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Gewerbesteuer (Deutschland)

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Das deutsche Steuerkarussell und die Gewerbesteuerumlage

Die Gewerbesteuer ist eine Steuer, die in Deutschland auf die objektive Ertragskraft eines Gewerbebetriebes erhoben wird. Sie trägt maßgeblich zur Finanzierung der Gemeinden bei und ist, aus unterschiedlichen Gründen, eine deutsche Ausnahmeerscheinung und im Ausland in vergleichbarer Form nicht anzutreffen. Es handelt sich bei ihr nach der Definition von § 3 Abs. 2 AO ("Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.") um eine Real- oder Sachsteuer, auch wenn diese Einordnung nach der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der Lohnsummensteuer (siehe unten) umstritten ist. Rechtsgrundlage ist das Gewerbesteuergesetz (GewStG), die Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung sowie als allgemeine Verwaltungsvorschriften die Gewerbesteuer-Richtlinien.

Besteuerungsverfahren

Steuerpflicht

Besteuert werden gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuerrechts, also gewerblich tätige Einzelunternehmen und Personengesellschaften, wobei im Gegensatz zum Einkommensteuerrecht die Personengesellschaft als solches der Steuer unterliegt (einkommensteuerlich sind dies nur die Gesellschafter). Freiberufliche oder andere nichtgewerbliche selbständige Tätigkeiten unterliegen nicht der Gewerbesteuer (siehe dazu aber unten: Reformvorschläge). Eine Kapitalgesellschaft ist ein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform und unterliegt immer der Gewerbesteuer. Land- und Forstwirtschaftliche Betriebe werden nur besteuert, wenn sie im Handelsregister eingetragen sind oder der Umsatz, der mit gewerblichen Dienstleistungen erzielt wird, 5.000 € übersteigt.

Bemessungsgrundlage

Bemessungsgrundlage der Besteuerung ist der Gewerbeertrag. Dabei handelt es sich um den wiederum nach Vorschriften des Einkommensteuerrechts bzw. Körperschaftsteuerrechts zu bestimmenden Gewinn, der um bestimmte Beträge vermehrt (Hinzurechnungen, § 8 GewStG) oder vermindert (Kürzungen, § 9 GewStG) wird. Sowohl Hinzurechnungen als auch Kürzungen verfolgen verschiedene Ziele, die teilweise damit begründet werden, dass die Bemessungsgrundlage die objektive Ertragskraft eines Gewerbebetriebs abbilden soll. Eine klare Definition dieses Begriffs fehlt jedoch, so dass umstritten bleibt, welche Hinzurechnungen bzw. Kürzungen mit diesem Ziel begründet werden können.

Als wesentlichste Hinzurechnungsvorschrift ist die hälftige Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen zu nennen; gewerbesteuerlich mindern bezahlte Zinsen auf langfristige Kredite den Gewerbeertrag nur zur Hälfte (bei einem EBIT von 200 werden Zinsen in Höhe von 100 gezahlt, der Gewinn beträgt also 100, der Gewerbeertrag allerdings 150). Ursprünglich sah diese Vorschrift eine vollständige Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen vor, d.h. Zinszahlungen minderten den Gewerbeertrag überhaupt nicht. Damit wurde eine Gleichbehandlung von Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung angestrebt, da (kalkulatorische) Zinsen auf das Eigenkapital die Bemessungsgrundlage auch nicht mindern. Dieser Anspruch wurde aus dem Ziel der Besteuerung der objektiven Ertragskraft abgeleitet. Durch Gesetzesänderung wurde dies jedoch auf 60% (ab 1983) bzw. 50% (ab 1984) begrenzt.

Durch die Kürzungsvorschriften soll zum Beispiel eine mehrfache Belastung mit Realsteuern vermieden werden. So wird der Gewerbeertrag beispielsweise um einen Teil des Einheitswerts von betrieblichen Grundstücken gekürzt, da diese bereits der Grundsteuer unterliegen. Daneben werden insbesondere Gewinnanteile aus qualifizierten Beteiligungen (mehr als 10%-Anteil) gekürzt, da diese bereits auf Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft der Gewerbesteuer unterlagen. Überdies werden, um dem Inlandscharakter der Gewerbesteuer Rechnung zu tragen, ausländische Gewinnanteile gekürzt.

Steuerfestsetzung

Ausgehend vom Gewerbeertrag des Unternehmens wird ein so genannter Steuermessbetrag ermittelt. Dazu wird der Gewerbeertrag des Unternehmens mit der Steuermesszahl multipliziert. Die Steuermesszahl beträgt für Kapitalgesellschaften einheitlich 5 %, für Einzelunternehmen und Personengesellschaften beträgt sie für die ersten 24.500 € 0 % (gewerbesteuerlicher Freibetrag) und steigt danach in 12.000 €-Schritten um jeweils einen Prozent bis max. auf 5 % (ab 48.500 € Gewerbeertrag). Diese so genannte Eingangsstaffel und der Freibetrag (ab einem Gewerbeertrag von ca. 75.000 € entspricht der Staffeltarif einem zusätzlichen Freibetrag von 24.000 €) sollen kompensieren, dass Einzelunternehmen und Personengesellschaften Vergütungen für den oder die Geschäftsführer nicht steuermindernd geltend machen können. (Bei der GmbH gelten angemessene Vergütungen für einen Geschäftsführer als Lohnaufwand und unterliegen somit nicht auf Unternehmensebene der Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer sondern auf Ebene des Geschäftsführers als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Einkommensteuer).

Der so ermittelte Steuermessbetrag wird mit einem Hebesatz multipliziert. Dieser Hebesatz wird durch die Gemeinden festgelegt, wodurch diese das Aufkommen der Gewerbesteuer beeinflussen können. Das Recht zur Festlegung des Hebesatzes an der Gewerbesteuer (oder einer anderen, neu zu schaffenden "wirtschaftskraftbezogenen Steuer") ist den Gemeinden grundgesetzlich garantiert. Nach Änderung des Gewerbesteuergesetzes im Dezember 2003 sind die Gemeinden ab 2004 verpflichtet, mindestens einen Hebesatz von 200 zu erheben. Damit wollte der Gesetzgeber sog. Gewerbesteueroasen (zum Beispiel Norderfriedrichskoog, die lange Zeit einen Hebesatz von Null hatte) verhindern. Meistens sind die Hebesätze von Großstädten höher als im Umland (München hat einen Hebesatz von 490, die meisten Gemeinden im Umland liegen zwischen 300 und 400). Werden Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten, so ist die Steuermesszahl nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne (§ 29 GewStG) zu zerlegen (§ 28 GewStG, Steuerzerlegung)

Neben den Gemeinden sind auch Bund und Länder am Aufkommen der Gewerbesteuer durch die Gewerbesteuerumlage beteiligt.

Beziehungen zu anderen Steuern

Während zwar die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auf der Bemessungsgrundlage der Einkommen bzw. Körperschaftsteuer beruht, hat die Gewerbesteuer wiederum auch Auswirkungen auf diese Steuern: Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (und anschließend wiederum des Gewinns für die Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer) ist die gezahlte Gewerbesteuer als Betriebsausgabe abzugsfähig (In-Sich-Abzugsfähigkeit). Wird bei einem Gewinn und Gewerbeertrag vor Gewerbesteuer (keine Hinzurechnungen bzw. Kürzungen) von z. B. 600 Gewerbesteuer in Höhe von 100 bezahlt (Hebesatz=400), so ist anschließend nur noch 600-100=500 der Körperschaft- bzw. Einkommensteuer zu unterwerfen.

Bei Kapitalgesellschaften kann man die Höhe der Gewerbesteuer daher wie folgt ausrechnen:

mit = zu zahlende Gewerbesteuer, = Hebesatz der Gemeinde (geteilt durch Hundert, also bei einem Hebesatz von 400 wäre hier 4) und = Gewerbeertrag vor Gewerbesteuerzahlung.

Bei Personengesellschaften und Einzelnunternehmen ist die konkrete Berechnung der Gewerbesteuerzahlung wegen des Freibetrags und des Staffeltarifs komplizierter. Soweit der Gewerbeertag hinreichend hoch (je nach Hebesatz über ca. 75.000 €) liegt, gilt folgende Formel:

In der Bilanz muss das Unternehmen für die Gewerbesteuerzahlung eine Rückstellung bilden, dabei wird aber häufig nicht der exakte Wert gewählt, sondern der Wert, der sich aus der sog. 5/6-Methode ergibt. Dabei wird die In-Sich-Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer dadurch berücksichtigt, dass man nur 5/6 des Gewerbeertrags vor Gewerbesteuer der Berechnung zu Grunde legt. Für einen Hebesatz von 400 stimmt das Ergebnis mit der mathematisch exakten Berechnung überein.

Weil man gewerbliche Unternehmen nicht durch diese Zusatzsteuer im Vergleich zu anderen Einkunftsarten übermäßig belasten will, gibt es bei Einzelunternehmern und Gesellschaftern einer Personengesellschaft eine Möglichkeit die bezahlte Gewerbesteuer pauschal auf die Einkommensteuer anzurechnen (§ 35 EStG: Gewerbesteueranrechnung), dazu darf man das 1,8-fache des Messbetrags (also vor Multiplikation mit dem Hebesatz) von der Einkommensteuerschuld abziehen, soweit diese auf die Einkünfte aus diesem Gewerbebetrieb entfällt. Bei einem Hebesatz von ca. 360 hat die Gewerbesteuer dann keine Belastungswirkung mehr, es kommt also zu einem Transfer von Steuereinnahmen vom Bund und den Ländern (die den Hauptteil der Einkommensteuer erhalten) zu den Gemeinden (die den Hauptteil der Gewerbesteuer erhalten).

Finanzielle Bedeutung der Gewerbesteuer

Im Jahr 2002 betrug das Aufkommen der Steuer 23,4 Mrd. Euro. Damit steht die Steuer bundesweit an vierter Stelle. Für die Gemeinden stellt sie die einzige wesentliche Einnahmequelle dar, die für sie beeinflussbar ist. Sie steht daher unter dem Schutz der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG. Ihr Anteil am Gemeindehaushalt ist jedoch unterschiedlich hoch, im Bundesdurchschnitt hatte sie 2000 einen Anteil von ca. 13% am Gemeindehaushalt (nach Umlage) und war damit hinter der Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer (ca. 14%) die wichtigste steuerliche Einnahmenquelle. Mehr als ein Fünftel der Gewerbesteuereinnahmen müssen die Gemeinden allerdings als Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder abführen (2000). Im West-Ost-Vergleich zeigen sich aber deutliche Unterschiede. Für Gemeindefinanzen in den neuen Bundesländer hat die Gewerbesteuer eine wesentlich geringere Bedeutung, ihr Anteil beträgt hier nur ca. 6% (oder 40% des Anteils im Westen), Gemeinden in Ostdeutschland sind wesentlich mehr auf Zuweisungen von den Ländern und Investitionszuweisungen angewiesen.

Diskussion der Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer ist eine der umstrittensten deutschen Steuern. Immer wieder wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gewerbesteuer laut, da insbesondere freiberuflich Tätige nicht steuerpflichtig sind. Diese Bedenken wurden jedoch vom Bundesfinanzhof und vom Bundesverfassungsgericht nicht geteilt. Allerdings hat das Niedersächsische Finanzgericht zum dritten Mal eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gestartet, in der es auf 60 Seiten begründet, warum die Gewerbesteuer gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstößt (Abrufbar unter: www.nwb.de/finanzgericht/nfg[1]).

Gegenläufige Positionen der Gemeinden und der Unternehmen

Für die Gemeinden stellt sie zwar die wichtigste eigenständige Steuerquelle dar, gleichzeitig ist sie jedoch sehr konjunkturabhängig, so dass die Gemeinden daher nicht mit stetigen Einnahmen planen können. (Von 1998 zu 1999 veränderte sich das Gewerbesteueraufkommen in Hamburg um +20%, in Kiel dagegen um -36%, in Schweinfurt um +100%, in Werdau sogar um +230%, in Leverkusen um -60%). Bemängelt wird überdies, dass der Hebesatz nicht von den Gemeinden genutzt werden kann, um durch die Senkung neue Gewerbebetriebe anzulocken, sondern dass umgekehrt bereits benachteiligte Gemeinden gezwungen sind, einen hohen (abschreckenden) Hebesatz aufrecht zu erhalten, und dadurch noch mehr Gewerbebetriebe an bereits reiche Gemeinden verlieren, insbesondere das Hebesatzgefälle von Großstadt zum Umland wird dabei kritisiert. Da die Gewerbesteuer eine deutsche Besonderheit ist und eine Doppelbelastung des betrieblichen Ertrags darstellt, wird kritisiert, dass sich die Gewerbesteuer negativ im internationalen Standortwettbewerb auswirke.

Die Medien berichten über Unternehmen, die überhaupt keine Gewerbesteuer mehr zahlen würden: unter ihnen der (mittlerweile) weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Unilever: Durch Restrukturierung des Konzerns mittels einer Tochterfirma ("Monda Beteiligungs GmBH"), die in einer Scheune in Norderfriedrichkoog (s.u.), Dietstraat 13, ansässig war, wurde jahrelang gar keine Gewerbesteuer fällig [1]. In Norderfriedrichkoog hatten bis zu 500 Tochterfirmen internationaler Unternehmen ihren Sitz. Laut Frankfurter Rundschau (29.1.2002) werden Profite bei den Auslandstöchtern verbucht, während Verluste im Inland angesiedelt werden: 2001 habe die Bayer AG keine Gewerbsteuer gezahlt, obwohl sie einen Gewinn von über 800 Mio. Euro ausgewiesen habe. Dadurch seien die Haushalte betroffener Städte stark belastet worden.

Daraus zu schließen, dass große Unternehmen sich generell der Gewerbesteuer entzögen, wäre zu pauschal und kann durch die empirischen Daten nicht belegt werden. Zwar kommt es immer wieder vor, dass einzelne Unternehmen, teilweise auch über Jahre hinweg, keine oder kaum Gewerbesteuer zahlen, allerdings tragen insbesondere die großen Unternehmen wesentlich zum Aufkommen der Gewerbesteuer bei. So haben beispielsweise 1995 die größten 136 Unternehmen (steuerpflichtige Unternehmen mit einem Gewerbeertrag >100 Mio. DM) fast 18% zum Gewerbesteueraufkommen beigetragen, obwohl sie weniger als 0,015% der Steuerpflichtigen stellen. Nimmt man noch die Unternehmen mit einem Gewerbeertrag zwischen 50 und 100 Mio. DM hinzu, so haben 0,036% der Unternehmen ein Viertel der gesamten Gewerbesteuer bezahlt, wohingegen die 80% der kleineren Unternehmen nur 6% bezahlt haben. Allerdings ist es gerade diese Abhängigkeit der Gemeinden von den großen Betrieben, in der viele Kritiker eine Gefahr der "Erpressbarkeit" der Gemeinden sehen; darüber hinaus führt die Krise eines Großunternehmens häufig zu einer dramatischen Krise der Finanzlage der betroffenen Gemeinden (siehe dazu oben die Konjunkturabhängigkeit).

Auch die Behauptung, insbesondere die gewerbesteuerliche Organschaft führe dazu, dass die Steuerlast auf Null gesenkt werden könne, geht am Kern vorbei. Gewerbesteuerlich führt eine Organschaft dazu, dass die einzelnen Unternehmen des Organkreises wie Betriebsstätten behandelt werden und Gewinne und Verluste miteinander verrechnen können. Natürlich ist damit eine Senkung der Steuerlast auf Null möglich, davon profitiert aber nicht nur das Unternehmen, sondern vor allem auch die Gemeinde, in der der verlustbringende Unternehmensteil angesiedelt ist, da auch die anderen Gemeinden am Verlust beteiligt werden; die Organschaft sorgt also vor allem für eine gleichmäßigere Verteilung auf die verschiedenen Standortgemeinden eines Konzerns. Da die verschiedenen Organgesellschaften wie Betriebsstätten behandelt werden, wird der gesamte Gewerbeertrag des Organkreises dann wie oben dargestellt im Wesentlichen nach Lohnsumme auf die einzelnen Gemeinden verteilt. Wenn also der Gesamtkonzern ein positives Ergebnis ausweist, erhalten alle Gemeinden Gewerbesteuer, die mit hoch profitablen Unternehmensteilen weniger als ohne Organschaft, die mit verlustbringenden Teilen mehr. Auch wenn der gesamte Organkreis nach einer Verlustphase den Turn-around schafft, werden nicht einzelne Gemeinden sehr lang durch vorhandene Verlustvorträge gegenüber den Gemeinden mit den profitablen Unternehmensteilen benachteiligt, sondern sie erhalten schneller wieder Steuereinnahmen.

Da die Gewerbesteuer eine nicht unerhebliche Belastung für die Unternehmen darstellt, gleichzeitig aber eine große Bedeutung für die Gemeinden hat, sind Reformen in diesem Bereich wegen der divergierenden Interessen häufig auf Widerstand gestoßen, dennoch ist die Gewerbsteuer seit Jahrzehnten in der Diskussion

Gewerbesteuer und Gemeindefinanzierung im internationalen Vergleich

Vgl. dazu: Jacobs, O., Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl. 2002, S. 130ff.

Die Gewerbesteuer in der deutschen Form ist international eine Ausnahmeerscheinung, auch wenn viele andere Staaten mit föderalem Aufbau Sonderabgaben für Unternehmen vorsehen. Österreich hat seine Gewerbesteuer 1994 abgeschafft, auch wenn weiterhin eine österreichische Kommunalsteuer auf die Lohnsumme erhoben wird, der Steuersatz beträgt 3%. Die Schweiz muss wegen ihres auch fiskalisch stark föderalistisch geprägten Aufbaus eine vergleichbare Abgabe nicht erheben. In der Schweiz finanziert sich die Bundesebene hauptsächlich aus indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer, während die Kantone und die Gemeinden sich hauptsächlich aus direkten Steuern finanzieren. Auf Gemeindeebene beträgt der Anteil der Einkommensteuer 84% der Steuereinnahmen. Die Gemeinden dürfen dabei individuell einen Multiplikator auf den kantonalen Steuertarif der Einkommen- und Körperschaftsteuer anwenden. Sie sind also nicht wie die Gemeinden in Deutschland, auf einen zugewiesenen Anteil an der Einkommensteuer und eine zusätzliche Steuer - die Gewerbesteuer - angewiesen. (Vgl. zur Situation in der Schweiz: "Öffentliche Finanzen der Schweiz 2001, Neuchâtel, Bundesamt für Statistik Schweiz" [2])

Zwar erheben alle europäischen Länder bei gewerblichen Unternehmen neben Einkommen- bzw. Körperschaftsteuern auch eine Grundsteuer, aber der Gewerbesteuer vergleichbare Abgaben werden kaum erhoben:

  • In Luxemburg wird eine strukturell ähnliche Gewerbesteuer erhoben, bei der ebenfalls die Gemeinden ein Hebesatzrecht besitzen.
  • Frankreich erhebt eine taxe professionnelle, die aber völlig ertragsunabhängig (der Gewinn des Unternehmens beeinflusst die Höhe der Steuer überhaupt nicht, nur zum Beispiel das eingesetzte Kapital, die Lohnsumme, oder ähnliches) ist, wobei auch hier die Lohnsumme als Teil der Bemessungsgrundlage 2003 abgeschafft worden ist.
  • Spanien erhebt die impuesta sobre actividades economicas, die ebenfalls völlig ertragsunabhängig ist.
  • Italien erhebt als Regionalsteuer die imposta regionale sulle attivita produttive, mit der die Wertschöpfung der Unternehmen besteuert wird. Den Gemeinden wird dabei die Möglichkeit gegeben, den Steuersatz von 4,25% um einen Prozentpunkt nach oben oder unten anzupassen.

Es ist festzuhalten, dass es in Deutschland vor allem die Belastung mit Gewerbesteuer ist, die im internationalen Vergleich zu einer hohen steuerlichen Belastung führt. Betrachtet man nur die Belastung mit 25% Körperschaftsteuer (inklusive Solidaritätszuschlag 26,375%), so würde Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld liegen (s. die Tabelle bei Steuer). Durch die Gewerbesteuer, die zu einer Mehrbelastung von 15%-20% je nach Hebesatz führt, liegt Deutschland jedoch an der Spitze der steuerlichen Belastung von Unternehmensgewinnen.

Geschichte der Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer (GewSt) ist eine der ältesten Steuern überhaupt und hat eine sehr lange und bewegte Geschichte. Die Grundlagen für ihre heutige Ausprägung wurden in der Realsteuerreform von 1936 gelegt, auch wenn einschneidende Maßnahmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sie in ihrer Struktur stark verändert haben. Ursprünglich bestand die Gewerbesteuer aus drei Säulen: Der Lohnsummensteuer, der Gewerbekapitalsteuer und der Gewerbeertragsteuer. Durch unterschiedliche Messzahlen wurde aus den drei verschiedenen Bereichen ein Gewerbesteuermessbetrag ermittelt, auf den dann der Hebesatz angewendet wurde. 1978 wurde wegen der damit verbundenen negativen Beschäftigungspolitischen Konsequenzen (Steuer auf das Einstellen von Arbeitskräften) zunächst die Lohnsummensteuer abgeschafft. 1997 wurde dann schließlich noch die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft (als Ausgleich erhielten die Gemeinden eine Beteiligung an der Umsatzsteuer), so dass die Gewerbesteuer zu einer nur ertragsabhängigen Steuer geworden ist - was zu einer erhöhten Konjunkturabhängigkeit geführt hat.

Aktuelle Reformvorschläge

Es gibt seit jeher Bestrebungen, die Gewerbesteuer zu reformieren oder sie ganz abzuschaffen. Während die Gemeinden auf der Beibehaltung bzw. Stärkung der Gewerbesteuer (durch die Wiedereinführung ertragsunabhängiger Komponenten oder die Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen auch auf Freiberufler und Vermieter in dem Vorschlag zu einer Gemeindewirtschaftsteuer) bestehen, wird von Unternehmensseite die gänzliche Abschaffung der Gewerbesteuer als reiner Zusatzsteuer auf unternehmerische Tätigkeit gefordert, zumindest dürften aber keine ertragsunabhängigen Elemente gestärkt werden. Ertragsunabhängige Elemente fallen nämlich auch in der Unternehmenskrise an und können diese verstärken und sogar zur Insolvenz führen.

Als Alternative wird für die Gemeinden ein Hebesatzrecht auf Einkommen- und Körperschaftssteuer vorgeschlagen. Aber auch andere Vorschläge gibt es, wie die Einführung einer Wertschöpfungsteuer, die Beibehaltung einer gesenkten Restgewerbesteuer und viele mehr.

Die Gewerbesteuer ist in letzter Zeit (Ende 2003) bedingt durch die Konjunkturflaute (Rezession) und die Unternehmenssteuerreform der Bundesregierung stark zurückgegangen. Viele Gemeinden sahen sich mit Gewerbesteuer-Rückzahlungsforderungen konfrontiert, die die ohnehin angespannte Finanzlage einiger Gemeinden weiter verschärft haben.

Quellen

[1]: Weiss, Schmiederer: Asoziale Marktwirtschaft ISBN 346203412X

Literatur

  • Demmig, Jens: Die Gewerbesteuer im internationalen Vergleich, Institut „Finanzen und Steuern“, Brief 306, Bonn, 1992
  • Jacobs, Otto: Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl, München: C.H.Beck, 2002 ISBN 3406486576
  • Karrenberg, Hanns/Münstermann, Engelbert: Gemeindefinanzbericht 2000: Städte im Griff von EU, Bund und Ländern, in: der städtetag 4/2000, S. 4-99
  • Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2001
  • Zitzelsberger, Heribert: Grundlagen der Gewerbesteuer: eine steuergeschichtliche, rechtsvergleichende, steuersystematische und verfassungsrechtliche Untersuchung, Köln: Dr. Otto Schmidt, 1990, zugl. Regensburg, Univ., Habilitations-Schrift, 1989

Weblinks