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Apnoetauchen

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Apnoetauchen, auch Freitauchen genannt, ist Tauchen mit der eigenen Atemluft. Der Taucher atmet vor dem Abtauchen ein und benutzt nur diesen Luftvorrat. Den Zeitraum zwischen dem Einatmen und dem Ausatmen bezeichnet man als Apnoe (griech.: Nichtatmung, Atemstillstand).

Apnoetauchen ist die älteste und ursprünglichste Form des Tauchens. Bereits in der der Steinzeit haben Apnoetaucher zum Beispiel Muscheln, Schwämme und Perlen gesammelt und später das Speerfischen betrieben.

Heutzutage wird Apnoetauchen als Freizeit- aber auch als Leistungs- bzw Extremsport betrieben. Im Freizeitbereich geht es vor allem um die Erkundung der Unterwasserwelt und um die allgemeine Konditionierung für das Flaschentauchen. Im Leistungssport hingegen werden durch gezieltes Training immer längere Apnoezeiten bzw. Strecken- und Tiefenleistungen angestrebt.

Physiologische Grundlagen

Die Atmung ist normalerweise ein unwillkürlicher Vorgang, der aber auch bewusst gesteuert werden kann. Während der Untrainierte kaum in der Lage ist, seinen Atemreiz über einen längeren Zeitraum zu unterdrücken, ist die Dauer der Apnoeleistung für den Geübten durch den Sauerstoffgehalt im Blut begrenzt. Fällt der Sauerstoffpartialdruck im Blut unter eine individuelle Grenze, wird der Taucher bewusstlos. Der Atemreiz wird nicht vom Sauerstoff-, sondern vom Kohlendioxidgehalt des Blutes gesteuert.

Statische Zeittauchübung in der Halle

Bewusstes Atmen oder Hyperventilation vor dem Tauchen führen nicht zu einer Erhöhung des Sauerstoffvorrats, sondern zu einer Absenkung des Kohlendioxidgehalts im Blut. Je nach Dauer und Intensität der Voratmung kommt es dadurch zu einem verzögerten Atemreiz. Dieser kann dadurch sogar erst nach dem Unterschreiten des notwendigen Sauerstoffgehalts einsetzen. Besonders der Anfänger ist nicht in der Lage, die Anzeichen der dadurch drohenden Bewusstlosigkeit zu erkennen. Sie überfällt den Betroffenen meist plötzlich und ohne Vorwarnung. Wird der Betroffene nicht innerhalb kürzester Zeit ins Trockene gebracht, können Unfälle oder das Ertrinken die Folge sein (Schwimmbad-Blackout).

Der Absicherung der Taucher kommt deshalb eine wichtige Rolle zu. Getaucht wird mindestens zu zweit und gesichert wird meist wechselseitig. Die Unfallquote beim Apnoetauchen ist dank der Sicherungstechniken – ausgenommen beim „No Limits“-Tauchen – sehr gering.

Ob es durch das Apnoetauchen zu wiederholten akuten Sauerstoffmangelsituationen mit Schädigungen des Gehirns oder anderer Organe kommen kann, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Es ist unwahrscheinlich, jedoch nicht völlig auszuschließen.

Eindringlich muss an dieser Stelle vor jeder Art von Selbstversuchen gewarnt werden! Gefährlich am Luftanhalten sind nicht nur ungesicherte Tauchgänge, sondern auch Versuche an Land. Eine Bewusslosigkeit ist ohne schnelle und erfahrene Hilfeleistung eine lebensbedrohliche Situation. Es besteht akute Lebensgefahr, von Selbstversuchen ist grundsätzlich abzuraten!

Physiologie des Tieftauchens

Das Tieftauchen unter Apnoe stellt auf Grund komplexer physikalischer und physiologischer Zusammenhänge eine extreme Herausforderung an einen Freitaucher dar. Die Apnoeleistung wird durch die Fähigkeit zum Druckausgleich, sowie durch einen ökonomisierten Sauerstoffverbrauch beschränkt.

Der Taucher hat bei einem Tieftauchgang kaum Möglichkeiten, einen Versuch frühzeitig zu beenden. Er muss ja in jedem Fall zurück an die Wasseroberfläche. Der Taucher trifft deshalb die Entscheidung über die maximale Tiefe bereits vor dem Abtauchen. Im Leistungsport wird die Länge des Orientierungsseils genau auf die anvisierte Tiefe eingestellt. Eine Sicherungsleine verbindet den Taucher mit diesem Führungsseil.

In der Tiefe steigt der Umgebungsdruck, je –10 m um etwa +1 Bar (zum Vergleich: Autoreifen = 2 Bar). Diese Druckzunahme wirkt auf alle luftgefüllten Körperhöhlungen. Mit zunehmender Tiefe wirken aber auch Veränderungen der Gaspartialdrücke auf die physiologischen und neurologischen Vorgänge im Körper (Tiefenrausch u. ä.). Der Druckunterschied macht sich vor allem durch einen heftigen Schmerz im Ohr bemerkbar. Das Trommelfell reagiert sehr schmerzempfindlich und würde ohne Druckausgleich bereits nach wenigen Metern reißen. Andere druckschmerzempfindliche Körperhöhlungen sind Stirn- und Kiefernhöhlen. Der Taucher muss den Luftdruck in diesen Körperhöhlungen deshalb häufig gegen den Außendruck angleichen. Hierzu presst er wiederholt Luft aus seinen Lungen in die Höhlungen. Die Lunge selbst ist jedoch bereits in ca. 25 bis 35 m Tiefe auf das Volumen bei maximaler Ausatmung komprimiert. Um ohne Verletzungen dennoch tiefer zu tauchen, muss der Taucher seinen Körper anpassen und komplizierte Ausgleichstechniken erlernen. Durch spezielle Übungen lässt sich unter anderem die Elastizität des Brustkorbs, des Zwerchfells und der Zwischenrippenmuskulatur verbessern. Zum anderen entwickelt sich aber auch die Fähigkeit der Lunge, sich dem zunehmenden Druck durch Anreicherung von Blut und Lymphflüssigkeit im Gewebe anzupassen. Dieser Prozess, der „Bloodshift“ genannt wird, wird von vielen tauchenden Säugetieren wie Robben und Walen genutzt.

Die Anpassungsprozesse vollziehen sich jedoch nicht bei jedem Taucher in gleichem Maß und in gleichem Tempo. Übertriebener Ehrgeiz, aber auch die veränderte Wahrnehmung durch den Tiefenrausch können die körperlichen Warnsignale so stark überlagern, dass der Taucher seine physiologische Grenze überschreitet. Es kann dann zu Mikroverletzungen und Ödemen in Lunge, Rachen, Kiefer- und Stirnhöhlen kommen. Um die Verletzungsrisiken zu minimieren, steigern Apnoisten die Tiefe je Tauchgang in sehr kleinen Schritten.

Dekompressionsprobleme sind beim ausschließlichen Apnoetauchen in Breitensportbereichen bis 30 Metern unwahrscheinlich, da die Verweildauer und Tauchtiefe nicht für eine Aufsättigung des Gewebes ausreicht. Dekompressionsunfälle sind beim Tieftauchen mit konstantem Gewicht theoretisch möglich, jedoch bisher nicht praktisch bekannt. Dekompressionserkrankungen im Bereich des No-Limit-Tauchens werden nach heutigem Stand der Wissenschaft als Gefahr gesehen. Bei Kombinationen von Geräte- und Freitauchen (z. B. Freitauchgänge in der Pause zwischen Gerätetauchgängen) wurde schon mehrfach von Dekompressionsunfällen berichtet. Es gilt daher: Apnoetauchen immer vor dem Gerätetauchen, nie danach!

Trainingsmethodik

Freitaucher beim Tieftauchen mit Monoflosse

Der Anfänger erlernt im Training zuerst die bewusste Atmung und den entspannten Umgang mit seinem Atemreiz. Zudem erfolgt eine allgemeine Konditionierung durch Schwimmen, Laufen u. ä. sowie ein spezielles Techniktraining für das Schwimmen unter Wasser. Im fortgeschrittenen Training erlernt er unter der Beobachtung seines Trainingspartners die Anzeichen eines beginnenden Sauerstoffmangels und damit seine eigenen Grenzen zu erkennen. Dieses Herantasten hat gleichzeitig einen großen Anpassungseffekt. Der Taucher stellt sich physiologisch und mental auf diese außergewöhnliche Belastung ein. Er kann sich Entspannen, der Tauchreflex verstärkt sich und die Herzfrequenz sinkt. Durch regelmäßiges und bewusstes Trainieren kann dadurch der Sauerstoffverbrauch entscheidend gesenkt und die Apnoeleistung wesentlich gesteigert werden.

Erfahrene Apnoisten können sich kontrolliert sehr nah an die Leistungsgrenze bringen und diese sogar gezielt überschreiten. Grenzüberschreitungen werden jedoch gewollt vermieden, da sie leistungsreduzierend wirken. Bewusstlosigkeiten sind daher sehr selten. Veränderte Bedingungen wie Wettkämpfe stellen jedoch erhöhte Anforderungen an die Leistungsapnoisten. Um Grenzüberschreitungen dennoch zu verhindern, führt sichtbarer, selbst gefährdender Kontrollverlust oder gar Bewusstlosigkeit im Wettkampf zur sofortigen Hilfestellung und Sicherung des Athleten. Der Teilnehmer wird disqualifiziert und seine Leistung nicht bewertet.

Leistungsapnoisten setzen vor allem für die Verbesserung ihrer dynamischen- und Tieftauchleistungen modifizierte Trainingsmethoden aus dem Leistungssport wie Hypertrophie-, Intervall-, Laktattoleranztraining ein. Die wenigen bislang durchgeführten Messungen von Vitalparametern geübter Apnoetaucher liegen weit außerhalb der Normgrenzen für gesunde Nichttaucher. So wurden Ruhepulswerte unter 24 Schläge/min. Herzfrequenz, Hämoglobinwerte von über 16 g/dl, Laktatwerte von über 28 mg/dl und Lungenvolumen von über 10 Litern (Vitalkapazität) ermittelt.

Ausrüstung

Die Ausrüstung eines Freitauchers reicht von einer Badehose bis zur komplizierten Schlittenkonstruktion aus Edelstahl. Der Anfänger kann eine einfache ABC-Tauchausrüstung und einen normalen Tauchanzug verwenden. Für Fortgeschrittene gibt es speziell an die Anforderungen angepasste Ausrüstungsgegenstände:

Der Tauchanzug ist dann aus besonders elastischem Neopren mit guter Passform. Die Taucherflossen haben besonders lange und harte Blätter, im Wettkampf werden oft spezielle Monoflossen verwendet. Die Tauchmaske für das Tieftauchen besitzt ein besonders kleines Innenvolumen, in Halle oder Pool werden jedoch normale Schwimm- oder Chlorbrillen und meist eine Nasenklammer benutzt.

Weitere Freitauchutensilien sind der elastische Bleigürtel, das meist auf eine zylindrische Boje gewickelte Führungsseil sowie eine Stoppuhr und ein Tiefenmesser.

Wettkampf- bzw. Rekorddisziplinen

Beim Apnoeleistungssport unterscheidet man zwischen Pool- und Tieftauchdisziplinen:

Pooldisziplinen

  • Zeittauchen (Statik / STA)
Gewertet wird hierbei die Zeit der Apnoe. Der Taucher bereitet sich vor, atmet ein und taucht unter. Während der Apnoe liegt er dann (meist völlig regungslos in einem wärmenden Neoprenanzug bekleidet) mit dem Gesicht nach unten im Wasser.
  • Streckentauchen mit Flossen (Dynamic with fins / DWF)
Bei dieser Disziplin wird die mit einem Atemzug zurückgelegte Strecke mit Flossen gewertet.
  • Streckentauchen ohne Flossen (Dynamic without fins / DNF)
Bei dieser Disziplin wird die mit einem Atemzug zurückgelegte Strecke ohne Flossen gewertet.
  • Streckentauchen 16 x 50 m
Hierbei geht es darum, die Strecke von 50 m insgesamt 16-mal hintereinander so schnell wie möglich zu durchtauchen. Die Zeit beginnt mit dem Abtauchen und wird erst nach den letzten 50 m gestoppt. Durch schnelles Fortbewegen auf der Bahn und durch möglichst kurze Atempausen wird die Gesamtzeit beeinflusst.

Tieftauchdisziplinen mit konstantem Gewicht

Mit nur einem Atemzug versucht der Taucher dabei so tief wie möglich und wieder zurück an die Oberfläche zu tauchen. Der Taucher darf zu Überwindung seines eigenen Auftriebs Gewichte (Blei) tragen, muss aber alles Gewicht, das er zum Abstieg verwendet, auch aus eigener Kraft wieder zur Oberfläche (deshalb „Constant“) bringen. Gewertet wird die Tiefe in Metern.

  • Tieftauchen mit konstantem Gewicht ohne Flossen (Constant Weight without fins / CNF) :

Der Taucher darf für den Tauchgang keine Flossen verwenden. Es ist ihm gestattet, ein Seil zur Orientierung zu benutzen, er darf es aber während des Tauchgangs nur vor dem Abtauchen, einmal bei der Wende und danach erst wieder nach dem Auftauchen berühren. Sich daran zu ziehen ist verboten.

  • Tieftauchen mit konstantem Gewicht mit Flossen (Constant weight / CW)
Der Taucher schwimmt mit Hilfe von Flossen in die Tiefe und wieder hinauf an die Oberfläche. Er darf ein Seil zur Orientierung benutzen, es aber während des Tauchgangs nur vor dem Abtauchen, einmal bei der Wende und danach erst wieder nach dem Auftauchen berühren. Sich daran zu ziehen ist verboten.
  • Free Immersion / Immersion Libre (FIM)
Der Taucher darf keine Flossen oder ähnliche Hilfsmittel verwenden. Zur Fortbewegung zieht er sich an einem Seil in die Tiefe und wieder hinauf.

Tieftauchdisziplinen mit variablem Gewicht

Mit nur einem Atemzug versucht der Taucher dabei so tief wie möglich und wieder zurück an die Oberfläche zu tauchen. Der Taucher lässt sich durch ein Gewicht (meist eine an einem Seil geführte Schlittenkonstruktion) in die Tiefe ziehen und lässt es dort zurück.

  • Tieftauchen mit variablem Gewicht (Variable weight / VWT)
Hier ist das verwendete Gewicht auf 30 kg limitiert. Der Aufstieg wird dabei aus eigener Kraft realisiert. Die Verwendung von Auftriebskörpern o. ä. ist nicht erlaubt. Die Taucher ziehen sich meist am Seil wieder hinauf und verwenden Flossen.
  • No Limits (NLT)
Bei dieser Disziplin gibt es keine Beschränkungen.
Eine sehr schwere Schlittenkonstruktion bringt den Taucher mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe, ein Auftriebskörper (meist ein mit Druckluft gefüllter Hebesack) ebenso schnell zurück an die Oberfläche.
Der Schwerpunkt bei „No Limits“ liegt vor allem in der Bereitstellung der Ausrüstung und in der Logistik der Rekordversuche. Es handelt sich mehr um ein medizinisch-technisches Experiment (mit unbekanntem Ausgang) als um eine sportliche Herausforderung. Die sehr hohen Kosten solcher Versuche verursachen oft massiven Zeitdruck und führten in der Vergangenheit häufig zur Vernachlässigung von Sicherheitsstandards. Die Folge waren schwere Unfälle, die das Image des Freitauchens insgesamt beschädigten. Aus diesem Grund wird NLT von der Mehrheit der Freitaucher heute nicht mehr als Freitauchdisziplin bewertet und Rekordversuche besitzen ein negatives Image. Auch der letzte spektakuläre Weltrekordversuch des Belgiers Patrick Musimu auf über 200 m im Juli 2005 musste bereits in der Anfangsphase abgebrochen werden und brachte den Taucher zur Behandlung der Dekompressionserkrankung in die Dekompressionskammer.

Offizielle Weltrekorde (nach AIDA)

AIDA International ist der größte anerkannte Verband für Freitauchen. Diese Organisation ratifiziert unter anderem die weltweit anerkannten Rekorde:

Pooldisziplinen

  • Zeittauchen, Damen: Natalia Molchanova (Russland), 7:16 Min.
  • Zeittauchen, Herren: Tom Sietas (Deutschland), 8:58 Min.
  • Streckentauchen mit Flossen, Damen: Natalia Molchanova (Russland), 178 m
  • Streckentauchen mit Flossen, Herren: Tom Sietas (Deutschland), 212 m
  • Streckentauchen ohne Flossen, Damen: Natalia Molchanova (Russland), 131 m
  • Streckentauchen ohne Flossen, Herren: Tom Sietas (Deutschland), 180 m

Tieftauchdisziplinen mit konstantem Gewicht

  • Tieftauchen mit konstantem Gewicht, Damen: Natalia Molchanova (Russland), –86 m
  • Tieftauchen mit konstantem Gewicht, Herren: Martin Štěpánek (Tschechien), –106 m
  • Tieftauchen mit konstantem Gewicht ohne Flossen, Damen: Natalia Molchanova (Russland), –55 m
  • Tieftauchen mit konstantem Gewicht ohne Flossen, Herren: Martin Štěpánek (Tschechien), –80 m
  • Free Immersion, Damen: Natalia Molchanova (Russland), –78 m
  • Free Immersion, Herren: Martin Štěpánek (Tschechien), –102 m

Tieftauchdisziplinen mit variablem Gewicht

  • Tieftauchen mit variablem Gewicht, Damen: Tanya Streeter (USA), –122 m
  • Tieftauchen mit variablem Gewicht, Herren: Martin Štěpánek (Tschechien), –136 m
  • No limit, Damen: Tanya Streeter (USA), –160 m
  • No limit, Herren: Herbert Nitsch (Österreich), –172 m

(Stand: Januar 2006)

Weblinks

Siehe auch: Im Rausch der Tiefe