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Bernstein

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Bernstein
Datei:Bernstein Anhaenger 800pix 050203.jpg
Anhänger aus Bernstein, der ovale ist 52 mm, der andere 32 mm groß
Chemismus Angenäherte Summenformel: C10H16O+(H2S)
Kristallsystem amorph
Kristallklasse amorph
Farbe honiggelb, gelbweiß, orange, rot, grünlich, braun, schwarz, selten blass
Strichfarbe weiß
Härte 2–2,5
Dichte 1,05–1,096 g/cm3
Glanz Fettglanz, matt
Opazität durchsichtig, durchscheinend, undurchsichtig
Bruch muschelig, spröde
Spaltbarkeit keine
Beschaffenheit der Fundstücke unregelmäßige, rundliche Körner, stumpfe Knollen, geflossene Formen, Krusten; teilweise Einschlüsse von Insekten und Pflanzenteilen
Brechzahl n = 1,540 (-0,001 bis +0,005)
Doppelbrechung keine
weitere Eigenschaften
chemisches Verhalten reagiert mit Sauerstoff, schwach konzentrierten Säuren und Laugen sowie mit Ölen, resistent gegen Äther, Aceton und Schwefelsäure
ähnliche Minerale keine
Radioaktivität nicht radioaktiv
Magnetismus nicht magnetisch
besondere Kennzeichen brennbar, hoher elektrischer Widerstand (1018Ohm), lädt sich bei Reibung elektrostatisch auf

Bernstein (mittelniederdeutsch „Brennstein“) bezeichnet einen klaren bis undurchsichtigen gelben Schmuckstein aus fossilem Harz, aus dem auch ein Holzlack hergestellt wird. Der madegassische Bernstein kann durch chemische Einschlüsse sogar grünlich bis bläulich gefärbt sein – diese seltenen Varietäten sind extrem begehrt und teuer.

Bernstein ist bis zu 260 Millionen Jahre alt. Aus dem zähflüssigen Harz damals lebender Bäume wurde im Laufe der Zeit eine feste Substanz. Somit ist Bern„stein“ nicht mineralisch und zählt folglich streng genommen auch nicht zu den Edelsteinen.

Bernstein gehört zu den ältesten Schmucksteinen. Einige altägyptische Objekte sind über 6000 Jahre alt. Das wohl berühmteste Kunstobjekt aus Bernstein war das Bernsteinzimmer, das seit dem Zweiten Weltkrieg verschwunden ist. Im Jahr 2004 hat man das Bernsteinzimmer nachgebaut, nachdem bisher unbekannte Fotoaufnahmen gefunden wurden.

Für die Wissenschaft, insbesondere für die Paläontologie, ist Bernstein mit Einschlüssen, so genannten Inklusen, von Interesse. Diese Einschlüsse sind Fossilien von kleinen Tieren oder Pflanzenteilen, die im Bernstein konserviert wurden.

Etymologie

Die deutsche Bezeichnung Bernstein leitet sich vom mittelniederdeutschen börnen (brennen) beziehungsweise börnesteen ab und ist auf die auffällige Brennbarkeit dieses „Steins“ zurückzuführen.

In der Antike wurde er auch als Lyncurium (Luchsstein) bezeichnet, da man annahm, er wäre aus dem Harn des Luchses entstanden, der bei starker Sonneneinstrahlung hart geworden wäre. Der griechische Name des Bernsteins ist elektron und der römische Name ist electrum. Da Bernstein elektrostatisch aufgeladen werden kann, wurden frühe Versuche zur Elektrizität mit Bernstein durchgeführt. Bernstein wurde daher zum Namensgeber für das Elementarteilchen Elektron und die Elektrizität. Die Römer nannten den Bernstein succinum („Saft“) in der richtigen Vermutung, er sei aus Baumsaft entstanden. Die germanische Bezeichnung des Bernsteins lautete nach Plinius glaes(um) (Glas). Ein anderer Name für Bernstein lautet „gelbe Ambra“.

Bernsteinvarianten

Allgemeine Unterscheidungen

Als Rohbernstein bezeichnet man Bernstein, der noch seine Verwitterungskruste trägt und nicht geschliffen, poliert oder auf eine andere Weise künstlich verändert wurde. Naturbernstein ist dagegen ein geschliffener und polierter Bernstein, dessen Struktur und Farbe jedoch nicht künstlich verändert wurden. Es ist somit ein unverändertes Naturprodukt.

Pressbernstein wird im Handel als „Echtbernstein“, „Echter Bernstein“ oder „Ambroid“ angeboten. Damit ist jedoch nicht der natürlich entstandene Bernstein gemeint, sondern ein Produkt, das aus Schleifresten und kleinen Stücken in einer Autoklave gefertigt wurde. Pressbernstein wird hergestellt, indem gereinigte Bernsteinbröckchen erwärmt und dann unter starkem Druck zusammengepresst werden. Dies geschieht unter Luftabschluss und bei einer Temperatur von 200–250 °C. Danach wird die so entstandene stangen- oder bogenförmige Masse bei bis zu 3000 bar Druck verfestigt. Durch Variationen in Hitze und Druck lassen sich nicht nur unterschiedliche Farbtöne, sondern auch klare und trübe Pressbernsteine herstellen. Neben diesen drei Arten von Bernstein wird im Handel auch „Echtbernstein extra“ angeboten, der aufgrund seiner unregelmäßigen Blitzer und seiner geringen und feingliedrigen Schlierenverteilung visuell kaum vom Naturbernstein zu unterscheiden ist. Er kann nur durch gemmologische Untersuchungsmethoden eindeutig bestimmt werden.

Kopale sind noch nicht völlig zu Bernstein umgebildete erstarrte Harze, die in den Deltas tropischer Flüsse zusammengeschwemmt werden, z. B. in Afrika. Sie sind höchstens einige zehntausende von Jahren alt und enthalten durchaus auch Einschlüsse. Sie beginnen bei Wärme klebrig zu werden. Kommen sie mit Äther in Berührung, werden ihre Oberflächen innerhalb kurzer Zeit weich, klebrig und schmierig. Die benetzten Stellen quellen auf.

Varianten des Rohbernsteins

Der Bernstein entstand, indem das Harz aus Bäumen nach vorheriger Verletzung der Borke strömte, eintrocknete und erhärtete. Es sind verschiedene Flussformen bekannt, deren Entstehung vom Ort und vom Grad der Flüssigkeit des Harzes abhing.

Dies ist ein Überblick:

  • Schlauben entstanden, als Harz schubweise austrat und die vorherigen Harzablagerungen überdeckte. Sie sind vielfach voller Verschmutzungen, seltener milchig und bergen die meisten Einschlüsse.
  • Zapfen entstanden aus Harztropfen, die vor dem Herunterfallen am eigenen Tropfenfaden erstarrten. Erneute Harzflüsse können zu dickeren Harz-Stalaktiten führen. Sie enthalten oft Einschlüsse. Typisch ist eine abgeflacht rundliche Perlenform.
  • Knochen nennt man eine Bernsteinsorte, die so viele mikroskopisch kleine Blasen enthält, dass sie rahmweiß aussieht. Sie enthält keine erkennbaren Einschlüsse.
  • Bastard wird eine häufige Bernsteinsorte genannt, die von zahllosen Blasen derart getrübt ist, dass sie undurchsichtig und milchig wirkt. Die Farben liegen meistens zwischen gelblichweiß und ockergelb. Diese Sorte enthält selten Einschlüsse.
  • Flomen bezeichnet einen eigentlich klaren Bernstein, der von vielen mittelgroßen Blasen deutlich getrübt ist. Bei geeigneter Sichtmöglichkeit findet man gelegentlich Einschlüsse.

Eigenschaften

Naturbernstein-Leuchte.

Bernstein ist meistens hell- bis goldgelb und altert zu rötlich- oder bräunlich-gelb, im Extremfall zu Rottönen. Trüber Bernstein kann wegen submikroskopisch kleiner Bläschen (Größe: 0,0002–0,0008 mm, Dichte: bis zu 900.000/mm3) weißgelb oder weiß sein. Je nach Verschmutzung oder Eisensulfidbildung in Spalten werden die Farben dunkler. Selten sind die blaugrün schimmernden Bernsteine. Der blaue Bernstein tritt meist in Verbindung mit weißen Bereichen auf. Die Entstehung der blauen Farbe ist nicht endgültig geklärt, eventuell spielt die Lichtbrechung eine Rolle. Auf jeden Fall ist die blaue Variante der seltenste Bernstein. Grünen Bernstein gibt es eigentlich nicht, da dieser nur durch Erhitzen entsteht. Ein leichter Grünstich allerdings kann bei trübem Bernstein schon vorkommen.

Bernstein kann im Gegensatz zu Imitationen aus Kunstharz leicht angezündet werden und zeigt während des Brennens eine helle Flamme, die stark rußt. Dabei duftet er harzig-aromatisch und verläuft an der Flamme zu einer schwarzen, spröde erhärtenden Masse. Der harzige Geruch entsteht, wenn die flüchtigen Bestandteile (z. B. ätherische Öle) des Bernsteins verbrennen. Daher eignet er sich zum Räuchern und wird zum Beispiel in Indien als Weihrauch-Ersatz für sakrale Zwecke verwandt. Photo: [[1]]

Physikalische Eigenschaften

Bernstein hat eine Mohs-Härte von 2–2,5 und ist damit ein recht weiches Material. Daher ist es möglich, mit einer Stecknadel eine Furche in die Oberfläche des „Steins“ zu ritzen. Glas und Stein sind deutlich härter.

Bernstein ist nur wenig schwerer als Wasser. Wegen seiner geringen Dichte (um 1,07) geht er in Süßwasser zwar sofort unter, schwimmt aber in stark salzhaltigem Wasser, zum Beispiel in gesättigter Kochsalzlösung. Diese Eigenschaft erleichtert das Sammeln und Aussortieren ganz wesentlich.

Bernstein hat eigentlich keinen richtigen Schmelzpunkt. Bei 170–200 °C wird er weich und formbar. Bernstein schmilzt oberhalb von 300 °C und zersetzt sich dabei, das heißt er kann nicht wieder zu einem richtigen Bernstein abkühlen. Ein Rückstand dieses Prozesses ist dann Kolophonium.

Bernstein hat einen sehr hohen elektrischen Widerstand und eine sehr niedrige Dielektrizitätskonstante von 2,9 (Naturbernstein) beziehungsweise 2,74 (Pressbernstein). In trockener Umgebung kann er leicht durch Reiben mit textilem Gewebe oder Wolle elektrostatisch aufgeladen werden. Man bezeichnet diese Aufladung auch als Reibungselektrizität. Diese Eigenschaft kann als einfacher und zerstörungsfreier Echtheitstest verwendet werden: Der aufgeladene Bernstein zieht kleine Papierschnipsel, Stofffasern oder Wollfussel an. Dieser Effekt war bereits in der Antike bekannt und wurde durch die Werke von Plinius dem Älteren bis ins Spätmittelalter überliefert. Der englische Naturforscher William Gilbert widmete ihm in seinem 1600 erschienenen Werk De magnete magneticisque corporibus ein eigenes Kapitel und unterschied ihn vom Magnetismus.

Bernstein leuchtet unter UV-Bestrahlung (Wellenlänge 320–380 nm) in unverwittertem oder frisch angeschliffenen Zustand blau und in verwittertem Zustand in einem matten olivgrün. Bernstein glänzt, wenn er feucht oder geschliffen ist, da er mit einer geschlossenen Oberfläche eine hohe Lichtbrechung aufweist. Er lässt bei Schichten bis zu 10mm Dicke Röntgenstrahlung fast ohne Verlust passieren.

Chemische Eigenschaften

Bernstein besteht zu 67–81% aus Kohlenstoff, der Rest besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff sowie manchmal etwas Schwefel (1%). Wurden auch mineralische Bestandteile eingelagert, können auch noch andere Elemente vorkommen. Bernstein ist ein Gemisch aus unterschiedlichen Stoffen und deren Oxidationsprodukten, die in langen Fadenmolekülen gebunden sind. Nachgewiesene lösliche Bestandteile des Bernsteins sind z. B. Abietinsäure, Isopimarsäure, Agathendisäure sowie Sandraracopimarsäure. Der unlösliche Bestandteil des Bernsteins ist Ester, der als Succinin (oder Resen, Sucinoresen) bezeichnet wird. Bisher sind über 70 organische Verbindungen nachgewiesen, die am Aufbau des Baltischen Bernsteins (Succinit) beteiligt sind.

Bernstein ist weitgehend nicht in organischen Lösungsmitteln löslich. Allerdings verwittert er, besonders durch Luftsauerstoff und UV-Einwirkung. Dabei dunkelt er in den äußeren Schichten nach. Bei Trockenheit bilden sich gleichzeitig von der Oberfläche und vorhandenen Hohlräumen ausgehend kleine, fast kreisrunde Risse, die Sonnenflinten, die mit der Zeit zu einer rauen und bröckeligen Oberfläche des Bernsteins führen. Dadurch können auch eventuell vorhandene Einschlüsse zerstört werden.

Naturbernstein reagiert nur an der Oberfläche mit Äther, Aceton und Schwefelsäure. Bei längerer Einwirkungsdauer wird sie matt. Pressbernstein ist weniger widerstandsfähig. Er wird bei längerem Kontakt mit den oben genannten Substanzen teigig und weich. Dasselbe gilt prinzipiell auch für Kopal und Kunstharz, nur dass hier schon ein wesentlich kürzerer Kontakt ausreicht.

Alter und weltweites Vorkommen des Bernsteins

Man unterscheidet nach Ursprungsort, Alter und der produzierenden Pflanze verschiedene Arten von Bernstein.

Die bekannteste Fundregion des Bernstein in Europa ist der gesamte Ostseeraum; insbesondere Orte auf der Samland-Halbinsel (Kaliningrad, Russland) zwischen Frischem und Kurischem Haff, in Polen und den baltischen Republiken sind ergiebig. Der Baltische Bernstein (Succinit) ist vor ca. 65–70 Millionen Jahren aus dem Harz der Bernsteinkiefer entstanden und eignet sich besonders gut zur Schmuckherstellung. Keine andere Bernsteinart wird in annähernd so großer Menge und gleich bleibender Qualität wie der Baltische Bernstein gefunden. Die größten, in Tagebauen erschlossenen Lagerstätten befinden sich bei Jantarny (Palmnicken) an der Bernsteinküste bei Kaliningrad (Königsberg) sowie an den Küsten Litauens und Polens. Aber auch in Mecklenburg-Vorpommern und sogar in Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) wurde zu Zeiten der DDR Baltischer Bernstein systematisch abgebaut. Die Ostsee-Vorkommen erwähnt schon Tacitus in seiner „Germania“. Er spricht vom Volk der „Aesti“, das mit Bernstein handele.

In Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine gibt es ebenfalls Bernsteinvorkommen. Am bekanntesten sind hier der Mährische Bernstein, der Rumänische Bernstein (Rumänit) und der Ukrainische Bernstein, die jeweils ca. 100 Millionen Jahre alt sind.

An der niederländischen, deutschen und dänischen Nordseeküste, im dänischen Jütland (Jütländischer Bernstein), auf den dänischen Inseln sowie an der schwedischen Küste kann Bernstein nach Stürmen von Strandgängern gefunden werden. In Deutschland gibt es auch größere binnenländische Vorkommen in märkischen Gebieten – z. B. im Naturpark Barnim zwischen Berlin und Eberswalde (Brandenburg). Man fand sie in Talsandflächen des nach Thorn ziehenden Urstromtales bei Regulierungen und Kanalbauten. Archäologen vermuten nahe der Grenze zum heutigen Polen ein historisches Handelszentrum.

Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich und Frankreich sind Bernsteinvorkommen bekannt. Bernstein aus den Schweizer Alpen ist ca. 55–200 Millionen Jahre alt, solcher aus Golling ca. 225–231 Millionen Jahre. Der bekannte Sizilianische Bernstein (Simetit) ist hingegen vor 10–20 Millionen Jahren entstanden.

In Afrika findet man Kopal an den Küstenländern Ost- und Westafrikas, vor allem aber auf Madagaskar. Dieser so genannte Madagaskar-Bernstein ist allerdings erst 1.000–10.000 Jahre alt und besteht aus dem erstarrten Harz der Bernsteinpinie. In Nigeria findet sich auch Bernstein, der ca. 60 Millionen Jahre alt ist.

Amerikas bekanntester Bernstein ist der durch seine Klarheit und seinen Reichtum an fossilen Einschlüssen begehrte Dominican Amber aus der Dominikanischen Republik. Er ist vor 35 Millionen Jahren aus dem Laubbaum „El Algorobo“ entstanden.

In Asien findet man Bernstein vor allem im vorderen Orient und in Myanmar (früheres Birma/Burma). Der Libanon-Bernstein ist ca. 130–135 Millionen Jahre und der Burma-Bernstein (Burmit) ca. 50 Millionen Jahre alt.

Bernsteine des australisch-ozeanischen Raums kann man in Neuseeland und auf Borneo (Sawak-Bernstein) finden. Sie sind ca. 20–60, teilweise 70–100 Millionen Jahre alt.

Die ältesten Bernsteine sind sporadisch aus dem Devon bekannt.

Die Entstehung des Baltischen Bernsteins

Der Baltische Bernstein oder Succinit ist der bedeutendste und am besten erforschte Bernstein. Man findet ihn an den Küsten der Ost- und Nordsee und in Samland in der „Blauen Erde“. Der Baltische Bernstein ist im Alt-Tertiär vor ca. 40–50 Millionen Jahren im Gebiet von Mittelschweden/Finnland entstanden. Damals erstreckte sich der so genannte Bernsteinwald in einem breiten Gürtel von Ost nach West bis an die Küste. Deren Verlauf war jedoch anders als heute, so dass das Areal des heutigen Dänemarks, Südschwedens und Norddeutschlands von Wasser bedeckt war, während das heutige Polen und Norwegen durch eine Küstenlinie etwa auf dem Verlauf des heutigen Oder-Flusses verbunden waren. Die Ostsee selbst gab es damals noch nicht. So ist zu erklären, dass der Baltische Bernstein auch an der heutigen Nordseeküste zu finden ist.

Die Ostsee

Der Succinit entstand, indem das Harz aus so genannten Bernsteinkiefern (Pinus succinifera) nach vorheriger Verletzung der Rinde strömte, eintrocknete und erhärtete. Die Kiefernwälder versanken vor ca. 40–50 Millionen Jahren auf Grund von großen Klima- und Standortveränderungen in Sümpfen. Bei ansteigendem Meeresspiegel lockerten Wellen und Strömungen den überfluteten Waldboden auf, spülten das alternde Harz heraus und lagerten es an unterschiedlichen neuen Stellen ab. Große Mengen Bernstein wurden durch eine besonders starke Strömung in eine Bucht transportiert, die sich von der Samlandküste bis westlich von Danzig erstreckt. Er setzte ab und wurde von tonigem Substrat, Sand und Gesteinsschichten bedeckt. Die Sedimente verdichteten sich später zur „Blauen Erde“. Dabei entstand Braunkohle mit darin eingeschlossenem Harz, das sich unter dem Druck und Luftabschluss entwässerte. Dieser Prozess führte zur Oxidation der organischen Kohlenstoffmoleküle. Mit der Zeit bildete sich aus dem Harz so der Bernstein. Auf diese ergiebige Lagerstätte im Ostbaltikum lassen sich letztlich alle Bernsteinfunde Nordeuropas zurückführen, insbesondere aber entlang der „Bernsteinküste“.

Die Verbreitungs- und Fundgebiete des Succinits stehen in Zusammenhang mit den massiven eiszeitlichen Um- und Ablagerungen. Innerhalb der letzten Million Jahre erfuhr der Baltische Bernstein die größten Umlagerungen. Drei Eiszeiten, die Elster-, Saale- und zuletzt die Weichsel-Eiszeit überfuhren das Ostseebecken und das nördliche Mitteleuropa mit ihren Gletschern von Nordosten her und erfassten sowohl Bernsteinablagerungen als auch beispielsweise Ablagerungen aus der Kreidezeit. Erdschollen, Gesteins-, Sand- und Schuttmassen sowie große Steine transportierte das Eis bis nach Dänemark und ins norddeutsche Tiefland. Die meisten Lagerstätten von Bernstein befinden sich in Sedimenten, die vor ca. 40 Millionen Jahren mit Meerwasser in Berührung waren. Selten wird Bernstein in fossilem Waldboden entdeckt.

Bernstein-Einschlüsse: Inklusen

Inhalt

Im erstarrten Harz des Bernsteins finden sich konservierte Lebensformen, die vor Millionen von Jahren auf der Erde in Wäldern gelebt haben:

Datei:Bernstein mit insect.800pix.050203.jpg
Ein Insekt im Bernstein gefangen. Das Stück ist etwa 10 mm lang. In der Vergrößerung kann man die Antennen des Tieres erkennen.

Zum einen findet man Kleintiere oder Teile davon als Einschlüsse: verschiedene Gliederfüßer (Arthropoden), vor allem Insekten wie Fliegen, Mücken, Libellen, Ohrwürmer, Termiten, Heuschrecken, Zikaden und Flöhe, aber auch Asseln, Krebstiere, Spinnen und Würmer sowie vereinzelt Schnecken, Vogelfedern und Haare von Säugetieren, extrem selten sogar einmal eine Eidechse (vgl. hierzu aber auch das Kapitel "Fälschungen und Manipulationen"!).

Zum anderen gibt es eine Vielzahl von pflanzlichen Inklusen: Pilze, Moose und Flechten, aber auch Pflanzenteile, die von Lärchen, Fichten, Tannen, Palmen, Zypressen, Eiben und Eichen stammen. Manchmal werden auch Inklusen mit Wassertropfen oder Lufteinschlüssen entdeckt.

Obwohl die Artenvielfalt in der Zeit, als der Bernstein entstand, relativ groß war, sind Inklusenfunde selten. Nur etwa jedes 500. Bernsteinstück hat einen Einschluss, wobei in den Funden oft nur Fragmente der eingeschlossenen Lebewesen vorliegen. Häufig sind die Inklusen auch beschädigt. Deshalb sind Stücke mit vollständig erhaltenen Zeugnissen des damaligen Lebens wissenschaftlich besonders wertvoll.

Entstehung

Damit Harz zu Bernstein und ein eingeschlossenes Lebewesen oder ein Fremdkörper zur Inkluse wird, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Das Insekt (oder die Pflanze) muss formstabil bleiben, bis das Harz erhärtet ist.
  2. Das Harz darf während des Erhärtens nicht schrumpfen und auch nicht durch später auflastende Gesteine beansprucht werden.
  3. Das Harz muss durch Sonnen- und Hitzeeinwirkung auf natürliche Weise geklärt werden.

Ist das Insekt von nachfließendem Harz umschlossen, beginnt der Abbau der Weichteile in seinem Körperinneren. Dabei treten Muskeln, Drüsen und Körperflüssigkeit durch Körperöffnungen und Körperwandung aus. Deshalb ist die Umgebung der Inklusen häufig milchig-trübe. Mit der Zersetzung der Weichteile setzt bereits die Erhärtung des Harzes ein. Sind diese Prozesse beendet und ist das Harz im Waldboden eingebettet, so wird nach Millionen von Jahren das Harz zu Bernstein und das Insekt zur Inkluse.

Geschichtliche Bedeutung

Der Bernstein hat den Menschen schon immer fasziniert. Er galt in allen bedeutenden Dynastien und zu allen Zeiten als Zeichen von Luxus und Macht.

Steinzeit

Der Bernstein wurde bereits in der Jungsteinzeit verarbeitet und verziert. Schon damals schrieb man ihm legendäre Wirkungen zu. Bereits um ca. 10.000 v.Chr., das heißt zur ausgehenden letzten Eiszeit, wurde er in Nordfriesland zu Anhängern und Perlen verarbeitet. Auch um 8.000–5.500 v.Chr. war er ein besonders begehrter Schmuck, der in Dänemark und dem südlichen Ostseegebiet zur Herstellung von statushebenden Tieramuletten und Schnitzereien mit eingravierten Tiermotiven genutzt wurde. Schamanen nutzen ihn auch als Weihrauch, so dass ihm eine rituelle Bedeutung zukam. Dies änderte sich auch nicht, als aus den Jägern um 3.500–1.500 v.Chr. (Neolithikum) Bauern wurden. Diese begannen nun im großem Maße, Bernstein zu sammeln, zu opfern und ihn zu verstecken (Bernstein-Depotfunde in Jütland). Weiterhin wurde er zu Ketten und Anhängern verarbeitet und den Toten mit in die Gräber gegeben. Die Erbauer der Großsteingräber fertigten die für sie typischen Streitaxt-Nachbildungen aus Bernstein.

Bronzezeit

In der Bronzezeit nahm das Interesse an der Bernsteinverarbeitung zunächst ab, obwohl das Material immer noch eine beliebte Grabbeigabe blieb. Der Collierfund in einem Urnengrab von Ingolstadt, eine opulente Halskette, muss damals von unschätzbarem Wert gewesen sein. Warum das Collier in einem Tonkrug vergraben wurde, ist ungeklärt. Bernstein war neben Salz und Rohmetall (Bronze und Zinn) eines der begehrtesten und wichtigsten Handelsgüter. In Hortfunden und bei Graböffnungen taucht er regelmäßig auf. Durch ihn sind auch weitreichende Handelsbeziehungen nachgewiesen wurden. Zwei breite Goldringe, in die je eine Bernsteinscheibe eingelassen war, fanden sich in Südengland (Zinnvorkommen), und ein beinahe identisches Exemplar ist aus der griechischen Bronzezeitmetropole Mykene bekannt (Blütezeit im 12. Jh. v.Chr.). Auch in einem frühbronzezeitlichen (um 1700 v.Chr.) Hortfund von Dieskau (Landkreis Saalkreis) befand sich eine Kette aus Bernsteinperlen.

Eisenzeit

In der Eisenzeit gewann Bernstein durch die Wertschätzung der Phönizier, Mykenier, Skythen, Ägypter, Balten und Slawen als „Tränen der Sonne“ beziehungsweise „Tränen oder Harn der Götter“ wieder an Bedeutung. Später hielt man ihn für das „Harn des Luchses“, „versteinerten Honig“ oder „erstarrtes Erdöl“. Die Griechen schätzten den Bernstein als Edelstein, den sie als Tauschmittel für Luxusgüter aller Art nutzten, wie bei Homer erwähnt und beschrieben. Die Römer nutzten ihn als Tauschmittel und für Gravuren. Zur Zeit der Wikinger war er wieder ein begehrtes Material, das als Räucherwerk benutzt oder kunstvoll verarbeitet wurde. Aus dieser Zeit sind beispielsweise Funde von Perlen für gemischte Ketten, Spinnwirtel, Spielbrettfiguren und Würfel aus Bernstein bekannt.

Griechisch-römische Antike

In der griechisch-römischen Antike wurde erkannt, dass Bernstein sich elektrostatisch aufladen kann. Der griechische Philosoph Aristoteles berichtet darüber. Außerdem soll er mit Pytheas von Massila um 334 v.Chr. die so genannten Bernsteininseln aufgesucht haben (gemeint sind wohl die West-, Ost- und Nordfriesischen Inseln in der Nordsee). Man nennt diese Inseln auch die Elektriden. Die Römer Tacitus und Plinius der Ältere schrieben auch über den Bernstein sowie seine Herkunft und seinen Handel. Kaiser Nero soll Bernstein in großen Mengen zu Repräsentationszwecken genutzt haben. Im Rom der Kaiserzeit trieb nicht nur der Kaiser, sondern auch das Volk mit dem Bernstein einen verschwenderischen Luxus. Man trank aus Bernsteingefäßen, er zierte alles, was von Wert war, und wohlhabende Frauen färbten ihr Haar bernsteinfarben. Plinius der Jüngere soll sich darüber geärgert haben, „dass ein kleines Figürchen aus Bernstein teurer als ein Sklave sei“. In der römischen Antike wurde zudem der Handel mit samländischem Bernstein erschlossen.

Mittelalter

Im Mittelalter und für katholische Gebiete auch danach wurde der Bernstein hauptsächlich zur Herstellung von Rosenkranz-Gebetsketten genutzt. Da er so beliebt war und man damit viel verdienen konnte, stellten Kaufleute und Feudalherren die Gewinnung und Veräußerung allen Bernstein Ost- und Westpreußens bald unter Hoheitsrecht. Als ein Verstoß gegen dieses so genannte „Bernsteinregal“ konnte das Sammeln und der Verkauf von Bernstein auf eigene Rechnung mit dem Tod bestraft werden. Die Küstenbewohner hatten die Pflicht, unter der Bewachung durch Vögte Bernstein zu sammeln und abzuliefern. Dabei mussten Frauen, Kinder und alte Leute täglich bei Wind und Wetter an den Strand. Erfüllten sie ihr festgesetztes hohes Soll nicht, hatten sie mit bösen Folgen zu rechnen.

Der Deutsche Orden sicherte sich später das gesetzliche Recht auf den alleinigen Handel mit Bernstein, welches ihm seinen Reichtum einbrachte. Aus den wertvollsten Bernsteinstücken fertigten sie vor allem in den Werkstätten Königsbergs und Danzigs künstlerische Gegenstände. Das „Bernsteinregal“ verpachtete der Deutsche Orden zunächst an die jeweiligen Landesherren, auf die es 1525 überging. Wiederum wurden die Küstenbewohner zum Sammeln von Bernstein angetrieben. Da die Fischer im Tausch gegen Bernstein das dringend benötigte Salz erhielten, lieferten sie viel ab und sammelten täglich. In abgemilderter Form galt das Gesetz bis 1945.

Neuzeit

In der Neuzeit wurde Bernstein nach alter Tradition zu Schmuck verarbeitet, aber auch für Schatullen, Spielsteine und -bretter, Intarsien, Pfeifenmundstücke und andere repräsentative Sachen verwendet.

Im 16. und 17. Jahrhundert nutzten die preußischen Herrscher den Bernstein für Repräsentationszwecke und ließen verschiedene Zier- und Gebrauchsgegenstände daraus fertigen. Der preußische Hof gab hunderte von Bernsteinkunstgegenständen in Auftrag, vor allem Pokale, Dosen, Konfektschalen und Degengriffe, die als Hochzeits- und Diplomatengeschenke in viele Kunstsammlungen europäischer Fürsten- und Herrscherhäuser gelangten. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten größeren Bernsteinmöbel.

Rekonstruiertes Bernsteinzimmer

Im 18. Jahrhundert ließ der preußische König Friedrich I. das Bernsteinzimmer für sein Charlottenburger Schloss in Berlin fertigen, das 1712 fertig gestellt wurde. 1716 verschenkte er es an den russischen Zaren Peter den Großen. Später wurde es in den Katharinenpalast bei St. Petersburg eingebaut, im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen geraubt und nach Königsberg gebracht, wo es 1945 wahrscheinlich verbrannte. Es gibt allerdings Gerüchte, wonach das Bernsteinzimmer noch immer in unterirdischen Stollen eingelagert sein soll. Durch den Fortschritt der Naturwissenschaften wurde erkannt, dass der Bernstein als fossiles Harz nicht mystischen, sondern natürlichen Ursprungs ist. Deswegen ging das höfische Interesse am Bernstein nach 1750 zurück.

Bis ins 19. Jahrhundert wurde der Bernstein hauptsächlich durch Strandlese gewonnen. Im Jahre 1837 überließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. die gesamte Bernsteinnutzung von Danzig bis Memel gegen die Summe von 30.000 Mark den Gemeinden des Samlandes. Um 1890 begann man dort die großtechnische Gewinnung des Bernsteins, so dass das Rohmaterial günstig auf den Markt kam und der Schmuck daraus für alle Bevölkerungsschichten erschwinglich war. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Bernsteins Bestandteil der Volkskunst. In manchen Regionen Europas gehörten facettierte Bernsteinketten zur Hochzeitstracht der Bauern.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts wird Bernstein vor allem von Russland, Estland, Lettland und Litauen (bzw. der späteren Sowjetunion) exportiert. Um 1970 senkte die Sowjetunion die Jahreslieferung von zehn Tonnen auf eine herunter. Der Hauptabnehmer der Importware, der ostdeutsche „VEB Ostseeschmuck“, forderte daraufhin die Bürger der DDR durch Zeitungsanzeigen auf, Bernstein nach Ribnitz-Damgarten zu schicken. Die meisten Zusendungen kamen von Bitterfelder Bergleuten, und so beauftragte der Betrieb Geologen, den Braunkohletagebau Bitterfeld zu untersuchen. Da sie fündig wurden, wurde Bitterfeld zum Bernsteintagebau.

In der chemischen Industrie wird Bernstein im 20. und 21. Jahrhundert für die Herstellung von Lacken und Ölen verwendet. Pressbernstein eignet sich für die industrielle Weiterverarbeitung von Gebrauchsgegenständen und als Isolator, da sein elektrischer Widerstand größer als der von Porzellan ist.

Handelswege

Bereits zur Steinzeit war der Baltische Bernstein ein wertvolles Tauschobjekt und Handelsgut, das südwärts gelangte. Im griechischen Mykene fand man Schmuck aus importierten Bernstein. Die Handelswege des Bernsteins nennt man Bernsteinstraße. Sie verlaufen bündelförmig nach Süden zum Mittelmeer:

  • nach Aquileia: Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) berichtet, dass Bernstein von der Ostseeküste nach Aquileia gebracht worden sei. Die bereits in der Urgeschichte bedeutsame Bernsteinstraße folgt in Niederösterreich der March, überquert bei Carnuntum östlich Wiens die Donau und führt über Slowenien an die Adria. Südlich der Donau wurde sie als wichtige Verkehrsroute schon um die Zeitenwende von den Römern ausgebaut.
  • ins westliche Mittelmeer: auf verschiedenen Routen von Hamburg nach Marseille.

Abbau, Förderung und Handel

Jährlich werden ca. 700–900 Tonnen Bernstein im Tagebau gefördert. Davon ist jedoch nur ein Bruchteil zur Schmuckfertigung geeignet. Die meisten Fundstücke sind so klein wie Kieselsteine. Die beiden größten Bernsteine, die 1922 und 1970 in Schweden gefunden wurden, wiegen je etwa 1,8 kg. Sieben andere Stücke, die bis 1968 aufgesammelt wurden, haben ein Gewicht zwischen 0,8 und 1,2 kg. Der weltweit größte bisher geborgene Bernsteinstück wurde von einem schwedischen Hummerfischer aus dem Meer geholt und besaß zum Zeitpunkt des Fundes eine Masse von 10,478 kg. Da man etwas davon abgeschlagen hat, wiegt es nun noch 8,868 kg.

Von 1974 bis 1993 war das sachsen-anhaltinische Bitterfeld ein wichtiges Abbaugebiet. Als die Sowjetunion in den 1970er Jahren ihre jährlichen Exporte drastisch senkte, gab dies den Anlass dazu, im Bitterfelder Tagebau den Bernstein zunächst mit Schürfharke und Schaufel, ab 1976 mit Löffelbaggern und einer Förderanlage mechanisch abzubauen. In den 1990er Jahren wurde die Grube geflutet und die bernsteinträchtigen Schichten verschüttet.

Bis 2002 war der Hauptfundort die große Grube von Palmnicken bei Kaliningrad (Königsberg), das durch seine großen im Tagebau zugänglichen Bernsteinvorkommen bekannt wurde. Nach der Erschöpfung der Vorkommen in Schwarzort wurde 1827 bei Palmnicken das weltweit wohl einzige Bernsteinwerk durch die Firma „Stantien & Becker“ eingerichtet. Palmnicken wurde angelehnt an das russische Wort für Bernstein, jantar, in Jantarny umbenannt, nachdem es nach dem Zweiten Weltkrieg Teil der Sowjetunion geworden war. In Jantarny wurde der Succinit aus der „Blauen Erde“ gefördert.

Die „Blaue Erde“ ist eine mehrere Meter dicke, graugrüne Sedimentschicht, die Glaukonit und den Baltischen Bernstein enthält. An manchen Stellen enthält ein Kubikmeter zwei bis drei Kilogramm Bernstein. Das Vorkommen erstreckt sich großflächig an der Küste bis in 10 m und im Binnenland bis in 30 m Tiefe. Nachdem der Abraum über der „Blauen Erde“ abgetragen wurde, schrappte ein Bagger mit großer Schaufel eine Tonne Erde von der Wand ab und lud sie hinter sich ab. Dann wurde das Substrat mit Wasser aufgeschwemmt. Als nächstes wurde die schlammige Masse von großen Pumpen über kilometerlange Rohre ins Kombinat befördert. Dort siebte man den Bernstein heraus und führte ihn der weiteren Verwendung zu. Der verschlämmte Abraum floss über ein Rohrsystem in die Ostsee.

Nachdem durch den russischen Zoll große Mengen Diebes- und Schmuggelware (ca. 900–1000 kg Rohbernstein und bis zu 6000 Stück Fertigerzeugnisse innerhalb von zwei Jahren) beschlagnahmt worden waren, deren Spuren in das Bernsteinkombinat Jantarny zurückverfolgt werden konnten, erhöhte man die Sicherheitsvorkehrungen an der Palmnickengrube, die 90% der jährlichen Weltlieferung förderte. Schließlich gab man sie im Jahr 2002 auf und flutete den Tagebau.

Die Schließung des Bernsteinabbaus in Jantarny hat für den Handel zur Folge, dass die Bernsteinpreise seitdem steigen. Da man in den letzten Jahren den Bernstein sogleich verkauft und nicht gehortet hat, ist ein Engpass entstanden. Auf der Bernsteinmesse „amberif“ in Danzig gab es zuletzt nur wenige gute Inklusen zu kaufen. Prognosen zufolge soll es in den nächsten Jahren einen Mangel an Bernstein im Angebot geben, der die Preise in großem Maße steigen lassen soll, auch wenn es weiterhin Gerüchte über neu eröffnete Gruben in der Exklave Kaliningrad gibt.

Da Polen in der Antike an der Bernsteinstraße lag, war das Material dort schon immer ein wertvoller Rohstoff, der besonders im 2. Jahrhundert gehandelt wurde. Auch in heutiger Zeit ist Polen ein wichtiger Bernsteinlieferant, dessen Vorräte auf 12.000 t geschätzt werden. Der polnische Bernstein stammt hauptsächlich aus Mozdzanowo, wo er in vielen unterschiedlichen Farbtönen gefunden wird. 60% der Fundstücke sind durchsichtig. Auch an der Verbindungsstelle zur Halbinsel Hela findet sich Bernstein in 130 m Tiefe. Kürzlich wurden auf der Lubliner Hochebene Vorkommen entdeckt. Damit vergrößert sich wieder das Bernsteinangebot.

Der meiste Rohbernstein wird zu Pressbernstein verarbeitet, aus dem die Industrie dann Isolatoren, Holzlack und Kolophonium herstellt. Ein Kleinteil gelangt ins Schmuckgewerbe, in dem Fälschungen gang und gäbe sind.

Legendäre Heilkräfte und Schutzzauber

Bernstein wird seit alter Zeit als Heilmittel eingesetzt. So schreibt Plinius der Ältere in seiner Naturalis historia, dass auf der Haut getragene Bernsteinamulette vor Fieber schützen. Der Glaube an die „Kraft des Steins“ findet sich auch in magischen Vorstellungen der Neuzeit wieder - etwa, wenn empfohlen wird, Ehefrauen nachts Bernstein auf die Brust zu legen, um sie so zum Gestehen schlechter Taten zu bringen. Im Volksaberglauben gilt Bernstein als Schutz vor bösem Zauber und soll Dämonen, Hexen und Trolle vertreiben.

Zermahlener Bernstein wurde innerlich gegen verschiedene Krankheiten eingesetzt, so u. a. bei Nieren-, Gallen-, Leberkrankheiten, bei Problemen im Magenbereich und des Verdauungssystems. Daneben nutzte man ihn als Räuchermittel. Ab dem 19. Jahrhundert wurde das aus Bernstein gewonnene Bernsteinöl zum Einreiben bei Rheuma verwendet.

In der Esoterik gilt Bernstein bis heute als „Heil- und Schutzstein“, der Ängste nehmen und Lebensfreude schenken soll. Um seine volle Wirkung zu entfalten, soll er lange ohne Unterbrechung auf der Haut getragen werden.

Verarbeitung und Pflege von Bernstein

Bernstein wurde schon in der Steinzeit bearbeitet. Jeder kann dies ohne großen maschinellen Aufwand bewerkstelligen.

Werkzeug

Zur Bearbeitung von Bernstein wird Nass-Schleifpapier mit Körnungen von 80 bis 1000 gebraucht sowie Nadelfeilen mit Hub 1 und 2, Schlämmkreide (Alternative: Zahnpasta), Brennspiritus, Wasser, Leinen- bzw. Baumwolllappen, Fensterleder (Ledertuch), eine kleine Bohrmaschine und Spiralbohrer (max. 1 mm), eine mittelstarke Laubsäge (zum Zerschneiden großer Bernsteinstücke) und eine Angelsehne (zum Auffädeln einer Kette). Im Umgang mit den Geräten ist Vorsicht geboten.

Verarbeitungsprozess

Im ersten Schritt wird der Bernstein gefeilt und poliert. Dabei wird die unerwünschte Verwitterungskruste mit der Nadelfeile oder Nass-Schleifpapier der Körnung 80 bis 120 entfernt. Zum Aufbau des Schliffs werden mit dem Bernstein oder dem Schleifpapier kreisende Bewegungen ausgeführt. Dabei wird die Körnung stufenweise bis 1000 erhöht. Diese Bearbeitung erfordert etwas Geduld, da die gröberen Schleifspuren des vorherigen Schleifpapiers glatt geschliffen sein müssen, bevor die nächst feinere Körnung benutzt werden kann. Zudem sollte der Bernstein vor jedem Wechsel des Schleifpapiers gründlich mit Wasser abgespült werden, um ihn nicht zu überhitzen (dadurch kann eine klebrige Oberfläche entstehen) und um Kratzer zu vermeiden.

Im zweiten Schritt wird der Bernstein der Politur, dem letzten Arbeitsgang beim Schleifen, unterzogen. Dazu wird ein Leinen- bzw. Baumwolltuch mit Spiritus angefeuchtet und mit Schlämmkreide bestrichen. Mit dem so präparierten Tuch wird der Bernstein in kreisenden Bewegungen poliert und anschließend unter Wasser ausgewaschen. Zum Schluss wird der Bernstein mit einem Fensterleder nachpoliert.

Im dritten Schritt wird in den Bernstein, falls gewünscht, ein Loch gebohrt. Der Bohrer wird in eine elektrische Handbohrmaschine eingespannt. Die verwendete Drehzahl sollte niedrig sein, und eine gewisse Übung in der Handhabung von Bohrern ist nicht nur aus Sicherheitsgründen von Vorteil. Der Bohrer darf nicht verkannten oder mit großem Druck durch den Bernstein getrieben werden, da Bernstein sehr druckempfindlich ist und damit die Bruchgefahr sehr groß. Sollte der Bernstein doch einmal brechen, hilft ein handelsüblicher Sekundenkleber.

Matte, wenig glänzende, stumpfe oder ältere Bernsteine bekommen mit etwas Möbelwachs einen schönen Glanz.

(Wikipedia übernimmt keine Haftung für Unfälle. Das Befolgen dieser Anleitung erfolgt auf eigene Gefahr.)

Pflege

Bernstein sollte regelmäßig unter fließend warmem Wasser gespült und nicht in die Sonne gelegt werden, da er schnell brüchig wird. Außerdem sollte man ihn vor Seife und Putzmitteln schützen, da ihn diese zerstören.

Fälschungen, Manipulationen und Legenden

Fälschungen und Manipulationen

Schon im 18. Jahrhundert wurden Bernsteineinschlüsse gefälscht. Man versuchte damals, Tiere wie Frösche oder Eidechsen als Inklusen im Bernstein unterzubringen, eine Praxis, die auch heutzutage noch gang und gäbe ist.

Bisweilen wird auch der Bernstein selbst gefälscht. Abgesehen von ihrem Brenngeruch und ihrer geringen Härte bzw. Dichte sind manche Bernsteinsorten nur schwer von entsprechend gefärbten Kunststoffen zu unterscheiden. Häufig werden auch Mischungen von Bernstein und Kunstharzen als Bernstein angeboten. Sie sind jedoch durch die deutlich abgesetzten, eingegossenen Bernsteinstücke leicht zu erkennen.

Zum Prüfen, ob es sich bei einem Bernstein um ein Original oder ein Imitat handelt, kann eine glühende Nadel verwendet werden. Diese hält man an den Stein und zieht sie mit etwas Druck darüber. Bildet sich eine Rille und wird der Stein schmierig bzw. riecht er harzig, während die Nadel an einer Stelle bleibt, ist es Bernstein. Andernfalls ist es ein Imitat.

Künstlich geklärte Bernsteine sind keine Seltenheit. Dabei werden trübe Naturbernsteine (95% der Naturbernsteine) über mehrere Tage langsam in Rüb- oder Leinsamenöl erwärmt, um sie zu klären. Durch geschickte Temperaturregelung während des Klärungsprozesses können auch Sonnenflinten, Sonnensprünge und Blitzer, die in Naturbernsteinen äußerst selten vorkommen, gezielt hergestellt werden. Oft wird auch ein hohes Alter des Steins vorgetäuscht. Beim so genannten Antikisieren wird das Material in einem elektrischen Ofen in gereinigtem Sand mehrere Stunden auf 100 °C erhitzt, um einen warmen Braunton zu erzeugen. Alle diese Manipulationen sind leider nur schwer nachzuweisen.

Bernstein wird oft mit durchscheinendem gelbem Feuerstein verwechselt, dessen Oberfläche auch glänzt. Aber im Gegensatz zum leichten und warmen Bernstein ist Feuerstein kalt und härter als Glas. Um selbst gefundene Bernsteine von Feuerstein zu unterscheiden (bei kleineren Splittern ist das Gewicht nicht ohne weiteres zu bestimmen), kann man den Stein vorsichtig gegen einen Zahn schlagen. Gibt dies einen weichen Ton, wie er zum Beispiel entsteht, wenn man mit dem Fingernagel gegen den Zahn schlägt, so ist es kein Feuerstein.

Legenden

Es entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft, dass aus der DNA einer inkludierten Mücke, die Dinosaurierblut aufgenommen hat, mit Hilfe der Gentechnik ein lebendiger Dinosaurier erzeugt werden kann. Dies war die grundlegende Idee des Buches Jurassic Park von Michael Crichton.

Falsch ist auch die Behauptung, es gäbe Einschlüsse von Meereslebewesen im Bernstein. Es handelt sich bei den eingeschlossenen Lebewesen ausschließlich um Landbewohner (70% aller Inklusen) und Süßwasserlebewesen (30%) der Bernsteinwaldgebiete.

Literatur

  • Wilfried Wichard, Wolfgang Weitschat: Im Bernsteinwald. Gerstenberg, ISBN 3-8067-2551-9
  • Wilfried Wichard, Wolfgang Weitschat: Atlas der Pflanzen und Tiere im Baltischen Bernstein. ISBN 3-931516-94-6
  • Jens Grzonkowski: Bernstein. Hamburg: Ellert&Richter 1996, ISBN 3-89234-633-X
  • Sylvia Botheroyd,Paul F.Botheroyd, Das Bernstein-Buch. Atmosphären, ISBN 386533010X
  • Jörg Wunderlich: Fossile Spinnen in Bernstein und Kopal. 2 Bände, Herausgegeben von J. Wunderlich, joergwunderlich@t-online.de - Nur beim Verfasser erhältlich.
  • Wilfried Wichard, Wolfgang Weitschat: Atlas of Plants and Animals in Baltic Amber: ausführlicher als deutsche Ausgabe (siehe oben), ISBN 3-931516-45-8
  • Jens Wilhelm Janzen: Arthropods in Baltic Amber. ISBN 3-932795-14-8
  • J. M. de Navarro: Prehistoric Routes between Northern Europe and Italy defined by the Amber Trade. The Geographical Journal, Vol. 66, No. 6 (Dec., 1925), 481-503

Weblinks

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