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Zwinger (Münster)

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Der Zwinger an der heutigen Promenade.

Der Zwinger im westfälischen Münster ist ein Teil der ehemaligen Stadtbefestigung aus der frühen Neuzeit. In der Zeit des Nationalsozialismus war er sowohl Gefängnis als auch Hinrichtungsstätte der Gestapo und wurde durch alliierte Bombenangriffe schwer beschädigt. Seit der Umwandlung in ein Mahnmal gehört der Zwinger zum Stadtmuseum Münster und beherbergt die Skulptur Das gegenläufige Konzert.

Architektur

Der ehemalige Haupteingang des Zwingers.

Beim Zwinger in Münster handelt es sich um ein Rondell mit einen Durchmesser von 24,3 m. Damit ist er größer als die bekannteren Zwinger in Goslar. Seine Mauerstärke beträgt etwa 1,95 m, während sie zur Bauzeit in den 1530er Jahren eine Stärke von bis zu 4,64 m besaßen. „Dat grote Bollwerk“, wie der Zwinger auch genannt wurde, zählte damit zu den stärksten Stadtbefestigungen der frühen Neuzeit.

Über die ursprüngliche Höhe des Zwingers existieren keine verlässlichen Informationen. Vor der teilweisen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg betrug sie auf der Westseite 8,75 m. Allerdings kann es sich dabei nicht um die ursprüngliche Höhe handeln, da bei der Schleifung der Befestigungsanlagen und dem Anlegen der Promenade im Jahre 1772 auch rund um den Zwinger Erde abgetragen wurde und er seitdem mindestens 2,25 m höher erscheint. Gut zu erkennen ist dies am ehemaligen Eingang, der zur Bauzeit auf der Höhe des umgebenden Geländes lag.

Im Inneren bestand der Zwinger aus zwei Stockwerken, einem Keller und einen separaten Dachgeschoss. Über die ursprüngliche Aufteilung existieren keine Informationen. Dagegen gibt es die Pläne der Innenarchitektur nach der Umgestaltung zu einem Gefängnis in den 1730er Jahren. In allen drei Etagen gab es um den Innenhof in der Mitte des Zwingers jeweils sechs im Kreis angeordnete Zellen. Sie wurden verbunden durch einen äußeren Rundgang zwischen Außenmauer und den Zellen innen. Die Aufteilung wurde im Jahre 1919 erneut verändert, als der Zwinger als Wohnhaus und Atelier für Maler vermietet wurde. Entsprechend wurden Wände entfernt und neue Durchbrüche geschaffen. Die teilweise Zerstörung im Zweiten Weltkrieg trug anschließend dazu bei, dass von der ursprünglichen Architektur nur noch wenige Teile erhalten geblieben sind.

Geschichte

Karte aus dem Jahre 1648. Der Zwinger befindet sich in der nordöstlichen Ecke der Stadtbefestigung.

Als Teil der Stadtbefestigung

Die Bauarbeiten zum Zwinger begannen schätzungsweise um 1528 als Bollwerk in der Verteidigungsanlage der Stadt Münster an der Stelle des alten Nordost-Turmes. Während der Herrschaft der Täufer in den Jahren 1534 und 1535 übernahmen sie die Kontrolle über den Zwinger und setzten ihn zur Verteidigung gegen den Landesherrn Fürstbischof Franz von Waldeck ein. Nach der blutigen Niederschlagung der Täuferherrschaft ließ von Waldeck das Werk zu einer Zwingburg zur Niederschlagung einer eventuellen Revolte innerhalb der Stadt umbauen. Dieser Funktion nach wurde der Anlage der Name „Zwinger“ zuteil, der für 1537 erstmalig urkundlich belegt ist. Gleichzeitig befand sich in unmittelbarer Nähe noch ein kleiner, als Gefängnis genutzter Turm.

Seine ursprüngliche Funktion als Zwingburg verlor der Zwinger bereits wieder im Jahre 1541, als Franz von Waldeck auf die Unterstützung der Stadt angewiesen war und ihr als Dank Teile der Selbstverwaltungsrechte zurückgab. Eine Zwingburg war fortan nicht mehr notwendig und der Zwinger diente seitdem ausschließlich zum Schutze der Stadt an einer besonders exponierten Stelle der Stadtbefestigung, dem Austritt der Aa aus dem Stadtgebiet.

Nutzung als Mühle und Umbau

Im Jahre 1619 war zunächst geplant, das Gebäude als Zuchthaus zu verwenden. Wer dafür verantwortlich zeichnet, ist allerdings nicht überliefert. Eine Umsetzung dieses Plans erfolgte jedoch erstmal nicht und sollte erst über 100 Jahre später wieder aufgegriffen werden. Stattdessen wurde im Jahre 1635 eine Rossmühle im Zwinger installiert, im Jahre 1657 folgte eine zweite.

Im gleichen Jahrzehnt kam es erneut zu Diskussionen über den Umbau der Anlage. Demnach sollte das ursprüngliche Kegeldach abgenommen und durch eine flache Decke ersetzt werden, um darauf Kanonen installieren zu können. Hierzu gab es zwei unterschiedliche Pläne. Der erste am 2. Mai 1650 durch den Rat der Stadt gefasste Plan sah vor, den Zwinger mit einer flachen Holzdecke zu versehen. Nachdem fast ein Jahr nichts geschah, wurde er am 9. Juli 1651 verworfen und durch die Idee eines Gewölbes ersetzt. Der Rat der Stadt erteilte den Kämmerern den Auftrag, das dafür notwendige Baumaterial zu beschaffen. Gleichzeitig begannen die Umbauarbeiten am Zwinger, wobei das Dach abgenommen und provisorisch mit Brettern zugedeckt wurde. Zur Umsetzung dieser Idee kam es aufgrund eines Gutachtens eines angesehenen Ingenieurs aus Geldern vom 10. Mai 1652 jedoch ebenfalls nicht. Fast ein Jahr später war der Umbau noch immer nicht vollendet. Erst als der Rat am 2. April 1653 Druck auf die Gilden ausübte und ihnen unterstellte, Schuld an den Verzögerungen zu sein, gingen die Baumaßnahmen weiter. Mit daran beteiligt war u.a. der bekannte westfälische Maler Everhard Alerdinck, der sich bereits für die Verschönerung des Rathauses für die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden verantwortlich zeichnete. Ein Gewölbe erhielt der Zwinger dennoch nicht, sondern behielt sein Kegeldach. Dies belegen Belagerungspläne von Bischof Christoph Bernhard Graf von Galen aus den Jahren 1657 sowie 1661.

Umwandlung in ein Gefängnis

Die Westseite des Zwingers.

Nach von Galens erfolgereicher Belagerung Münsters im Jahre 1661 ging die Kontrolle über die Wehranlagen und somit auch den Zwinger an den siegreichen fürstbischöflichen Landesherren über. Über die Nutzung des Gebäudes während dieser Zeit existieren allerdings keine Informationen. Erst wieder im Jahre 1732 tritt der Zwinger geschichtlich in Erscheinung. Im Auftrag des Landtages und nach den Plänen von Johann Conrad Schlaun wurde das Gebäude in ein Gefängnis umgewandelt. Dazu entstanden in allen drei Geschossen jeweils sechs Zellen, was jedoch nicht den ursprünglichen Plänen Schlauns entsprach. Er plante zunächst jeweils acht Zellen im Erd- sowie im Dachgeschoss. Im Kellergeschoss sollten keine Zellen entstehen. Die ursprünglich 4,64 m dicke Außenmauer wurde teilweise abgetragen und besass am am Ende der Umbaumassnahmen eine Wandstärke von nur noch 1,95 m.

Bereits 1833 bzw. 1835 schlug der damalige Bauinspektor Teuto vor, das Gebäude abzutragen und an der gleichen Stelle ein neues, größeres Gefängnis zu errichten. Da Teuto sich mit diesem Vorschlag nicht durchsetzen konnte, entstand um 1850 an der Gartenstraße, nur einen Steinwurf vom Zwinger entfernt, ein neues Gefängnis, welches noch immer im Betrieb ist. Dennoch blieb die Funktion als Gefängnis noch einige Zeit erhalten. Letztmalige Hinweise für eine entsprechenden Nutzung des Zwingers finden sich für das Jahr 1877, als ein Ankauf desselben durch die Stadt Münster deswegen nicht zustande kam.

Spätere Nutzung

Die Ostseite des Zwingers. Vom Baum halb verdeckt der Eingang zu den Kellergewölben.

Bereits seit dem 21. August 1900 besitzt der Zwinger den Status als Denkmal, nachdem der damalige Provinzialkonservator bei der Landesregierung gegen den Abriss intervenierte. Am 16. Juni 1911 erwarb dann die Stadt Münster den Zwinger zum Preis von 130.000 Reichsmark. Ihr wurde zudem zur Auflage gemacht, den Zwinger dauerhaft zu erhalten. Nach dem Ersten Weltkrieg vermietete die Stadt den Zwinger im Herbst 1919 an Maler, die ihn bis ins Jahr 1935 als Wohnung und Atelier nutzten.

Während der Zeit des Nationalsozialismus diente der Zwinger zunächst als „Kulturheim der münsterischen Hitler-Jugend“, ab 1944 dann als Inhaftierungsanstalt für die Gestapo. Diese führte im Innenhof Exekutionen von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen durch, anscheinend auch nachdem das Gebäude im Frühjahr 1945 teilweise von Bomben zerstört wurde.

Nach dem Krieg verfiel der Zwinger zusehends. Planungen, die Stätte in ein Mahnmal zu verwandeln, fielen Geldnöten zum Opfer. Unter Anderem sollte Heinrich Böll eine Gedenkplakette betexten und besichtigte den Zwinger im April 1971 auch. Erst nachdem Rebecca Horn dem Zwinger während der Ausstellung Skulptur.Projekte 1987 mit der Skulptur Das gegenläufige Konzert zu neuem Leben verhalf, wurde der Ausbau zu einem Mahnmal verwirklicht. Im September 1989 beschloss der Rat der Stadt daher, das Gebäude als Gedenkstätte zu nutzen, mit Gedenken „an die Opfer der Gewalt in Münster, an die Opfer der Kriegsgewalt und der Verfolgung Unschuldiger, besonders an die unmenschliche Strafjustiz und den Terror gegen politische Gegner, Angehörige von Minderheiten und Kriegsgefangene während des Nazi-Regimes“. Eine umfassende Restaurierung erfolgte in den Jahren 1995 bis 1997.

Das gegenläufige Konzert

Datei:Zwinger4.jpg
Ewiges Licht und metallerner Hammer im Zwinger

Die seit 1987 im Rahmen der Skulptur.Projekte im Zwinger installierte Skulptur Das gegenläufige Konzert von Rebecca Horn brachte den Zwinger wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und forcierte die Restaurierung des zur Ruine verkommenen Gebäudes. Horn istallierte an den Wänden des Zwingers insgesamt 42 Metallhämmer, die regelmäßig ein tickendes Geräusch auslösen. Zusammen mit aufgestellten ewigen Lichtern soll so eine beklemmende Atmosphäre geschaffen werden.

Im Inneren des Zwingers tropft regelmäßig Wasser aus einem Trichter und fällt zwölf Meter tief in eine Zisterne. Kleine Details ergänzen die Skulptur, so zum Beispiel ein Ei, das von zwei spitzen Metallnadeln, die aus der Decke bzw. dem Boden wachsen, gehalten wird.

Besichtigung und Öffnungszeiten

Der Zwinger kann in den Monaten von April bis Oktober jeweils am ersten Sonntag im Monat bei einer Führung besichtigt werden. Sie beginnt im Stadtmuseum Münster mit einer Tondiaschau über die Geschichte des Gebäudes. Zusätzlich kann der Zwinger an jedem dritten Donnerstag im Monat um 20 Uhr besichtigt werden. Für Gruppen und Schulklassen (für letztgenannte ist die Führung kostenlos) können zusätzliche Termine vereinbart werden.

Zusätzlich besteht von Juni bis September jeweils sonntags zwischen 14 und 18 Uhr die Möglichkeit zur Besichtigung, jeweils um 15, 16 und 17 Uhr werden Kurzführungen veranstaltet.

Literatur

  • Rebecca Horn: Der Zwinger in Münster. W. König Verlag, ISBN 3883756474
  • Max Geisberg: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Band 41: Die Stadt Münster Teil 1: Die Ansichten und Pläne, Grundlage und Entwicklung, die Befestigungen, die Residenzen der Bischöfe. Aschendorff, Münster 1976, ISBN 3-402-05090-0

Weblinks

Commons: Der Zwinger in Münster – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien


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