Benutzer:Ch ivk/Baustelle/WikiProjekt Erzgebirge/Bergbau im Erzgebirge

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Rauchgase aus der Verhüttung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Flugstaubkammer (D) über den Öfen einer Hütte nach Georgius Agricola (1556)

Auseinandersetzungen um den Hüttenrauch aus Metallschmelzen sind bereits im 13. Jahrhundert zuerst in England, später auch in Deutschland nachweisbar und mehrten sich seit Beginn des 15. Jahrhunderts.[1] In Goergius Agricolas 1556 in deutscher Sprache erschienenem Werk De re metallica finden sich text- und bildliche Hinweise zur Minderung von Schmelzverlusten durch Flugstaub mittels einer Kammer, durch welche die Rauchgase hindurchgeleitet werden sollen:

„Sehr nützlich ist es, hinter Öfen, insbesondere hinter solchen, in denen wertvolle Erze verschmolzen werden, Kammern anzubauen, welche die gröberen Teile des noch metallhaltigen Rauches zurückhalten und aufnehmen.“[2]

In seinen Ausführungen widmete sich Agricola jedoch nur dem ökonomischen Nutzen der Flugstäube:

„Wenn sie dann wieder […] verschmolzen werden, so ergibt das einen Gewinn für den Besitzer.“[3]

Der Bergmann und Markscheider Balthasar Rösler beschreibt in seinem 1700 herausgegebenem Lehrwerk Hellpolierter Berg-Bau-Spiegel den Aufbau eines Röstofens zur Behandlung arsenhaltiger Kobalterze. – Dieser hat ebenfalls eine Flugstaubkammer („Rauch-Fang“).[4] Im Gegensatz zu Agricola, benennt Rösler die schädlichen Auswirkungen des Rauches auf die Umwelt als früher vermutlich unbekannt/unbeachtet:

„In vorigen Zeiten hat man so wohl in Königlichen Böhmischen als auch in denen Meißnischen Ertz-Gebürgen von […] Rauch-Fängen nichts gewust / sondern es ist der wilde gifftige Rauch von Brenn-Oefen weg und in die freie Luft geflogen / dabey aber denen anliegenden Feldern und Viehe-Weiden mercklicher Schaden geschehen […]“[5]

Als Erfinder dieser Flugstaubkammer bennent Rösler den böhmischen Bergmann David Haidler aus Sankt Joachimsthal. Dieser erhielt vor 1564 vom böhmischen Landesherren die Konzession zur Anlage einer Schmelzhütte für Kobalterze in Sankt Joachimsthal und für ganz Böhmen, wo er dieses Verfahren erstmals einsetzte. Im Kurfürstentum Sachsen wurde gleiches Verfahren 1564 vom Nürnberger Hieronymus Zürch dem Kurfürsten vorgetragen, woraufhin ihm eine Kozession für dieses Territorium ausgestellt wurde.[5]

Nach Röslers Ausführungen hatte man spätestens im 16. Jahrhundert die schädlichen Auswirkungen des Hüttenrauchs auf die Umwelt durch Beobachtung erkannt. Wenn auch bei Agricola die Umweltauswirkungen unerwähnt blieben, so wurde doch eine technische Lösung zur Minderung bereits mit Veröffentlichung seines Hauptwerkes erstmals bekannt gemacht. Die Anwendung der Flugstaubkammer sowie die schädliche Wirkung der Hüttenrauchs wird im 1712 erstmals erschienenem Curieuses Natur-Kunst-Gewerck- und Handlungs-Lexicon kurz erwähnt:

„Hütten-Rauch, wird derjenige auf Bergwercken, oder im Schmeltzen genannt, […], so sich an den Wänden der Oefen und Rost-Städten, und den hierzu gemachten krummen Rauch-Fängen, […], anleget. Er ist der ärgste Gifft, und der tödlich ist, […].“[6]

Ein Werk über Metallhüttenkunde von 1738 beschreibt die Anlage von Hüttenwerken unter dem Gesichtspunkt der günstigen Fortleitung der Rauchgase an die Umgebung.[7]

Freiberger Hüttenrauchstreit
Die 1888/89 zur Ableitung der Rauchgase der Halsbrücker Schmelzhütten errichtete 140 Meter hohe „Halsbrücker Esse

Von besonderer Bedeutung waren die ab ab Mitte des 19. Jahrhunderts beginnenden Auseinandersetzungen um den Hüttenrauch im Freiberger Bergrevier. Sie zogen sich bis ins frühe 20. Jahrhundert hin und erlangten aufgrund der zahlreichen Petitionen, Gutachten, Veröffentlichungen sowie ausprobierten Gegenmaßnahmen grundsätzliche Bedeutung für den Umgang mit Rauchschäden weit über Freibergs Grenzen hinaus und hinterließen eine Vielzahl von Erfahrungen und Kenntnissen.[8]

Die Umweltschäden waren kein neues Phänomen, hatten jedoch seit 1840 beträchtlich zugenommen. Betroffen waren die umliegenden Gebiete der Hüttenstandorte Halsbrücke und Muldenhütten. In beiden Hütten waren neue Öfen installiert worden, die einerseits einen bedeutend höheren Durchsatz hatten und andererseits den Einsatz schwefelhaltigerer Brennstoffe und Erze erlaubten. Die schädlichen Emissionen und die damit einhergehehenden Umweltschäden steigerten sich folglich, was Proteste und Petitionen der betroffenen Gemeinden gegenüber der sächsischen Regierung als Eigentümer der Hütten nach sich zog.[8]

[9]



  1. Arne Andersen: Historische Technikfolgenabschätzung am Beispiel des Metallhüttenwesens und der Chemieindustrie 1850-1933. In: Peter Borscheid, Wilfired Feldenkirchen, Günther Schulz (Hrsg.): Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. Beiheft 90. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06869-4, S. 40–41 (Onlineauszug [abgerufen am 20. Juni 2014]).
  2. Georgius Agricola: Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen. In denen die Ämter, Instrumente, Maschinen und alle Dinge, die zum Berg- und Hüttenwesen gehören, nicht nur aufs deutlichste beschrieben, sondern auch durch Abbildungen ... aufs klarste vor Augen gestellt werden. Sowie sein Buch von den Lebewesen unter Tage. In neuer deutscher Übersetzung bearbeitet von Carl Schiffner. VDI-Verlag, Berlin 1928, S. 345 (Digitalisat [abgerufen am 20. Juni 2014]).
  3. Georgius Agricola: Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen .. S. 347.
  4. Balthasar Rösler: Speculum Metallurgiae Politissimum, Oder: Hell-polierter Berg-Bau-Spiegel. Deutscher Verlag für die Grundstoffindustrie, Leipzig 1980, S. 157–158 (Digitalisat [abgerufen am 20. Juni 2014] Faksimiledruck der Ausgabe von 1700, Dresden).
  5. a b Balthasar Rösler: Speculum Metallurgiae Politissimum .. S. 159.
  6. Curieuses Natur-Kunst-Gewerck- und Handlungs-Lexicon, .. Alles dergestalt eingerichtet, daß man dieses als einen andern Theil des Realen Staats-Zeitungs- und Coversations-Lexixi mit grossem Vortheile gebrauchen kan, .. Johann Friedrich Gleditzsch und Sohn, Leipzig 1712, Sp. 640 (Digitalisat).
  7. Arne Andersen: Historische Technikfolgenabschätzung am Beispiel des Metallhüttenwesens und der Chemieindustrie 1850-1933. In: .. S. 40–41.
  8. a b Franz-Josef Brüggemeier: Die Auseinandersetzungen um den Freiberger Hüttenrauch 1846-1908. In: Das unendliche Meer der Lüfte: Luftverschmutzung, Industrialisierung und Risikobewusstsein im 19. Jahrhundert. 1. Auflage. Klartext Verlag, Essen 1996, ISBN 3-88474-509-3, S. 152.
  9. Franz-Josef Brüggemeier: Die Auseinandersetzungen um den Freiberger Hüttenrauch .. S. 152–198.




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