiografien unterhalten. Des Weiteren wird in ihnen die moralische Qualität der dargestellten Person herausgearbeitet. Schließlich wollte er den Römern und Griechen die Kultur des jeweils anderen Volkes vermitteln. In den Hintergrund tritt dabei der Anspruch der chronologischen und geografischen Richtigkeit. Plutarch wählte daher sein Material so aus, dass es dazu dient, das Persönlichkeitsbild des Einzelnen zu verdeutlichen. Sein Interesse gilt den Familien und dem Privatleben der Protagonisten. Allerdings möchte er das Historische nicht aus seinen Biografien verbannen. Sind Großereignisse für die Persönlichkeit wichtig, werden diese auch von ihm erwähnt, z. B. nennt er historische Abläufe in seiner Nikias-Biografie, um daran dessen Charakter zu verdeutlichen. Das Historische wird in der Arbeit Plutarchs also nicht ausgeschlossen, aber reduziert.

„Die von Thukydides und Philistos berichteten Ereignisse, die zu übergehen unzulässig wäre, weil sie ja im höchsten Maß den Charakter und den von vielen großen Schicksalsschlägen umwölkten Gemütszustand des Mannes [Nikias] enthalten, habe ich in Kürze und nur soweit es nötig ist durcheilt, um nicht nachlässig und träge zu erscheinen, was aber von anderen gelegentlich aufgezeichnet oder auf alten Weihgeschenken und Volksbeschlüssen gefunden wurde und den meisten unbekannt ist, das habe ich mich zusammentragen bemüht, nicht um die Geschichte damit zu befrachten, sondern als Beigabe für die Erkenntnis des Charakters und der Sitten.“
(Nik.1,5)

Plutarch möchte einerseits bekannten Historikern wie Thukydides oder Philistos nicht nacheifern. Zusätzlich setzt er bei seinen Lesern voraus, dass sie sich mit deren Werken auskennen. Jedoch hält er es anderseits für nötig, die Hauptereignisse zumindest kurz zu erwähnen.

„Das im Einzelnen genau zu berichten ist allerdings Sache der Ereignisgeschichte, was aber Bemerkenswertes in den Taten und Leiden der Kaiser vorgefallen ist, darf ich nicht übergehen.“
(Galba 2,5)

Außerdem möchte er die bekannten Fakten durch entlegenes Quellenmaterial ergänzen. Damit sind für manche antike Persönlichkeiten oder Hintergrundberichte die Biografien Plutarchs, die auf zumeist verlorenen historischen Werken beruhen, heute die ausführlichste Quelle, zumal Plutarch Zugriff auf heute verlorene Werke hatte und diese auch teilweise benennt.

Plutarch schrieb seine biografischen Schriften vorwiegend aus moralischen Beweggründen. Dies verdeutlicht er auch im folgenden Zitat:

„Dass ich mich daran machte, Biografien zu schreiben, beruht auf Anregungen, die mir von anderen zugetragen wurden, dass ich dabei blieb und bald Gefallen daran fand, geschah aus eigenem Antrieb, da ich, die Geschichte gleichsam als Spiegel benutzend, mein Leben zu ordnen und den Tugenden jener Männer anzugleichen versuchte.“
(Aem. 1,1)

Die mächtigen Staatsmänner der Vergangenheit sollten nicht nur ihm Vorbild sein, sondern ebenso wollte er das gesamte Volk des Reiches auf den Pfad der Moral und der Größe führen. Mit der Gegenüberstellung eines Römers und eines Griechen beabsichtigte Plutarch, den Römern wie den Griechen die Kultur des jeweils anderen Volkes zu vermitteln. Der Schriftsteller war bemüht die Gleichwertigkeit der Völker darzulegen und zur Versöhnung der beiden großen Völker der Antike beizutragen.

Quellenarbeit

Plutarch las zwar die Autoren, die er zitierte, meist selbst, allerdings sind seine Zitate selten wörtlich. Meistens stammen sie aus seinem Gedächtnis und sind deshalb teilweise fehlerhaft. Zudem übernahm er manche Zitate von dritten, ohne dies zu vermerken.

Bei seinen Aufenthalten in Rom hatte Plutarch keine Zeit gehabt, sich ausführlich mit der lateinischen Sprache zu beschäftigen. Erst später begann er, lateinische Autoren zu lesen, als er für seine römischen Persönlichkeiten bei griechischen Autoren keine ausreichenden Informationen fand. Plutarch räumt selbst ein, dass seine Kenntnis der lateinischen Sprache unzureichend sei. Er konnte anscheinend auch kein klares und anschauliches Bild von ihm wohlbekannten Orten wiedergeben, nicht einmal von seinem Heimatort Chaironeia.[7] Bei Erwähnungen von Alexandria in den Biografien finden sich ebenfalls keine eigenen Beobachtungen der Stadt. Da geographische und topographische Beschreibungen wichtiger Gegenstand antiker Literatur sind, scheint hierbei seine literarische Gestaltungskraft nicht stark entwickelt gewesen zu sein.

Zusammenfassend lassen sich drei Haupttechniken der Quellenwiedergabe bei Plutarch nennen:

1. Auswahl und Auslassung
Im verhältnismäßig knappen Rahmen einer Biografie war es Plutarch kaum möglich, das gesamte Quellenmaterial, das ihm beispielsweise für das Leben Alexanders und Caesars zur Verfügung stand, auszuschöpfen. Jedoch sind Streichungen von historischen Informationen nicht immer auf einen sehr großen Umfang an Quellenmaterial zurückzuführen.
Plutarch ließ Fakten ebenfalls weg, wenn er sie entweder für unwichtig oder gar nachteilig in Bezug auf das Charakterbild des Helden erachtete.
Ein Beispiel: Die Nichterwähnung der römisch-parthischen Verträge über die Euphratgrenze in der Biographie des Pompeius kann nicht als mangelnde Kenntnis des Schriftstellers gedeutet werden. Es ist vielmehr eine bewusste Handlung, die in Plutarchs Zuneigung zu dem Triumvirn begründet liegt.
2. Verkürzung und Ergänzung
Es finden sich in den Werken zahlreiche Beispiele, in denen er von ausführlichen Beschreibungen zu einem gerafften Überblick wechselt. Beispiel: Die knappe Schilderung des Syrienfeldzuges (Kap.39) und die ausführliche Darstellung der Schlacht von Pharsalos (Kap.68f. und 71f.) in der Pompeiusvita. Bestimmte Feldzüge werden sehr detailliert dargestellt, andere hingegen sehr oberflächlich.
Das Mittel der Ergänzung verwendete Plutarch, vor allem um trockenen Berichten mehr Lebendigkeit zu verleihen.
3. Veränderung und Erfindung
Fast immer gab Plutarch die in seinen Quellen überlieferten Fakten einigermaßen korrekt wieder. Er schmückte sie allerdings mit eigenen Gedanken aus. Bei abweichenden oder widersprüchlichen Quellen zog er die Quellen vor, die ihm sachlich überzeugender erschienen. Ausnahmen sind jedoch künstlerische und moralische Gesichtspunkte. Hier bevorzugte er oft eine weniger glaubwürdige Quelle, wenn diese seinen moralisch-biografischen Absichten besser entgegenkam.

Philosophische Werke

Die zweite große Gruppe sind die philosophischen Schriften. Von den knapp 260 Schriften, die unter Plutarchs Namen geführt wurden, waren weit mehr als die Hälfte philosophischer Art. In der Sammlung Moralia sind 78 Schriften (darunter auch einige unechte) zusammengestellt. Diese behandeln vor allem Fragen zur Ethik z. B. Über Neid und Hass. Es fallen aber auch zahlreiche Werke unter andere Kategorien. Hierunter sind folgende Themenfelder zu nennen:

Politik und Religion in den Moralia

Bei den religionsphilosophischen Schriften ist vor allem die Osirisvorstellung der ägyptischen Mythologie von Bedeutung: Über Isis und Osiris. Diese Schrift war bis zur Entzifferung der Hieroglyphen eine der Hauptquellen für die ägyptische Religion und ist bis heute eine durch die ägyptischen Zeugnisse nicht ersetzte Gesamtdarstellung des Mythos von Isis und Osiris. Auch verfasste er auch grundlegende Werke zu allen Fragen des Orakelvollzugs und zur delphischen Theologie: Über das E in Delphi, Über die erloschenen Orakel, Über die nicht mehr metrisch gebundenen Orakel der Pythia; zugleich sind sie von großer Klage um das Schwinden der Orakel geprägt.

Plutarch stand den Religionen anderer Völker freundlich gegenüber, da er meinte, dass alle Völker auf ihre Art und Weise einem Gott dienten. Er bekämpfte nur den Unglauben und den stark verbreiteten Aberglauben seiner Zeit.[8]

Weiterhin finden sich unter den Moralia auch einige politische Schriften. Nach dem sogenannten Lampriaskatalog, einem aus der Antike erhaltenen Verzeichnis seiner Schriften, soll Plutarch insgesamt elf politische Schriften verfasst haben, von denen allerdings nur fünf erhalten sind. Hier sind u. a. zu nennen: Über Monarchie, Demokratie und Oligarchie, An einen ungebildeten Herrscher, Regeln der Staatskunst oder Soll ein Greis politisch tätig sein?. In Regeln der Staatskunst wird der weise Politiker ermahnt, seine Stadt zu Eintracht und Zurückhaltung anzuhalten und dadurch Eingriffe der römischen Verwaltung zu vermeiden. Außerdem rät Plutarch in den Werken Regeln der Staatskunst und Soll ein Greis politisch tätig sein? einem Bekannten aus Sardeis, sich nicht über Gebühr um ein städtisches Amt zu bemühen, jedoch entsprechende Angebote anzunehmen. Des weiteren beurteilt er in seinem Werk Über die Gemütsruhe die Karrierechancen junger Griechen für das öffentliche Leben in Rom eher kühl und distanziert.[9]

Persönliche Werke

Ein weiteres Themenfeld in den Moralia sind pädagogische Texte: Über die Kindererziehung oder Über das Zuhören. Es finden sich auch Schriften mit sehr persönlichen Inhalt in den Moralia, denn Plutarch schrieb , nach dem Tod seiner Tochter Timoxena eine Trostschrift an die Ehefrau. Darin nimmt er auch Stellung zur Rolle der Frau, für die er eine Erziehung ähnlich der des Mannes befürwortet. Die Partnerschaft solle auf einer geistigen und sittlichen Lebensgemeinschaft gründen und nicht nur der Produktion von Kindern und der Befriedigung der Geschlechtslust dienen.

Plutarchs Schriften zeigen die besondere Verehrung für Platon, den er als den „Göttlichen“[10] bezeichnet. Ihm folgte Plutarch in fast allen Lehren. Auch die Moralia sind teilweise in Form platonischer Dialoge aufgebaut. Er war somit Platoniker, empfing aber auch Einflüsse von Peripatos und Stoa. Allerdings kritisierte er die Stoa vor allem in ihrer rigiden Ethik. Die Lehre Epikurs, die eine als Abwesenheit von Unlust definierte Lust als höchtes anzustrebendes Gut annahm, lehnte er vollkommen ab.

Sonstige Werke

Weitere Themenfelder in den Moralia sind Schriften zu Logik und Erkenntnistheorie sowie zur Rhetorik. Hierher gehört vor allem das Werk Über die Geschwätzigkeit. Allerdings sind viele rhetorische Schriften verloren gegangen, jedoch wird Plutarchs Stellung zur Rhetorik in den erhaltenden Schriften deutlich.

Die Sammlung der Moralia enthält auch Werke zur Naturphilosophie, beispielsweise Welche Tiere sind vernünftiger, die Wasser- oder die Landtiere?. In den tierphilosophischen Schriften sieht Plutarch sich als Anhänger der Seelenwanderungslehre und bringt zahlreiche Belege für die Intelligenz der Tiere. Dadurch stellt er sich gegen die Peripatetiker und Stoiker, die das Bestehen eines Rechtsverhältnisses des Menschen zur Tierwelt ablehnten.[11] Weitere Werke, die zum Themenbereich der Naturphilosphie gehören, behandeln das Fatum. Dazu gehört vor allem die erhaltene Schrift Über das Verhängnis. Plutarch schrieb außerdem einige erklärende Schriften zu Homer, Hesiod, Empedokles und Platon.

Neun Bücher in den Moralia behandeln die Auseinandersetzungen mit Leben und Lehren der Sieben Weisen (Symposiaca ton hepta sophon, „Das Gastmahl der Sieben Weisen“). Es ist ein dialogischer Text über die überlieferten Lehren der sagenumwobenen Sieben Weisen Griechenlands.

In den Schriften Über das primär Kalte oder Über das Mondgesicht nahm Plutarch auch zu wissenschaftlichen Problemen Stellung. Die naturwissenschaftlichen Schriften stehen in peripatetischer Tradition. Diese Arbeiten sind teilweise sehr dilettantisch verfasst worden, da sich hier ernsthafte Forschung mit religiösen und mythologischen Spekulationen vermischt.

Titelseite aus: „Auserlesene Moralische Schriften von Plutarch“, Gedruckt bei Füeßlin und Compagnie, Zürich 1768

Nachwirkung

Plutarch zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er nicht „provinziell“ dachte, sondern für damalige Verhältnisse nachgerade als Kosmopolit bezeichnet werden kann: Er verbrachte zwar fast sein ganzes Leben in seiner Geburtsstadt, kam aber dennoch viel in der Welt herum. Da er schon zu Lebzeiten ein berühmter und angesehener Mann war, wurden bereits kurz nach seinem Tod Schriften unter seinem Namen gefälscht. Die literarischen Werke Plutarchs wurden im Laufe der Geschichte vielfach neu bearbeitet, und berühmte Autoren beschäftigten sich mit ihnen, vor allem, weil Plutarch eine der wichtigsten Quellen für große griechische und römische Persönlichkeiten ist und der literarische Stoff über Helden und Heldensagen immer wieder neu aufbereitet wurde und die Menschen schon seit jeher begeistert hat.

Die Texte, die die byzantinischen Gelehrten im 9. Jahrhundert gesammelt haben, sind uns bis heute im wesentlichen erhalten. Photios besaß beispielsweise den zweiten Band einer zweibändigen Ausgabe der Biografien. Außerdem existierte noch eine etwas anders geordnete Ausgabe in drei Bänden. Sonst wurden die weiteren Schriften in früherer Zeit nicht gesammelt, sondern waren meist einzeln oder in kleineren Gruppen im Umlauf. Erst im Jahre 1296 wurden diese Schriften von dem byzantinischen Gelehrten Maximos Planudes zu einer Sammlung zusammengestellt.

Das literarische Werk Plutarchs fand im mittelalterlichen Abendland keine Beachtung, bis es schließlich in lateinischen Übersetzungen (die erste 1471) verbreitet wurde. Dadurch stieg Plutarch zu einem der meistgelesensten Autoren der Weltliteratur auf.

Die Parallelbiografien wurden im 16. Jahrhundert ins Deutsche, Italienische und Spanische übersetzt. Im Jahre 1559 wurden sie von Jacques Amyot, einem Bischof von Auxerre, ins Französische übertragen. 1572 übersetzte Amyot auch die Moralia. Les vies des hommes illustres grecs et romains, comparées l'une avec l'autre par Plutarque gelten als sein wichtigste Werk. Es ist eine mit 46 historischen Figuren paarweise (z. B. Alexander und Cäsar) verknüpfende Biografiensammlung. Der sehr frei übersetzte Text war offenbar nach dem Geschmack der französischen Leser und wurde sofort ein großer Bucherfolg. Noch zu Lebzeiten Amyots erschienen zahlreiche Nachdrucke und vier von ihm überarbeitete Neuauflagen. Der Plutarque wurde auch in den nächsten Jahrhunderten immer wieder nachgedruckt und war eine verpflichtende Lektüre für alle Gebildeten. Außerdem war dieses Werk eine beachtliche Stoffquelle für die Autoren der französischen Klassik im 17. Jahrhundert.

1579 wurde Plutarch von Thomas North aus dem Französischen ins Englische übersetzt, was der Heldenverehrung der Elisabethaner entgegenkam. In dieser Zeit orientierte sich auch William Shakespeare vor allem in seinen Dramen Julius Caesar, Coriolanus und Antonius und Cleopatra zu großen Teilen an Plutarchs Bíoi paralleloi. Im 16. Jahrhundert übten die Moralia großen Einfluss auf den französischen Schriftsteller Michel de Montaigne aus, für dessen Essays Plutarchs Werke als Vorbild dienen.

Im 17. und 18. Jahrhundert waren Plutarchs Parallelbiografien die meistgelesene Schrift aus der Antike. Beispielsweise beschäftigte sich Friedrich Schiller mit Plutarchs Werken. In Die Räuber (1. Akt, 2. Szene) gibt Karl Moor seinem Ärger Ausdruck mit „Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Säkulum, wenn ich in meinem Plutarch lese von großen Menschen“. Mit diesem Zitat verdeutlicht Schiller auch inhaltliche Merkmale des Sturm und Drang wie Kraftmeiertum, Freiheit und die Lust, große Männer zu zeigen, aber auch große Bösewichte. Die Begeisterung für Plutarch ergriff auch Friedrich Nietzsche: In den Unzeitgemäßen Betrachtungen fordert er die Menschen auf: „Sättigt eure Seelen an Plutarch und wagt es, an euch selbst zu glauben, indem ihr an seine Helden glaubt“.

Zitate

  • Es zeugt von Bildung und Besonnenheit, wenn Männer sich bei anscheinendem Glück in ihrem Wesen nicht ändern und im Unglück ihre volle Würde bewahren.
  • Wer wenig bedarf, kommt nicht in die Lage, auf vieles verzichten zu müssen."
  • Der Wein: ... ist unter den Getränken das Nützlichste, unter den Arzneimitteln das Schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das Angenehmste.
  • Audacter calumniare semper aliquid haeret (lat. „Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen“)
    Zitat eigentlich von Francis Bacon, umgeformt schon vor ihm nach dem Original Vorlage:Polytonisch (griech., „... kühn mit Verleumdungen zu packen und zu beißen, so dass auch wenn der Gebissene die Wunde behandelt, die Narbe bleibt“). Inhalt des Sprichwortes ist die Tatsache, dass bei langanhaltender öffentlicher Diffamierung, auch wenn diese völlig haltlos erfolgt, immer ein schlechtes Bild der diffamierten Person in der Öffentlichkeit zurückbleibt.
  • Über die drakonischen Gesetze sprechend, diese seien mit „Blut und nicht mit Tinte geschrieben“
  • Der Geist ist kein Schiff, das man beladen kann, sondern ein Feuer, das man entfachen muss.
  • Als die samischen Gesandten eine weitläufige Rede hielten, sagten die Spartaner: „Das Erste haben wir vergessen und das Letzte nicht verstanden, weil wir inzwischen das Erste vergessen hatten.“

Literatur

Übersetzungen

  • Konrat Ziegler (Hrsg.): Große Griechen und Römer. 6 Bde. Zürich 1954. (Bibliothek der alten Welt) Zahlreiche Nachdrucke.

Sekundärliteratur

  • Herbert Heftner: Plutarch und der Aufstieg des Pompeius: Ein historischer Kommentar zu Plutarchs Pompeiusvita Teil I, Kap. 1–45. Lang, Frankfurt/Main 1995 (Europäische Hochschulschriften Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd./Vol.639), ISBN 3-631-47735-X.
  • Christian Hünemörder: Plutarchos. In: Der Neue Pauly. Band 9, hrsg. v. Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Stuttgart 2000, Sp. 1159–1175.
  • Judith Mossman (Hrsg.): Plutarch and His Intellectual World. Duckworth, London 1997, ISBN 0-7156-2778-3.
  • Richard Volkmann: Leben, Schriften und Philosophie des Plutarch von Chaeronea. Berlin 1869.
  • Hans Weber: Die Staats- und Rechtslehre Plutarchs von Chaironeia. Bonn 1959 (Schriften zur Rechtslehre und Politik Bd. 16).
  • Konrat Ziegler: Plutarchos. In: Der Kleine Pauly. Band 4, hrsg. v. Konrat Ziegler, Göttingen 1972, Sp. 945–953.
  • Konrat Ziegler: Plutarchos von Chaironeia. 2. Aufl. Druckenmüller, Stuttgart 1964 (ursprünglich Artikel im Pauly-Wissowa).

Weblinks

Wikiquote: Plutarch – Zitate
Wikisource: Plutarch auf griechisch – Quellen und Volltexte

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Anmerkungen

  1. Die verwandschaftlichen Verhältnisse finden sich ausführlich erläutert und mit einem Stammbaum dargestellt bei: Konrat Ziegler: Plutarchos von Chaironeia, 2., durch Nachtr. erg. Aufl. (Stuttgart 1964), Sp. 6 ff.
  2. Konrat Ziegler: Plutarchos von Chaironeia, 2., durch Nachtr. erg. Aufl.(Stuttgart 1964), Sp. 12 f.
  3. Konrat Ziegler: Plutarchos von Chaironeia, 2., durch Nachtr. erg. Aufl. (Stuttgart 1964), Sp. 13 f.
  4. Konrat Ziegler: Plutarchos von Chaironeia, 2., durch Nachtr. erg. Aufl. (Stuttgart 1964), Sp. 14 ff.
  5. Christian Hünemörder, Art. Plutarchos, in: Der Neue Pauly, Band 9, Stuttgart 2000, Sp. 1160.
  6. Zur viel diskutierten Frage der relativen Chronologie der Biografien: Konrat Ziegler, Art. Plutarchos, in: Der Kleine Pauly, Band 4, hrsg. v. Konrat Ziegler, Göttingen 1972, Sp. 950.
  7. Konrat Ziegler: Plutarchos von Chaironeia, 2., durch Nachtr. erg. Aufl.(Stuttgart 1964), Sp.18.
  8. Hans Weber: Die Staats- und Rechtslehre Plutarchs von Chaironeia, Bonn 1959 (Schriften zur Rechtslehre und Politik Bd. 16), S. 19.
  9. Christian Hünemörder, Art. Plutarchos, in: Der Neue Pauly, Band 9, hrsg. v. Cancik, Hubert und Schneider, Helmuth, Stuttgart 2000, Sp.1159.
  10. Hans Weber: Die Staats- und Rechtslehre Plutarchs von Chaironeia, Bonn 1959 (Schriften zur Rechtslehre und Politik Bd. 16), S. 18f.
  11. Konrat Ziegler, Art. Plutarchos, in: Der Kleine Pauly, Band 4, hrsg. v. Konrat Ziegler, Göttingen 1972, Sp. 947.