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Alphastrahlung

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Alphastrahlung oder α-Strahlung ist eine Art von ionisierender Strahlung, die bei einem radioaktiven Zerfall, dem Alphazerfall, auftritt. Ein radioaktives Nuklid, das diese Strahlung aussendet, wird als Alphastrahler bezeichnet.

Es handelt sich um eine Teilchenstrahlung bestehend aus Helium-4-Atomkernen, die in diesem Zusammenhang Alphateilchen genannt werden, und aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen. Das Symbol für ein Alphateilchen ist der kleine griechische Buchstabe Alpha: α; das chemische Symbol ist , was einem zweifach ionisierten Heliumatom, einem Heliumkation, entspricht. Deswegen zählt die Alphastrahlung auch zur Ionenstrahlung. Die Austrittsgeschwindigkeit aus dem Kern liegt zwischen 15.000 km/s und 20.000 km/s.

Der Name stammt von der Einteilung der ionisierenden Strahlen aus radioaktivem Zerfall in Alphastrahlen, Betastrahlen und Gammastrahlen mit deren steigender Fähigkeit, Materie zu durchdringen.

Entstehung

Coulombwall. Modellpotential für ein Alphateilchen, das sich aus dem durch einen Potentialtopf angenäherten, kurzreichweitigen Kernpotential und dem langreichweitigen Coulombpotential zusammensetzt.

Beim Alphazerfall formiert sich im Atomkern ein Alphateilchen, also ein Helium-4-Atomkern innerhalb des Kerns. Das Alphateilchen hat eine kinetische Energie, die über der Masse entspricht, die durch den Kernzerfall verloren geht. Es wird durch die starken Wechselwirkung vom Kern angezogen und aufgrund gleichnamiger Ladungen elektrisch abgestoßen. Die Kernkraft hat jedoch nur eine kurze Reichweite, während die elektrostatische Abstoßung langreichweitig ist. Das führt dazu, dass das Potential eine Art Barriere, den sogenannten Coulombwall, darstellt. Da die Höhe des Coulombwalls die Energie des Alphateilchens übertrifft, ist es klassisch nicht möglich, dass das Alphateilchen den Coulombwall überwindet. Klassisch wäre das Alphateilchen also stabil an den Kern gebunden, daher bezeichnet man diesen Zustand als metastabil. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, die im wesentlichen die Halbwertszeit des Zerfalls bestimmt, verlässt es den Mutterkern jedoch trotzdem, mittels des quantenmechanischen Tunneleffekts. Dieser erlaubt es einem Teilchen eine endlich lange und endlich hohe Energiebarriere mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu durchdringen, auch wenn seine Energie dafür klassisch nicht ausreicht.
Dadurch nimmt die Massenzahl des Kerns um 4 Einheiten ab, und die Kernladungszahl verringert sich um 2 Einheiten.

Beispiel:

Nach dem Ausstoß verbleibt der Atomkern unter Umständen in einem angeregten Zustand. Der Übergang in den Grundzustand ist mit dem Aussenden von Gammastrahlung verbunden. Ein Alphateilchen weist eine Ladung von 2+ auf; das zurückgelassene Atom verbleibt als Ion mit der Ladung 2-. Es findet dann ein Ladungsausgleich mit Atomen/Ionen der Umgebung statt. In der Regel werden Elektronen und Ionenladung allerdings in der Reaktionsgleichung nicht berücksichtigt.

Typische in der Natur vorkommende Alphastrahler sind Uran und Thorium sowie deren Zerfallsprodukte Radium und Radon. Die Energie eines Alphateilchens liegt typischerweise in der Größenordnung von 2 bis 5 MeV. Alphateilchen aus künstlich erzeugten Nukliden können aber durchaus Energien von über 10 MeV besitzen.

Der Alpha-Zerfall ergibt rechnerisch nach der empirischen Weizsäcker-Massenformel des Tröpfchenmodells für alle Kerne ab Massenzahl 165 eine positive Energiefreisetzung. Das bedeutet, nach diesem Modell ist die Summe der Massen des Alphateilchens und des Kerns nach dem Zerfall niedriger als die Masse des Kerns vor dem Zerfall, so dass der Alpha-Zerfall energetisch möglich ist. Dennoch wurde ein Alpha-Zerfall bei vielen schweren Kernen bisher nie beobachtet.

Einige früher als stabil geltende Nuklide sind als extrem langlebige Alpha-Strahler entlarvt worden, zum Beispiel Sm-149, Gd-152, und Hf-174. Erst in den 2000ern konnte dann auch W-180,[1] und Bi-209[2] Alpha-Zerfall mit Halbwertszeiten von einigen Trillionen Jahren nachgewiesen werden.

Die Halbwertszeiten sind mit der Energie der emittierten Alphateilchen durch die Geiger-Nuttall-Regel verknüpft.

Helium ist das zweithäufigste Element im Universum und auch unserer Sonne, die galaktische kosmische Strahlung und der Sonnenwind bestehen daher zu fünf bis zehn Prozent aus Alphateilchen. Allerdings erreicht dieser Teil der kosmischen Strahlung nie den Erdboden.

Wechselwirkung mit Materie

Alphastrahlung ist die am leichtesten abzuschirmende ionisierende Strahlung).

Aufgrund ihrer elektrischen Ladung und relativ großen Masse von 4 u haben Alphateilchen nur eine sehr geringe Eindringtiefe in Materie.

Die Reichweite der Alphateilchen ist abhängig von deren Energie und beträgt in Luft bei Normaldruck ungefähr 10 cm (bei 10 MeV). Bei niedrigem Luftdruck ist die Reichweite der Alphateilchen größer, da die Anzahl der Stoßpartner (Moleküle), an die Alphateilchen ihre kinetische Energie abgeben, mit dem Luftdruck abnimmt.

In Wasser oder organischem Material beträgt die Eindringtiefe eines 5-MeV-Alphateilchens 40 μm. Ein etwas kräftigeres Blatt Papier oder einige Zentimeter Luft reichen somit im allgemeinen schon aus, um Alphateilchen vollständig abzuschirmen. Das kommt dadurch zustande, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Atom durch die Strahlung ionisiert wird, durch die geringe Geschwindigkeit relativ hoch ist (siehe Bragg-Peak). In einer Nebelkammer sind deshalb auch die Ionen besonders gut zu sehen, die durch Alphastrahlung erzeugt werden. Die Reichweite der α-Strahlen hat man früher in einer Ionisationskammer mit einem Elektroskop über die Messung des Ionisationsstroms bestimmt, heute verwendet man Teilchendetektoren, mit denen man die einzelnen Alphateilchen zählen kann.

Geöffnetes Alphaspektrometer mit Präparat und Detektor (oben)

Biologische Wirkung

Alphastrahlung, die von außen auf den menschlichen Körper wirkt, ist relativ ungefährlich, da die Alphateilchen auf Grund ihrer geringen Eindringtiefe überwiegend nur in die oberen, toten Hautschichten eindringen. Ein im Organismus durch Einatmen oder Aufnahme mit der Nahrung eingelagerter Alphastrahler ist dagegen sehr schädlich, da in diesem Fall nicht die toten Hautschichten, sondern lebende Zellen geschädigt werden. Insbesondere die Anreicherung eines mit Alphastrahlung zerfallenden Nuklids in einem Organ führt zu einer hohen Belastung dieses Organs, da dabei eine hohe Strahlendosis ihre schädigende Wirkung auf kleinem Raum und auf wichtige Körperzellen ausübt (Strahlenkrankheit).

Die relative biologische Wirksamkeit von Alphastrahlung ist auf 20 festgelegt. Im Vergleich dazu sind die relativen biologischen Wirksamkeiten bei Beta- und Gammastrahlung auf 1 festgelegt, d.h. dem gleichen Energieeintrag wird bei Alphastrahlung die 20-fache Schadwirkung zugeordnet. Bei diesen Werten ist zu beachten, dass es sich hierbei nicht um physikalische Messgrößen handelt, sondern lediglich um politisch gesetzte Normen zu einer vereinfachten Handhabung im Strahlenschutz, es ist der Umrechnungsfaktor zwischen Gray und Sievert (und zwischen den veralteten Einheiten Rad und Rem).

In der Radonbalneologie wird eine heilenden Wirkung gering dosierter Alphastrahlung durch den Radongehalt mancher Heilbäder (z. B. Badgastein) angenommen.

Anwendungen

Isotopengenerator

Ein Plutonium-Pellet (238Pu) glüht durch seinen eigenen Zerfall

Alphastrahler schwerer Elemente (hauptsächlich Transurane) mit hoher Dichte und relativ kurzer Halbwertszeit können sich durch ihren eigenen Alphazerfall bis zur Rotglut erhitzen. Dieses ist möglich, weil nahezu alle bei ihrem Zerfall erzeugten energiereichen Alphateilchen von ihren schweren Atomen noch in ihrem Innern aufgehalten werden, und ihre Bewegungsenergie als Wärme an sie abgeben. Wenn sie außerdem nur wenig Gammastrahlung abgeben, und ihre Halbwertszeit (meistens einige Jahre bis Jahrzehnte) lang genug ist, kann die abgegebene Wärme zur Energiegewinnung in Radioisotopengeneratoren genutzt werden.

Rauchmelder

Außerdem werden Alphastrahler in Ionisationsrauchmeldern verwendet, die die Leitfähigkeit der durch Alphastrahlen ionisierten Luft messen, die durch Rauchpartikel vermindert wird.

Forschungsgeschichte

Alphastrahlung war die erste nachgewiesene Form von Radioaktivität, Antoine Henri Becquerel entdeckte sie 1898 als Schwärzung von lichtdicht verpackten Fotoplatten durch Uransalze. Weitere Forschungen von Marie Curie und Pierre Curie führten unter anderem zur Isolation der Uran-Zerfallsprodukte Radium und Polonium und dem Nachweis, dass diese ebenfalls Alphastrahler sind. Die drei Forschen erhielten für diese Leistungen 1903 den Nobelpreis für Physik.

Ernest Rutherford zeigte 1899 die Unterscheidbarkeit verschiedener Formen der Radioaktivität durch ihr verschiedenes Durchdringungsvermögen und prägte auch die Bezeichnungen α-, β und γ-Strahlung. Ebenfalls 1899 demonstrierten Stefan Meyer, Egon Schweidler und Friedrich Giesel die Unterscheidbarkeit durch verschiedene Ablenkung in magnetischen Feldern.

Durch Beobachtung der Spektrallinien bei Gasentladung konnte Rutherford 1908 die Identität der Alphateilchen mit Heliumkernen nachweisen.

1911 benutzte Rutherford Alphastrahlen für seine Streuexperimente, die zur Aufstellung des Rutherfordschen Atommodells führten.

1913 stellten Kasimir Fajans und Frederick Soddy die radioaktive Verschiebungssätze auf, die das beim Alphazerfall entstehende Isotop bestimmen.

1919 gelang Rutherford die erste künstlichen Elementumwandlung: Durch Beschuss mit Alphastrahlen entstand Sauerstoff aus Stickstoff.

1928 erbrachte George Gamow die quantenmechanische Erklärung des Alphazerfalls durch den Tunneleffekt.

„Alphastrahlen“ aus Beschleunigern

Auch künstlich aus Heliumgas in einer Ionenquelle erzeugte -Ionen werden manchmal als Alphateilchen bezeichnet. Werden sie in einem Teilchenbeschleuniger beschleunigt, wird dessen Strahlenbündel dementsprechend auch "Alphastrahl" genannt, obwohl es nicht radioaktiver Herkunft ist.

Anmerkungen

  1. Cristina Cozzini et al, Detection of the natural α decay of tungsten, Physical Review C (2004), preprint
  2. Pierre de Marcillac et al, Experimental detection of alpha-particles from the radioactive decay of natural bismuth, Nature 422, 876-878 (24. April 2003), Ergebnistabelle

Literatur

  • Werner Stolz, Radioaktivität. Grundlagen - Messung - Anwendungen, Teubner, 5. Aufl 2005, ISBN 3-519-53022-8
Kernphysik
  • Theo Mayer-Kuckuk, Kernphysik, Teubner, 6. Aufl. 1994, ISBN 3-519-03223-6
  • Klaus Bethge, Kernphysik, Springer 1996, ISBN 3-540-61236-X
  • Jean-Louis Basdevant, James Rich, Michael Spiro, Fundamentals in Nuclear Physics: From Nuclear Structure to Cosmology, Springer 2005, ISBN 0387016724
Forschungsgeschichte
  • Milorad Mlađenović, The History of Early Nuclear Physics (1896-1931), World Scientific 1992, ISBN 9810208073
Strahlenschutz
  • Hanno Krieger, Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes, Teubner 2004, ISBN 3519004879
  • Claus Grupen, Grundkurs Strahlenschutz. Praxiswissen für den Umgang mit radioaktiven Stoffen, Springer 2003, ISBN 3540008276
  • James E Martin, Physics for Radiation Protection, Wiley 2006, ISBN 0471353736
Medizin
  • Günter Goretzki, Medizinische Strahlenkunde. Physikalisch-technische Grundlagen, Urban&Fischer 2004, ISBN 3437472003
  • Thomas Herrmann, Michael Baumann, Wolfgang Dörr, Klinische Strahlenbiologie - kurz und bündig, Urban&Fischer Februar 2006, ISBN 3437239600

Weblinks

Wiktionary: Alphastrahlung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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