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Seneca

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Seneca nach einer Zeichnung von Peter Paul Rubens

Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere (* etwa im Jahre 1 in Corduba; † 65 n. Chr. in der Nähe von Rom), war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Staatsmann und als Stoiker einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. Seine Reden, die ihn zuerst bekannt gemacht haben, sind verloren gegangen. Vom Jahr 49 an war er der maßgebliche Erzieher des späteren Kaisers Nero. Um diesen auf seine künftigen Aufgaben vorzubereiten, verfasste er eine Denkschrift darüber, warum es weise sei, als Herrscher Milde walten zu lassen (de clementia). Senecas Bemühen, Neros eigensüchtig ausschweifendem Temperament gegenzusteuern, war jedoch kein dauerhafter Erfolg beschieden. Zuletzt wurde er vom Kaiser der Beteiligung an der pisonischen Verschwörung beschuldigt und zur Selbsttötung genötigt.

Leben und Werk als Einheit

Ausdrückliche Rückbezüge Senecas auf die eigene Biographie sind in seinen Werken äußerst selten. In dieser Hinsicht machte er wenig von sich her, obwohl er von der Bedeutung seiner schriftlichen Hinterlassenschaft für die Nachwelt überzeugt war. „Was Epikur seinem Freunde versprechen konnte, das verspreche ich dir, Lucilius: ich werde Kredit bei der Nachwelt haben, ich kann Namen mitnehmen, auf dass sie mit mir überdauern.“ [1]

Senecas autobiographisches Schweigen hat erhebliche Probleme vor allem bezüglich der Datierung seiner Werke zur Folge, sodass insbesondere für die Abfolge seiner Tragödiendichtung kaum Anhaltspunkte gegeben sind. Dennoch legen die einschlägigen Seneca-Biographien eine mehr oder minder enge Verbindung der Schriften Senecas mit seiner jeweiligen Lebenssituation nahe. Sein Philosophieren bestand demnach nicht in der Schaffung eines neuen gedanklichen Systems, sondern wesentlich in der Anwendung der stoischen Lehre „nach Maßgabe der jeweiligen besonderen Lebenslage und Lebensnotwendigkeit“.[2] Auch in seinen Spätschriften betonte er seine Verwurzelung in der stoischen Philosophie.[3] Dabei lehnte er dogmatische Festlegungen ab.[4]

Senecas wechselvoller Lebenslauf hat ihm mehrfach abverlangt, sich auf Schicksalswenden einzustellen; und er konnte sie in stoischer Manier gutheißen: „Die tugendhaften Männer mühen sich ab, bringen Opfer und werden geopfert, und zwar ohne Widerstreben; sie werden vom Schicksal nicht gezogen, sie folgen ihm und halten gleichen Schritt mit ihm; hätten sie's gewußt, so wären sie ihm zuvorgekommen.“[5] Die Vielfalt der Erfahrungen im politischen Leben und die unterschiedlichen Rollen, die er dabei übernommen hat, sind in Senecas philosophischen Schriften verarbeitet. Aus ihnen resultieren – und dies war Seneca durchaus bewusst – je nach besonderer persönlicher und politischer Lage unterschiedliche Optionen ethisch verantwortbaren Handelns. „Wie immer also sich der Staat gibt, wie immer das Schicksal es zulässt, so werden wir uns entweder entfalten oder kleiner machen, jedenfalls werden wir uns regen und nicht gebannt von Furcht starr sein. […] Aber du musst, wenn du in eine der Öffentlichkeit weniger günstige Zeit gerätst, mehr dich der Muße und der Wissenschaft widmen, und nicht anders als bei gefahrvoller Seefahrt solltest du sofort einen Hafen anlaufen, noch solltest du warten, bis die Verhältnisse dich entlassen, sondern dich selber von ihnen trennen.“[6]

Ungewisse Anfänge

Senecas Geburtsjahr ist nicht überliefert und auch nicht sicher bestimmbar. Die neuesten Rekonstruktionsversuche sprechen für das Jahr 1.[7] Im spanischen Corduba geboren, gelangte er früh, noch auf den Armen seiner Tante mütterlicherseits, nach Rom, wo ihn diese auch weiterhin unter ihre Obhut nahm. Anscheinend wollte sein Vater Seneca der Ältere als dem Stande der Ritter Zugehöriger seinen nach ihm benannten Sohn schon von klein auf im Herzen der Weltmacht heranwachsen sehen und den „feinen“ römischen Zungenschlag annehmen lassen.[8] Mit seiner Frau Helvia[9] hatte er noch zwei weitere Söhne. Senecas älterer Bruder Novatus wurde unter seinem Adoptivnamen Gallio 51/52 n.Chr. Proconsul in der Provinz Achaia und wies u.a. eine Klage der Juden gegen den Apostel Paulus ab, später übernahm er das Amt eines Konsuls. Seneca widmete ihm drei seiner Schriften, darunter Über den Zorn und Vom glücklichen Leben. Sein jüngerer Bruder Mela übernahm die Verwaltung des Familienbesitzes in Corduba.[10]

Seneca der Ältere betrieb intensiv rhetorische Studien und verfasste darüber ein Werk, in dem er sich sehr kritisch über die gekünstelte zeitgenössische Rhetorik äußerte.[11] Auf diesem Felde war der gleichnamige Sohn also frühzeitig orientiert. Und in Verbindung damit dürfte er einen vorzüglichen rechtskundlichen Unterricht erhalten haben[12], der ihn auf eine anwaltliche Tätigkeit vorbereitete, für die wiederum die Beherrschung des rhetorischen Instrumentariums unerlässlich war.

Doch waren ihm die rhetorischen Stilübungen, zu denen er angehalten wurde, weit weniger wichtig als die philosophischen Grundsätze, die ihm seine Lehrer Sotion und Attalos vermittelten und die ihn z.B. zeitweise zu fleischfreier Kost veranlassten, weil dies der Lebhaftigkeit seines Denkens förderlich sei.[13] Die empfohlene harte Matratze für seine Bettstatt behielt Seneca bis ins Alter bei. Und vor der Nachtruhe folgte er, wie von Sokrates überliefert, gewohnheitsmäßig dem Rat zur Selbstprüfung und Gewissensforschung: „Wenn das Licht entfernt und meine Gattin, bekannt mit meiner Gewohnheit, verstummt ist, überschaue ich meinen ganzen Tag und wäge meine Handlungen und Äußerungen ab; nichts bleibt mir verborgen, nichts übergehe ich.“[14]

Gesundheitlich war Seneca von Kindesbeinen an und während seines ganzen Lebens durch Asthma-Anfälle und chronische Bronchitis stark eingeschränkt. Atemnöte und Fieberschübe setzten ihm in jungen Jahren derartig zu, dass er davor stand, sich das Leben zu nehmen.[15] Eine gewisse Stabilisierung trat erst ein, als er im Alter von etwa 30 Jahren das ihm bekömmlichere Klima im ägyptischen Alexandria aufsuchte, wo er wiederum bei seiner mit dem römischen Präfekten von Ägypten verheirateten Tante unterkam. Sie war es auch, die sich für ihn verwendete, als er nach seiner Rückkehr nach Rom, wo er sich als Advokat bei den Gerichten bereits einen Namen gemacht hatte, erfolgreich um die Quaestur als Einstieg in die römische Ämterlaufbahn bewarb.[16]

Ebenfalls in die Zeit nach seinem Ägyptenaufenthalt fielen die ersten seiner überlieferten philosophischen Schriften. In der Trostschrift an Marcia gab er Hilfen zur Veränderung ihrer Trauerperspektive und Anregungen zu sinnvoller Betätigung, um ihr über den Verlust des Sohnes hinwegzuhelfen. „Zwar hält auch jetzt noch, Marcia, deine maßlose Trübseligkeit an und hat sich, wie es scheint, bis zu völliger Verhärtung gesteigert, zwar nicht mehr so aufgeregt, wie anfangs, aber hartnäckig und verstockt; gleichwohl werden dir die Jahre auch diesen Trübsalskelch tropfenweise leeren: so oft du eine andere Beschäftigung vornimmst, wirst du eine Erleichterung spüren.“[17].

Außerdem verfasste er das dreiteilige Werk Über den Zorn, in dem er – bezüglich emotionaler Selbstbeherrschung noch akzentuierter − klassisches stoisches Gedankengut aufgriff und auf vielfältige Weise lebenspraktisch, historisch-exemplarisch und politisch abhandelte.

„Du hast […], mein Novatus, […] allen Grund dazu, gerade diese Leidenschaft zu fürchten, die unter allen die widerwärtigste ist. Die anderen nämlich haben doch immerhin noch etwas Ruhiges und Gelassenes; diese aber ist ganz nur Aufregung und Schmerzenssturm, rasend in unmenschlicher Begier nach Waffen, Blut und Todesstrafe …[18] Der beste Rat ist es, die erste Regung des Zornes auf der Stelle von sich zu weisen und seine Angriffe gleich im Keime zu ersticken. […] Denn hat er einmal angefangen uns vom rechten Wege abzuziehen, so ist es übel bestellt um die Rückkehr zum Seelenheit, weil die Vernunft nichts mehr zu sagen hat, wo die Leidenschaft einmal ihren Einzug gehalten hat, und wo ihr mit unserer Einwilligung ein gewisses Recht eingeräumt worden ist. Er, der Zorn, wird von nun ab nur seinem Willen folgen, nicht deine Erlaubnis abwarten.[19]

Da es sich nach Seneca beim Zorn um eine beherrschbare Regung handelt[20], hielt er auch entsprechendes erzieherisches Einwirken für nötig. Dabei kam es ihm besonders auf die genaue Beobachtung der individuellen Entwicklung an, weil z.B. mit dem Mittel des Lobes einerseits das Selbstbewusstsein des Schützlings gestärkt werden, andererseits aber Überheblichkeit und Jähzorn gefördert werden könnten. Mal müsse eben gebremst, mal angefeuert werden. Sein die Menschenwürde achtender pädagogischer Ansatz zeigt sich, wenn er fortfährt: „Dem Zögling darf nie etwas Erniedrigendes, etwas Sklavenartiges zugemutet werden. Niemals soll er in die Lage gebracht werden, demütig um etwas zu bitten, noch soll er Nutzen davon haben, wenn er das etwa tut, vielmehr soll man seinem Standpunkt Rechnung tragen und seinen früheren Handlungen und löblichen Versprechungen für die Zukunft ihm zugute kommen lassen.[21]

Trostspender in der korsischen Verbannung

Hineingeboren in die Ära des Augustus, eben Jugendlicher bei Herrschaftsantritt des Tiberius, arrivierter Anwalt und Senatsmitglied, als Caligula Princeps wurde: So lassen sich Senecas vier erste Lebensjahrzehnte mit der Geschichte des frühen Prinzipats in Beziehung setzen. Ausschlaggebend für seinen weiteren Lebenslauf wurde das julisch-claudische Herrscherhaus allerdings erst im Jahre 41, als Seneca nach der Beseitigung des in despotischer Manier auftrumpfenden Caligula[22] von dessen Nachfolger Claudius in die Verbannung nach Korsika geschickt wurde.

Dies geschah auf Betreiben Messalinas, mit der Claudius in dritter Ehe verheiratet war und die Julia Livilla[23] als potentielle Rivalin ausschalten wollte.[24] Deshalb schwärzte sie diese wegen angeblichen Ehebruchs mit Seneca an. Nur der Fürsprache Kaiser Claudius' im Senat war es zu verdanken, dass Seneca nicht zum Tode verurteilt wurde. Da das Urteil auf Verbannung in Form der Relegation (nicht der Deportation) lautete, blieben Seneca Eigentum und staatsbürgerliche Rechte erhalten.[25]

Acht Jahre währte die Verbannung auf Korsika insgesamt. Erhalten sind aus dieser Zeit vor allem zwei Trostschriften, in denen Seneca einerseits stoischen Schicksalsgehorsam, andererseits aber auch den dringenden Wunsch nach Beendigung des Exils zum Ausdruck brachte. Er zeigte sich, indem er Trost spendete, zugleich als Trost Suchender in auf die Dauer quälender Abgeschiedenheit.

In dem Trostschreiben an seine Mutter Helvia, die von seiner Verbannung hart getroffen worden war, versicherte Seneca, er sei nicht unglücklich auf Korsika und könne es auch gar nicht werden.[26] Warum sollte er nicht mit einem Ortswechsel seinen Frieden machen können, wo doch von den Himmelsgestirnen bis zu den Menschenvölkern so vieles ständig in Bewegung sei.[27] Im Schlussabschnitt schrieb er: „…darum vernimm, wie du dir mich vorstellen sollst: fröhlich und lebhaft, als seien die Verhältnisse besonders gut. Sie sind nämlich besonders gut, da ja der Geist, aller Belastungen ledig, für seine eigenen Arbeiten Zeit hat und sich bald an leichteren Studien ergötzt, bald zur Betrachtung seines eigenen und des Alls Wesen, nach Wahrheit sich sehnend, sich erhebt.“[28]

Eine deutlich weniger optimistische Beschreibung seiner Lage enthält dagegen die Trostschrift für Polybios, der bei Hofe das Referat für Bittschriften leitete (a libellis) und dem er sich wohl vor allem mit dem Ziel andiente, Polybios möge bei Kaiser Claudius die Lösung seiner Verbannung erwirken.[29] Dieses Schreiben schloss Seneca, nachdem er seine eigene kraftlose und abgestumpfte geistige Verfassung beklagt hatte, entschuldigend mit den Worten: „Wenn es zu wenig deinem geistigen Niveau oder zu wenig zu helfen deinem Schmerz scheint, dann bedenke, wie der nicht die Gedanken frei haben kann für die Tröstung eines anderen, den das eigene Unglück überwältigt hält, und wie nicht leicht lateinische Worte dem Menschen sich einstellen, den der Barbaren plumpes und auch für gebildetere Barbaren lästiges Gebrabbel umschwirrt.“[30] Der mühsam verbrämte Eigennutz dieser Trostschrift und das am Ende hervorbrechende Selbstmitleid haben Seneca mancherlei Spott und Kritik eingetragen[31]; und zur Beendigung seines Exils haben sie auch nicht geführt.

Wegweiser des Thronfolgers

Zwei Frauen waren es, die das Schicksal des Verbannten schließlich wendeten. Kaiserin Messalina, die Initiatorin des Verfahrens gegen Julia Livilla und Seneca, überzog im Jahre 48 ihr sexuell und machtpolitisch motiviertes Spiel, als sie eine Abwesenheit des Claudius von Rom dazu nutzte, den designierten Konsul Gaius Silius zu ehelichen, was beide bald danach das Leben kostete. Nun war es an Agrippina der Jüngeren, der neben Julia Livilla anderen ehedem verbannten Nichte des Claudius, ihrem Sohn Nero aus erster Ehe dadurch Thronchancen zu verschaffen, dass sie Kaiser Claudius dazu brachte, mit ihr die Ehe zu schließen. Als Erziehungsbeistand für Nero aber hatte sie Seneca ausersehen, den sie wie ihre Schwester aus der Zeit vor seiner Verbannung gekannt haben muss.[32]

Diesem Ruf konnte Seneca, den es zunächst nach Athen gezogen haben soll[33], sich schwerlich versagen. Die machtpolitische Dynamik im Kaiserhaus war von der Art, dass Gunst schnell und massiv in Ungunst umschlagen konnte. Im Jahre 50 bekleidete Seneca – zweifellos mit maßgeblicher Unterstützung des Kaiserhauses – die Prätur, die Vorstufe zum Konsulat als höchstem Amt in der römischen Magistratur. Sobald Agrippina Kaiserin geworden war, übernahm sie mit harter Hand die Zügel und veranlasste Claudius, der mit Britannicus bereits einen von Messalina geborenen Thronfolger hatte, ihren Sohn Nero zu adoptieren. Nero konnte als der um drei Jahre Ältere von beiden nun die erste Anwartschaft beanspruchen. Zwar gab es keine verbindlichen Regelungen in der Nachfolgefrage, doch war in der Vergangenheit die Adoption gewohnheitsmäßig zum Mittel der dynastischen Legitimation in der Nachfolge des Prinzipats geworden. Dieses war die Konstellation, in die Seneca hineingezogen und in der er Nero an die Seite gestellt wurde.

Nach acht Jahren einfachen Lebens wieder in Rom zu sein, war für Seneca zweifellos ein scharfer und tief erlebter Kontrast.[34] In diese Zeit fiel seine Schrift „Von der Kürze des Lebens“, die starke Parallelen mit Erscheinungen und mentalen Verarbeitungsweisen des Lebens in heutigen städtisch geprägten Zivilisationen aufweist.[35] Im Kern ging es Seneca dabei um den Nachweis, dass die meisten Menschen große Teile ihrer Lebenszeit verlieren, indem sie sie falsch zubringen. Diesbezüglich entwickelte er ein breites Spektrum von Beispielen:

„Den einen hält unersättliche Habsucht gefangen, den anderen in überflüssigen Anstrengungen mühevolle Betriebsamkeit, der eine ist vom Weine trunken, der andere verkümmert in Stumpfsinn; […] viele hält das Streben nach fremder Schönheit oder die Sorge um die eigene fest; sehr viele, da sie nichts bestimmtes verfolgen, jagt die unstete und unbeständige und mit sich selbst zerfallene Haltlosigkeit durch immer neue Pläne; manche können zu keinem Beschluß kommen, wohin sie ihre Bahn richten sollen, sondern in Schlaffheit und Müdigkeit überrascht sie ihr Schicksal…[36]

Sein spezielles Augenmerk hatte der widersprüchliche Umgang der Menschen mit Besitz und Eigentum einerseits und mit ihrer begrenzten Lebenszeit andererseits: „Niemand findet sich, der sein Geld verteilen will, sein Leben – an wie viele verteilt es jeder einzelne! Daran gefesselt sind sie, ihr Vermögen zusammenzuhalten, sobald man zum Zeitverlust kommt, sind sie höchst verschwenderisch mit dem, bei dem allein ehrenhaft Geiz ist.“[37] Raubbau an der gegebenen Lebensspanne treibe auch, wer lohnende Vorhaben vor sich her in ein Alter verschiebe, von dem er gar nicht wissen könne, ob er es überhaupt erreichen werde.[38] Zu leben verstehe hingegen, wer die alltägliche Betriebsamkeit hinter sich lasse und sich der Philosophie zuwende, weil dies eine reiche Vergangenheit zu erschließen verspreche: „Sich unterhalten kann man mit Sokrates, zweifeln mit Karneades, mit Epikur zurückgezogen leben, des Menschen Wesen mit den Stoikern überwinden, mit den Kynikern hinter sich lassen.“ [39]

Es liegt nahe, dass Seneca seine philosophischen Leitvorstellungen auch dem heranwachsenden Nero vermittelt hat, der gemäß Agrippinas Ambitionen aber hauptsächlich auf seine Rolle als künftiger Kaiser vorbereitet werden sollte. Nero selbst neigte eher den schönen Künsten zu, hatte darin auch einiges Talent und einen starken Hang zur Selbstinszenierung. Als Seneca möglicherweise zu dieser Zeit begann, Tragödien zu schreiben, könnte er damit auch seine Einflussmöglichkeiten auf den Thronanwärter, der ihm in der Dichtkunst nacheiferte, verstärkt haben.[40]

Die Tragödien, die alle den klassischen Stoff der griechischen Mythen im Anschluss an Aischylos, Sophokles und Euripides aufgriffen, könnten Seneca Gelegenheit gegeben haben, seine philosophischen Überzeugungen teils drastisch-grauenvoll ausgemalt, teils spielerisch-unaufdringlich an den Zögling weiterzugeben. Ein Beispiel aus dem Thyestes: „Welche Raserei treibt euch (Könige) an, / abwechselnd euer Blut hinzugeben / und durch Verbrechen das Szepter zu erstreben? / […] König ist, wer Ängste abgelegt hat / und die Übel eines schlimmen Herzens, / den nicht zügelloser Ehrgeiz / und die nie beständige Gunst / der unbedachten Menge bewegt / […] König ist, wer nichts fürchtet, / König ist, wer nichts begehrt. / Dies Königreich gibt jeder sich selbst.“[41] Fuhrmann hält es für gut möglich, dass sowohl Nero als auch sein Mentor bei der Aufführung von Senecas Tragödien vor geladenen Gästen selbst als Darsteller auftraten.[42]

Etwa fünf Jahre währte diese Rollenverteilung zwischen Erzieher und Zögling. Die antiken Literaten berichten, dass diese Phase durch einen Giftmord der Agrippina an ihrem Gatten Claudius beendet wurde, als sie nämlich die Stunde für gekommen hielt, Nero zum Kaiser zu machen und dadurch selbst noch mehr Macht als zuvor auszuüben.

Mitgestalter von Neros Herrschaftsbeginn

Senecas Landsmann spanischer Herkunft, der von 98–117 regierende Kaiser Trajan, hat die ersten Regierungsjahre Neros von 54-59 als das glückliche Jahrfünft (Quinquennium) des Römischen Reiches bezeichnet.[43] Als erst Sechzehnjähriger gelangte Nero im Herbst 54 zur Herrschaft; und das äußerst positive Zeugnis für die ersten Jahre seines Prinzipats gebührt vor allem den beiden vorzüglich harmonierenden politischen Vordenkern und Begleitern Neros, dem Gardepräfekten Burrus und dem von Nero auch als Gegengewicht gegen die eigene Mutter weiterhin hoch geschätzten und mit umfänglichen Schenkungen bedachten Seneca. Über dessen Einflussnahme auf politische Entscheidungen im Einzelnen schweigen leider sowohl die Quellen als auch Seneca selbst.[44] Weder zu Senecas Konsulat 55 noch zu seinem Verhalten im Senat verlautet Konkretes.[45]

Zu Neros ersten Amtshandlungen gehörte die Leichenrede auf den Adoptivvater Claudius, die Seneca für ihn vorbereitet hatte und die Nero in würdiger Manier vortrug. Als aber an einer Stelle von Claudius’ vorausschauenden Fähigkeiten und von seiner Weisheit die Rede war, verbreitete sich anlasswidrig allgemeine Heiterkeit,[46] denn Claudius galt allgemein als etwas beschränkt. Seneca machte bei passender Gelegenheit diesen Missgriff auf radikale Weise wett durch eine bissige Satire auf Claudius, die Apokolokyntosis („Verkürbissung“ im Sinne von Veräppelung),[47] in der Claudius nicht die von ihm gesuchte Erhöhung zum Gott, sondern die Erniedrigung zum Gerichtsdiener eines Freigelassenen widerfährt. Es ist die einzige Probe einer menippeischen Satire, die Seneca hinterlassen hat.[48]

Ganz auf der Linie seiner philosophischen Schriften lag dagegen Senecas programmatische Mahnschrift Ad Neronem Caesarem de clementia („An Kaiser Nero über die Milde“), die er für seinen Zögling zu Beginn von dessen Prinzipat verfasste und die diesen seinen nachgeordneten Mitbürgern gegenüber zu Milde und zu verantwortungsvoller Amtsführung anhalten sollte. Nach Giebel wurde mit dieser zugleich für die Öffentlichkeit bestimmten Schrift das „längst nötige Fundament für die traditionslose römische Monarchie“ gelegt[49] und dabei Bezug genommen auf das Wort des Zenon-Schülers und makedonischen Königs Antigonos II. Gonatas, dem zufolge die Herrschaft für den König „eine ehren- und ruhmvolle Knechtschaft“ sei.[50] Die Rolle eines milden Kaisers scheint Nero zeitweise demonstrativ angenommen und die Würde des Senats wieder stärker hervorgekehrt zu haben; in irgendeiner dienenden Funktion hat er sich aufgrund seines Naturells allerdings wohl kaum gesehen. Bei Fuhrmann heißt es dazu: „Die Monarchie ist unkontrollierbar, die hieraus sich ergebenden Defizite können allein durch den Menschen selbst ausgeglichen werden: Diese wohldurchdachte Doktrin Senecas vermochte nur jemanden zu beeindrucken, der zur Selbstreflexion fähig und von der Erfahrung der eigenen, eingeschränkten Subjektivität durchdrungen war.“[51]

Bei der eigenen Machtsicherung war auch die beschworene Milde nichts, was Nero tatsächlich gelten ließ – im Gegenteil. Schon im Jahre 55 traten zwischen Agrippina, die ihren Willen mitzuherrschen auch bei offiziellen Anlässen zu erkennen gab, und Nero Spannungen auf, die auch Seneca nur notdürftig zu überspielen vermochte. Als die Mutter dem Sohn mit den nicht erledigten Thronansprüchen seines Stiefbruders Britannicus drohte, arrangierte Nero laut Quellenzeugnis dessen Vergiftung bei einem Essen in Anwesenheit Agrippinas und ließ dazu verbreiten, Britannicus sei an einem epileptischen Anfall gestorben.[52]

Schattenseiten der Machtteilhabe

Seneca hatte an dem Essen, das für Britannicus tödlich endete, nicht teilgenommen. Wie er reagierte, ist nicht überliefert. Es scheint, als habe er die offizielle Version gelten lassen; ausrichten konnte er ohnehin wenig, wenn er seinen Einfluss auf Nero nicht verlieren wollte.[53] Nach seinem Rückzug aus der höfischen Tagespolitik ließ Seneca vereinzelt durchblicken, dass er den Platz an Neros Seite als problematisch erlebt hatte. So in einem der Briefe an Lucilius, in dem davon die Rede ist, dass er den rechten Weg erst spät erkannt habe.[54]

Andererseits ließ er – wie fast immer ohne expliziten Bezug zum eigenen Tun - philosophische Gründe für sein anhaltendes Mitwirken im Zentrum der römischen Weltmacht erkennen. Mit dem Beispiel des Sokrates, der unter der Gewaltherrschaft der Dreißig, einer Episode der Attischen Demokratie zu Ende des Peloponnesischen Krieges 404/403 v. Chr., seinen Mitbürgern ein unangepasst-freies Auftreten vorgelebt habe[55], unterlegte Seneca die These, dass ein Weiser sich gerade in einer für das Gemeinwesen schwierigen Lage verdient machen könne und dass es den Umständen entsprechend abzuwägen gelte, wann politisches Engagement chancenreich und wann aussichtslos sei.[56]

Bereits innerhalb des von Trajan äußerst positiv gewürdigten Quinquenniums erschwerte Neros Hang zu Impulsivität und Ausschweifungen seinen politischen Lenkern Seneca und Burrus das Geschäft. Hatte einst Messalina über Kaiser Claudius maßgeblichen Einfluss gewonnen, so erreichte dies im Falle Neros vom Jahre 58 an die bereits in zweiter Ehe mit dem späteren Kaiser Otho verheiratete Poppaea Sabina.

Mehr als diese Entwicklung dürfte Seneca aber in diesem Jahr der Angriff auf seine persönliche Integrität beschäftigt haben, der von dem vormaligen Konsul Publius Suillius Rufus, einem berüchtigten Ankläger in Denunziantenprozessen, ausging. Dieser stellte den durch großzügigste Zuwendungen Neros steinreich gewordenen Seneca zunächst in Schmähreden, dann aber auch in dem von Seneca gegen ihn angestrengten Prozess vor dem Senat als Jugend- und Frauenverführer sowie müßiggängerischen Geldsack dar, der „seiner Raffgier auch noch ein philosophisches Mäntelchen der Bedürfnislosigkeit umhänge.“[57]

Senecas Schrift Vom glücklichen Leben wird auch als Antwort auf diese Anwürfe gedeutet. Darin bestritt er emphatisch, dass es einen Widerspruch zwischen der stoischen Lehre und persönlichem Reichtum gäbe. Der Weise müsse allerdings fähig sein, materielle Güter aufzugeben und dürfe sich nicht zu ihrem Sklaven machen. Der Suillius-Prozess scheint aufzuleben in dem Appell:„Hör also auf, den Philosophen das Geld zu verbieten: niemand hat die Weisheit zur Armut verurteilt. Besitzen wird der Philosoph reiche Schätze, aber niemandem entrissen noch von fremdem Blut triefend, ohne Unrecht an irgend jemandem geschaffen, ohne schmutzige Herkunft […]“[58]

Ob Seneca zu dieser Zeit noch mit seinen Tragödien befasst war, ist unklar; bekannt ist aber, dass er eine der ihm ursprünglich zugeschriebenen Tragödien, die sich als einzige direkt auf das zeitgenössische Geschehen am Hofe Neros bezog, nicht selbst geschrieben hat. Titelheldin war Neros erste Frau Octavia (wie Britannicus ein Kind des Claudius), die zu ehelichen Neros Thronansprüche untermauert hatte. War Octavia bis dahin schon den Zurücksetzungen durch ihre Schwiegermutter Agrippina ausgesetzt, so wurde sie nun von Poppaea mehr und mehr aus ihrer Stellung gedrängt und musste später, als Seneca sich bereits weitgehend aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte, Rom verlassen. Nach erprobtem Muster war sie des Ehebruchs bezichtigt worden, doch wurde das allgemein nicht für bare Münze genommen. Da sie auch als Verbannte im Volk weiterhin sehr beliebt war und Nero wie auch Poppaea, die unterdessen geheiratet hatten, als Bedrohung erschien, wurde sie schließlich 65 umgebracht.[59]

Tacitus zufolge war Seneca im Jahr 59 in den vollendeten Muttermord Neros unmittelbar einbezogen.[60] Ein erster Anschlag auf Agrippina, die sich von einem für den Untergang präparierten Schiff noch hatte retten können, war fehlgeschlagen. Daraufhin soll sich Nero Rat bei Seneca und Burrus geholt haben. Die Vollendung des Mordaktes besorgte dann Neros enger Vertrauter, der griechische Freigelassene Anicetus. In einer wie üblich von Seneca redigierten Mitteilung an den Senat hieß es, ein Bote der Agrippina habe Nero ermorden sollen und sie selbst habe sich nach dem Fehlschlag dieses Unternehmens den Tod gegeben.

Rückzug und Muße für das Spätwerk

Nach dem Mord an Agrippina hatte Nero allein die Macht inne und bedurfte auch Senecas als eines besonnen vermittelnden Wahrers seiner Ansprüche der Mutter gegenüber nicht mehr. Dennoch änderte sich an der äußeren Stellung Senecas, des neben Burrus wichtigsten politischen Beraters des Princeps, zunächst und in den Folgejahren nichts. Beide dienten Nero, indem sie politisch Regie führten, während der Kaiser zunehmend seinen Leidenschaften bei Wagenrennen, als Musiker und Tragödienmime nachging sowie als Stifter und Zentralfigur musischer Festspiele und Wettbewerbe wie der Juvenalia und der Neronia auftrat.

Nach dem Bericht des Tacitus bat Seneca, als Burrus 62 starb - von dessen Nachfolger Tigellinus eher angefeindet -[61] um Entlassung aus dem Staatsdienst. Dabei äußerte er den Wunsch, Nero möge den Großteil seines durch ihn erworbenen Vermögens zurück in die eigene Verwaltung nehmen. Das wies dieser zurück. Er äußerte, Seneca nicht entbehren und die Vermögensabtretung nicht ohne Schaden für den eigenen Ruf annehmen zu können; jenseits der rhetorischen Anerkennungsfloskeln, war Senecas Abschied aus dem Machtzentrum damit aber dennoch besiegelt. Er entließ das Gefolge, das ihn seiner politischen Bedeutung entsprechend umgeben hatte und zog sich mehr und mehr ins Privatleben zurück, meist nach Nomentum auf ein Weingut nordöstlich von Rom.[62]

Dieses Ausscheiden aus dem politischen Leben und aus der Mitverantwortung für das Gemeinwesen der antiken Weltmacht hat Seneca in seiner Schrift Über die Muße gegenüber einem unbekannten Ansprechpartner philosophisch reflektiert, den er fragen lässt: „Was tust Du, Seneca? Im Stiche lässt Du Deine Partei! Sicherlich sagen Eure Stoiker: ‚Bis zum äußersten Ende des Lebens werden wir in Tätigkeit sein, werden wir nicht aufhören, uns für das Gemeinwohl einzusetzen, zu helfen den einzelnen, Unterstützung zu bringen auch den Feinden, uns energisch anzustrengen. Wir sind es, die keinem Alter freie Zeit gewähren […], bei denen so weit vor dem Tode nichts müßig ist, dass – wenn die Umstände es erlauben – nicht einmal der Tod selbst in Muße eintritt.‘“[63] Seneca antwortet auf diesen rhetorischen Einwand:[64]

„[…] Das, was ich sage, werde ich in zwei Gruppen teilen: erstens, dass einer in der Lage ist, durchaus von früher Jugend an der Betrachtung der Wahrheit sich völlig zu widmen, die Grundsätze der Lebensführung zu suchen und sie zu verwirklichen in Abgeschiedenheit; zweitens, dass einer in der Lage ist, nachdem er seine Dienstzeit hinter sich gebracht hat, in fortgeschrittenem Alter, dies mit bestem Recht zu tun und auf andere die Beschäftigung zu übertragen […] Als Anlass aber kommt folgender in weitem Umfange in Frage: wenn der Staat zu verkommen ist, als dass man ihm helfen könnte, wenn er verdunkelt ist von verhängnisvollen Umständen, wird sich der Weise nicht umsonst bemühen noch sich, ohne helfen zu können, aufopfern […].“

Ohnehin sah sich Seneca als Stoiker nicht nur dem staatlichen Gemeinwesen des Römischen Reiches verpflichtet, sondern auch jenem umfassenden Staatswesen, als das er Natur und Kosmos mitsamt allen Menschen und Göttern betrachtete. Diesem mit der Sonne auszumessenden Staatswesen sei aber auch in der Muße mit vielerlei Untersuchungen zu dienen:

„…ist gänzlich zusammenhängend und voll die Materie, aus der alles entsteht, oder zerteilt, und ist mit Festem Leeres gemischt; was ist der Platz Gottes, betrachtet er sein Werk oder leitet er es; umgibt er es von außen, oder ist er in dessen Ganzem enthalten; ist unsterblich die Welt, oder muss sie zum Hinfälligen und auf Zeit Geschaffenen gerechnet werden?[65]

Und er schlussfolgerte: „Wir pflegen zu sagen, das höchste Gut sei, gemäß der Natur zu leben: die Natur hat uns zu beidem geschaffen, zum Betrachten der Dinge und zum Handeln.“[66]

In der ihm verbleibenden „Muße“-Zeit von 62 bis 65 n. Chr. nach seinem politisch aktiven Leben hat Seneca neben der Abrundung seiner themenbezogenen philosophischen Schriften mit Über Wohltaten (De beneficiis) noch zwei weitere Großprojekte realisiert: die auf Naturerscheinungen und kosmische Zusammenhänge gerichtete Schrift Naturwissenschaftliche Untersuchungen (Quaestiones naturales), die er schon auf Korsika begonnen hatte sowie die als praktische philosophisch-ethische Handreichung konzipierte Sammlung der Briefe an Lucilius, von denen 124 überliefert sind, die sein philosophisches Hauptwerk darstellen. Apelt weist darauf hin, dass nach Zitaten aus den Noctes Atticae des Gellius ursprünglich noch weitere Briefe existierten.[67]

Todeserwartung auf stoische Weise

Die letzte Phase bedeutender Produktivität Senecas endete mit seiner von Nero befohlenen Selbsttötung. Der politische Hintergrund war die Verschwörung des Piso, die Neros Herrschaft beenden sollte. Senecas tatsächliche Verwicklung ist unklar, sein Einverständnis aber durchaus wahrscheinlich. Fuhrmann sieht ihn zwar nicht unmittelbar beteiligt, aber doch in der Rolle des geistigen Wegbereiters.[68]

Senecas Tod in der Schedelschen Weltchronik

Verbreitete Unzufriedenheit und Verbitterung gegenüber Neros zunehmend despotischem Regiment, das auch im Senatorenstand als bedrohlich wahrgenommen wurde, fanden ihre Entsprechung in Senecas Werk Über Wohltaten, in dem es – nach Fuhrmann in verdeckter Anspielung auf Nero - heißt: „…wenn er nicht aus Zorn, sondern in einem gewissen Wutrausch rast, wenn er vor den Augen der Eltern Kinder erwürgt, wenn er mit einfachem Töten nicht zufrieden, Foltern anwendet, […] wenn seine Burg stets von frischem Blut trieft, dann reicht es nicht aus, diesem Menschen eine Wohltat nicht zu vergelten. Was immer ihn mit mir verbunden hatte, das hat die aufgehobene Gemeinsamkeit menschlicher Rechtsgrundsätze getrennt.“[69]

Der lange geplante und mehrfach verschobene Anschlag wurde schließlich am Morgen des für die Beseitigung Neros vorgesehenen Tages verraten. Durch Zusicherung der Straflosigkeit für die Kooperationsbereiten gelang es dem Kaiser, eine breite Denunziationswelle auszulösen, zu deren zahlreichen Opfern auch Seneca gehörte. Die Lage, in die er dadurch geriet, traf ihn jedoch in vieler Hinsicht nicht unvorbereitet - im Gegenteil: „Nur eine Kette gibt es, die uns gefesselt hält, das ist die Liebe zum Leben. Wir wollen sie nicht von uns weisen, aber wir müssen ihren Druck mindern, damit, wenn die Entscheidung eintritt, uns nichts zurückhalte und hindere bereit zu sein, das ohne Zögern zu tun, was einmal doch geschehen muß.“[70]

Sein fragiler Gesundheitszustand hatte ihn schon in jungen Jahren dem Tod nahe gebracht. Über seine Atemnot äußerte er: „Ihr Anfall ist sehr kurz und einem Wirbelwind ähnlich: eine Stunde, und sie ist vorüber. […] Alles andere, was es auch sein mag, hat als Krankheit zu gelten; dieses aber ist ein Ringen mit dem Tode. Daher nennen es die Ärzte ‚eine Vorübung auf das Sterben.’“[71] Seine philosophische Ausrichtung hatte ihm den Weg damit umzugehen gewiesen: „Darauf kannst du heilig dich verlassen: ich werde vor dem letzten Augenblick nicht zittern, ich bin auf alles gefaßt, ich rechne nie auf einen ganzen Tag, den ich etwa noch zu leben hätte.“[72]

Der Tod war zuletzt zu einem besonders wichtigen und stets wiederkehrenden Thema in den Briefen an Lucilius geworden. Appelt schreibt in seiner Einleitung zu den Lucilius-Briefen mit Bezug auf die Tugend als das einzig wahre Gut und auf die Bekämpfung der Todesfurcht: „Überblickt man die Briefe ihrem Hauptinhalt nach, so wird man finden, dass kein Thema häufiger und eingehender, hie und da bis zur Ermüdung des Lesers behandelt wird als diese beiden.“ [73] Es war wohl die ganz bewusst ins Zentrum gerückte letzte lebenspraktische Bewährung für Seneca: “Vor dem Eintritt ins Greisenalter war es mein Bestreben in Ehren zu leben, nun, da es da ist, in Ehren zu sterben.“[74]

Schon im 4. Brief an Lucilius hatte Seneca einen rigorosen Standpunkt eingenommen, indem er nicht das Leben an sich als Gut, sondern nur das sittlich reine Leben als ein solches betrachtete. Dem Weisen, sofern der anhaltend massiven Störungen der eigenen Gemütsruhe ausgesetzt sei, schrieb er die Konsequenz zu, „dann wirft er die Fessel von sich, und er tut das nicht bloß in der äußersten Not; sondern sobald das Schicksal anfängt ihm verdächtig zu werden, geht er gewissenhaft mit sich zu Rate, ob er sofort ein Ende machen soll.“[75]

Eingehend setzte Seneca sich im 70. Brief an Lucilius mit diesem Problem auseinander, indem er u.a. jene Philosophen kritisierte, die Selbstmord zur Sünde erklärten: „Wer so spricht, sieht nicht, dass er der Freiheit den Weg versperrt. Wie hätte das ewige Gesetz besser verfahren können als so, dass es uns einen Eingang ins Leben gab, der Ausgänge aber viele.“[76] Man könne keine allgemein gültige Antwort darauf geben, ob im Einzelfall der Tod erwartet oder selbst herbeigeführt werden sollte: „Denn es gibt mancherlei, was uns nach beiden Seiten ziehen kann. Wenn die eine Todesart mit Folterqualen verbunden ist, die andere einfach und leicht, warum sollte ich mich nicht an die letztere halten?“[77] Senecas, aus häufiger intensiver Befassung mit Sterben und Tod gewonnene Schlussfolgerung in diesem 70. Brief an Lucilius lautet: „Für das Leben muß jeder auch Rücksicht nehmen auf die Billigung anderer, den Tod bestimme er ganz nach eigener Wahl; je mehr nach unserer Neigung desto besser.“[78]

La mort de Sénèque von Luca Giordano, heute im Louvre

Nero inszenierte die Abrechnung mit seinem Mentor als zweistufigen Prozess. Nachdem Seneca denunziert worden war, schickte der Kaiser einen höheren Offizier zu ihm – der mit seiner Frau Pompeia Paulina und zwei Freunden gerade zu Abend aß – um ihn zu seinem Verhältnis zu Piso sich äußern zu lassen. Seneca bestätigte den ausgesprochenen Verdacht nicht, bekam aber dennoch wenig später durch einen anderen Boten die Aufforderung zur Selbsttötung zugestellt. Als er sich die Tafeln für sein Testament kommen lassen wollte, wurde ihm dies verwehrt. Zu seinen anwesenden Freunden sagte er daraufhin, dass er ihnen folglich als Einziges, aber zugleich Schönstes das „Bild seines Lebens“ („imago vitae“) vermache.

Angesichts seiner Vorbereitung mussten Seneca weder Zeitpunkt noch Ort oder Art des Ablebens schrecken: „Niemanden hat das Schicksal so emporgehoben, dass es sich ihm nicht ebenso oft in seiner bedrohlichen Gestalt gezeigt hätte wie in seiner Gunst. Traue nicht dieser Windstille: ein Augenblick genügt, um das Meer aufzuwühlen. An demselben Tag, wo die Schiffe noch um die Wette fuhren, wurden sie von den Wellen verschlungen. Sei gefasst darauf, dass ein Räuber, dass ein Feind dir das Schwert an die Gurgel setzt.“ [79] Tacitus schildert in seinen Annalen das Sterben Senecas und den Versuch seiner Frau Pompeia Paulina, mit ihm in den Tod zu gehen.[80] Seneca gelang die Selbsttötung erst, nachdem er drei verschiedene Prozeduren hinter sich gebracht hatte: die Öffnung der Pulsadern sowie noch weiterer Arterien an den Beinen, die Leerung des Schierlingsbechers, durch den Sokrates zu Tode gekommen war und schließlich ein Dampfbad, in dem er erstickte. Seine Frau hatte sich im Fortgang des quälerischen Prozesses auf Senecas Bitte in einen anderen Raum bringen lassen. Auf Anordnung Neros, der sich durch Kuriere über das Geschehen informieren ließ, wurden ihr die Pulsadern verbunden, sodass sie ihren Gatten in geschwächtem Zustand noch einige Jahre überlebte.

Der Philosoph

Seneca beanspruchte nicht, ein neues philosophisches System entwickelt zu haben, sondern auf dem Boden der Stoa zu eigenen Beiträgen gelangt zu sein. Aus neuzeitlicher Perspektive ist manchmal vorschnell in Zweifel gezogen worden, ob es sich bei ihm überhaupt um einen Philosophen handelt. So hat Maurach seine Seneca-Darstellung mit der allerdings eher rhetorisch gemeinten Frage eingeleitet: „War Seneca ein Philosoph?“[81] Seneca selbst hat eine Vielzahl klärender Hinweise in seinem Schrifttum hinterlassen, so z.B. im 64. Brief an Lucilius:

„So verehre ich denn die Erfindungen der Weisheit sowie ihre Erfinder. Es ist mir eine wahre Lust mich damit zu beschäftigen als mit einem Vermächtnis vieler. Für mich sind diese Güter erworben, für mich sind sie mühsam geschaffen worden. Aber wir sollen’s damit halten wie ein guter Hausvater mit seinem Anwesen: wir müssen das Empfangene vermehren. In erweitertem Umfang soll das Erbe von mir auf die Nachwelt übergehen. Viel bleibt noch zu tun übrig, und das wird auch fernerhin so sein, und mag einer auch erst nach tausend Menschenaltern geboren werden, er wird immer noch die Möglichkeit haben, etwas hinzuzufügen. Doch gesetzt auch, es sei alles schon von den Früheren gefunden worden, so bliebe dabei doch immer etwas neu, nämlich der Gebrauch und die Kenntnis des von anderen Gefundenen sowie seine zweckmäßige Anordnung.“[82]

Bedeutung und Nutzen seines Philosophierens beschrieb Seneca im 90. Brief so:

„Daß wir leben, mein Lucilius, ist unzweifelhaft ein Geschenk der Götter, dass wir ehrbar leben, ein Geschenk der Philosophie. Daß wir also der letzteren zu höherem Dank verpflichtet sind als den Göttern, und zwar in eben dem Maße, als ein ehrbares Leben höher steht als das Leben schlechtweg, würde für sicher gelten, wenn nicht die Philosophie selbst uns von den Göttern verliehen wäre […] Ihre einzige Aufgabe ist, die Wahrheit zu finden in bezug auf göttliche und menschliche Dinge. Von ihrer Seite weicht nicht die Gewissenhaftigkeit, die Frömmigkeit, die Gerechtigkeit und die ganze weitere Gefolgsschar der im engsten Zusammenhang miteinander stehenden Tugenden. Sie lehrt Ehrfurcht vor dem Göttlichen, Liebe zu dem Menschlichen. Den Göttern soll die Herrschaft gehören, unter den Menschen Brüderlichkeit herrschen.[83]

“Die Philosophie“, heißt es im 64. Brief, „bleibt uns unentbehrlich, mag uns das unerbittliche Gesetz des Verhängnisses an sich ketten, mag ein Gott das All nach seinem Willen lenken, mag der Zufall blindlings den menschlichen Dingen den Anstoß geben und sie hin- und herwerfen – die Philosophie ist es, die uns stützen muß.“[84]

Jedermanns Sache ist die Philosophie für Seneca allerdings nicht. Vielfach wird das Philosophieren dem Trachten und Treiben der Masse des Volkes exklusiv gegenübergestellt und der Wert des eigenen Arguments gerade durch diese Abgrenzung von ihm unterstrichen.[85] Er betont die Bedeutung der Philosophie für eine ethische Lebensführung. Nicht wohl gesetzte Worte, sondern Taten sind demnach entscheidend: „Die Philosophie ist keine Kunstfertigkeit, die man dem Volk präsentiert oder die sich überhaupt zum Vorzeigen eignet, sie beruht nicht auf Worten, sondern auf Taten. Auch wendet man sich ihr nicht zu, um mit angenehmer Unterhaltung den Tag zu verbringen, um die Freizeit vom Makel der Langeweile zu befreien. Sie formt und bildet den Geist, sie ordnet das Leben, bestimmt unsere Handlungen; sie zeigt, was zu tun und zu lassen ist.“[86]

Auch kurz vor seinem Lebensende wird diese Vorstellung noch einmal deutlich:

„Ich bin Hörer eines Philosophen, und es sind schon fünf Tage, dass ich zu ihm in die Schule gehe und ihn von der achten Stunde ab[87] vortragen höre. […] Man muß so lange lernen, als man ein Nichtwisser ist, oder, wenn wir dem Sprichwort glauben, so lange man lebt. Und nichts heischt so sehr die Erfüllung dieser Forderung als unser vorliegender Gegenstand: wie man leben soll, muß man sein lebelang lernen. […] Ich zeige durch mein Beispiel, dass auch der Greis noch zu lernen hat. Du weißt: der Weg nach dem Hause des Metronax führt unmittelbar am Theater Neapels vorbei. Das ist zum Erdrücken voll, und mit erstaunlichem Eifer gibt man seine Meinung kund über die Kunst eines Flötenspielers: auch griechische Trompeter und Ausrufer haben großen Zulauf. Aber in dem Raum, in dem man über das Wesen des tugendhaften Mannes Aufschluss sucht, […] sitzt nur ein winziges Häuflein….[88]

Stoiker von eigener Art

Neben Mark Aurel und Epiktet zählt Seneca zu den wichtigsten Vertretern der jüngeren Stoa. Als Seneca geboren wurde, existierten die Lehren dieser Athener Philosophenschule bereits 300 Jahre. Vom 2. Jahrhundert v. Chr. an hatten sie verstärkt Einzug in führende Kreise der Römischen Republik gehalten, da sie sich als gut verträglich mit deren elitärer Bindung an das Gemeinwohl erwiesen. Daneben hatten aber auch andere philosophische Schulen und die Volksfrömmigkeit ihre Anhänger.

Für Einflüsse anderer philosophischer Schulen war Seneca offen und übernahm manches davon in sein Denken, ohne an seiner Grundeinstellung aber Zweifel zuzulassen. In ausdrücklicher Abgrenzung von anderen philosophischen Richtungen, denen er Weichlichkeit nachsagt, betont er, den Stoikern komme es nicht auf einen reizvoll-angenehmen Weg an, „sondern dass er möglichst bald uns befreie und auf jenen ragenden Gipfel führe, der so weit außer jeder Schussweite sich erhebt, dass er über das Schicksal hinausragt.“[89]

Auf dem von Seneca gemeinten Gipfel erlangt der in zäher Entschlossenheit Aufgestiegene den unerschütterlichen Seelenfrieden, der zugleich ein Frieden mit Natur und kosmischer Ordnung ist. „Das höchste Gut ist die Harmonie der Seele mit sich selbst.“[90] Zur Seelenruhe führen kann nur die Vernunft, die von Seneca als „Teil des göttlichen Geistes, versenkt in den menschlichen Körper“ bezeichnet wird.[91]

Nur die Vernunft kann die Affekte kontrollieren, deren Beherrschung der stoischen Lehre gemäß den Weg zum höchsten Gut ebnet. Senecas frühe philosophische Auseinandersetzung mit dem als größte emotionale Herausforderung angesehenen Zorn zielt auf diesen Zusammenhang:

„Was zürnst du dem Sklaven, was dem Herrn, was deinem Abhängigen? Halt ein wenig aus: es kommt – sieh! – der Tod, der euch gleichmacht. […] Ruhig lieber und friedfertig sollten wir die Kleinigkeit, die uns bleibt, verbringen! Für niemanden soll unser Leichnam liegen: ein Gegenstand des Hasses.[92]

Ebenso müssen andere Affekte und Leidenschaften wie Lust, Unlust, Begierde und Furcht überwunden werden. Vernunftbedingte Gelassenheit ist folglich die oberste Tugend des Stoikers. Wiederholt bekennt sich Seneca zu der philosophischen Tradition, in der er steht. Deren Lehren an veränderte Umstände anzupassen, begreift er als wichtige Aufgabe.

„Soll ich nicht den Fußspuren der Vorgänger folgen? Nun, was mich anlangt, werde ich den alten Weg einschlagen; finde ich aber einen näheren und ebeneren, so werde ich mich an diesen halten. Sie, die vordem diese Lehren aufbrachten, sind nicht unsere Herren, sondern unsere Führer. Die Wahrheit steht allen offen, noch ist sie nicht völlig in Beschlag genommen. Die kommenden Geschlechter finden an ihr noch reichliche Arbeit.[93]

Befürworter gesellschaftlicher Bindung und Verpflichtung des Menschen

Seneca befasste sich − wie die späte Stoa überhaupt − vornehmlich mit Fragen der rechten Lebensführung, insbesondere mit der Ethik, die er als unabdingbar für das menschliche Glück betrachtete. Als höchstes Gut erschien die Tugend als Grundlage und Begleiterscheinung der heiteren Gelassenheit und der Seelenruhe. „Kannst Du doch einfach sagen: das höchste Gut ist das Sittlichgute. […] Die Tugend kann aber nicht größer oder kleiner werden; sie hat nur eine Größe.“[94]

Die Menschen sollen ein Leben nach den Gesetzen der Natur führen und dabei auf stoische Weise unterscheiden zwischen dem, was unabwendbar ist, und den Dingen, auf die der Mensch Einfluss nehmen kann. Außerdem forderte er dazu auf, sich aktiv am politischen Leben zu beteiligen, soziale Aufgaben zu übernehmen und Freundschaften zu pflegen:

„Wie könnte auch irgendjemand glücklich leben, der immer nur an sich denkt und alles seinem persönlichen Vorteil dienstbar zu machen sucht? Für einen anderen musst du leben, wenn du für dich selbst leben willst. Dieses Anschlussbedürfnis, das, gewissenhaft und lauter gepflegt, uns Menschen in mannigfache Verbindung bringt und darauf hinweist, dass es ein gemeinsames Recht des Menschengeschlechts gibt, trägt ganz besonders auch dazu bei, jene engere Gemeinschaft, von der ich sprach, das Freundschaftsverhältnis nämlich, zu fördern.[95]

Andererseits betonte er aber auch die Doppelgleisigkeit der menschlichen Anlagen und die Bedeutung der Einsamkeit als Pendant der Geselligkeit: „Man muß dennoch beides miteinander verbinden und abwechseln – Einsamkeit und Geselligkeit. Jene verursacht in uns Sehnsucht nach Menschen, diese nach uns selber, und es dürfte die eine der anderen Heilmittel sein: den Haß auf die Masse heilt die Einsamkeit, den Verdruß gegenüber der Einsamkeit die Masse.“[96]

Den gesellschaftlichen Statusunterschieden setzte Seneca eine ursprüngliche menschenrechtliche Gleichheitsvorstellung an die Seite: „Dieselben Anfänge haben alle Menschen, denselben Ursprung; niemand ist vornehmer als ein anderer, außer wenn er sich durch eine aufrechte und aufgrund guter Charaktereigenschaften bessere Gesinnung auszeichnet.“[97] Sich auf Platon berufend, betont er den Zufall der gesellschaftlichen Position und die Bedeutung der eigenen geistigen Bemühungen. „Platon sagt, es gebe keinen König, der nicht von Sklaven, und keinen Sklaven, der nicht von Königen abstamme. Ein langer Wechsel hat all dies bunt durcheinander geworfen, das Schicksal hat das Unterste zu oberst gekehrt. […] Der Geist gibt den Adel, und dieser kann sich aus jeder Lebenslage über das Schicksal erheben.“[98]

Seneca zwischen Platon und Aristoteles in einem mittelalterlichen Manuskript philosophischer Auswahltexte

Ein glückliches Leben könne nur derjenige führen, der nicht nur an sich selbst denke und alles seinem Vorteil unterordne. Glück spende die Fähigkeit zur Freundschaft mit sich selbst und anderen. Allerdings setzte Seneca auch Freunden gegenüber gewisse Grenzen, wie er Lucilius im 29. Brief verdeutlicht, in dem er sich über den gemeinsamen Freund Marcellinus äußert: „Er besucht mich nur selten und zwar auch aus keinem anderen Grunde, als weil er sich scheut die Wahrheit zu hören, eine Gefahr, vor der er nunmehr schon ziemlich sicher ist. Denn wer nicht hören will, dem gegenüber ist es am besten, sich die Worte zu sparen.“[99]

Seneca hebt die Bedeutung der Freigiebigkeit hervor: „Geben wir so, wie wir selbst empfangen möchten: vor allem gern, rasch und ohne jedes Zögern.“ Zwar könne man als Wohltäter bei seinen Mitmenschen an die Falschen geraten, doch treffe es ein andermal die Richtigen: „Gar bald würde das Leben in ödem Müßiggang erstarren, wenn man die Hand alsbald zurückzieht von allem, was einem missfällt. […] Denn man übt sich nicht im Hinblick auf etwaigen Vorteil: recht gehandelt zu haben, ist der Lohn der rechten Tat.“[100] Der stoische Weise schließlich kann nach Seneca durch das Verhalten anderer in seiner souveränen Seelenruhe nicht gestört werden, wird in dieser Hinsicht also gewissermaßen unverletzlich: „Unrecht wird gegen Gute nur von Schlechten gerichtet: die Guten untereinander haben Frieden.“[101]

Seneca unterscheidet im 90. Brief an Lucilius − ähnlich wie nach ihm Jean-Jacques Rousseau in dem Werk über den „Gesellschaftsvertrag“ − zwischen einer Art Naturzustand und dem vorgefundenen entwicklungsgeschichtlichen Zustand der Gesellschaft, indem er schreibt: „Diese Brüderlichkeit hat sich eine Zeitlang unverletzt erhalten, bis die Habsucht das Band zerriß und selbst für die, die ihr den größten Reichtum verdankten, die Ursache zur Armut ward. Denn vorher besaßen sie alles: das hörte auf mit dem Streben nach Eigentum. Die ersten Menschen dagegen und ihre nächsten Nachkommen folgten unverdorben der Natur…“ Die Führungsfunktionen fielen demnach ebenso natürlich den aufgrund ihrer geistigen Bedeutung dafür Geeignetsten zu. Denn unangreifbare Autorität besitze nur der, „welcher seine Macht ganz in den Dienst der Pflicht stellt“.[102] Senecas Schlussfolgerungen zielen aber anders als die Rousseaus vornehmlich auf das Individuum, indem er betont: „Jenes glückliche Geschlecht war nicht in Besitz der Gerechtigkeit, der Einsicht, der Mäßigkeit und der Tapferkeit. Ihr noch bildungsloses Leben zeigte gewisse allen diesen Tugenden verwandte Züge; allein die Tugend wird nur einem wohl unterrichteten, durchgebildeten und durch anhaltende Übung zur Höhe gelangten Geist zuteil.“[103]

Jenes „goldene Zeitalter“ der Menschheit unter der unangefochtenen Herrschaft der Weisen, das Seneca wiederum den Vorstellungen des Poseidonios nachgezeichnet hat, mündete dieser Vorstellung nach schließlich in den historischen Prozess der Antike, der Seneca bis zu den Anfängen des Prinzipats eben auch bereits geläufig war: „Aber als mit allmählicher Zunahme der Laster sich die Herrschaft in Tyrannei verwandelte, machte sich allmählich die Einführung von Gesetzen nötig, die indes anfänglich gleichfalls von den Weisen gegeben wurden.“ In diesem Zusammenhang erwähnt er Athens Gesetzgeber Solon und für Sparta Lykurg.[104]

Das Verhältnis des Philosophen zu den politisch Herrschenden betrachtete Seneca als jemand, der dieses Feld sowohl in gestaltender als auch in leidender Rolle kennen gelernt hatte: „Meines Erachtens sind diejenigen im Irrtum, die da glauben, die treuen Anhänger der Philosophie seien Trotzköpfe und erfüllt von Widerspruchsgeist, Verächter der Behörden, der Fürsten sowie aller derer, die es mit der Verwaltung des Staates zu tun haben. Im Gegenteil: niemand ist ihnen dankbarer als diese Philosophen; und nicht mit Unrecht. Denn niemand verdankt ihnen mehr als diejenigen, denen es vergönnt ist in Frieden und Ruhe zu leben.“ Dass der Herrscher mit seiner Macht ggf. auch die philosophisch Uninteressierten schützt, ficht Senecas Einschätzung nicht an. Die Wohltat des Friedens erstrecke sich zwar auf alle, „wird aber tiefer von denen empfunden, die einen lobwürdigen Gebrauch davon machen.“[105]

Die Bürger hingegen sollen am politischen Leben teilnehmen, auch wenn sie nur geringen Einfluss nehmen können. „Niemals ist das Bemühen eines tüchtigen Bürgers nutzlos: dadurch, daß man ihn hört oder sieht, durch Blick, Wink, stummes Beharren, ja durch seinen Gang schon macht er sich nützlich.“[106] Dabei bezog er sich nicht nur auf das eigene Staatswesen, sondern bezeichnete sich im Sinne der Stoa als Weltbürger mit der Aufgabe, die Tugend überall zu verbreiten. „Daher sind wir Stoiker (...) nicht auf die Mauern einer einzigen Stadt beschränkt, sondern stehen im Austausch mit dem gesamten Erdkreis und erkennen in der ganzen Welt unser Vaterland: So wollen wir für unsere sittlichen Bestrebungen ein größeres Betätigungsfeld gewinnen.“ [107]

Zeitgebundener Anwalt für Rechte von Frauen und Sklaven

Die Haltung Senecas gegenüber dem anderen Geschlecht war ambivalent. Der geistigen Hauptströmung seiner Zeit entsprechend bezeichnete Seneca Frauen als minderwertig. Dabei ging er so weit, sie − wenn sie ohne Bildung waren − mit Tieren auf eine Stufe zu stellen. „Manche treiben die Torheit so weit, daß sie meinen, von einem Weibe könne ihnen Schimpf angetan werden. Was kommt darauf an, wie es mit seiner Frau steht, wieviel Sänftenträger sie hat, wie schwere Ohrgehänge, was für einen bequemen Tragsessel? Gleichviel – sie ist an sich ein verstandloses Geschöpf, und wenn ihr nicht Kenntnisse zugeführt und ihre Bildung sorgsam betrieben wird, nichts als ein wildes Tier, das seiner Begierden nicht Meister ist.“[108] Von diesem Ansatz her wird auch der Zorn als eine „weibische und kindische Schwäche“ klassifiziert, die aber auch Männer befalle: „Ja, es finden sich auch Männer, die kindische und weibische Seelen haben.“[109]

Während an dieser Stelle die abwertende Tendenz gegenüber Frauen klar überwiegt, zeigt sich Senecas Vorstellung von gemeinsamen Anlagen beider Geschlechter in den Trostschriften, die er für Marcia und für seine Mutter verfasst hat, deutlich frauenfreundlicher. So schrieb er an Marcia: „Wem aber darf man denn die Behauptung zutrauen, die Natur habe es übel gemeint mit der geistigen Ausstattung der Frauen und habe ihre Vorzüge auf einen engen Raum beschränkt? Sie haben, glaube mir, den gleichen lebhaften Trieb, die gleiche Fähigkeit zum Edlen, wenn sie nur wollen; sie haben die gleiche Kraft, Schmerz und Anstrengung zu ertragen, wenn sie sich nur richtig gewöhnen.“[110]

Und in der Trostschrift für seine Mutter Helvia nahm er explizit gegen das von seinem Vater vertretene und innerfamiliär durchgesetzte herkömmliche Frauenbild Stellung: „Ach, hätte doch mein Vater, dieser treffliche Mann, der nur weniger an den Anschauungen und der Gewohnheit der Altvorderen hätte festhalten sollen, sich dazu verstanden, daß du nach den Lehren der Philosophie lieber erzogen worden wärest als bloß davon zu kosten bekommen hättest! Dann brauchtest du dir Hilfe gegen das Schicksal nicht erst zu schaffen, sondern nur sichtbar zu machen. Wenn er dir weniger Freiheit zur Pflege der Wissenschaften gewährte, so geschah das im Hinblick auf jene Frauen, die in den Wissenschaften nicht den Weg zur Weisheit, sondern nur eine Stütze und Zierde ihrer Üppigkeit sehen.“[111] Damit erkennt Seneca zwar die Macht seines Vaters an, über seine Mutter Entscheidungen zu treffen, bemängelt aber, dass er ihr den Zugang zu Bildung erschwerte und ihr wissenschaftliche Arbeit untersagte. Indirekt unterstützt er damit die Forderung nach Frauenbildung und erweist sich wiederum als Philosoph, der überkommene Denkschablonen verlässt.

Wie die nachrangige Stellung der Frauen gehörten auch Sklaverei und Sklavenhaltung zu den charakteristischen Merkmalen der antiken Gesellschaftsordnung. Rechtlich waren Sklaven dem Sachbesitz gleichgestellt, über den seitens der Besitzer – ursprünglich einschließlich grausamer Bestrafung und Tötung – willkürlich verfügt werden konnte. Senecas Einstellung zu diesen auch zu seiner Zeit noch nahezu Rechtlosen war von humaner Zuwendung bestimmt.

„Ich will mich nicht im einzelnen auf ein unerschöpfliches Thema einlassen und von der Behandlung der Sklaven handeln, gegen die wir so herrisch, so grausam, so schmähsüchtig sind. Doch kurz zusammengefasst lautet meine Lehre folgendermaßen: Lebe mit deinem Untergebenen so wie du wünschest, dass dein Vorgesetzter mit dir lebe. […] Sei mild gestimmt gegen deinen Sklaven, ja stelle dich mit ihm auf einen freundlichen Fuß, mache ihn zum Teilnehmer an deinen Unterhaltungen, ziehe ihn zu Rate, laß ihn dein Tischgenosse sein. […] Einige mögen deine Tischgenossen sein, weil sie dessen würdig sind, andere, damit sie es werden. Denn was ihnen etwa von ihrem unfeinen Verkehr noch Unmanierliches anhängt, wird durch das Zusammensein mit den Gebildeteren sich mit der Zeit verlieren. Du brauchst, mein Lucilius, nach einem Freund nicht bloß auf dem Forum oder in der Kurie zu suchen; wenn du acht gibst, kannst du ihn auch in deinem Hause finden. Oft bleibt der beste Stoff ungenutzt, weil der Künstler fehlt. Versuche es nur, und du wirst keine üble Erfahrung machen.[112]

Mit dieser Auffassung gehörte Seneca zu den wenigen Denkern der Antike, die sich kritisch mit der Sklaverei auseinandergesetzt haben. Seine kritischen Einstellungen wurden vermutlich von der römischen Elite nicht geteilt.[113]

Die antike Sitte hingegen, „missgestaltete“ Kinder nach der Geburt zu töten, bejahte er. „Mißgeburten schaffen wir aus der Welt, selbst Kinder ertränken wir, wenn sie schwächlich und mißgestaltet zur Welt gekommen sind; und es ist nicht Zorn, sondern Vernunft, Untaugliches vom Gesunden zu scheiden.“[114]

Vordenker der individuellen Weisheit

Die ausdrückliche Bejahung der Schicksalsvorgaben und der individuelle Freiheitsanspruch gehen in Senecas Denken auf eigentümliche Weise zusammen. Als ein Übel sieht er jede Art von Abhängigkeit an, die die innere Freiheit bedroht: „Es ist vorbei mit der Freiheit, wenn wir nicht alles verachten, was uns unter ein Joch beugen will.“[115] Das Lebensglück ergibt sich hingegen aus einer scheinbar einfachen Formel:

„Wer volle Einsicht besitzt, beherrscht sich selbst; wer sich selbst beherrscht, bleibt sich gleich; wer sich gleich bleibt, ist ungestört; wer ungestört ist, ist frei von Betrübnis; wer frei von Betrübnis ist, ist glücklich: also ist der Einsichtige glücklich, und die Einsicht genügt zum glücklichen Leben. [116]

Dass die Formel in der Lebenspraxis selten ganz aufgeht und dass der Mensch eine diesbezüglich problematische Konstitution hat, wird an anderen Stellen verdeutlicht: „Ich mute dem Weisen nicht Übermenschliches zu, ich behaupte nicht, dass er wie ein Fels jeden Schmerzgefühles bar sei. Ich weiß sehr wohl: er besteht aus zwei Teilen: der eine ist vernunftlos – er ist es, der gekränkt, gebrannt, gequält werden kann -, der andere ist vernünftig; ihm gehören die unerschütterlichen Grundsätze an, er kennt keine Angst, keine Überwältigung. In ihm hat jenes höchste Gut des Menschen seine Stätte. Solange es noch nicht zu voller Reife gelangt ist, haftet dem Gemüt noch etwas Schwankendes an; ist diese aber erreicht, so ist damit die unerschütterliche Festigkeit des höchsten Gutes begründet.“[117] Seneca ringt mit der eigenen Unvollkommenheit: „Bleiben wir also bei der Stange und lassen uns durch nichts von unserem Vorhaben abbringen! Was uns noch zu tun bleibt, ist mehr, als was wir bereits hinter uns haben; aber es ist schon ein großer Fortschritt, den Willen zum Fortschritt zu haben. Dieses Bewusstseins darf ich mich rühmen: ich will und will mit ganzer Seele.“[118]

Diese Bemühung umfasst auch die Unabhängigkeit des Denkens von der Meinung des Volkes. Er zitiert dazu Epikur: „‚Niemals habe ich dem Volke gefallen wollen. Denn was ich weiß, das gilt nichts in den Augen des Volkes, und was in den Augen des Volkes gilt, das ist für mich kein Gegenstand des Wissens.‘“[119] Darin, betont Seneca, seien sich alle bedeutenden philosophischen Schulen einig, ob Epikureer, Peripatetiker, Anhänger der Akademie, Stoiker oder Kyniker; und er vollzieht eine scharfe Abgrenzung gegenüber jedwedem Populismus: „Es sind verwerfliche Mittel, durch die man die Gunst des Volkes gewinnt. Man muss sich ihm ähnlich machen. Sie loben nur das, worin sie sich selbst wiedererkennen. […] Die Zuneigung Nichtswürdiger kann nur durch nichtswürdige Mittel erlangt werden. Was wird also jene vielgepriesene und allen Künsten überlegene Philosophie leisten? Dies, dass du lieber anderen gefallen willst als dem Volke, dass du die Stimmen wägest, nicht zählest, dass du ohne Furcht vor Göttern und Menschen lebest, dass du das Übel entweder überwindest oder ihm ein Ende machest.“[120]

Worauf es Seneca im Verlauf des Lebens schließlich ankommt, ist die Annäherung an das Ziel, die Unschuld des Neugeborenen mit den Mitteln der Vernunft und Einsicht zurückzugewinnen: „Wir sind schlechter bei Eintritt des Todes als bei unserer Geburt. Die Schuld liegt an uns, nicht an der Natur; die Natur muss sich über uns beschweren und sagen: ‚Was soll das? Ich habe euch ohne Begierden geschaffen, ohne Furcht, ohne Aberglauben, ohne Unredlichkeit und ohne die sonstigen Unheilsquellen: wie ihr eintratet ins Leben, so gehet auch hinaus.’ Der ist der Weisheit teilhaftig geworden, der so sorgenlos stirbt, wie er geboren wird.“[121]

Gottesbegriff und Todesanschauung

Senecas Gottesbegriff ist komplex. Je nach Kontext spricht er von „Göttern“, dem „Göttlichen“ oder dem „Gott“. Hinsichtlich der Entwicklung des Individuums schreibt er:

„Glaube mir, mein Lucilius, es wohnt in uns ein heiliger Geist, ein Beobachter und Wächter alles dessen, was sich in uns von Schlechtem und Gutem findet. Dieser verfährt mit uns ebenso wie wir mit ihm. Niemand ist ein guter Mensch ohne Gott. Oder könnte sich einer über das Schicksal erheben anders als durch seine Hilfe? Ihm verdanken wir alle unsere hochherzigen und erhabenen Entschlüsse. […] Wie die Strahlen der Sonne zwar die Erde berühren, aber dort wurzeln, von wo sie zu uns kommen, so steht eine große, heilige und zur Förderung unserer Erkenntnis des Göttlichen herabgesandte Seele zwar in Verkehr mit uns, verliert aber doch nie den festen Zusammenhang mit ihrer Ursprungsstätte: von dort erhält sie ihre bestimmende Richtung, dorthin ist ihr Streben gerichtet, mit uns verkehrt sie nur als eine Art höheres Wesen.[122]

Der Weise schließlich steht für Seneca mit dem Göttlichen in engster Beziehung:

„Für den Weisen ist seine Lebensdauer wie für die Gottheit die Ewigkeit. Ja es gibt etwas, worin der Weise die Gottheit übertrifft: wenn jene frei ist von Furcht, so verdankt sie es der Natur, der Weise verdankt es sich selbst. Wahrlich es will etwas heißen, die Schwäche des Menschen zu verbinden mit der Unbesorgtheit der Gottheit. Die Philosophie hat eine unglaubliche Kraft alle Gewalttätigkeit des Zufalls zuschanden zu machen.[123]

Zum Tod, der letztlich doch einen markanten Unterschied setzt zwischen dem Weisen im Sinne Senecas und dem Göttlichen, hat Seneca nach Maßgabe der ihm geläufigen philosophischen Überlieferung Spekulationen angestellt bzw. Raum dafür gelassen[124]: „Der Tod, was ist er? Entweder das Ende oder ein Übergang. Ich fürchte weder das eine noch das andere.“[125] Und im 70. Brief an Lucilius betont er wiederum das individuelle Selbstverfügungsrecht in Bezug auf das eigene Leben bis hin zu dessen Beendigung: „Es ist ein Trost für uns Menschen, dass niemand unglücklich ist außer durch eigene Schuld. Gefällt dir’s, so lebe; gefällt dir’s nicht, so kannst du wieder hingehen, woher du gekommen“.[126]

Der Dramatiker

Die Seneca zugeschriebenen Dramen sind die einzigen erhaltenen Tragödien der lateinischen Antike. Dabei handelt es sich im Unterschied zu den klassischen griechischen Tragödien nicht um Handlungsdramen, sondern um psychologische Dramen.[127] Das Bindeglied zu den philosophischen Schriften stellt nach Maurach Senecas übergeordnetes Ziel der „Seelenleitung“ dar, das ihn in den Tragödien zum „Verfolger“ von Lastern, des Wahns und der Selbstüberhebung mit theatralischen Mitteln werden lässt: „Als ein solcher gestaltet er das Grauenvolle, Allvernichtende, will erschüttern und erschrecken vor dem, was der Mensch dem Menschen anzutun fähig ist“.[128] Bäumer schreibt dazu: „Dem Dichterphilosophen eröffnet sich durch das Theater eine Möglichkeit zur Breitenwirkung; der Zuschauer wird durch gut formulierte Sentenzen und durch geschickte Bühnenpsychologie beeinflusst, seine eigenen Affekte zu bekämpfen.“ Der Schwerpunkt lag auf der Bekämpfung des Zorns als seelischer Disposition, die durch Aggressivität in der Natur des Menschen liegt. Als weiteres Hauptthema der Tragödien Senecas wird die Verurteilung des destruktiven Tyrannen angeführt.[129]

Die meisten Forscher gehen davon aus, dass Seneca nicht als Autor der Octavia in Frage kommt.[130] Es handelt sich dabei um die einzige vollständig erhaltene Praetexta, eine Variation der griechischen Tragödie in römischem, zeitgenössischen Kontext. Die Handlung spielt um die Verstoßung von Neros Frau Octavia zugunsten von Poppaea. Es erscheint unmöglich, dass dieser unverkennbar Nero-kritische Text zu Senecas Lebzeiten veröffentlicht werden konnte. Seneca tritt selbst als Rollenfigur auf und wird aus der Perspektive seiner späteren Oppposition zu Nero dargestellt.

Mehrheitlich wird vermutet, dass auch die mythologischen Tragödien auf Ereignisse und besonders auf Intrigen am Kaiserhof, vermutlich zur Nerozeit, anspielen, etwa auf den Muttermord.[131] Ein Zusammenhang zur Philosophie Senecas ist auch darin erkennbar, dass die Einordnung des Todes in die indifferentia (die gleichgültigen Dinge, auf die es nach stoischer Lesart nicht ankommt) ein hervorstechendes Motiv darstellt. Dem gewidmet waren auch zeitgenössische Schriften senatorischer Kreise über heroische Todesdarstellungen. In den Tragödien wird gelehrt, dass die Ablehnung des Freitodes schlimmer zu ertragen sein kann als dieser selbst. So verweigert der Held der Tragödie Hercules Furens nach Raserei und grausamem Verwandtenmord den anschließenden Freitod als eine das Verbrechen nicht hinreichend sühnende Strafe.[132] Da die in der Weltliteratur nahezu beispiellos drastische Darstellung extremer Gewalt teilweise der Beschreibung von Herrschergewalt in Senecas Schrift Über den Zorn ähnelt, ist von einigen eine Datierung in die Verbannungszeit unter Claudius vorgeschlagen worden.[133]

Es ist nicht bekannt, ob die Tragödien jemals aufgeführt wurden. Eine Aufführung in Form eines Rezitationsdramas ist möglich.[134] Maßgeblichen Einfluss hatten Senecas Schauspiele auf die tragischen Dramen der Renaissance, insbesondere im elisabethanischen England des 16. Jahrhunderts.

In der Gegenwart werden Seneca-Tragödien kaum auf der Bühne inszeniert. Die Thyestes-Tragödie, die durch ihre besondere Grausamkeit hervorsticht – in ihrem Mittelpunkt steht der inzestuöse Leichenschmaus des Tyrannen – hat allerdings in jüngster Zeit als Beispiel ästhetischer Tabudurchbrechung verstärkt Aufmerksamkeit gefunden. So inszenierte das Stuttgarter Schauspielhaus 2002 den Tyrannen-Stoff. In dem selben Jahr legte Durs Grünbein eine Nachdichtung vor. [135]

Der Schriftsteller als Stilbildner

Nicht nur als Erneuerer einer auf die Lebenspraxis gerichteten stoischen Ethik, sondern auch als Sprachstilist hat Seneca ein epochemachendes Werk hinterlassen. Das auffälligste Merkmal des von ihm geprägten neuen Stils war nach Fuhrmann die auf den Effekt gerichtete Pointe: „In Senecas Diktion triumphiert das Pathos; es herrscht dort in verschieden starker Intensität, es fluktuiert in ständigen Crescendi und Decrescendi […] Alle psychischen Kräfte, der Verstand ebenso wie das Anschauungsvermögen und die Emotionen, sollen mobilisiert werden, auf daß sie übereinstimend das eine verwirklichen, auf das es ankommt, das den Erkenntnissen der Philosophie gewidmete Leben“.[136] Kaiser Caligula hat Senecas Redeweise als „Sand ohne Kalk“ kritisiert, weil es ihr an dem für Cicero charakteristischen „Periodenbau“ gefehlt habe. Quintilian nennt seinen Stil „überwiegend schlecht und besonders dadurch höchst bedenklich, dass er von Schwülstigkeit aufgeblasen ist“[137], attestiert aber deutlich Senecas Bekanntheit und würdigt dessen Gelehrsamkeit. Tacitus wiederum hat Seneca bescheinigt, den Geschmack der Jugend getroffen zu haben.[138]

Die Sentenz ist nach Maurach die „stilistische Urzelle“ Senecas und eben nicht wie bei Cicero die Periode. Dies deutet auf ein verändertes Wert- und Lebensgefühl: „Konzentration auf sich selbst, Vereinzelung, Verlust an weitgespannter Einordnung.“[139] Seneca, so fährt Maurach fort, wendet sich sowohl an den Intellekt mit den Mitteln der Darlegung, Klärung und Bewusstmachung als auch an die Emotion, wobei er hier u.a. das Antreiben, Beschämen, Bestätigen oder Korrigieren bis hin zum Begeistern und Hinaufreißen anwendet.[140]

Seneca selbst hat sich aber zu Cicero keineswegs in scharfem Gegensatz gesehen, sondern ihm ausdrücklich Wertschätzung bekundet: „Lies den Cicero“, empfahl er Lucilius, „sein Stil ist einheitlich, ist geschmeidig und weich im besten Sinne des Wortes.“[141] Inhaltsleere Effekthascherei und Manipulation der Masssen lehnte er zudem unmissverständlich ab:

„Ein Vortrag, der es auf Wahrheit abgelegt hat, muß ungekünstelt und einfach sein; aber die übliche Volksrednerei hat mit Wahrheit nichts zu schaffen. Sie will die Masse erregen und die unbesonnenen Hörer im Sturme fortreißen, sie entzieht sich jeder prüfenden Beurteilung, verliert sich in alle Winde.[142]

An anderer Stelle kritisiert er die überladene Ausdrucksweise der Menschen, die sich modischer Ausschweifung hingeben, und hebt die Notwendigkeit klarer und einfacher Rede als Ausdruck eines einfachen würdevollen Lebens hervor. Er zitiert ein griechisches Sprichwort, wonach des Menschen Redeweise seinem Leben gleicht, und bezieht es auf den sittlichen Verfall des Gemeinwesens:

„Wie aber die Handlungsweise jedes Einzelnen seiner Ausdrucksweise ähnlich ist, so gefällt sich die Sprechweise in der Nachahmung der öffentlichen Sitten, wenn die staatliche Zucht sich gelockert hat und der Genußsucht gewichen ist. Für die allgemeine Genußsucht legt dann die Üppigkeit der Rede Zeugnis ab.[143]

Moderne Statue Senecas in seinem Geburtsort Corduba

Senecas stilbildende Wirkung hielt nicht lange vor, obwohl es zu einer bahnbrechenden Neuerung in der Folge gar nicht mehr kam. Vielmehr setzte in der Generation nach Seneca eine Rückbesinnung auf die Klassik nach dem Vorbild Ciceros ein und weitere Jahrzehnte darauf sogar die Wiederbelebung der Vorklassik zwischen 240-80 v. Chr.[144] Aulus Gellius, dessen Auseinandersetzung mit Senecas Stil die letzte für die Antike überlieferte darstellt, bezeichnete ihn als „albernen und läppischen Menschen“ (Noctes Atticae 12, 2). „Dies sind die letzten Worte“, so Fuhrmann, „die das alte Rom über einen seiner Größten an die Nachwelt hat gelangen lassen.“[145]

Rezeption

Im 4. Jahrhundert n. Chr. tauchte ein, wie heute bekannt ist, gefälschter Briefwechsel mit dem Apostel Paulus auf, was Hieronymus dazu brachte, Seneca als christlichen Heiligen zu sehen. Auch seine Philosophie wurde in die Nähe des Christentums gerückt, da sie z.B. hinsichtlich Schicksalsgehorsam bzw. Ergebung in den göttlichen Willen als individuelle Prüfung und Bewährung Parallelen aufwies, wie auch bezüglich der Gewissensforschung und der mitmenschlichen Verbundenheit. Nicht erst Hieronymus, sondern auch bereits die Kirchenväter Tertullian und Laktanz haben Seneca große Wertschätzung entgegengebracht.

Zu Senecas Nachwirken seit der Antike gibt es bisher nur auf spezielle Aspekte oder einzelne Epochen gerichtete Untersuchungen, Zusammenstellungen der verstreuten Literatur oder diesbezügliche summarische Betrachtungen. [146] Im Mittelalter kam er wegen seiner Nähe zu manchen christlichen Lehrsätzen als Moralphilosoph zur Geltung. Aber auch seine naturwissenschaftlichen Untersuchungen (Quaestiones naturales) wurden studiert, so z.B. von Roger Bacon. In Dantes Göttlicher Komödie ist Seneca berücksichtigt. Außerdem existiert eine mittelalterliche Büste im Chorgestühl des Ulmer Münsters.[147]

In der Renaissance waren es vor allem niederländische Humanisten, die sich Seneca intensiv zuwendeten. Erasmus von Rotterdam brachte die erste textkritische Ausgabe von Senecas philosophischen Schriften heraus; Justus Lipsius wurde mit der an Seneca ausgerichteten Schrift De constantia zum Mittelpunkt eines Neustoizismus. Dessen Freund Peter Paul Rubens würdigte Seneca u.a. mit dem Bild Der sterbende Seneca. Auch den Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin war Seneca eine Autorität. Montaignes Essais sind von Senecas Briefen an Lucilius wesentlich inspiriert. Auch die Begründer des modernen Völker- und Naturrechts, Hugo Grotius und Samuel Pufendorf, bezogen sich auf Senecas Schriften.[148]

Die Vertreter der neuhumanistischen deutschen Klassik mit ihrer Hochschätzung der Griechen auf Kosten der Römer bewerteten zumeist auch Senecas Philosophie als eine bloß abgeleitete. Hegel schließlich fand bei Seneca „mehr Brast und Bombast moralischer Reflexion als wahrhafte Gediegenheit“, während andererseits Schopenhauer Seneca sehr nahe stand.[149]

Im Zuge seiner kritischen Auseinandersetzung mit der neueren Seneca-Rezeption gelangt Sørensen zu dem Schluss, dass Seneca „sich als einer der ersten zum Fürsprecher eines zweckbestimmten humanen Rechts machte, das nicht nur die Untat, sondern die gesamte Situation betrachtet. Das setzt gerade die Erkenntnis voraus, dass der Mensch nicht von Natur aus verderbt ist, und es setzt ebenfalls voraus, dass man selbst souverän ist: kurz, der Affekt kann die Handlungen anderer entschuldigen, man kann sie jedoch nicht entschuldigen, wenn man sich selbst im Affekt befindet. Man kann die Handlungen anderer nur von deren Voraussetzungen her verstehen, versteht man jedoch seine eigenen Handlungen nur von den Verhältnissen her, dann hat man sich aufgegeben.“[150]

Sørensen verweist auf eine Vielzahl von Aspekten in Senecas philosophischen Schriften, die dem Erfahrungs- und Vorstellungshorizont insbesondere eines Stadtbewohners der westlichen Gegenwartszivilisation nahe stehen. „Rom mit seiner Gigantomanie, seinem Mangel an gemeinsamen geistigen Werten, seinem Reichtum und seiner Armut, seinem Lebensgenuß und seinem Lebensüberdruß, seinem Verlangen nach Unterhaltung und Erlösung, seinem Individualismus und seiner Massenpsychose, dieses Rom ist der Präzedenzfall unserer eigenen Großstadtzivilisation. Deshalb kann man Seneca zwar von unserer eigenen Zeit her verstehen, möglicherweise begreifen wir diese aber besser von der seinen her. Mit den Unterschieden werden auch die Ähnlichkeiten zwischen damals und heute deutlicher.“[151].

Schriften in Auswahl

  • Apokolokyntosis (andere Titel: Divi Claudii apotheosis oder Iudus de morte Claudii) („Verkürbissung“ (Veräppelung) von Kaiser Claudius durch Seneca)
  • Naturales quaestiones
  • Dialoge (Zählung traditionell nach der Überlieferung im Codex Ambrosianus C 90, nicht chronologisch)
    • 1: De Providentia
    • 2: De Constantia Sapientis
    • 3-5: De Ira (drei Bücher)
    • 6: De Consolatione ad Marciam
    • 7: De Vita Beata („Vom glücklichen Leben“ / „Das glückliche Leben“)
    • 8: De Otio
    • 9: De Tranquillitate Animi („Über die Ausgeglichenheit der Seele“)
    • 10: De Brevitate Vitae - („Von der Kürze des Lebens“) Essay, der ausführt, dass man im Heute und nicht im Morgen leben soll, und dass das Ziel des Lebens mehr Muße, nicht mehr Arbeit ist
    • 11: De Consolatione ad Polybium
    • 12: Ad Helviam matrem
  • De Clementia („Über die Güte“, an Nero)
  • De Beneficiis
  • Epistulae morales ad Lucilium - Sammlung von 124 Briefen an Lucilius über die (spätstoische) Ethik
  • 10 Tragödien
    • Hercules Furens (Der wildgewordene Herkules)
    • Troades (Die Troerinnen)
    • Medea
    • Phoenissae (Die Phönizischen Frauen)
    • Hercules Oetaeus (Herkules auf Oeta)
    • Phaedra
    • Aganiemno (Agamemnon)
    • Thyestes
    • Oedipus
    • Octavia (möglicherweise Seneca nur zugeschrieben)

Literatur

Quellenwerke/Ausgaben

  • L. Annaei Senecae Philosophi Opera Omnia. Ad optimorum librorum fidem accurate edita. Ed. stereotyp. C. Tauchnitiana. 4 Bde. Lipsiae Holtze 1911.
  • L. Annaeus Seneca. Philosophische Schriften. Hrsg. von Manfred Rosenbach. Erster Band. 5. Aufl. Darmstadt 1995
  • L. Annaeus Seneca. Philosophische Schriften. Hrsg. von Manfred Rosenbach. Zweiter Band. 4. Aufl. Darmstadt 1993
  • Lucius Annaeus Seneca. Philosophische Schriften. Erster Band. Dialoge. Dialoge I-VI. Übersetzt, mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Otto Apelt. Meiner, Hamburg 1993, ISBN 3-7873-1129-7
  • Lucius Annaeus Seneca. Philosophische Schriften. Zweiter Band. Dialoge. Dialoge VII-XII. Übersetzt, mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Otto Apelt. Meiner, Hamburg 1993, ISBN 3-7873-1129-7
  • Lucius Annaeus Seneca. Philosophische Schriften. Dritter Band. Dialoge. Briefe an Lucilius. Erster Teil: Brief 1-81. Übersetzt, mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Otto Apelt. Meiner, Hamburg 1993, ISBN 3-7873-1129-7
  • Seneca Brevier. übersetzt und herausgegeben von: Ursula Blank-Sangmeister. Reclam, Stuttgart 1996, ISBN 3-15-040032-5
  • Seneca: Sämtliche Tragödien. Lateinisch und deutsch. Band 1: Herkules furens, Trojanerinnen, Medea, Phaedra, Octavia. Übersetzt und erläutert von Theodor Thomann. Zürich u.a., 1978 (2.A.)
  • Seneca: Sämtliche Tragödien. Lateinisch und deutsch. Band 2: Ödipus, Thyestes, Agamemnon, Herkules auf dem Öta, Phönissen. Übersetzt und erläutert von Theodor Thomann. Zürich u.a., 1969
  • Heinz Berthold (Übers. und Hrsg.): Seneca: Handbuch des glücklichen Lebens. Anaconda, Köln 2005, ISBN 3-938484-44-6.

Sekundärliteratur

  • Luciano De Crescenzo: Die Zeit und das Glück. (italienischer Titel Il tempo e la felicità) München 2002, ISBN 3-442-72963-7.
  • Manfred Fuhrmann: Seneca und Kaiser Nero. Eine Biographie. Frankfurt a.M. 1999 (Originalausgabe: Berlin 1997), ISBN 3-596-14284-9.
  • Marion Giebel: Seneca. Reinbek 1997.
  • Eckard Lefèvre: Senecas Tragödien. Darmstadt 1972.
  • Gregor Maurach: Seneca. Leben und Werk. 4. Aufl. Darmstadt 2005, ISBN 3-534-15000-7.
  • ders. (Hrsg.): Seneca als Philosoph. 2. Aufl. Darmstadt 1987.
  • Marc Rozelaar: Seneca. Eine Gesamtdarstellung. Amsterdam 1976.
  • Klaus Schlagmann: Ödipus – komplex betrachtet. Saarbrücken 2005, ISBN 3-9805272-3-9.
  • Villy Sørensen: Seneca. Ein Humanist an Neros Hof. München 1984 (dän. Originalausgabe: Kopenhagen 1977).
  • Paul Veyne: Weisheit und Altruismus. Eine Einführung in die Philosophie Senecas. Frankfurt a.M. 1993, ISBN 3-596-11473-X.

Weblinks

Wikisource: Lucius Annaeus Seneca – Quellen und Volltexte (Latein)
Commons: Seneca – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Fuhrmann, S. 299; vgl. Maurach 2005, S. 174, Giebel, S. 112.
  2. Maurach 2005, S. 1.
  3. „Wir Stoiker behaupten nicht (negant nostri), der Weise werde in einem beliebigen Staatswesen eine Tätigkeit übernehmen …“ (Über die Muße VIII 1; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 97).
  4. „Ich will beweisen, daß die Stoiker gerade so denken; nicht, als hätte ich es mir zum Gesetz gemacht, mir nichts zu erlauben, was gegen ein Wort des Zenon oder Chrysippus verstößt, sondern weil die Sache selbst mir erlaubt, ihrer Meinung beizutreten …“ (Von der Muße III 1; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, Bd. 2, S. 51).
  5. Von der göttlichen Vorsehung V 4; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 31.
  6. Über die Seelenruhe V 4-5; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 129.
  7. Maurach 2005, S. 16; vgl. Fuhrmann, S. 10, Giebel, S. 7.
  8. Maurach 2005, S.18.
  9. Fuhrmann, S. 20, weist darauf hin, dass Helvia aus demselben Geschlecht der Helvier stammte wie Ciceros Mutter.
  10. Giebel, S. 10 und Fuhrmann, S. 22f. Mela hatte den Dichter Lucan zum Sohn.
  11. ausführlich dazu: Fuhrmann, S.25-42.
  12. Maurach 2005, S. 19f.
  13. Fuhrmann, S. 48f.
  14. Vom Zorn III XXXVI 3; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 193.
  15. Fuhrmann, S. 45f.
  16. Auch hierfür gibt es kein gesichertes Datum; Maurach 2005, S. 28, legt nahe, dass Seneca die Quaestur nicht vor dem Jahre 35 bekleidet haben kann.
  17. Trostschrift an Marcia VIII 2; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 216.
  18. Vom Zorn I, I 1 ; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 66.
  19. Vom Zorn I, VIII 1; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 76.
  20. Vom Zorn II, I 4-5, S. 149.
  21. […] nec prosit rogasse, potius causae suae et prioribus factis et bonis in futuram promissis donetur. (De Ira II, XXI 3).
  22. Cassius Dio (59, 19, 7f.) berichtet diesbezüglich u.a., dass Caligula ein rhetorisch brillantes Plädoyer Senecas im Senat mit dessen Todesurteil sanktionieren wollte, nicht duldend, dass außer ihm selbst noch jemand zu glänzen wusste. Eine seiner Konkubinen habe ihm das wegen Senecas krankheitsbedingt ohnehin bevorstehendem Tod wieder ausgeredet; zur Historizität vgl. M. Griffin: Seneca. Oxford 1976, S. 53-57.
  23. Hier handelt es sich um Julia Livilla die Jüngere im Unterschied zu Livilla
  24. Julia Livilla war nach Caligulas Tod aus der Verbannung, in die sie ihr Bruder geschickt hatte, an den Hof zurückgekehrt, wo sie noch in demselben Jahr mit der Unterschrift von Claudius, ihrem Onkel, zum Tode verurteilt wurde (Giebel, S. 51).
  25. Fuhrmann, S. 92f.
  26. Trostschrift an die Mutter Helvia III 2-3; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 303.
  27. Trostschrift an die Mutter Helvia VI 7 – VII 7; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 311.
  28. Trostschrift an die Mutter Helvia XX 1; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 357.
  29. Maurach 2005, S. 75; Polybios hatte - dies war der Anlass für die Trostschrift - vermutlich im Jahre 43 seinen jüngeren Bruder verloren.
  30. Trostschrift an Polybios XVIII 9; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 293.
  31. Fuhrmann, S. 103: „Die Nachwelt hat Seneca diesen Kotau, das Erzeugnis einer Depression, ziemlich übel genommen. Sein Tun habe aufs schärfste seinen philosophischen Lehren widersprochen, schreibt Cassius Dio…“ Friedländer attestiert Seneca eine Überhäufung des Polybios mit unwürdigen Schmeicheleien und weist darauf hin, dass Seneca später aus Scham erfolglos die Vernichtung dieser Schrift betrieben haben soll. (Ludwig Friedländer: Der Philosoph Seneca (1900). In: Maurach (Hrsg.), 2. Aufl. 1987, S. 106)
  32. Sørensen, S. 122.
  33. Fuhrmann, S. 163f.
  34. vgl. Sørensen, S. 116.
  35. Giebel, S. 64.
  36. Über die Kürze des Lebens II 1f.; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 179.
  37. Über die Kürze des Lebens III 1; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 183.
  38. Über die Kürze des Lebens III 1; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 185.
  39. Über die Kürze des Lebens XIV 2; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 219.
  40. Fuhrmann, S. 170; zu den Tragödien S. 197ff.; Zur Frage der Datierung gute und aktuelle Zusammenfassung bei S. Grewe: Die politische Bedeutung der Senecatragödien. Würzburg 2001, S. 8f.; zur Zuschreibung bei Ch. Walde: Herculeus labor. Frankfurt a.M. 1992, S. 1f.
  41. Zit.n. Fuhrmann, S. 212.
  42. Zit. n. Fuhrmann, S. 222.
  43. Aurelius Victor, Liber de Caesaribus V 2.
  44. Vgl. Maurach 2005, S. 40; Giebel, S. 60.
  45. Zur Datierung des Konsulats siehe G. Camodeca: I consoli des 55-56 e un nuovo collega di Seneca nel consolato: P. Cornelius Dolabella. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 63, 1986, S. 201-215.
  46. Tacitus, Annalen XIII 3, 1.
  47. Cassius Dio LX 35, 3.
  48. Meist überliefert unter dem Titel: Ludus Senecae de morte Claudii Neronis; Fuhrmann, S. 176; vgl. Giebel, S. 50.
  49. Giebel, S. 55.
  50. Giebel, S. 57. Der aufgeklärte Absolutismus Friedrichs II. von Preußen brachte dieses stoische Bekenntnis bekanntlich auf die Formel vom König als dem ersten Diener seines Staates.
  51. Fuhrmann s. 194. Vgl. auch Sørensen, S.130–132.
  52. Fuhrmann, S. 182f.
  53. Vgl. Fuhrmann, S. 185.
  54. 8, 2f.
  55. […] desperantes de re publica exhortabantur […], cum inter triginta dominos liber incederet. (De tranquillitate animi V 2).
  56. Über die Seelenruhe V 2-4; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 127f.
  57. Fuhrmann, S. 231.
  58. Über das glückliche Leben XIII 1; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 57
  59. Vgl. Fuhrmann, S. 183, 252, 307f.; Sørensen, S. 172.
  60. Hierzu und zum Folgenden vgl. Fuhrmann, S. 243ff.
  61. Vgl. Sørensen, S. 172.
  62. Ausführlich zu den Vorgängen um Senecas Entlassung: Fuhrmann, S. 266ff.; vgl. Giebel, S. 101ff.
  63. Über die Muße I 4; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 83.
  64. Über die Muße II 1-2; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 83, und III 3, S. 85.
  65. Über die Muße IV 2; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S.87f.
  66. […] desperante natura nos ad utrumque genuit, et contemplationi rerum et actioni. (De otio„Über die Muße“ IV 2; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 88f.)).
  67. Bd. IV, S. VII.
  68. Fuhrmann, S. 315.
  69. Über Wohltaten VII, 19, 7; zit. n. Fuhrmann, S. 314.
  70. (Briefe an Lucilius 26, 10; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 100)
  71. Briefe an Lucilius 54, 2; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 187.
  72. Briefe an Lucilius 54, 7; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 188.
  73. in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. VI.
  74. Briefe an Lucilius 61, 2; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 220)
  75. Briefe an Lucilius 70, 4f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 264.
  76. Briefe an Lucilius 70, 15; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 267.
  77. Briefe an Lucilius 70, 11; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 266.
  78. Briefe an Lucilius 70, 13; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 267.
  79. Briefe an Lucilius 4, 7f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 8.
  80. Tacitus, Annalen XV 60–64.
  81. vgl. Maurach 2005, S.1.
  82. Briefe an Lucilius 64, 6f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 228.
  83. Briefe an Lucilius 90, 1-3; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. IV, Hamburg 1993, S. 80.
  84. Briefe an Lucilius 16, 5; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 55.
  85. Siehe z.B. die nahezu durchgängig in diesem Duktus gehaltene Schrift Von der Kürze des Lebens.
  86. Briefe an Lucilius 16,4. In: Seneca-Brevier a.a.O. S. 29.
  87. D.h. ab 14.00 Uhr.
  88. Briefe an Lucilius 76, 1-4; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 309f.
  89. Über die Standhaftigkeit des Weisen I, 1 ; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 5. Aufl. 1995, 1. Bd., S. 45.
  90. […] summum bonum esse animi concordiam. (De vita beata VIII 6).
  91. Briefe an Lucilius 66,12. In: Seneca-Brevier, S. 238.
  92. Über den Zorn XLII, 1f. ; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 5. Aufl. 1995, 1. Bd., S. 309.
  93. Briefe an Lucilius 33, 11; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 124.
  94. Briefe an Lucilius 71, 4/8; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 273f.
  95. Briefe an Lucilius 48, 3; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 163.
  96. Über die Seelenruhe XVII 3 zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 4. Aufl. 1993, 2. Bd., S. 167ff.
  97. De beneficiis 2,28,1; zit. n. U. Blank-Sangmeister: Seneca-Brevier. Stuttgart 1996, S. 67.
  98. Briefe an Lucilius 44, 4f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 148f.
  99. Briefe an Lucilius 29, 1; wenig später heißt es (29, 4): „Ich gebe unseren Marcellinus noch nicht völlig verloren. Noch immer kann er gerettet werden; doch gilt es, ihm schnell die Hand zu reichen. Allerdings ist zu besorgen, dass er den, der dies tut, mit sich fortreißt. Seine Geistesart hat etwas sehr Bestechendes, doch schon mit entschiedener Neigung nach der schlimmen Seite hin…“; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 106f.
  100. Briefe an Lucilius 81, 2; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 346f.
  101. Über die Standhaftigkeit des Weisen VI 7,2; zit. n. Rosenbach (Hrsg.) 5. Aufl. 1995, 1. Bd., S. 61.
  102. Briefe an Lucilius 90, 3f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. IV, Hamburg 1993, S. 80f.
  103. Briefe an Lucilius 90, 46; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 96f.
  104. Briefe an Lucilius 90, 5f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, S. 81f.
  105. Briefe an Lucilius 73, 1ff.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 288f.
  106. Von der Gemütsruhe IV 6; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 2. Bd., S. 80.
  107. De tranquilitate animi 4, zit. n. Ursula Blank-Sangmeister: Seneca-Brevier. Stuttgart 1996 S. 112.
  108. Von der Unerschütterlichkeit des Weisen XIV 1; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 50f.
  109. Vom Zorn I, XX 3. ; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 96.
  110. Trostschrift an Marcia XVI 1; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 228.
  111. Trostschrift an die Mutter Helvia XVII 4; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 2. Bd.
  112. Briefe an Lucilius 47, 11ff.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 159f.
  113. Vgl. K. Bradley: Slavery and Society at Rome. Cambridge 1994, S. 132-145.
  114. Vom Zorn I, XV 2. ; zit. n. Apelt (Hrsg.) 1993, 1. Bd., S. 86.
  115. Briefe an Lucilius 85, 27; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. IV, Hamburg 1993, S. 33.
  116. Briefe an Lucilius 85, 2; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 25.
  117. Briefe an Lucilius 71, 27; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 280.
  118. Briefe an Lucilius 71, 36; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 283.
  119. Briefe an Lucilius 29, 10; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 283
  120. Briefe an Lucilius 29, 11f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993,
  121. Briefe an Lucilius 22, 16; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 82.
  122. Briefe an Lucilius 41, 2 und 5; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 140-142
  123. Briefe an Lucilius 53, 11f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 186
  124. Vgl. Fuhrmann, S. 318f.:„Im Grunde hat sich Seneca sowenig wie Cicero entscheiden mögen.“
  125. Briefe an Lucilius 65, 24; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 237.
  126. Briefe an Lucilius 70, 15; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 265f.
  127. Änne Bäumer: Die Bestie Mensch. Senecas Aggressionstheorie, ihre philosophischen Vorstufen und ihre literarischen Auswirkungen. Frankfurt a.M. und Bern 1982, S. 15
  128. vgl. Maurach 2005, S.1 / S. 198.
  129. Bäumer a.a.O., S. 15 u. S. 218
  130. Rolando Ferri (Hrsg.): Octavia. A play attributed to Seneca. Ed. with introd. and commentary. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2003.
  131. Siehe Hubert Cancik, in: M. Fuhrmann (Hrsg.), Römische Literatur, Frankfurt a.M. 1974, S. 251–260; E. Lefevère, in: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II 32.2 (1985), S. 1242–1262.
  132. A.F.C. Rose, in: Classical Outlook 60 (1983), S. 109–111.
  133. Zur Diskussion über die Datierung der Tragödien siehe:Stefanie Grewe, Die politische Bedeutung der Senecatragödien, Würzburg 2001, S. 8f.
  134. Otto Zwierlein: Die Rezitationsdramen Senecas, Meisenheim/Glan 1966 und D. Sutton, Seneca on the Stage, Leiden 1986. Überblick zur älteren Forschungsdiskussion J. Fitch, in: G. Harrison (Hrsg.), Seneca in Performance, London 2000, S. 1-12.
  135. Durs Grünbein: Seneca. Thyestes (dt. Übers.), Frankfurt a.M. 2002.
  136. Fuhrmann, S. 129f.
  137. Quintilian, Institutio oratoria 10,1,125-131, hier: 129.
  138. Giebel, S. 127.
  139. Maurach 2005, S. 188.
  140. Maurach 2005, S. 190.
  141. Briefe an Lucilius 100, 7; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. IV, Hamburg 1993, S. 196.
  142. Briefe an Lucilius 40, 4; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. III, Hamburg 1993, S. 137.
  143. Briefe an Lucilius 114, 2f.; in Seneca, Philosophische Schriften, Bd. IV, Hamburg 1993, S. 273. In Brief 115, 2 heißt es: „Du kennst die jungen Modeaffen, mit glänzendem Bart und Haupthaar, wie aus dem Schmuckkästchen genommen: nichts Mannhaftes, nichts Gediegenes kannst Du von ihnen erwarten. In der Rede spiegelt sich der Stand der Seelenbildung.“ (ebda. S. 283)
  144. Fuhrmann, S. 335f.
  145. Fuhrmann, S. 337.
  146. Maurach 2005, S. 225: „Eine ausführliche Darstellung von Senecas ist noch nicht geschrieben […]; eine solche Darstellung müsste ja weit ausholen und die geistesgeschichtlichen Gründe für das jeweilige Nachwirken offenlegen, was umfangreiche Studien voraussetzt.“
  147. vgl. Giebel, S. 128ff.
  148. Sørensen, S. 289f.
  149. vgl. Sørensen, S. 290, Giebel, S. 132.
  150. Sørensen, S. 300.
  151. Sørensen S. 11.