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Reinhard Heydrich

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Reinhard (auch: Reinhardt) Tristan Eugen Heydrich (* 7. März 1904 in Halle an der Saale; † 4. Juni 1942 in Prag) war ein führender Funktionär in der Zeit des Nationalsozialismus. Heydrich war SS-Obergruppenführer und General der Polizei, Leiter des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) und Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren.

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Reinhard Heydrich

Kindheit und Jugend

Heydrichs Mutter Elisabeth, geborene Kranz, stammte aus einer wohlhabenden Familie und war die Tochter des Leiters des Königlichen Konservatoriums von Dresden. Sein Vater, Bruno Heydrich, war Opernsänger und Komponist. Obwohl Bruno Heydrichs Opern im Stil von Richard Wagner in Köln und Leipzig aufgeführt wurden, blieb ihm der Erfolg versagt. 1899 gründete er in Halle an der Saale eine Musikschule für Kinder der Mittelklasse. Es gelang ihm trotz aller Bemühungen nicht, in die „Gesellschaft“ der Stadt aufgenommen zu werden, da er als Emporkömmling galt. Darüber hinaus hielt sich hartnäckig das Gerücht, er sei jüdischer Abstammung, obwohl dies unbegründet war (s.u.). Im Bürgertum der Wilhelminischen Ära war mitunter ein starker Antisemitismus vorhanden.

Reinhard Heydrich wurde von früh auf durch einen extremen Nationalismus geprägt, der in der Familie vorherrschte. Seine Eltern lasen die Schriften von Houston Stewart Chamberlain, nach dessen Auffassung der „Rassenkampf“ Leben und Tod der Nationen diktierte. Als Heydrich 10 Jahre alt war, brach der Erste Weltkrieg aus. Die Niederlage Deutschlands und die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. wurde von seiner Familie als Katastrophe empfunden.

Als 15jähriger Schüler schloss er sich 1919 dem Freikorps "Maercker", einer nationalistisch gesinnten paramilitärischen Organisation, an und stand stark unter dem Einfluss des Rassenfanatismus von völkischen Kreisen.

Zeitzeugen berichten, dass er als Jugendlicher zunehmend eigenbrötlerisch und unumgänglich wurde. Sein offensichtlich ausgeprägtes Gefühl der Minderwertigkeit versuchte er durch sportliche Aktivitäten wett zu machen. Dabei entwickelte er einen fanatischen Ehrgeiz, jeden zu übertreffen.

In der Marine

Infolge der schlechten wirtschaftlichen Situation der Nachkriegszeit war die Musikschule seines Vaters so gut wie pleite. Die für Reinhard Heydrich vorgesehene Musikerlaufbahn – er spielte Violine – kam nicht mehr in Frage, ebenso ein Studium der Chemie, welches ihm vorschwebte.

Am 30. März 1920 trat er in Kiel als Seekadett in die Reichsmarine ein. Die Marine, mit ihrem strengen Ehrenkodex, verkörperte für ihn eine Elite. Darüber hinaus war er von den Erzählungen von Felix Graf von Luckner, dem „Seeteufel“, beeinflusst worden, der nach dem Krieg häufiger Gast der Familie Heydrich war. 1926 wurde er zum Nachrichtendienst der Marine versetzt und 1928 zum Leutnant zur See befördert. Seine Laufbahn wurde durch Wilhelm Canaris gefördert, dem damaligen Ersten Offizier des Kreuzers Berlin. Heydrich spielte sogar hin und wieder in einem Streichquartett mit Canaris´ Ehefrau.

Bei seinen Kameraden war Heydrich eher unbeliebt. Seine ungewöhnlich hohe Stimme brachte ihm den Spitznamen „Ziegenbock“ ein. Außerdem wurde er auch hier wieder mit dem Gerücht seiner jüdischen Abstammung konfrontiert. Bei seinen Untergebenen war er als „Schleifer“ gefürchtet.

Während seiner Marinezeit betrieb Heydrich exzessiv Sport, vor allen in den Disziplinen moderner Fünfkampf, Fechten und Reiten.

Darüber hinaus legte er sich einen zweifelhaften Ruf als Schürzenjäger zu. Im Dezember 1930 lernte er auf einem Ball seine spätere Ehefrau, Lina von Osten, kennen, die ebenfalls aus einem extrem nationalistischen Elternhaus kam. Im Januar 1931 fand die Heirat statt. Aus der Ehe gingen später drei Kinder – Klaus, Heider und Silke – hervor.

Heydrich hatte allerdings in dieser Zeit eine Beziehung zu einer anderen Frau, der Tochter des Marinewerftdirektors von Kiel. Die Beziehung beendete er, indem er ihr die aus einem Lokalblatt ausgeschnittene Verlobungsanzeige mit Lina von Osten zuschickte. Nach dem Kodex der Marine hatte Heydrich sich unehrenhaft verhalten. Die Angelegenheit wurde vor einem „Ehrenrat“ verhandelt. Heydrichs arrogantes Auftreten vor dem Rat führte mit dazu, dass er im April 1931 von Admiral Erich Raeder wegen "ehrwidrigen Verhaltens" aus der Marine entlassen wurde. Dieser Ausschluss war der schwerste Schlag in seinem Leben und machte ihm zeitlebens zu schaffen.

Aufstieg in der SS

Im Juni 1931 trat Heydrich in die NSDAP (Mitglied Nr. 544 916) und die SS (SS Nr. 10 120) ein. Er schloss sich der SA an und nahm an deren berüchtigten „Saalschlachten“ gegen Sozialisten und Kommunisten teil.

Zu dieser Zeit baute Heinrich Himmler die „Schutzstaffel des Führers“, die SS, systematisch auf. Um die Tätigkeiten der Organisation besser zu koordinieren und vor allem politische Gegner zu überwachen und auszuschalten, benötigte die wachsende SS einen effizienten Nachrichtendienst. Über seinen Freund Karl von Eberstein, dem Führer der SA in München und Oberbayern, wurde Heydrich Himmler im August 1931 vorgestellt. Heydrich skizzierte ihm kurz seine Vorstellungen vom Aufbau eines Nachrichtendienstes. Himmler war beeindruckt und beauftragte ihn mit dem Aufbau der Organisation, die den Namen „Sicherheitsdienst“ (SD) erhielt.

Der SD sammelte akribisch Material über Jeden im Reich, das zu gegebener Zeit gegen ihn verwendet werden konnte. Gegner wurden durch Intrigen oder gezielte Kampagnen ausgeschaltet. Dabei nahm man es mit der Wahrheit nicht allzu genau. Ein beliebtes Mittel war, dem Gegner „homosexuelle Neigungen“ nachzusagen. Heydrich wurde schnell unentbehrlich für die Führung des Dritten Reiches und stieg rasch in der Hierarchie der SS auf. Im Dezember 1931 wurde er Obersturmbannführer, im Juli 1932 Standartenführer. Zu Beginn seiner Karriere als höherer SS-Offizier änderte Reinhardt Heydrich seinen Vornamen in "Reinhard".

Als Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, bedeutete dies für die SA und SS einen legalen Zugang zur Macht. Das Reichsermächtigungsgesetz ermöglichte die Zerschlagung jedweder Opposition. Die Staatsbürokratie wurde systematisch aufgerollt und von linientreuen Anhängern des Regimes übernommen.

Das nach außen hin straff organisierte Dritte Reich wies im Innern allerdings eine Struktur rivalisierender Machtgruppierungen auf, wie NSDAP, SA, SS, Wehrmacht sowie verschiedene geheimdienstliche und polizeiliche Organisationen.

Die SA unter Ernst Röhm wurde nach der Machtübernahme zunehmend unzufriedener. Sie hatte Hitler ihrer Auffassung nach an die Macht gebracht, spielte jetzt jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle. Ein Teil der SA forderte eine regelrechte bürgerliche Revolution. Hitler, dem die SA unbequem wurde, suchte nach Möglichkeiten, diese auszuschalten. Heydrichs SD leistete hier ganze Arbeit und sammelte fingierte Beweise für einen unmittelbar bevorstehenden Putsch. Bei der „Niederschlagung“ des Röhm-Putsches wurde die Führungsriege der SA liquidiert. Für seine Dienste bei der Aktion wurde Heydrich am 1. März 1934 zum SS-Gruppenführer ernannt.

Der Wehrmacht war die SS, als zweite bewaffnete Organisation im Reich, ein Dorn im Auge. Die SS wiederum stärkte ihre Position gegenüber der Wehrmacht, indem sie den damaligen Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Werner von Fritsch, sowie den Reichswehrminister Werner von Blomberg durch gezielte Intrigen aus dem Weg räumten.

Rivalität herrschte auch zwischen Heydrichs SD und dem Geheimdienst des Heeres, der Abwehr unter seinem ehemaligen Gönner Wilhelm Canaris. Die beiden Chefs unterhielten anfangs nach außen hin ein freundschaftliches Verhältnis und trafen sich jeden Morgen zum gemeinsamen Ausritt. Hinter den Kulissen versuchte jedoch jeder den anderen auszuschalten – Heydrich ließ Canaris´ Diensträume verwanzen, Canaris ließ nach Belegen für Heydrich´s angebliche jüdische Abstammung suchen.

1936 wurde Himmler Chef der deutschen Polizei, Heydrich Chef der Sicherheitspolizei (Sipo). Die Sicherheitspolizei, die sich aus der politischen Polizei und der Kriminalpolizei zusammensetzte, wurde straff durchorganisiert, mit zuverlässigen Nationalsozialisten durchsetzt und zentral geführt. In ihr hatte Heydrich ein willfähriges Instrument, um vermeintliche Staatsfeinde, aber auch persönliche Widersacher und Rivalen, gnadenlos zu verfolgen. Er schuf ein Netz einer fast lückenlosen polizeilichen Überwachung, legte umfangreiche Akten an und beauftragte sogar Wissenschaftler mit Studien über die Aktivitäten möglicher Staatsfeinde wie Juden, Kommunisten, Liberale und religiöse Gruppen. Auch Erpressung, Verhaftungen, Folter und Mord gehörten zu seinem Repertoire. Dabei hatte er eine ausgesprochene Vorliebe für heimtückische Winkelzüge.

1939 wurden SD, Sicherheitspolizei (Sipo) und die Geheime Staatspolizei (Gestapo) dem neu geschaffenen Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unterstellt, mit Heydrich an der Spitze. So war ein riesiger Polizeiapparat entstanden, der überall Informationen sammeln und liefern konnte – ein Instrument zur Ausübung absoluter Herrschaft. Heydrich arbeitete weiter an der Vervollkommnung dieses Apparates, der seine ganze Macht bei der Durchführung des Befehls zur Vernichtung des Judentums zeigen sollte.

Am 1. September 1939 erfolgte der Überfall auf Polen, der durch angebliche Übergriffe polnischer Truppen gerechtfertigt wurde. Heydrich ließ hierzu einige Grenzzwischenfälle inszenieren. So wurde der deutsche Sender Gleiwitz von SS-Männern in polnischen Uniformen überfallen. Der internationalen Presse wurden gefallene Polen vorgeführt. In Wirklichkeit handelte es sich um zuvor umgebrachte Gefangene des KZ Sachsenhausen. Den rasch vorrückenden Truppen der Wehrmacht folgten sog. SS-Einsatzgruppen, die rücksichtslos gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere die „Intelligenz“ und Juden vorgingen. Als Unternehmen Barbarossa begann am 22. Juni 1941 der Überfall auf die Sowjetunion. Auch hier richteten die Einsatzgruppen, unvorstellbare Massaker an, an denen teilweise die Wehrmacht beteiligt war. Es wird geschätzt, dass in Osteuropa etwa 1 Million Menschen ermordet wurden.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nahm Heydrich als Reserveoffizier der Luftwaffe an Luftkämpfen teil, zunächst als Bordschütze in Bombern, später als Jagdflieger über Frankreich, Norwegen und der Sowjetunion. In seiner Vorstellung sollte ein SS-Mann nicht nur als „Schreibtischtäter“ fungieren, sondern sich als Kämpfer bewähren. Als er 1941 östlich der Beresina abgeschossen wurde und von deutschen Truppen gerettet werden musste, verbot ihm Himmler jeden weiteren Kampfeinsatz.

Die Endlösung der Judenfrage

In der Ideologie der Nazis galten die Juden als Feindbild schlechthin. Sie wurden als „Untermenschen“ dargestellt und in der Propaganda mitunter mit Ratten (so im Film „Der ewige Jude“) und anderem Ungeziefer verglichen.

Schon vor dem Krieg sammelte Heydrich alle Informationen über jüdische Einrichtungen und ließ sie überwachen. Zunächst sollten die Juden durch ein System von Enteignung und Deportation aus dem Reich gedrängt werden. 1938 sandte Heydrich Adolf Eichmann nach Wien, um dort die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ einzurichten, nach dem Vorbild der bereits in Berlin sehr erfolgreich arbeitenden „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“.

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Reinhard Heydrich und Heinrich Müller

Nach der Eroberung Polens gab Heydrich den Befehl, Ghettos für die Juden einzurichten und sog. Judenräte zu bilden. So wurden die Jüdischen Gemeinden gezwungen, mit den Nazis zusammenzuarbeiten und an ihrem eigenen Unglück mitzuwirken. Mit Eichmanns Hilfe organisierte Heydrich Deportationen von Juden aus dem ganzen Reichsgebiet sowie aus Österreich und Teilen Polens in die Ghettos. In einer Anweisung vom September 1939 unterschied Heydrich zwischen einem geheimen Endziel, dessen Verfolgung langfristig erfolgen müsse, und den Mitteln und Wegen dorthin. Ghettos waren für ihn ganz klar nur Zwischenstationen. Das Endziel war die völlige Vernichtung der jüdischen Bevölkerung.

Durch die Eroberung Osteuropas fielen Millionen von Juden und Angehörige anderer „minderwertiger Rassen“ in deutsche Hand, deren Vernichtung allein durch die Einsatzgruppen nicht mehr zu bewältigen war. Im Juli 1941 wurde Heydrich von Hermann Göring beauftragt, alle erforderlichen Vorbereitungen für eine „Gesamtlösung der Judenfrage“ zu treffen, seien sie finanzieller, organisatorischer oder verwaltungstechnischer Natur. Heydrich erkannte schnell, dass eine zentrale Koordinierung aller beteiligten Stellen erforderlich war. So berief er zum 20. Januar 1942 die so genannte Wannsee-Konferenz ein, um Mittel und Wege zur „Endlösung der europäischen Judenfrage“ zu erörtern. Heydrich empfahl für die Juden im Osten „…Arbeitseinsätze unter Trennung der Geschlechter, arbeitsfähige Juden sollen straßenbauend durch diese Gebiete geführt werden, wobei zweifelsfrei ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.“ Der überlebende Rest solle einer „Sonderbehandlung“ zugeführt werden. In der zynischen Sprache Heydrichs also ein klarer Vorschlag zur Ermordung der Juden durch Hunger, Krankheit und Erschöpfung - wer dennoch überlebte sollte einen anderen, gewaltsamen Tod finden.

So gründete Heydrich die Basis der „Endlösung der Judenfrage“. Strittig ist, ob sich der Name „Aktion Reinhardt“ für die Vernichtung des polnischen Judentums vom Nachnamen des Staatssekretärs Fritz Reinhardt oder vom Vornamen Reinhard Heydrichs ableitet.

Reichsprotektor von Böhmen und Mähren

Nachdem 1938 die Tschechoslowakei von deutschen Truppen besetzt worden war, etablierten die Deutschen sofort eine neue Regierung. Ein „Reichsprotektor“ für Böhmen und Mähren wurde eingesetzt, der auf dem Prager Hradschin residierte. Mit diesem Amt wurde Konstantin von Neurath ernannt, der abgesetzte deutsche Außenminister. Neurath nahm seine Aufgabe nach Auffassung von Heydrich und dem SS-Funktionär Karl Hermann Frank nicht mit der nötigen Härte wahr – beide hatten Ambitionen auf Neuraths Posten. Heydrich sammelte Belege über Neuraths angebliche Unzuverlässigkeit, was dazu führte, dass dieser auf unbestimmte Zeit „beurlaubt“ wurde – offiziell wurde mitgeteilt, er habe den „Führer“ aus gesundheitlichen Gründen um seine Abdankung gebeten.

Heydrich wurde zum stellvertretenden Reichsprotektor ernannt, blieb aber gleichzeitig Chef des RSHA. Am 27. September 1941 traf er in Prag ein. Er führte unverzüglich drakonische Maßnahmen ein, eine Welle von Verhaftungen begann. In Terezin (Theresienstadt) ließ er ein jüdisches Ghetto errichten.

Heydrich selbst zog mit seiner Familie auf ein Landgut, etwa 20 km von Prag entfernt, das zuvor einem jüdischen Zuckerfabrikanten abgenommen wurde.

Das Attentat

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen war ein Teil der tschechischen Regierung nach England geflohen. In London etablierte der ehemalige Ministerpräsident Eduard Benes eine Exilregierung, die anfangs bei den Alliierten wenig Anerkennung fand.

Um ihr Ansehen zu festigen, ließ die Exilregierung Sabotageakte in der besetzten Heimat durchführen. Man wollte damit beweisen, dass die Regierung in der Lage war, auch vom Ausland aus den Kampf gegen die Deutschen weiter zu führen. Hierzu ließ man von den Briten tschechische Soldaten ausbilden, die nachts mittels Fallschirmen über dem besetzten Gebiet abgesetzt wurde. Diese Agenten sollten zu dem tschechischen Untergrund Kontakt aufnehmen und Aktionen, wie Sprengungen von Fabrikanlagen oder Aufstellung von Funkanlagen zur Orientierung von alliierten Bombern, durchführen. Da man aber das Überwachungssystem und den Druck der Deutschen auf die Zivilbevölkerung unterschätzt hatte, blieben die Aktionen meist erfolglos.

Ende 1941 reifte der Plan, eine Aufsehen erregende Aktion durchzuführen – ein Attentat auf den verhassten Reichsprotektor. Die Aktion erhielt den Decknamen „Anthropoid“. Unter strengster Geheimhaltung wurde ein eng ausgesuchter Kreis von Soldaten hierfür ausgebildet. Am Morgen des 29. Dezember 1941 um 2 Uhr 24 wurden schließlich Josef Gabcik und Jan Kubiš von einem britischen Halifax-Bomber östlich von Pilsen mit Fallschirmen abgesetzt. Den beiden gelang es, sich nach Prag durchzuschlagen, zum dortigen Untergrund Kontakt aufzunehmen und für die nächsten Monate unterzutauchen. Hier erfuhren sie Einzelheiten über Heydrichs Gewohnheiten und seinen Tagesablauf, wobei sie allerdings ihr Ziel verheimlichten.

Ungewöhnlich für einen hohen NS-Funktionär und zum Entsetzen von Himmler ließ Heydrich so gut wie alle Sicherheitsvorkehrungen außer Acht. Er war der Ansicht, dies würde seinem Ansehen als Reichsprotektor schaden, der „sein“ Volk immerhin so in der Gewalt hatte, dass er keine Angriffe zu fürchten brauche. So ließ er sich jeden Tag ohne Begleiteskorte, meist im offenen Wagen, nach Prag fahren.

Für den Anschlag wurde eine enge, abschüssige Kurve in der Prager Vorstadt Holesovice ausgewählt. Hier musste Heydrichs Mercedes die Fahrt stark verlangsamen, außerdem gab es keine Polizeistation in der Nähe. Am Morgen des 27. Mai 1942 postierten sich Gabcik und Kubis in der Nähe der Kurve. In Aktentaschen hatten sie eine zusammenlegbare Maschinenpistole (Sten Gun) sowie eine spezielle Handgranate mit hoher Explosivkraft. Ein weiterer Agent, Josef Valcik, nahm eine Position oberhalb ein, um Heydrichs Kommen mit einem Taschenspiegel zu signalisieren. Der sonst so pünktliche Heydrich verspätete sich an diesem Morgen. Das Warten wurde unerträglich, darüber hinaus bestand die Gefahr sich verdächtig zu machen und entdeckt zu werden. Um 10 Uhr 32 wurde schließlich das Signal gegeben. Als Heydrichs Wagen abbremste, hob Gabcik seine Maschinenpistole und drückte auf kürzeste Entfernung ab. Die Waffe hatte jedoch eine Ladehemmung und kein Schuss löste sich. Heydrich, im Glauben, es nur mit einem Einzeltäter zu tun zu haben, machte einen verhängnisvollen Fehler. Er befahl seinem Fahrer namens Klein, anzuhalten und zog seine Dienstpistole. Kubis trat nun aus der Deckung und warf seine Handgranate. Da er sich jedoch in der Entfernung verschätzte, prallte sie am rechten Hinterrad ab und explodierte. Heydrich und Klein sprangen aus dem Wagen und eröffneten das Feuer. Bei der Verfolgung von Gabcik wurde Klein ins Bein getroffen und gab auf. Heydrich war durch die Granate schwer verletzt worden und sank schließlich auf der Motorhaube zusammen. Erst nach einiger Zeit wurde er von tschechischen Polizisten in einem Lastwagen in ein Hospital gefahren.

Eine Röntgenaufnahme ergab eine zertrümmerte Rippe, einen Zwerchfellriss und Splitter in der Milz. Nach einer Operation besserte sich zunächst sein Zustand. Es stellten sich jedoch eine Bauchfellentzündung und eine Sepsis ein. Er glitt ins Koma und starb am 4. Juni 1942 um 4 Uhr 30. Er wurde anderntags zum Hradschin transportiert und zwei Tage lang aufgebahrt. Anschließend wurde die Leiche nach Berlin transportiert. Am 9. Juni fand die bis dahin größte Todesfeier des Dritten Reiches statt, an der alle NS-Größen teilnahmen. Die Grabrede hielt Heinrich Himmler, wobei er einige Stationen aus Heydrichs Leben – wie den Rauswurf aus der Marine – geflissentlich überging.

Zum Jahrestag wurde am Ort des Attentats eine Büste von Heydrich aufgestellt, vor der sich vorüber gehende Passanten verbeugen mussten. Die Büste wurde beim Einmarsch sowjetischer Truppen zerstört.

Himmler übernahm zunächst selbst die Führung des Reichssicherheitshauptamtes, bis Ernst Kaltenbrunner am 30. Januar 1943 als neuer Chef des RSHA in sein Amt eingeführt wurde. Zum Nachfolger Heydrichs als Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren wurde der Chef der Ordnungspolizei, SS-Oberstgruppenführer und Generaloberst der Polizei, Kurt Daluege, bestimmt.

Der endgültige Verbleib von Heydrichs Leiche ist bis heute unbekannt.

Das Attentat lieferte den Plot zum Film Operation Daybreak von 1976.

Vergeltung

Das Attentat auf Heydrich traf die NS-Führung ins Mark. Es war gelungen, einen der ihren auszuschalten. Die Suche nach den Attentätern verlief zunächst hektisch und schlecht organisiert, so dass diese zunächst untertauchen konnten. In der Folgezeit übten die Nazis erheblichen Druck auf die tschechische Bevölkerung aus. Das Dorf Lidice wurde dem Erdboden gleichgemacht. Alle männlichen Bewohner über 16 Jahre wurden getötet, 172 Frauen und Kinder wurden in Konzentrationslager verschleppt. Als Rechtfertigung wurden angebliche Beweise für einen Zusammenhang zwischen Lidice und den Attentätern genannt. Insgesamt kosteten die Vergeltungsmaßnahmen etwa 5.000 Tschechen das Leben.

Das Versteck, die Katakomben der Prager Karel-Boromejky-Kirche, wurde schließlich durch den Überläufer Karel Curda verraten. Nach mehrstündigem Kampf mit SS-Einheiten gaben die eingeschlossenen Agenten auf und erschossen sich.

Heydrichs Persönlichkeit

Heydrich wird als zutiefst gespaltene Persönlichkeit beschrieben.

Für viele seiner Zeitgenossen verkörperte er den Inbegriff des "Ariers" – blond, schlank, groß gewachsen, mit schneidigem Auftreten und immer eiskalt wirkend. Dagegen gibt es von seiner auffallend hohen Stimme – trotz der hohen Positionen, die er einnahm – nur wenige Tonbandaufzeichnungen. Dazu war er ein Mann großer Sportlichkeit mit einer hohen musikalischen Begabung. Der Öffentlichkeit präsentierte er sich als liebevoller Familienvater, dem der Kreis seiner Lieben alles bedeutete. Auf den ersten Blick also ein Mensch, dem man die von ihm befohlenen Verbrechen nicht zugetraut hätte.

Zeitzeugen, die ihn näher kennen lernten, bekamen ein ganz anderes Bild. Heydrich war zynisch, kalt und berechnend und hatte keinerlei Skrupel bei der Durchsetzung auch der unmenschlichsten Maßnahmen. So erhielt er die Beinamen "die blonde Bestie", "der Schlächter von Prag" und "der Henker". Berüchtigt waren seine Streifzüge durch das Berliner Nachtleben, bei denen ihn oft Untergebene begleiten mussten. Betrunken wurde er völlig unzurechnungsfähig und lebte seine sadistische Ader aus.

Heydrich war ein fähiger Machtmensch und leistete für Himmler – dessen rechte Hand er wurde – wichtige Arbeit bei der Integration der politischen Polizei in den Parteiapparat. Einige Historiker vertreten die These, der im Grunde kleinbürgerliche Himmler mit seinem weltfremden Hang zum Mystizismus (für den Heydrich ihn verachtete) hätte ohne den scharfsinnig planenden und entschlossen handelnden Heydrich im von Intrigen bestimmten internen Machtkampf der verschiedenen Gruppen in der NSDAP nicht bestehen können. "HHHH – Himmlers Hirn heißt Heydrich" soll der ehemalige preußische Innenminister und spätere Reichsmarschall Hermann Göring über seine Konkurrenten gewitzelt haben, die ihm Stück für Stück die Hoheit über Polizei und Sicherheitsdienste streitig machten.

Heydrich wurde von allen NS-Größen – selbst Heinrich Himmler – gefürchtet. Nach Heydrichs Tod ließ Himmler sofort dessen persönlichen Tresor öffnen, um eventuell gegen ihn gesammeltes Material sicher zu stellen.

Heydrichs angebliche jüdische Abstammung

Heydrich wurde von seiner Jugend bis ins Erwachsenenalter mit Gerüchten über seine jüdische Abstammung väterlicherseits konfrontiert. Dies gipfelte in einer Untersuchung, 1932 angeordnet von Gregor Strasser und angestiftet von Rudolf Jordan, dem Gauleiter von Halle-Merseburg. Der Verdacht war in erster Linie auf der Tatsache begründet, dass der Bruno Heydrich in "Riemanns Musikenzyklopädie von 1916" beschrieben wurde, als "Heydrich, Bruno, wirklicher Name Süss" – Süss war ein gängiger jüdischer Name.

Die Untersuchung erbrachte allerdings, dass der Name "Süss" nicht belastend sei und dass Bruno Heydrichs Sohn kein "jüdisches Blut" in sich habe. Es gab auch Annahmen, dass jüdische Vorfahren mütterlicherseits vorhanden sein sollten. Schlüssige Beweise konnten aber nicht erbracht werden.

Heydrichs Personalakte (einschließlich des Familienstammbaums) wurde von Martin Bormann geführt und ist erhalten geblieben. Der Stammbaum verzeichnet allerdings nur eine Generation der mütterlichen Linie und zeigt nicht Namen, Herkunft und Geburtsort der Großmutter - angesichts der Anforderungen an den Stammbaum selbst jedes einfachen SS-Manns schon fast ein Beweis.

Dokument

Heydrich war bekannt, mit welchen brutalen Methoden Verhaftete bei der Gestapo zu Geständnissen geprügelt wurden. Deshalb erließ er am 28. Mai 1936 das Verbot, das an alle Staatspolizeistellen gerichtet war, "verschärfte Vernehmungsmethoden" in die Untersuchungsakten von Häftlingen aufzunehmen:

"Ein Einzelfall gibt mir Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß die Anwendung verschärfter Verneh-
mungsmethoden auf keinen Fall aktenkundig gemacht werden darf. In dem mir vorliegenden Fall sind
entsprechende Vormerkungen sogar dem Gerichtsakt beigeheftet worden.
Der gesamte Schriftwechsel, der sich durch die Einholung der Genehmigung verschärfter Vernehmungs-
methoden beim Geheimen Staatspolizeiamt ergibt, ist vom Leiter der Staatspolizeistelle bzw. dessen
Stellvertreter persönlich unter Verschluß aufzubewahren."

Quelle: Bundesarchiv, Abteilung Potsdam, Film Nr. 2407

Literatur

Weblinks