Geschmackliche Schärfe

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Die geschmackliche Schärfe ist vom medizinischen Standpunkt aus betrachtet ein Schmerzempfinden. Die das Schärfegefühl erzeugenden Stoffe wirken auf die Wärme-Rezeptoren der Zunge, wodurch ein Hitze- bzw. Schmerzreiz chemisch ausgelöst wird. Da diese Empfindung nicht auf eine tatsächliche Temperaturerhöhung zurück geht, können kalt genossene scharfe Speisen ebenso „heiß“ schmecken. Nur zusätzlich wird die Schärfe der Speisen auch direkt durch ihre Temperatur mitbestimmt. Scharf gewürzte Speisen schmecken umso schärfer, je heißer sie serviert werden.

Analog dazu gibt es Stoffe, die in gleicher Weise auf Kälte-Rezeptoren reagieren. So kann zum Beispiel der Frischeeffekt von Minzöl erklärt werden, der bei heißem Pfefferminztee eintritt, an kalten Speisen wie Pfefferminz-Eis aber deutlicher empfunden wird.

Abzugrenzen ist die geschmackliche Schärfe von den Geschmacksrichtungen, wie süß, sauer, bitter, salzig und umami, die auf den Geschmackspapillen ihren bestimmten Platz haben (siehe dazu Zunge). Gelegentlich werden auch hochprozentige Getränke als geschmacklich scharf bezeichnet.

Scharfes Essen – warum?

Zunächst scheint es unlogisch, Speisen scharf zu würzen, wenn dadurch Schmerzempfindungen ausgelöst werden. Der eigentliche Abwehrmechanismus gegen Fraßfeinde, den einige Pflanzen ausgebildet haben, wird aber ausgenutzt, um das Geschmacksempfinden zu erhöhen. Tatsächlich wirken die scharfen Anteile der Gewürze als Geschmacksverstärker: Die gereizten Rezeptoren in den Schleimhäuten werden besser durchblutet, somit auch die benachbarten Geschmacksnerven, welche dadurch wiederum empfindlicher für die eigentlichen Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter und salzig sind.

Da hohe Schärfegrade ebenfalls die Hautporen am ganzen Körper öffnen und damit das Schwitzen fördern, kann durch Essen scharfer Speisen auch die Körpertemperatur gesenkt werden. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum gerade in Ländern mit warmem Klima gern scharf gegessen wird.

Ein weiterer Grund, warum scharf gegessen wird, ist die mit der Schmerzreaktion verbundene Ausschüttung des Glückshormons Endorphin. Scharfe Gewürze, vor allem Chili gelten somit als eine Art Naturdroge.

Zusätzlich hemmen die Inhaltsstoffe vieler scharfer Früchte das Wachstum von Bakterien. Man kann annehmen, dass aus diesem Grund viele Speisen in solchen Ländern scharf gewürzt werden, in denen das Wachstum von Bakterien (also auch Krankheitserregern) durch das Klima besonders begünstigt ist.

Geschichte

Die Entwicklung und Verbreitung von Pflanzen und Pflanzenteilen, die Schärfeempfindungen verursachen, unterscheidet sich nicht sehr von der Geschichte anderer Gewürze. Oftmals entwickelte sich die Verwendung parallel sowohl als Würz- als auch als Heilmittel. Bereits in den Rezepten Apicius', einem römischen Feinschmecker aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., wird Pfeffer verwendet. In Mittel- und Südamerika wurden nachweislich schon vor 3.000 bis 6.000 Jahren die scharfen Urformen des Paprika domestiziert und verwendet. Bevor die ersten Paprikapflanzen durch die Fahrten Christoph Kolumbus' nach Europa und später auch nach Asien kamen, wurde in der asiatischen Küche vor allem Ingwer als schärfendes Gewürz eingesetzt. Da aber in Europa der aus Indien importierte Pfeffer sehr teuer war, wurden auch hier die oft als spanischer Pfeffer bezeichneten Früchte des Paprika als Pfefferersatz gehandelt.

Schärfe als Abwehr von Feinden

Die Entwicklung, dass sich verschiedene, Schärfeempfindungen verursachende Stoffe in Pflanzen oder Pflanzenteilen angesammelt haben, ist oftmals als natürlicher Schutzmechanismus zu sehen. Das in Chilis enthaltene Capsaicin beispielsweise wird nur von Säugetieren wahrgenommen, Vögel hingegen sind gegen diesen Stoff unempfindlich. Da Vögel die Samen der Früchte nicht verdauen können, werden diese wieder ausgeschieden. Zudem legen Vögel weit größere Strecken zurück als Säugetiere, weswegen diese Art der Samenverbreitung für eine größere räumliche Verbreitung sorgt. Der Kot dient dabei gleichzeitig als Dünger für die jungen Pflanzen. Das in Knoblauch enthaltene Allicin dient ebenfalls als Schutz vor Fressfeinden: Unter anderem Stare, Zecken, Moskitos und verschiedene Würmer meiden Knoblauch.

Scharfe Gewürze und Pflanzen

Pfeffer

Grüne, weiße und schwarze Pfefferkörner

Der Schwarze Pfeffer oder einfach Pfeffer (Piper nigrum) ist eine Pflanze aus der Familie der Pfeffergewächse (Piperaceae), deren Früchte ein durch das darin enthaltene Alkaloid Piperin scharf schmeckendes Gewürz liefern. Piperin wirkt weniger stark als das in Chilis enthaltene Capsaicin, der Gesamtanteil aller piperin-artigen Verbindungen in Pfefferkörnern liegt bei ca. 5 % – die dadurch verursachte Schärfeempfindung liegt in etwa im mittleren Bereich der Schärfeskala der Chilis.

Der oft mit normalen Pfeffer in Pfeffermischungen verwendete rosa Pfeffer besitzt keine Schärfe verursachenden Inhaltsstoffe. Da er geschmacklich dem Pfeffer relativ nahe ist, können Speisen unterbewusst als schärfer empfunden werden.

Szechuanpfeffer ist ebenfalls nicht mit dem schwarzen Pfeffer verwandt, charakteristisch ist der scharf-prickelnde Geschmack, der ein Gefühl der Taubheit auf Lippen und Zunge bewirkt. Im Chinesischen wird dieser Geschmackseindruck als má (麻) bezeichnet und von der gewöhnlichen Schärfe là (辣) unterschieden. Oft ist auch die Zeit, in der sich diese Schärfe entwickelt, deutlich länger als bei Pfeffer- oder Chilischärfe. Die für dieses Empfinden verantwortlichen Stoffe sind verschiedene Amide, die bis zu 3 % der Inhaltsstoffe der Samenkapseln ausmachen.

Paprika, Chili

Rote Chili-Schote, aufgeschnitten

Die Chili-Schärfe wird von Capsaicin und anderen Capsaicinoiden ausgelöst. Der Mensch ist in der Lage, Capsaicin noch in einer Verdünnung von 1 zu einer Million zu erkennen. Bekannt ist die Angabe der Schärfe von Chilis in Scoville-Einheiten. Gemüsepaprika z. B. hat üblicherweise zwischen 0 und 100 Einheiten, die bekannte amerikanische Tabascosauce hat 2500–5000 Einheiten und Habanero-Schoten haben zwischen 100.000 und 500.000 Einheiten. Reines Capsaicin entspricht in etwa 15.000.000 bis 16.000.000 Scoville, somit haben die schärfsten Chilis einen Capsaicin-Gehalt von ca. 3%. Durch Konzentrate können Chilisaucen oftmals noch höhere Capsaicin-Werte erreichen. Ab einer gewissen Größenordnung spielen die Scoville-Einheiten keine Rolle mehr. Der menschliche Körper ist nicht mehr in der Lage, die Schärfe oberhalb eines Schwellenwertes zu unterscheiden. Trotzdem wird unter dem Namen Blair's 16 Million Reserve als schärfste Chilisauce der Welt bezeichnetes reines Capsaicin verkauft. Der Preis für ca. 1 ml liegt bei um die 200 $. Jedoch ist diese Sauce kaum sinnvoll einsetzbar, das Angebot kann als Promotiongag angesehen werden.

Der Versuch die Wirkung von Chili durch Trinken von Wasser oder anderen Getränken zu mildern ist zumeist vergebens. Capsaicin ist nicht wasserlöslich und somit wird das Capsaicin eher weiter im Mundraum verteilt, was zum entgegengesetzten Effekt, nämlich einem noch stärkeren Brenngefühl führt. Die besten Methoden gegen Chilischärfe bestehen im Trinken von Milch oder dem Essen von Käse. Das in beiden Produkten enthaltene Fett löst das Capsaicin und mindert damit die Schmerzempfindung. Unter anderem deswegen sind vor allem mexikanischen Gerichte oft mit Käse überbacken. Eine andere Möglichkeit zur Schmerzlinderung ist das Essen von trockenem Brot. Hierbei wird der Speichel und somit auch das Capsaicin vom Brot aufgesogen und kann geschluckt werden, ohne weiter die Rezeptoren zu reizen.

Senf und Rettich

Dijon-Senf

Die Senf- oder Meerrettichschärfe entsteht durch das Allylsenföl (Allyl-Senf-Öl). Dieses flüchtige Öl trägt auch dazu bei, dass die Schärfe von Senf oder Meerrettich „in die Nase steigt“. Sinalbin ist ein Senfölglykosid, das unter anderem im Weißen Senf enthalten ist. Der Schwarze Senf schützt sich vor Fressfeinden durch einen 1 %-igen Gehalt an Sinigrin, der Verbindung eines tränenreizenden, stechend riechenden und extrem scharf schmeckenden Isothiocyanats (und zwar des Allyl-Isothiocyanats) in Verbindung mit Glukose. Der typische Rettichgeschmack wird durch ein Senföl verursacht, das bei Verletzung (durch Bearbeitung oder Anbeißen) aus dem in der Pflanze enthaltene Senfölglykosid entsteht.

Auch in anderen Pflanzen, wie in einigen Kressearten wie Gartenkresse oder Brunnenkresse ist Senfölglykosid enthalten und für eine Schärfewahrnehmung verantwortlich. Die nicht zu den eigentlichen Kressen gehörende Kapuzinerkresse hat es vor allem ihrem Senfölglykosid zu verdanken, dass sie ähnlich wie Kressearten schmeckt und ihnen oft zugeordnet wird. Durch den leicht scharfen Geschmack werden die Blätter und Blüten der Kapuzinerkresse oft für Salate verwendet.

Knoblauch

Knoblauchknolle

Auch die im frischen Knoblauch enthaltene Schwefel-Verbindung Allicin wirkt auf die Wärmerezeptoren im Mund. Da sich Allicin bei Hitze zersetzt, ist gebratener oder gekochter Knoblauch nicht scharf. Im Gegensatz zu anderen Stoffen wirkt Allicin sowohl auf die von Capsaicin als auch die von Allyl-Senf-Öl stimulierten Rezeptoren. Knoblauch wird jedoch in erster Linie wegen seines Geschmacks, nicht wegen der Schärfe in der Küche eingesetzt.

Weitere scharfe Gewürze und Pflanzen

Siehe auch

Trigeminale Wahrnehmung

Literatur

  • Macpherson LJ, Geierstanger BH, Viswanath V, Bandell M, Eid SR, Hwang S, Patapoutian A.: The Pungency of Garlic: Activation of TRPA1 and TRPV1 in Response to Allicin. Curr Biol. 24. Mai 2005;15(10):929-934. pdf (englisch)

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