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Ulcus cruris

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Ulcus cruris am Unterschenkel einer 65-jährigen Patientin

Der medizinische Begriff Ulcus cruris - lat.: Ulcus ("Geschwür") und crus ("Schenkel, "Unterschenkel") - bezeichnet ein Geschwür am Unterschenkel - das heißt eine offene, meist nässende Wunde, welche über lange Zeit nicht abheilt. Umgangssprachlich wird es auch als "offenes Bein" bezeichnet. Betroffen sind meist ältere Menschen, denen verschiedene Grunderkrankungen zu schaffen machen.

Ein Ulcus cruris, das trotz optimaler Therapie innerhalb von drei Monaten keine Heilungstendenz zeigt bzw. nicht innerhalb von 12 Monaten abgeheilt ist, gilt als therapieresistent.

Ursachen

Grundsätzliche Ursache bei allen Formen ist eine mangelnde Durchblutung des betroffenen Gewebes (Mikrozirkulation), was einerseits die Entstehung eines Ulcus cruris erst ermöglicht, andererseits auch der Grund für dessen schlechte Heilungstendenz ist. Diese Störung der Mikrozirkulation kann wiederum auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden:

Als grundlegende Erkrankungen liegen dabei meist ein postthrombotisches Syndrom oder ein Krampfadernleiden vor. Ein Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und Übergewicht sind bei den meist betroffenen älteren Menschen häufig als Begleiterkrankung zu finden, aber wohl nur selten die Hauptursache. Rauchen und Bewegungsmangel (nicht zuletzt über die fehlende Muskelpumpe) sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren.

Das Ulcus cruris venosum als schwerster Form der chronisch venösen Insuffizienz (CVI) stellt je nach Studie mit 57-80% aller chronischen Ulzerationen die häufigste Ursache nicht spontan abheilender Wunden dar. Arteriell bedingte Ulzerationen sind in 4-30%, gemischt arterio-venöse Ulzerationen in ca. 10%-15% und alle übrige Formen in ca. 6-10% anzutreffen. Hauptursache ist dabei die venöse Stauung im Gewebe, nicht so sehr eine arterielle Durchblutungsstörung. Deswegen wird das Ulkus cruris venosum auch als Stadium 3 der chronischen Venenstauung bezeichnet.

Von einem Ulcus cruris sind Frauen häufiger betroffen als Männer - v.a. da Frauen ein höheres Lebensalter erreichen und häufiger an Krampfadern bzw. Venenproblemen leiden als Männer. Vor dem 40. Lebensjahr kommt das Ulcus cruris selten vor. Ab dem 80. Lebensjahr steigt die Häufigkeit auf - wieder je nach Studie - 0,87 bis 3,38 % stark an. Da diese Erkrankung einen hohen Leidensdruck sowie - alleine schon was das Verbandsmaterial anbelangt - enorme Kosten verursacht und in den nächsten 40 Jahren der Bevölkerungsanteil der über 80-Jährigen massiv ansteigen wird, ist ein besonderes Augenmerk auf die Vorbeugung dieser Erkrankung schon in jungen Jahren zu richten.

Neuere Erkenntnisse der medizinischen Forschung in den USA deuten darauf hin, dass auch das Vorliegen eines chronischen Kompartment-Syndroms Ursache eines Ulkus cruris sein kann. Dabei kommt es bei jedem Schritt zur weiteren Gewebezerstörung weshalb in diesen Fällen Lauftraining kontraproduktiv ist.

Diese Meinung wird von manchen Phlebologen nicht geteilt, die deshalb oft die Abklärung außerhalb ihres eigenen Fachgebietes versäumen. Die Folge sind lukrative Dauerpatienten, deren chronischer Ulcus cruris jahrelang konservativ behandelt werden kann.

Dazu kommen Nebenfaktoren, die den Verlauf ebenfalls beeinflussen, aber in den meisten Fällen nicht ursächlich sind, wie Wundinfektionen, Allergien auf Salben oder erniedrigte Blutspiegel an Albumin, Eisen, Folsäure, Selen, Vitamin C und Zink, die in einigen Studien beschrieben wurden.


Diagnose

Wie bei der CVI ist zunächst die Anamnese entscheidend. Inspektion und Ausmessen des Ulcus, wenn möglich auch eine fotografische Dokumentation erleichtern die spätere Beurteilung der therapeutischen Maßnahmen (und manchmal auch der Compliance der Patienten) und sind im Einzelfall von forensischer Bedeutung. Allerdings wird nicht ein Unterschenkel alleine, sondern der ganze Mensch von Kopf bis Fuß untersucht, da aufgrund der meist vorhandenen Mehrfacherkrankungen des alten Menschen meist mehrere Faktoren die Chronizität des Geschehens bestimmen.

Als Diagnose-Verfahren zur Genese der Erkrankung kommen u. A. die Dopplersonographie der Venen und Arterien, sowie bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit die Angiografie zum Einsatz.

Behandlung

Beseitigung der Ursachen

Die Ursachen zu beseitigen, ist leichter gesagt als getan. In erster Linie sind eine Reduktion des Übergewichts, eine optimale Einstellung eines evtl. bestehenden Diabetes mellitus und eine optimale Einstellung des Blutdrucks anzustreben. Dabei muss allerdings ein ausreichend hoher Blutdruck erhalten bleiben, um die arterielle Versorgung des Gewebes gewährleisten zu können.

Operation zur Beseitigung der Grundursache

Bei chronischem Kompartment-Syndrom wird eine Faszien-Chirurgie (Fasziotomie und Fasziektomie) mit anschließender Hauttransplantation durchgeführt, um die andauernde und fortschreitende Gewebeschädigung durch die zu straffe Muskelhülle zu verhindern.

Bei venöser Insuffizienz kann die Überbrückung der betroffenen Venenabschnitte zur Druckentlastung im venenösen System die andauernde und fortschreitende Schädigung der für die Mikrozirkulation wichtigen kleinsten Gefäße verhindern.

Bei arteriellen Durchblutungsstörungen kann eine Ballon-Dilatation durchgeführt oder eine Versorgung mittels Gefäßprothese angestebt werden.

Konservative Behandlung

Nicht-operative Behandlung der Wunde und unterstützende Maßnahmen sind:

  • Shave-Therapie als chirurgische Vorstufe der Wundbehandlung: Abrasur der Wunde und Abdeckung mit Spalthaut des Oberschenkels oder gezüchteter Haut
  • Druckentlastung und Weichlagerung
  • Verbände mit hydroaktiven Wundauflagen oder Kollagenschwammverbände, die nicht mit der Wunde verkleben und sie feucht halten ohne den Gasaustausch zu verhindern, z.B. mit Allantoin, Harnstoff, Hydrokolloiden
  • zusätzliche Anwendung von Wachstumsfaktoren wie Faktor XIII (Faktor-13, Fibrogammin HS, Plasmatransglutaminase) oder PDGF-beta
  • Gentherapie (experimentell)
  • Einnahme von Pentoxyfillin, Heparin, Infusionen mit Prostaglandin-E1,
  • Antibiotika eingeschränkt nur bei bestimmten Wundinfektionen (sind im Falle des U. c. venosum meist wirkungslos), aber keine Antiseptika beim Verbandwechsel
  • Bewegungstherapie und Lymphdrainage zur Förderung der Durchblutung
  • Die Therapie mit lebenden Fliegenmaden der Goldfliegenart Lucilia sericata ('Gefräßige Lucy') gilt vor allem seit einer Publikation im Lancet im Jahr 2000 neuerlich als vielversprechend.

Nachbehandlung und Vorbeugung

Häufig wird eine Kompressionstherapie mit Stützstrümpfen und Kompressionsverbänden zur Unterstützung der Muskel-Gelenk-Pumpe eingesetzt, um einen hohen Arbeitsdruck und niedrigen Ruhedruck zu gewährleisten, wobei durch die Verwendung von Druckpolstern die Effektivität der Kompressionswirkung erhöht werden kann. Allerdings kann durch diese Therapie ebenfalls die Mikrozirkulation beeinträchtigt werden, was kontraproduktiv ist. Damit muss gleichzeitig zu ausreichender Bewegung geraten werden, sofern ein Kompartment-Syndrom beseitigt oder ausgeschlossen ist, da jede Belastung der Beine beim Gehen sonst ebenfalls kontraproduktiv wäre.

Siehe auch

Weblinks