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Islamische Expansion

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Dieser Artikel behandelt die Eroberungspolitik der Araber von der Mitte der 630er Jahre an und die weitere Ausdehnung des Islam bis ins 8. Jahrhundert hinein. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf der militärischen Expansion. Die wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung wird im Artikel "Blütezeit des Islam" dargestellt. Die theologische und religiöse Entwicklung findet sich im Artikel "Geschichte der Theologie des Islam".

Ausgangslage

Bis zum Tod des Propheten Muhammad 632 erstreckte sich der islamische Machtbereich im Wesentlichen auf die arabische Halbinsel. Allerdings waren die Randgebiete der beiden großen Nachbarn der Araber nicht integriert: Byzanz/Ostrom und das Persien der Sassaniden.

Diese beiden Großmächte der Spätantike hatten sich bei ihrer Grenzverteidigung auf arabische Stämme verlassen. Doch hatte der sassanidische Großkönig Chosrau II. das Reich der Lachmiden, deren Hauptstadt Hira im heutigen Südirak lag, bereits um 602 vernichtet. Die Oströmer stützten sich auf die christlichen Ghassaniden, die südlich von Damaskus herrschten. Doch waren sowohl Byzanz als auch vor allem Persien von einem langen Krieg erschöpft, den sich beide bis 629 geliefert hatten, siehe dazu Herakleios. Kurz vor dem Tod des Kaisers Herakleios (641), der die Sassaniden besiegt und so Byzanz noch einmal gerettet hatte, sollte die Hauptphase der arabisch-islamischen Expansion beginnen.

Phasen der islamischen Expansion

Die arabische Eroberung byzantinischer Territorien im Vorderen Orient und Nordafrika

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Islamische Expansion

Bereits 629 war ein arabisch-islamisches Heer in Palästina eingefallen, jedoch von oströmischen und christlich-arabischen Verbänden geschlagen worden. Im Herbst 633 rückte nun wieder eine starke Armee nach Palästina und Syrien vor. Sie konnte kleinere oströmische Verbände schlagen, kam aber insgesamt nur schwer voran. Tatsächlich leisteten die oströmischen Truppen zum Teil erbitterten Widerstand. So forderte der Kalif Abu Bakr beim Kommandeur der Truppen im Südirak, al-Walid, dringend Verstärkung an:
Beeilt euch! Beeilt euch! Denn bei Gott, die Eroberung eines Dorfes in Syrien kommt mich teurer zu stehen als eine ganze Provinz im Irak. (zitiert nach Berthold Rubin, Propyläen Weltgeschichte, Bd. 5, S. 185)

Mit Hilfe der angeforderten Verstärkung wurde der oströmische Widerstand nun gebrochen. Kaiser Herakleios, der nicht mit einem Angriff von solcher Wucht aus der Wüste gerechnet hatte, sandte entschlossen stärkere Truppen nach Syrien, die jedoch Mitte 634 südwestlich von Jerusalem geschlagen wurden.

Die Araber eroberten Damaskus, dessen Bevölkerung jedoch geschont wurde. Der Kapitulationsvertrag der Stadt sollte Modellcharakter erhalten, wonach die Bevölkerung die Kopfsteuer (dschizya) zu entrichten hatte, aber ansonsten weitgehend ungestört blieb.

Am 20. August 636 fand die schicksalshafte Schlacht am Jarmuk im heutigen Jordanien statt. Die oströmischen Truppen waren zwar in der Überzahl, jedoch auch erschöpft vom Marsch und taktisch unterlegen. Die Überlegenheit der arabischen schnellen leichten Reiterei, die Streitigkeiten im kaiserlichen Oberkommando und topographische Nachteile bewirkten, dass die Oströmer vernichtend geschlagen wurden, womit das bislang christlich bestimmte Schicksal Syriens und Palästinas besiegelt war. Herakleios, der nur Jahre vorher mit Mühe die Perser abgewehrt hatte, sah sein Lebenswerk zusammenbrechen und verließ Antiochia, bevor auch diese Stadt an die Araber fiel.

638 kapitulierte das isolierte Jerusalem zu günstigen Bedingungen, während die Hafenstadt Caesarea Maritima sich dank der Flotte noch bis 640 halten konnte. Den Arabern stand nun keine Feldarmee mehr im Weg, so dass sie nach Ägypten vorstießen, wo sie im Juli 640 die Oströmer in der Nähe des heutigen Kairo schlugen. Alexandria, die Weltstadt des Hellenismus, fiel endgültig 642 in ihre Hände. Nachdem der organisierte militärische Widerstand der kaiserlichen Truppen gebrochen war, arrangierte sich der größte Teil der Zivilbevölkerung in Syrien und Ägypten mit den Arabern - dies umso eher, als die dortigen Christen zumeist Monophysiten waren und sich im Dauerstreit mit den orthodoxen Kaisern befunden hatten.

Im Norden überrannten die Araber Armenien bis in die 650er Jahre, während in Kleinasien die Gebirgskette des Taurus ein schnelles Vordringen verhinderte. Die Oströmer nutzten hier erfolgreich eine Taktik der verbrannten Erde und wichen einer erneuten Feldschlacht aus, so dass Kleinasien letztlich gehalten werden konnte.

In Nordafrika kämpften sich die Araber bis nach Marokko vor. Das oströmische Karthago vermochte sich jedoch bis 697/698 zu halten, denn auch die Berber bekämpften die Araber, wie sie zuvor die Römer bekämpft hatten. Doch für Byzanz blieb entscheidend, dass das Imperium mit den vorderorientalischen Besitzungen zwei Drittel seines Territoriums und gut die Hälfte der Bevölkerung verloren hatte.

Byzanz brauchte Jahrhunderte, um sich von diesem Schock zu erholen und wieder in die Offensive zu gehen. Doch blieb der Verlust nordafrikanischer Territorien wie auch von großen Teilen Syriens und Palästinas endgültig; er besiegelte das Ende der spätantiken Phase des Reiches, das in der Folge administrativ, militärisch und strukturell einen massiven Wandel durchlief.

Zahlreiche Flüchtlinge strömten jedoch in die byzantinischen Gebiete und stärkten somit langfristig gesehen das Kaiserreich, das nun gänzlich seinen lateinisch-römischen Charakter verlor und sich zum griechisch-byzantinischen Reich des Mittelalters wandelte.

Das Ende des sassanidischen Persiens

Etwa gleichzeitig mit der Invasion der römischen Besitzungen begann auch die Eroberung des sassanidischen Reichs, das seit über 400 Jahren neben den Römern die wichtigste Macht in der Region gewesen war. In Mesopotamien kamen die Araber schnell voran, da der Puffer durch die persischen Vasallenstämme nach dem Ende der Lachmiden weggefallen war. Besonders die Macht- und Bruderkämpfe der Sassaniden nach dem verlorenen Krieg gegen Herakleios schwächten ihr Widerstandsvermögen. Zwischen 628 und 633 regierten 14 verschiedene Herrscher, darunter zwei Frauen. Erst 633 war wieder innere Ruhe eingekehrt; der neue Großkönig verweigerte den Arabern den geforderten Tribut und bereitete die Verteidigung vor.

Bei Qadisija im Südirak kam es 636 zur Schlacht (nach anderen Quellen 637). Der sassanidische "Reichsfeldherr" Rostam kam dabei ums Leben, und den Arabern fiel das reiche Mesopotamien samt der sassanidischen Hauptstadt Ktesiphon in die Hände. Der schnelle Zusammenbruch der sassanidischen Grenzverteidigung im Zweistromland war auch durch die Reformen bedingt, die Chosrau I. im 6. Jahrhundert durchgeführt hatte. Demnach stand immer nur eine Grenzarmee eventuellen Angreifern gegenüber, während in der Tiefe keine weiteren Truppen gestaffelt waren.

Die weiteren Abwehrmaßnahmen der Perser verliefen zunächst unkoordiniert, später verstärkte sich der Widerstand. Besonders im persischen Kernland kamen die Araber anfangs nur langsam voran. 642 entschied sich jedoch das Schicksal der Sassaniden. Bei Nihawend, südlich des heutigen Hamadan im Iran, kam es zur Entscheidungsschlacht. Die Perser waren wohl in der Überzahl, allerdings sind Zahlen von 150.000 Mann oder mehr eher dem Bestreben arabischer Chronisten zuzuschreiben, den Sieg noch glorreicher erscheinen zu lassen; dazu hatten die Perser nach den langen Kriegen auch nicht mehr die Mittel. Zunächst schienen die Perser zu siegen, doch wurden sie von den Arabern aus ihrer Position gelockt und niedergemacht. Die schwergepanzerte sassanidische Kavallerie konnte gegen die leichte, schnell operierende arabische Reiterei nichts ausrichten. Die Perser unterlagen, und damit stand auch das iranische Hochplateau den Invasoren offen. Der letzte Sassanide Yazdegerd III. zog sich in den äußersten Nordosten nach Merw zurück.

Der organisierte Widerstand brach bald zusammen, die persischen Adligen verständigten sich offenbar mit den Invasoren, auch wenn es in der Bevölkerung immer wieder zu Aufständen kam und die Araber teils als "Teufel" bezeichnet wurden. 651 wurde Yazdegerd III. von einem Untergebenen getötet - noch Jahrhunderte später trugen seine Nachfahren aufgrund dieser Tat den Beinamen "Königsmörder". Versuche seines ältesten Sohnes Peroz scheiterten, die Macht mit chinesischer Hilfe wieder zu erringen; er starb im Fernen Osten am Hof der T'ang-Kaiser. Das Sassanidenreich und damit die letzte Reichsbildung des Alten Orients verschwand so von der Bühne der Weltgeschichte, auch wenn die sassanidische Kultur einen Nachhall im Kalifat der Abbasiden fand und somit den staatlichen Untergang überdauerte.

Das arabische Ausgreifen nach Europa und Zentralasien

Die Araber versuchten sich unter dem Kalifen Umar Ibn al-Chattab als Seemacht und trafen damit den Lebensnerv von Byzanz. Eine neue Eroberungswelle folgte. Zypern und Rhodos gingen verloren, 654/55 besiegten Araber die Byzantiner bei mehreren Seegefechten.

Zweimal, 674 bis 678 und 717/18, belagerten sie Konstantinopel, ohne dass ihnen freilich die Einnahme gelang. Damit war der arabisch-islamische Vorstoß im Nordwesten beendet, da auch die Ressourcen bei weitem überstrapaziert waren. Besonders die innerarabischen Bürgerkriege sorgten denn auch dafür, dass der Osten des Iran und Teile der palästinensischen Küste sowie Zypern zeitweilig der Kontrolle des Kalifats entglitten.

Im Westen gelang dagegen die Eroberung der nordafrikanischen Küstenlinie, und 711 landeten arabische Truppen unter dem muslimischen Berber (Mauren) Tariq Ibn Ziyad bei Gibraltar (Berg des Tariq) in Spanien. Die Westgoten wurden im Juli 711 bei Xeres de la Frontera geschlagen. 725 war Spanien gefallen, von westgotischen Enklaven im Norden (Königreich von Asturien) abgesehen. Ein arabischer Vorstoß in das Frankenreich wurde durch Karl Martell 732 in der Schlacht bei Tours und Poitiers gestoppt, jedoch wurde ein Landstrich um Narbonne bis 759 gehalten.

Im Osten erreichen die Araber bis 712 die Grenzen Chinas und Indiens. In Transoxanien gelang der Sprung in die türkischen Besitzungen und deren langsame und folgenschwere Islamisierung. Bald unternahmen die Araber auch erste Vorstöße nach Sindh. 751 besiegten die Araber schließlich in der Schlacht am Talas ein chinesisches Heer. In Folge dessen wurde der chinesische Einfluss in Zentralasien zu Gunsten des arabisch-islamischen zurückgedrängt.

Damit kam auch die erste große und entscheidende Phase der arabisch-islamischen Expansion zum Stillstand, auch wenn im 9. Jahrhundert noch die Invasion Siziliens erfolgte und die Araber, bedingt durch ihre vorläufige Seeherrschaft, im Mittelmeer jahrzehntelang fast ungestört operieren konnten, bevor Byzanz wieder in die Offensive ging und es damit zu einer faktischen Pattsituation im östlichen Mittelmeerraum kam, während im Westen der islamische Einfluss Stück für Stück zurückgedrängt werden konnte, siehe die Reconquista und die Eroberung des arabischen Siziliens im 11. Jahrhundert.

Administrative Maßnahmen der Araber in den eroberten Gebieten

In Syrien teilten die Araber das Land nach byzantinischem Vorbild in vier Verwaltungsregionen auf. Es wurden auch griechischsprachige Verwaltungsbeamte übernommen, was zur Folge hatte, dass Griechisch und Persisch (im ehemaligen Sassanidenreich) als Verwaltungssprache erst im 8. Jahrhundert langsam zurückgedrängt wurden. Anhänger der Buchreligionen mussten eine spezielle Kopfsteuer (Zakat) entrichten, durften ihren Glauben nicht in der Öffentlichkeit ausüben und keine Waffen tragen. Doch wurde ihr Glaube ansonsten toleriert. Erst später kam es zu Ausschreitungen von Seiten der Moslems; auch die Steuerbelastungen nahmen später zu.

Die Araber gründeten auch neue Städte (Kufa, Basra, Fustat, Kairouan, Fès), welche die Funktion von bedeutenden Verwaltungs- und Kulturzentren übernahmen.

Gründe für den Fall Persiens und für die byzantinischen Gebietsverluste

Die Gründe für dieses nahezu einmalige historische Phänomen werden in der Forschung immer noch diskutiert: es ist höchstens mit dem Alexanderzug und den mongolischen Eroberungen vergleichbar, wenn auch nur entfernt.

Tatsache ist, dass Byzanz und Persien vom langen Krieg erschöpft waren. Seit 540 hatte es nur gut 20 Jahre lang Frieden zwischen den beiden Mächten gegeben, im letzten Krieg hatten die Sassaniden Byzanz an den Rand des Untergangs gebracht. Zudem hatte man wohl nicht mit einer derartigen religiösen Energie gerechnet, geschweige denn mit einer derartigen Invasion, wenn es auch zuvor einige Anzeichen gegeben hatte. Die Religion hatte schon im letzten römisch-persischen Krieg eine wichtige Rolle gespielt.

Weiter war die orthodoxe kaiserliche Reichsregierung in Syrien und Ägypten nicht beliebt. Hier herrschte zum einen der Monophysitismus, zum anderen spielte die ethnische (semitische) Verwandtschaft zu den Arabern eine wichtigere Rolle als vergleichsweise die Beziehung zu den europäischen Griechen und Römern.

Außerdem genehmigten die Araber der unterworfenen Bevölkerung die Ausübung ihrer Religion gegen eine Kopfsteuer - dies galt sowohl für die Christen wie für die Anhänger des Zoroastrismus. Erst allmählich wurde die Bevölkerung islamisiert, sicherlich auch, weil sonst kaum Aufstiegschancen gegeben waren. Vorerst durften die Eroberer auch kein Land als privates Eigentum übernehmen (später änderte sich dies). Allerdings gab es reiche Beute, was für viele Stämme sicherlich ein großer Anreiz bei diesen Kriegszügen war. Elemente der bisherigen Verwaltung wurden von den Arabern übernommen. So blieb etwa Griechisch bis zum Ende des Jahrhunderts die Amtssprache in den eroberten oströmischen Gebieten, und das sassanidische Steuersystem wurde in Persien beibehalten.

Schließlich war auch die oströmische Armee nach den langen Kriegen gegen die Perser demobilisiert worden und benötigte eine lange Vorlaufzeit, um wieder aktiviert zu werden. Das Sassanidenreich war durch die vorangegangene innere Krise noch zusätzlich geschwächt gewesen und wurden von den arabischen Angriffen überrascht, bevor es zu einer Konsolidierung kommen konnte.

Literatur

  • Averil Cameron u.a. (Hrsg.): The Byzantine and Early Islamic Near East, 3 Bde., Princeton 1992 ff. ISBN 087850107X
  • Fred M. Donner: The Early Islamic Conquests, Princeton 1981.
  • Walter Kaegi: Byzantium and the Early Islamic Conquests, Cambridge 1992. ISBN 0521484553
  • Albrecht Noth: Früher Islam, in: Ulrich Haarmann (Hrsg.), Geschichte der arabischen Welt, 3. erweit. Aufl., München 1994, S. 11-100. ISBN 3406314880
  • The Cambridge History of Iran, Bd. 3.1, The Seleucid, Parthian and Sasanian Periods, hrsg. von E. Yarshater, Cambridge u.a. 1983. ISBN 0-521-24699-7

Weblinks