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Neokatechumenaler Weg

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Das Neokatechumenat/Neukatechumenat oder der Neokatechumenale Weg ist eine Neue Geistliche Bewegung in der Römisch-Katholischen Kirche, die 1964 von dem spanischen Künstler und Katholiken Kiko Argüello, Carmen Hernández und Pater Mario Pezzi in Madrid mit dem Ziel einer Rechristianisierung des heidnischen Europas gegründet worden ist. Seit 1990 ist das Neokatechumenat von der katholischen Kirche als geistliche Gemeinschaft anerkannt. Das Statut der Bewegung wurde am 29. Juni 2002 vom päpstlichen Rat für die Laien akzeptiert.

Ikone des Neokatechumenalen Weges

Name

Ursprünglich war das heutige Neokatechumenat namenlos. Erst die Anregung von Papst Paul VI., diese Bewegung doch nach dem Begriff des Katechumenats zu benennen (vgl. Sacrosanctum Concilium Nr. 64); mit dem Katechumenat bezeichnet die Kirche die Ein- und Unterweisung der Taufbewerber im christlichen Glauben, um diesen nach den Vorstellungen der katholischen Kirche ausführen zu können. Das „Neo“ am Anfang zeigt den Zweck des „Weges“, die als Kind unbewusst erlebte Taufe und die dadurch fehlende Einweisung in ihrer gesamten Tragweite neu wiederzuentdecken und zu erneuern.

Ziele

Das primäre Ziel des Neokatechumenates ist es, die Taufe „neu“ zu erleben, wie eben bereits der Name verrät. So feiern die neokatechumenalen Gemeinschaften am Ende des „Weges“ die Osternacht zusammen mit dem jeweiligen Bischof des Bistums und erneuern dort ihr Taufversprechen. Alle anderen Ziele und Methoden, die zu diesen Zielen führen sollen, sind zum Großteil für Außenstehende schwer zu beurteilen, da die streng hierarchisch gegliederte Gemeinschaft die Anordnungen ihrer Gründer und spirituellen Führer nicht veröffentlicht und den Mitgliedern der einzelnen Gemeinschaften auferlegt ist, über Interna gegenüber Nichtmitgliedern zu schweigen. Nur die Statuten des Neokatechumenats sind öffentlich zugänglich; ihr Wortlaut wird aber als schwer verständlich und verschieden auslegbar kritisiert. Die Vorschriften, nach denen die im Neokatechumentat bedeutenden Laienkatecheten arbeiten, sind geheim. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung beim Neokatechumenat häufig weit auseinanderklaffen.

Im Unterschied zur Glaubensunterweisung für die erwachsenen Taufbewerber, die lediglich aus zeitlich begrenzten kurzweiligen Katechesen besteht, dauert der Neokatechumenale Weg 15 oder mehr Jahre und unterscheidet sich schon dadurch vom normalen Erwachsenenkatechumenat für erwachsene Taufbewerber der katholischen Kirche. Im Zentrum des Neokatechumenalen Weges steht die Synthese zwischen Kerygma also eigentlich der Lehre für den Katechumenen, die die Anhänger der Bewegung in einer speziellen und sehr langwierigen Form erneut absolvieren müssen, der Änderung des Lebenswandels und der Liturgie.

Das Neokatechumenat stellt der von den Anhängern so bezeichneten realen säkularen und damit negativ zu bewertenden „Welt“ eine evangelisierte Welt entgegen. Diese evangelisierte Welt werde in den neokatechumenalen Gemeinschaften im Kleinen bereits realisiert und müsse der ganzen Welt mittels Mission gezeigt werden. Zu diesem Ziel formiert das Neokatechumenat in den Pfarreien Gruppen von Gläubigen, die als Gemeinschaften bezeichnet werden und sich intensiv darum bemühen, ihren Glauben zu erneuern. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Laienkatecheten (Katechisten) und Priester aus Gemeinschaften, die schon länger auf dem Neokatechumenalen Weg sind. Sie machen die neu gebildeten Gruppen durch die Lehrmethoden Argüellos mit der Lehre der katholischen Kirche bekannt. Sie kontrollieren auch später, ob die Gruppen die Vorgaben und Regeln des Neokatechumenalen Weges einhalten. Dabei hat der Katechist den Anspruch auf absoluten Gehorsam „seiner“ Katechumenen.

Auftreten und Wirken

Die Anhänger des Neokatechumenalen Weges sprechen bewusst Erwachsene und Jugendliche an, die zwar als Kind getauft wurden, aber ihr Leben nicht genug dem Glauben unterstellt haben oder der Kirche und ihren Anliegen gänzlich fernstehen. Im deutschsprachigen Raum überwiegt dabei vor allem die Gruppe der „normalen“ Kirchgängern, denen die oftmals theoretische sonntägliche Messe nicht ausreicht; diese werden oft von den Anhängern des Neokatechumenats in bestehenden Pfarrgemeinden zu einer Glaubensverkündigung eingeladen. Auf einer Website heißt es: dazu „Der Schwerpunkt dieses neokatechumenalen Weges liegt, anders als bei einer Gemeindemission alten Stils, nicht auf der Vermittlung theologischer Sachinhalte (Glaubenswissen), sondern hat eine eher zeugnishafte, verkündigende Ausrichtung, er will einen inneren Prozess anstoßen und persönliche Glaubenserfahrungen ermöglichen.[1]

Das Neokatechumenat wird in den Diözesen auf Einladung des jeweiligen Ortsbischofs tätig. Wenn der betroffene Pfarrer zustimmt, beginnt die geistliche Gemeinschaft mit dem Aufbau von örtlichen Gruppen. Idealerweise soll sich der Neokatechumenale Weg innerhalb der Pfarrei vollziehen. Dies gelingt aber nur, wenn der größte Teil der Gemeinde und der Pfarrer dafür gewonnen werden können. Im deutschsprachigen Raum ist jedoch bereits öfters Gegenteiliges eingetreten, es kam mehrmals zu Konflikten, die vor allem darauf zurückzuführen sind, dass die Anhänger des Neokatechumenats die Feier der Eucharistie in exlusiven kleinen Gruppen vorziehen und sich dazu nicht am Sonntag in der Pfarrkirche sondern am Samstagabend in separaten Räumlichkeiten versammeln.

Organisation

Carmen Hernández und Pater Mario Pezzi bei einer Katechese in der Amsterdam ArenA

Das Statut des Neokatechumenalen Wegs sieht nur ein Minimum an Organisation vor und bezieht sich ganz auf die normale Struktur der Kirche, also Diözesen und Pfarreien. Kirchenrechtlich betrachtet stellt das Neokatechumenat mithin nicht einmal eine eigene als Personenvereinigung strukturierte „Bewegung“ dar, sondern lediglich eine Methode des Glaubenslebens.

Der als Itinearium christlicher Formation bezeichnete Bildungsweg wird durch langjährige Katechesen gegangen, deren Durchführung sich nach dem von Kiko Argüello verfassten Schema für die Katechese richtet. In einer Beurteilung der Rohfasssung wurde dieses Schema laut Sandro Magister von der vatikanischen Kongregation für den Klerus als „in etwas chaotischer Form, mit unklaren theoretischen Formulierungen, mit Rückgriff auf Paradoxien, sich mehr auf Bildhaftes und weniger auf theoretischer Konzeption verlassend“ beschrieben.[2] Diese, in den größten Teilen unveröffentlichte Schrift und nicht das vom Hl. Stuhl approbierte Statut enthält die vollständige Doktrin des Neokatechumenalen Weges, welche sich der Anschuldigung der Abweichung vom katholischen Weg ausgesetzt sah. Eine Veröffentlichung der gesamten Schrift ist nicht zu erwarten, ein Ausschnitt der Synthese aus der vom Vatikan approbierten Schrift und des Schemas für den neokatechumenalen Bildungsweg für die gerade mal ersten zwei Monate einer 15 Jahre langen Katechese wurde von Piergiovanni Devoto in seinem Buch: „The Neocatechumenate: A Christian Initiation for Adults“ veröffentlicht.

Die Katechesen selbst werden von langjährigen Mitgliedern mit Erfahrung auf dem Neokatechumenalen Weg zusammen mit einem Priester (meist auch neokatechumenal geprägt) gehalten. So bildet sich in der Praxis eine strenge Hierarchie, angefangen bei Argüello, der innerhalb des Neokatechumenats oftmals mit führerkultähnlichen Zügen verehrt wird, über die Initiatoren, den Katechisten verschiedenster Ebenen, bis hin zu den Gemeinschaften im Vorkatechumenat.

In Artikel 34 des Statuts haben sich die Gründer Kiko Argüello und Carmen Hernández zusammen mit P. Pezzi auf Lebenszeit die Führung der Gemeinschaft vorbehalten (Internationales Verantwortlichen Team). Die Nachfolge wird jeweils durch ein Wahlgremium reguliert, dessen Entscheidungen der Billigung durch den Päpstlichen Rat für die Laien bedürfen. Das Neokatechumenat verfügt nach eigenen Angaben und statutarisch über kein eigenes Vermögen.

Liturgien

Im Neokatechumenat finden wöchentlich mindestens zwei Versammlungen statt: Eine Eucharistie als Vorabendsgottesdienst am Samstagabend sowie ein Wortgottesdienst in der Mitte der Woche. Im regelmäßigen Abständen werden auch besondere Wochenenden, so genannte Gemeinschaftstage, organisiert.

Eucharistie

Die liturgische Praxis des Neokatechumenats unterscheidet sich in einigen Punkten von der römischen Messe. Dies wird damit begründet, dass man einige Bräuche der Urkirche wieder aufgegriffen habe. Die beiden Lesungen und das Evangelium werden von einem „Vorbereitungsteam“ präpariert und in der Liturgie eingeleitet. Die Teilnehmer haben außerdem die Möglichkeit, kurze Stellungnahmen („Echos“ / „Resonanzen“) nach den Lesungen zu äußern. Bereits nach den Fürbitten gibt man sich den Friedensgruß. Die Wandlung wird meist nicht auf einem geweihten Altar vollzogen. Die Kommunion teilt man stets in beiderlei Gestalt aus, als Hostie verwendet man große selbstgebackene Brote aus Weizenmehl und Wasser, die den Mahlcharakter betonen sollen.

Bevor ein Brief der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung (siehe unten) eine Anpassung verlangte, entfiel das Gloria vor dem Tagesgebet in der Zeit der Sonntage im Jahreskreis, auch das Credo wurde häufig weggelassen.

Kiko Argüello

Kiko Arguello definiert seine Sicht auf das Altarsakrament folgendermaßen: „Wir beobachten eine ganze Reihe von Ideen, die von Naturreligionen in die Liturgie hereingetragen wurden: Gott Dinge zu opfern, um ihn zu besänftigen...“ Dies, so Argüello weiter, sei geschehen, als in Folge der Konstantinischen Wende viele Heiden zu Christen wurden, ohne eine ausreichende Katechese absolviert zu haben. Um dieser Fehlentwicklung entgegen zu wirken, wurde die eucharistische Liturgie (das Neokatechumenat verwendet den Terminus Hl. Messe nicht) so umgestaltet, dass sie nach den Vorstellungen Argüellos der urchristlichen Mahlfeier wieder mehr gleicht.[3] Der katholische Charakter der Eucharistie als Opfer, so wie sie vom Trienter Konzil dogmatisch präzisiert worden ist, tritt dabei in den Hintergrund. Während die äußeren Unterschiede der im Neokatechument praktizierten Liturgie gegenüber der traditionellen römischen Messe oft Gegenstand der innerkirchlichen Kritik waren und sind, wurde die dahinter stehende Theologie bisher weniger diskutiert.

Da das Neokatechumenat den Weg seiner einzelnen kleinen Gemeinschaften als in sich geschlossenen Prozess betrachtet, bei dem die Liturgie im Zentrum steht, bedeutet dies für die liturgische Praxis, dass die Gruppen bei der Eucharistiefeier unter sich bleiben. In einem Interview erklärt Argüello 1997 dazu: „Wir halten keine Liturgie hinter verschlossenen Türen. Es handelt sich nur darum, dass wir einen Weg haben: Geht man zur Universität, so weiß man, dass es ein erstes, ein zweites und ein drittes Semester gibt, und so weiter.[4] Nach Auffassung des Neokatechumenats kann man an seiner liturgischen Praxis nur richtig teilhaben, wenn man die entsprechenden Stufen des Weges durchlaufen hat. Für außenstehende Katholiken sei die Eucharistiefeier des Neokatechumenats demnach nicht gedacht, wozu auch die Abweichungen vom gewohnten Messkanon und ebenso die Verwendung eigener, zumeist von Argüello vertonter Psalmen, die auswendig gesungen werden, beitragen.

Ende 2005 wurden einige der liturgischen Abweichungen nach einem längeren Überprüfungsverfahren von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung als problematisch deklariert und verpflichteten die Führung des Neokatechumenats zur Öffnung ihrer Messen für alle Gläubigen (Art. 13.3); Lösungsvorschläge wurden bisher aber noch nicht vorgestellt. In einem privaten Brief an Kiko Argüello, Carmen Hernández und Pater Mario Pezzi, der durch Dritte an die Medien weitergeleitet wurde, hat der Präfekt Francis Kardinal Arinze die Abstellung der kritisierten Punkte angeordnet. Lediglich beim Friedensgruß wurde die praktizierte Abweichung vom römischen Messkanon uneingeschränkt erlaubt. Hinsichtlich des Empfangs der Kommunion im Sitzen und des Feierns der Heiligen Messe an einem normalen Tisch wurde ein Aufschub von zwei Jahren gewährt.[5]

Wortliturgie

In den Wortliturgien werden Lesungen zu einem bestimmten Thema (etwa Liebe, Dreifaltigkeit etc.) von einem Vorbereitungsteam präpariert und dann eingeleitet, worauf wieder eine Möglichkeit gegeben wird, ein bereits erwähntes Echo oder eine Resonanz zu geben und abschließend kann man eine Fürbitte aussprechen. Oft sitzt einer Wortliturgie kein Priester vor.

Ausbreitung

Die Neokatechumenale Bewegung hat sich seit ihrer Gründung in der ganzen Welt verbreitet und zählt nach eigenen Angaben heute in über 900 Diözesen etwa 20.000 Gemeinschaften mit einer Million Mitgliedern. Vom Neokatechumenat wurden 63 neue Priesterseminare in der ganzen Welt gegründet, im deutschen Sprachraum in finden sie sich Berlin, Bonn und bei Wien. Diese werden „Redemptoris Mater“ (lat. für „Mutter des Erlösers“) genannt. Bisher sind ungefähr 1.000 Priester in diesen Seminaren ausgebildet worden. Weitere 2.000 wurden in Diözesanseminaren ausgebildet. Darüber hinaus erwuchsen aus der neokatechumenalen Bewegung 5.000 weibliche Berufungen zum Ordensleben. Der Vatikan betont immer wieder die „Früchte des Glaubens“, die durch den neokatechumenalen Weg hervorgebracht wurden.[6]

Mission

Eine Besonderheit im Neokatechumenat ist die Mission durch die oft kinderreichen Familien. Diese sind dabei den Priestern gleichgestellt. Die missionarische Tätigkeit der Familien spielte bei der weltweiten Verbreitung des Neokatechumenalen Weges eine entscheidende Rolle: Die Familien werden im Zuge einer „missio ad gentes“ (Mission zu den Völkern) zusammen mit Priestern in unchristliche Gegenden wie zum Beispiel nach Ostdeutschland oder nach China geschickt und bauen sich dort eine neue Existenz auf. Dabei geht der Missionsauftrag an die Familien natürlich einher mit einer meist völligen Trennung von der ehemaligen Heimat, weswegen auch nur die Familien neu in eine Mission gehen sollen, deren Kinder noch nicht das gymnasiale Schulalter erreicht haben.

Bewertung des Neokatechumenats innerhalb der Kirche

Das Neokatechumenat fand seit seiner Gründung immer das Wohlwollen der Päpste. Bereits Papst Paul VI. war der Neokatechumenale Weg bekannt, nach seinem persönlichen Namensvorschlag wurde das Neokatechumenat benannt. Außerdem verwirklicht das Neokatechumenat laut dem eigenem Statut die 1975 von Papst Paul VI. in Evangelii Nuntiandi, Nr. 44 geforderte katechetische Unterweisung für getaufte Christen. Papst Johannes Paul II. hat die Bewegung ebenfalls gefördert und ihr 1990 die kirchenrechtliche Anerkennung ausgesprochen. Papst Benedikt XVI. steht der Bewegung ebenfalls positiv gegenüber. Noch als Präfekt der Glaubenskongregation setzte er sich persönlich für die Ausbreitung des Neokatechumenates ein und unterstützte dabei auch die neokatechumenalen Itineranten - das ist die offizielle Bezeichnung der Erstkatechisten des Neokatechumenats, die innerhalb einer bestimmten Region, wie etwa Deutschland, die die ersten Glaubensverkündigungen durchgeführt haben und für alle Gemeinschaften verantwortlich sind. Als Kardinal feierte er auch mehrmals Eucharistien mit neokatechumenalen Gemeinschaften in Rom.

Antonio Maria Kardinal Rouco Varela bei einer Katechese des Neokatechumenates

Auch viele Bischöfe stehen der Bewegung positiv gegenüber, denn sie versprechen sich vom Neokatechumenat, wie auch von anderen geistlichen Bewegungen, eine Erneuerung des kirchlichen Lebens vor Ort und sind außerdem dankbar für die in der Gemeinschaft blühenden Priesterberufungen. Zu prominenten bischöflichen Fürsprechern des Neokatechumenalen Weges gehören Erzbischof Paul Josef Cordes, ehemaliger Sekretär des Päpstlichen Rates für die Laien und heutiger Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum, Antonio Maria Kardinal Rouco Varela, der Erzbischof von Madrid, sowie der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner.

Dennoch ist die Gemeinschaft innerhalb der katholischen Kirche umstritten. Die Kritik kommt dabei sowohl von konservativen wie auch aus moderneren Gruppen innerhalb der Kirche. Manche Theologen sehen im Neokatechumenat eine Häresie, die sowohl protestantische als gnostische Elemente in ihrer Theologie aufweist (vgl. dazu Zoffolis Buch „Eresie del Movimento Neocatecumenale“, dt. etwa „Häresie der Neokatechumalen Bewegung“). Andere lehnen insbesondere den autoritären Stil des Neokatechumenats und die strenge hierarchische Gliederung unter den Laien der Bewegung ab.[7] Des weiteren beklagen sie, dass das Neokatechumenat große Teile des Gedankenguts der Aufklärung ablehne. Außerdem sieht man eine Gefahr, durch das Neokatechumenat zu einer Art „katholischer Fundamentalist“ zu werden und in moralischen Fragen nicht nur eine ablehnende, sondern auch eine die „Welt“ verachtende Haltung einzunehmen.

Besonders wird aber die mangelnde Offenheit der Bewegung kritisiert, weil sie kaum eigene Schriften publiziert, wodurch das Desinteresse der Gemeinschaft an einem innerkirchlichen Dialog offenbar werde. Laien beklagen die Spaltung der örtlichen Pfarrgemeinden, wenn ein Teil der Gläubigen ins Neokatechumenat eintritt und die Gemeindemessen nicht mehr besucht. Nach Angaben des Neokatechumenalen Weges rufe man aber die Mitglieder der Gemeinschaften auf, die Messe in der jeweiligen Ortspfarrei mindestens monatlich auch am Sonntag zu besuchen.[8]

Doch auch in höheren Ämtern der Kirche findet man Gegner des Neokatechumenats. So lehnte etwa der inzwischen verstorbene Londoner Basil Kardinal Hume 1996 eine Priesterweihe von 15 Neokatechumenen ab und der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky wird mit folgenden Worten zitiert: „Ich mache da nur mit, damit ich auch eingreifen oder mitsprechen kann: dass es nicht einen Wildwuchs gibt“ (zit. nach Peter Hertel, Glaubenswächter - „katholische Traditionalisten im deutschsprachigen Raum“). Und auch eine ganze Reihe italienischer Bischöfe haben ihre Bedenken gegen das Neokatechumenat schon öffentlich kund getan: Bischof Lorenzo Bellomi, Triest, Bischof Arduino Bertoldo, Foligno, Bischof Pietro Nonis, Vicenza, Silvano Cardinal Piovanelli, Florenz.

In England, Australien, Italien und den USA haben sich Widerstandsgruppen gebildet, die versuchen, der weiteren Ausbreitung des Neokatechumenats entgegenzuwirken.[9] Durch die Unterstützung des Papstes sowie die große Anzahl der in den eigenen Seminaren geschulten Priester scheint die Vitalität der Bewegung ungebrochen zu sein.

Literatur

  • Bernhard Sven Anuth: Der Neokatechumenale Weg. Geschichte – Erscheinungsbild – Rechtscharakter. (Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft Bd. 36), Echter, Würzburg 2006, ISBN 3429028078
  • Ricardo Blázquez: Die neukatechumenalen Gemeinschaften. Ein Weg der Einführung in den christlichen Glauben. o.O. (eine der wenigen Eigenpublikationen des Neokatechumenats), Madrid 1985
  • Roman Bleistein SJ: Das Neukatechumenat. Zwischen Erwachsenenkatechese und Kirchenpolitik. In: Stimmen der Zeit. Heft 7, 1992. Online, Homepage von Sébastien Nicolas
  • Piergiovanni Devoto: Il neocatecumenato. Un’iniziazione cristiana per adulti. Editrice Chirico, Neapel 2004, ISBN 9788889227183
  • Peter Hertel: Glaubenswächter - katholische Traditionalisten im deutschsprachigen Raum. Würzburg 2000, ISBN 3429022797
  • Thomas M. Hofer: Gottes rechte Kirche - Katholische Fundamentalisten auf dem Vormarsch. Seiten 179 ff., ISBN 3-8000-3675-4
  • Gordon Urquhart: Im Namen des Papstes. München 1995, ISBN 3426773120
  • Enrico Zoffoli: Eresie del Movimento Neocatecumenale. Udine 1995.

Quellen

  1. Sankt Clemens in Dortmund-Hombruch
  2. Sandro Magister: Bad History, Bad Guide. The Strange Liturgy of the Neocatechumenals, www.chiesa, 24. Januar 2005
  3. Mark Alessio: Where do Rome and the Neo-Catechumenal Way Stand In 2006?, Catholic Family News (eine traditionalistische Monatszeitschrift[1] in Buffalo, USA), April 2006
  4. 30 Tage (Zeitschrift): Interview mit Kiko Argüello, November 1997
  5. Francis Card. Arinze: Brief an Kiko Argüello, Carmen Hernández und Pater Mario Pezzi, 9. Januar 2006
  6. Der Neokatechumenale Weg in den Ansprachen von Paul VI. und Johannes Paul II. (Zitate der Päpste zum Neokatechumenalen Weg)
  7. Zitat: „Die Praxis der katechumenalen Unterweisung verläuft eher undialogisch, autoritär. (...) Der Neukatechumene läßt sich sozusagen blindlings auf einen Glaubensweg ein: Er kennt nicht die Dauer des ihn einfordernden Wegs (wer bestimmt wann über seine Zulassung zur Erneuerung der Taufgelübde?), und er kennt auch nicht die gesamte, entfaltete Planung des Wegs; denn schriftliche Darstellungen des Neukatechumenats - in den einzelnen Stufen, in der theologischen Begründung - werden durchweg nicht aus der Hand gegeben. Oder gibt es sie gar nicht? Auch soll nicht über die Vorgänge in der Gruppe bei Fremden gesprochen werden. Wird dennoch etwas ‚draußen‘ bekannt, wird nach dem ‚Verräter‘ gesucht. Anzeichen von Fanatismus? Es liegt aufgrund solcher Feststellungen nahe, daß einfache Gläubige das Neukatechumenat in die Nähe einer Sekte rücken. (...) Diese Nähe einer Sekte wird durch zweierlei noch vertieft: durch eine fundamentalistische Ausprägung in der Glaubenswahrheit und durch eine vorkonziliare Fixierung auf die Hierarchie.“ Bleistein, Das Neukatechumenat
  8. Kirchlicher Anzeiger des Bistums Hildesheim mit Bezug auf das Neokatechumenat (pdf), 13. August 2002, Nr. 7, S.175-178
  9. The Neo-catechumenate Review pages, prepared by PASCH - Parishioners Against a Secret Church. (Stand: bis 1997)

Weblinks

Commons: Neokatechumenat – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Internetseiten des Neokatechumenats

Internetseiten von Kritikern