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Ameisensäure

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Strukturformel
Strukturformel der Ameisensäure
Kalottenmodell der Ameisensäure
Kalottenmodell der Ameisensäure
Allgemeines
Name Ameisensäure, Methansäure
Andere Namen Formylsäure, Hydrocarbonsäure
Summenformel HCOOH
CAS-Nummer 64-18-6
Kurzbeschreibung farblose Flüssigkeit
Eigenschaften
Molmasse 46,03 g/mol
Aggregatzustand flüssig
Dichte 1,190 g/cm³
Schmelzpunkt 8 °C
Siedepunkt 101 °C (Zersetzung)
Dampfdruck 28 hPa
Löslichkeit gut löslich in Wasser, Ethanol und Glykol
Thermodynamische Eigenschaften
ΔfH0l -424,72 kJ/mol
S0liquid 128,95 J/(mol·K)
Cp(liquid) 99,04 J/(mol·K)
ΔfH0g -378,6 kJ/mol
S0gas 248,7 J/(mol · K)
Cp(gas) 45,7 J/(mol · K)
Sicherheitshinweise
Gefahrensymbole
Datei:Gefahrensymbol C.png
C
Ätzend
R- und S-Sätze

R: 35
S: (1)-23-26-45

MAK 5 ml/m³
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Ameisensäure (nach der Nomenklatur der IUPAC Methansäure genannt) ist eine farblose, ätzende und in Wasser lösliche Flüssigkeit, die in der Natur vielfach von Lebewesen zu Verteidigungszwecken genutzt wird. Sie zählt zu den gesättigten Carbonsäuren und ist mit der strukturierten Summenformel HCOOH die einfachste Carbonsäure. Die Ameisensäure wurde im Jahre 1671 von John Ray erstmals aus toten Ameisen isoliert und erhielt von diesen ihren Namen. Ein weiterer Trivialname für Methansäure, Formylsäure, geht auf das lateinische Wort für Ameise, formica, zurück.

Aufbau und Nomenklatur

Die Ameisensäure gehört zur Carbonsäure-Gruppe der Alkansäuren. Sie ist die am einfachsten aufgebaute Alkansäure. Die Ameisensäure enthält nur ein Kohlenstoffatom. Aufgrund der Kürze des Moleküls bestimmt die Carboxylgruppe (COOH) besonders stark die Eigenschaften. Das Kohlenstoffatom hat eine formale Oxidationsstufe von +2. Es kann deswegen analog zu den Carbonylverbindungen als Hydridüberträger wirken. Hierher rührt die reduzierende Wirkung.

Dies erklärt auch einige Eigenschaften der Ameisensäure: Aufgrund der stark polaren Carboxylgruppe ist die Ameisensäure in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar. Die Anwesenheit der Carboxylgruppe bei der Ameisensäure erklärt auch die höhere Acidität (Säurestärke) gegenüber den Alkoholen.

Ameisensäure, ein historisch bedingter Name, der auf das Vorkommen in Ameisen hinweist, ist allerdings der wesentlich häufiger verwendete Name. Die Salze der Ameisensäure sind die Methanate - auch hier wird der Trivialname Formiate häufiger benutzt, obwohl er nicht der Nomenklatur entspricht. Die Formiate haben die strukturierte Summenformel HCOO-. Das bedeutendste Formiat ist das Natriumformiat.,

Eigenschaften

Ameisensäure riecht stark und stechend. Die Geruchsschwelle liegt bei 1 ml/m³. Mit Wasser, Ethanol sowie Glykol ist Ameisensäure in jedem Verhältnis mischbar. In den meisten anderen polaren organischen Stoffen ist sie ebenfalls löslich, in Kohlenwasserstoffen nur in geringen Mengen.

Ameisensäure ist eine relativ instabile, farblose, klare und leicht flüchtige Flüssigkeit. Bei 8 °C erstarrt die Ameisensäure zu einem farblosen Feststoff. Bei 100,7 °C siedet sie. Schmelz- und Siedepunkt liegen wesentlich höher als die von organischen Verbindungen mit ähnlichen Molekulargewichten (beispielsweise Methanol), da beim Schmelzen und Sieden auch Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den einzelnen Molekülen aufgebrochen werden müssen. Diese bestehen teilweise auch im gasförmigen Zustand weiter, weswegen Ameisensäure stark vom Verhalten eines idealen Gases abweicht. In Anwesenheit von Sauerstoff verbrennt sie zu Kohlenstoffdioxid und Wasser. Die Ameisensäure ist ein starkes Reduktionsmittel, weil die deprotonierte Säure sich zu Hydrid und Kohlenstoffdioxid spaltet.

Die Ameisensäure hat eine Dichte von 1,190 g/cm³ bei 20 °C. Die Säurekonstante (pKs-Wert) ist 3,75. Sie ist die stärkste unsubstituierte Monocarbonsäure. Zum Vergleich: Chlorwasserstoffsäure hat einen pKs-Wert von -7, Schwefelsäure von -3. Zum Schmelzen der Ameisensäure werden 12,7 kJ/mol benötigt, zum Verdampfen 22,7 kJ/mol. Der Tripelpunkt liegt bei 8,3 °C und 0,0236 bar.

Der Nachweis des Ameisensäuredampfes erfolgt mithilfe von Dräger-Prüfröhrchen. Ansonsten wird die Ameisensäure über ihre reduzierende Wirkung nachgewiesen, meist dadurch, dass sie eine ammoniakalische Silbernitratlösung zu Silber reduzieren kann.

Reaktionen

Ameisensäure zerfällt zu Wasser und Kohlenmonoxid.
Ameisensäure verbrennt bei Anwesenheit von Luft zu Kohlenstoffdioxid und Wasser.
Bei höheren Temperaturen und in Anwesenheit eines Katalysator zerfällt sie zu Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff.

Mit Metallen reagiert Ameisensäure zu Metallformiaten und Wasserstoff.

Natrium reagiert mit Ameisensäure unter Wasserstoffbildung zu Natriumformiat.

Mit Alkoholen reagiert Ameisensäure in Anwesenheit eines Katalysators (meist Schwefelsäure) zu Wasser und Ameisensäurealkylestern.

Ameisensäure reagiert mit Methanol zu Wasser und Ameisensäuremethylester.

Verwendung

Ameisensäure wurde unter der E-Nummer E236 als Konservierungsmittel in Fisch-, Obst- und Gemüseprodukten verwendet, was aber seit 1998 in Deutschland gesetzlich verboten ist. Auch Natrium- und Calciumformiat werden als Konservierungsmittel verwendet (E237 und E238). In der Medizin wird sie als Antirheumatikum verwendet, in der Textil- und Lederindustrie zum Beizen und Imprägnieren. Teilweise wird sie auch als Desinfektionsmittel (auch in sauren Reinigungsmitteln) verwendet. Sie tötet Bakterien gut ab. Allerdings kann sie dabei auch mit anderen Stoffen in Reaktion treten. In der chemischen Industrie wird sie zur Neutralisation, bei der Gummiproduktion und allgemein in der organischen Synthese genutzt. Imker benutzen sie zur Behandlung der Bienen gegen die Varroamilbe und in privaten Haushalten wird Ameisensäure häufig zum Entkalken von Waschmaschinen verwendet. Des Weiteren ist Ameisensäure als ein Bestandteil des Tabakrauches zu finden.

Historische Informationen

John Ray isolierte 1671 als erster die Ameisensäure.

Im frühen 15. Jahrhundert beobachteten einige Alchemisten und Naturalisten, dass Ameisen eine saure Flüssigkeit absondern. Der englische Naturalist John Ray isolierte 1671 die Ameisensäure als erste Person, als er eine große Anzahl von Ameisen destillierte. Der Arzt Christoph Girtanner schrieb 1795 zur Gewinnung von Ameisensäure folgenden Text:

Die Ameisensäure erhält man durch Destillation aus den Ameisen (Formica rufa). Man destilliert Ameisen bei gelindem Feuer, und erhält in der Vorlage die Ameisensäure. Sie macht ungefähr die Hälfte des Gewichtes der Ameisen aus. Oder man wäscht die Ameisen in kaltem Wasser ab, legt sie nachher auf ein Tuch, und gießt kochendes Wasser darüber. Drückt man die Ameisen gelinde aus, wird die Säure stärker. Um die Säure zu reinigen, unterwirft man sie wiederholt der Destillation, und um sie zu konzentrieren, lässt man sie gefrieren. Oder noch besser: man sammelt Ameisen, preßt sie aus, ohne Wasser, und destilliert die Säure davon.

Der französische Chemiker Joseph Louis Gay-Lussac synthesierte die Ameisensäure als erster aus der Cyanwasserstoff. 1855 erfand ein anderer französischer Chemiker, Marcellin Berthelot, die Synthese aus Kohlenmonoxid, welche noch heute angewendet wird. Lange Zeit war Ameisensäure nur von geringer technischer Bedeutung. In den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts fielen bedeutende Mengen Ameisensäure als Nebenprodukt bei der Synthese von Essigsäure an. Erst später wurde Ameisensäure in größerem Stil genutzt. Sie wurde jetzt nicht mehr nur als Nebenprodukt gewonnen, sondern gezielt synthetisch hergestellt.

Herstellung

Marcellin Berthelot erfindet 1855 die Synthese der Ameisensäure aus dem Kohlenmonoxid.

Die urtümliche Isolation der Ameisensäure aus toten Ameisen wird heutzutage natürlich nicht mehr durchgeführt. Die Herstellung der Ameisensäure erfolgt in der chemischen Industrie meist nach dem von Marcellin Berthelot 1855 erfundenen Verfahren. Die Synthese gliedert sich hierbei in zwei Verfahrensschritte, bei denen giftiges Kohlenmonoxid verwendet wird:

Natriumhydroxid reagiert bei etwa 800 bar und 120 °C mit Kohlenmonoxid zu Natriumformiat.
Natriumformiat wird mit Schwefelsäure zu Ameisensäure und Natriumsulfat umgesetzt.

Auch die Herstellung der Ameisensäure aus Methanol erfolgt unter anderem mit Hilfe von Kohlenmonoxid. Auch hier werden zwei Verfahrensschritte durchlaufen. Als Zwischenprodukt wird Ameisensäuremethylester hergestellt. Am Ende wird Methanol zurückgewonnen, welches wieder als Ausgangsprodukt für diese Synthese genutzt werden kann:

Methanol reagiert bei 80 °C und 40 atm mit Kohlenmonoxid zu Ameisensäuremethylester.
Ameisensäuremethylester reagiert mit Wasser zu Ameisensäure und Methanol.

Weil die Hydrolyse des Ameisensäuremethylesters viel Wasser verbrauchen würde, benutzen einige Hersteller von Ameisensäure einen indirektes Verfahren mit Ammoniak, bei dem wiederum zwei Verfahrensschritte vonnöten sind. Dieses indirekte Verfahren birgt jedoch Probleme, weil teilweise das Nebenprodukt Ammoniumsulfat freigesetzt wird:

Ameisensäuremethylester reagiert mit Ammoniak zu Formamid und Methanol.
Formamid reagiert mit Schwefelsäure zu Ameisensäure und Ammoniumsulfat.

Aufgrund dieses Problems wurde von den Hersteller ein neues Verfahren der direkten Hydrolyse entwickelt, bei dem die Ameisensäure energiegünstig aus den großen Mengen von Wasser abgesondert werden kann. Ein Beispiel hierfür ist ein Verfahren der BASF, bei dem mit Hilfe einer organischen Base die Ameisensäure durch Flüssigextraktion abgesondert werden kann.

Des Weiteren fällt Ameisensäure als Nebenprodukt bei der Herstellung von Essigsäure aus Leichtbenzin oder Butan an. Auch mit Hilfe von Blausäure kann Ameisensäure hergestellt werden. Für die Herstellung aus Methanol gibt es ein zweites Verfahren. Hierbei wird Methanol zu Formaldehyd und Ameisensäure umgesetzt. Diese drei Verfahren sind allerdings von geringer technischer Bedeutung.

Vorkommen

Die Brennhaare der Brennessel enthalten einen Cocktail mit Ameisensäure.

Auf der Erde findet sich die Ameisensäure nur in Tieren und Pflanzen, in geringen Mengen auch im menschlichen Körper - allerdings nie in reiner Form. Sogar im Weltall finden sich Spuren der Ameisensäure.

In der Natur ist Ameisensäure weit verbreitet. Sie wird von vielen Pflanzen- und Tierarten, besonders von Stechimmen, als Bestandteil von Giftcocktails zu Verteidigungs- beziehungsweise Angriffszwecken genutzt.

Die Raupen vom Gabelschwanz (Cerura vinula) - eine Schmetterlingsart - sowie einige Ameisenarten wie die Waldameisen verspritzen zur Verteidigung eine ameisensäurehaltige Flüssigkeit. Während die Gabelschwanzraupen die Ameisensäure nur einige Zentimeter weit verspritzen können, kommen die Waldameisen bei der Verteidigung ihres Ameisenhaufens auf etwa einen Meter Reichweite. Einige Laufkäfer- sowie Bienenarten benutzen Ameisensäurecocktails sowohl zu Verteidigungs- als auch zu Angriffszwecken. Bei einigen Quallenarten ist die Ameisensäure ein Bestandteil des Giftes in den Nesseln, mit dem die Beute vergiftet wird.

In den Brennhaaren der Brennnesseln befindet sich ein Nesselgift, das unter anderem Ameisensäure und Natriumformiat enthält.

Im menschlichen Organismus entsteht Ameisensäure neben Formaldehyd bei der Metabolisierung von Methanol. Ameisensäure ist biologisch leicht abbaubar.

In interstellarer Materie (Gas- und Staubwolken) sind etwa 3/4 der Stoffe kohlenstoffhaltige Verbindungen. Hier beobachtet man auch Spuren der Ameisensäure. Auf Kometen findet sich häufig Ameisensäure. In der Hülle (Koma) des Kometen Hale-Bopp fanden sich normalisiert auf 100 Wassermol 0,06 Ameisensäuremol. Auch auf vielen anderen Kometen finden sich Spuren von Ameisensäure. Auf einigen Planten wurde sie ebenfalls in geringen Spuren gefunden.

Sicherheit

Gefahren und Schutzmaßnahmen

Der Kontakt mit Ameisensäure oder konzentrierten Dämpfen reizt die Atemwege und Augen. Sie führt auf der Haut ab einer Konzentration über zehn Prozent zu teils schweren Verätzungen und Blasen. Bei ihrem Zerfall kann das Atemgift Kohlenmonoxid entstehen. Deswegen sollte Vorsicht währen, wo immer größere Mengen von Ameisensäure zu finden sind. Ameisensäure kann vom Körper abgebaut werden. Sie ist schwach wassergefährdend. Bei chronischer Aussetzung kann sie zu Hautallergien führen. Tierversuche haben gezeigt, dass Ameisensäure mutagen wirkt. Außerdem führt sie zu Leber- und Nierenschäden.

Ameisensäure muss an einem gut belüfteten, kühlen Ort aufbewahrt werden. Behälter, in denen Ameisensäure gelagert wird, müssen außerdem mit einer Druckausgleichverschraubung verschlossen werden, da sonst beim Zerfall durch entstehende Gase ein Überdruck entstehen kann. Bei Versuchen mit Ameisensäure müssen Schutzbrille- und Handschuhe verwendet werden. Ameisensäurebehälter sollten unter Verschluss aufbewahrt und ihre Dämpfe nicht eingeatmet werden. Die Maximale Arbeitsplatz-Konzentration liegt bei 5 ml/m³.

Erste Hilfe und Brandbekämpfung

Bei Kontakt mit der Ameisensäure oder ihren Dämpfen mit den Augen müssen diese ungefähr 15 min lang mit Wasser ausgespült und ein Arzt konsultiert werden, da sie zu bleibenden Augenschäden führen kann. Auch bei Hautkontakt sollte die betroffene Stelle mit Wasser abgespült werden. Ernsthafte Schäden sind bei Hautkontakt von einigen Sekunden jedoch nicht zu erwarten. Beim Einatmen sollte sofort für Frischluftzufuhr gesorgt und beim Verschlucken viel Wasser getrunken werden, um die Säure zu verdünnen. Es dürfen allerdings kein Erbrechen herbeigeführt und keine Neutralisationversuche unternommen werden. Bei jeder Art Unfall oder Unwohlsein aufgrund von Ameisensäure sollte sofort ein Arzt hinzugezogen werden. Die beschriebenen Maßnahmen und Gefahren dieses und des oberem Abschnittes entsprechen den R- und S-Sätzen: R:35 ; S:(1)-23-26-45. Weitere ausführliche Informationen sind dort zu finden.

Ab einem Luftvolumenanteil von 12-38 Prozent bilden Dämpfe der Ameisensäure explosive Gemische mit der Luft. Auch bei Anwesenheit von Nickelkatalysatoren und Nitromethan besteht Explosionsgefahr. Der Flammpunkt der Ameisensäure liegt bei 48 °C, die Zündtemperatur bei 480 °C. Die Dämpfe sind schwerer als Luft und brennbar. Das Löschmittel sollte je nach Situation ausgewählt werden. Möglich sind Wassernebel, Schaum oder Kohlenstoffdioxid.

Weblinks

Vorlage:Wiktionary1

Literatur

  • Ameisensäure, Formiate, Diglykol - bis – chlorformiat. VCH, Weinh, ISBN 3527285296
  • Ausgewählte C-H-O Radikale. Ameisensäure. Essigsäure. Oxalsäure (Gmelin Handbook of Inorganic and Organometallic Chemistry - 8th edition ELEM C TL C LFG 4). Springer Verlag, ISBN 3540932836
  • Gundula Jänsch-Kaiser und Dieter Behrens: Ameisensäure und Erdalkalihydroxide. DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., ISBN 3926959002

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