Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Graph (U-Boot)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. Mai 2006 um 15:04 Uhr durch Martin Bahmann (Diskussion | Beiträge) (+ {{Lesenswert}}). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Datei:RN-White-Ensign.png
HMS Graph

U 570
(vorheriges/nächstes - Liste deutscher U-Boote (1935–45))

U 570/HMS Graph, Aufnahme der HMS Graph
Typ: VII C
Kiellegung: 21. Mai 1940
Werft: Blohm + Voss, Hamburg
Indienststellung: 15. Mai 1941 bei der Kriegsmarine,
19. September 1941 bei der Royal Navy
Kommandanten: KptLt H.-J. Rahmlow
Datei:RN-White-Ensign.png Lt. Cdr. G. R. Calvin
Einsätze:
Erfolge: keine
Verbleib: Februar 1944 außer Dienst gestellt, am 20. März 1944 auf dem Weg zum Abwracken bei Islay auf Grund gelaufen, später verschrottet

HMS Graph war ein britisches U-Boot des deutschen Typs VIIc. Sein ursprünglicher Name bei Indienststellung war U 570, bei der Royal Navy trug es neben dem Namen die zusätzliche Ordnungsnummer P 715. Das U-Boot war das einzige deutsche U-Boot, das im Zweiten Weltkrieg von beiden Seiten eingesetzt wurde.

U 570

U 570 wurde am 21. Mai 1940 bei Blohm + Voss in Hamburg auf Kiel gelegt und unter dem Kommando von Kapitänleutnant Hans-Joachim Rahmlow, am 15. Mai 1941 in Dienst gestellt. Danach gehörte das Boot für drei Monate zur Besatzungsausbildung der 3. U-Boot-Flottille in Kiel an, bevor es im August 1941 als fronttauglich nach Trondheim verlegt wurde. Am 23. August 1941 verließ das Boot Trondheim, um im Nordatlantik zu operieren und anschließend seine endgültige Basis in La Pallice im besetzten Frankreich anzulaufen.

Die Erbeutung des U-Bootes

Nach vier Tagen auf See gegen 11 Uhr morgens entschied Rahmlow, das getauchte Boot in einer Position 62.15n, 18.35w südlich von Island aufzutauchen und ließ es zunächst auf Periskoptiefe bringen. Da die Kontrolle durch das Periskop keine Bedrohung zeigte, ließ Rahmlow das kaum noch Fahrt machende Boot vollständig auftauchen, fast direkt unter einer von Squadron Leader J. H. Thompson geflogenen Lockheed Hudson der britischen 269ten Staffel, die von Island gestartet war und sich auf Anti-U-Boot-Patrouille befand. Das Flugzeug hatte sich im blinden Fleck des Sehrohrs befunden und war aus diesem Grund nicht entdeckt worden. Thompson reagierte sofort auf die Gelegenheit und warf mehrere Wasserbomben rund um das Boot, wodurch es leicht beschädigt wurde. Der vollkommen unerwartete Angriff versetzte die unerfahrene U-Boot-Besatzung einschließlich ihres Kommandanten vermutlich in Panik. Bei seinem zweiten Anflug stellte Thompson fest, dass vom Turm des Bootes aus eine Weiße Fahne zum Zeichen der Aufgabe geschwenkt wurde. Thompson brach den Angriff - den ersten erfolgreichen Angriff einer Lockheed Hudson auf ein deutsches U-Boot überhaupt - ab und funkte seine Basis um weitere Anweisungen an. Er erhielt die Order, das Boot weiter zu bewachen, während man Schiffe an das havarierte U-Boot heranführen würde, was einige Stunden dauerte. Gegen Abend wurde Thompson, dessen Treibstoff zu Neige ging, von einem Catalina-Flugboot abgelöst. Zwölf Stunden nach dem erfolgreichen Angriff erreichte mit dem zum U-Boot-Jäger umgebauten Trawler HMS Northern Star das erste alliierte Schiff das U-Boot. Das schlechte Wetter verhinderte jedoch eine Übernahme des deutschen Bootes, so dass man auf Verstärkung wartete. In der Nacht erreichten noch die Hilfs-U-Bootjäger HMS Kingston Agate, HMS Windermere und HMS Wastwater und der Zerstörer HMS Burwell das Gebiet. Zuletzt stieß auch noch der kanadische Zerstörer HMCS Niagara hinzu. Mit Hilfe von Rettungsbooten wurde das U-Boot schließlich von den Briten übernommen.

Aufgrund der langen Zeit zwischen dem Luftangriff und dem Eintreffen der Entermannschaft erbeuteten die Alliierten bei dieser Gelegenheit keinerlei Geheimmaterial. Die Besatzung von U 570 hatte alles vernichtet und die Enigma des Bootes über Bord geworfen. Daher bestand auch kein Grund, die Eroberung des Bootes wie die von U 110 geheim zu halten. Die Alliierten gewannen lediglich Erkenntnisse über die technische Leistungsfähigkeit des meistgebauten deutschen U-Bootes.

Von der Kriegsmarine zur Royal Navy

Das U-Boot wurde dann nach Þorlákshöfn auf Island geschleppt und dort auf Grund gesetzt, um es provisorisch zu reparieren. Anschließend wurde es vom Zerstörer-Versorgungsschiff HMS Hecla' nach Barrow-in-Furness geschleppt, um dort im Cavendish Dock durch Vickers Armstrong, die Werft, die die Mehrzahl der britischen U-Boote baute, vollständig repariert zu werden. Anschließend wurde es im Clyde Seetests unterzogen. Am 19. September 1941 wurde das U-Boot unter dem Befehl von Lt. Cdr. G. R. Calvin wieder in den Dienst einer kriegsführenden Marine, diesmal der Royal Navy gestellt. Den größten Teil der Zeit wurde das Boot jedoch zu Ausbildungszwecken eingesetzt, es unternahm jedoch auch mehrere Einsatzfahrten, die Mehrzahl als Sicherung von Konvois. Bei diesen Einsätzen führte das Boot gewöhnlich eine extragroße Flagge der Royal Navy.

Am 21. Oktober 1942 sichtete HMS Graph in der Bucht von Biskaya sein ehemaliges Schwesterboot U 333. Das deutsche Boot befand sich nach einer Schlacht mit dem britischen Geleitzerstörer HMS Crocus schwerbeschädigt auf dem Rückweg zur Basis, der Ausguck entdeckte jedoch die Blasenspuren der vier von HMS Graph abgeschossenen Torpedos so früh, das U 333 ein Ausweichmanöver fahren konnte. Auf HMS Graph hörte man das Stöhnen von U 333 ramponierten Bootskörpers (das deutsche Boot war zweimal von HMS Crocus gerammt worden) beim Ausweichen und hielt sie für ein Indiz für die Zerstörung.

Am 31. Dezember 1942 sichtete das Boot den deutschen Kreuzer Admiral Hipper, der sich nach der Schlacht in der Barentssee auf dem Rückweg zu seiner Basis im norwegischen Altenfjord befand. HMS Graph konnte wegen der hohen Geschwindigkeit des Kreuzers nicht in Angriffsposition gelangen. Drei Stunden später wurden zwei deutsche Zerstörer gesichtet, von denen einer den anderen im Schlepp hatte. Die abgefeuerten Torpedos verfehlten jedoch ihr Ziel, auch wenn die Crew Explosionen hörte und ein Aufklärungsflugzeug am Morgen Ölflecken auf dem Meer fand.

Im Jahr 1943 wurde das Boot nochmals in Chatham überholt. Defekte, die aufgrund eines Mangels an Ersatzteilen nicht behoben werden konnten, führten dazu, dass das Boot zunächst als Reserve eingestuft und im Februar 1944 aus dem aktiven Dienst genommen wurde. Auf dem Weg zur Verschrottung lief das vom Schlepper HMS Allegiance geschleppte Boot am 20. März 1944 an der Westküste der schottischen Insel Islay auf Grund, nachdem die Schleppleine gerissen war. Das Wrack wurde 1947 geborgen und zerlegt, nachdem noch Tests von Wasserbomben an ihm unternommen worden waren.

Eine der Kriegsmarineflaggen von U 570 wurde dem Piloten des Flugzeugs, das das Boot zur Aufgabe zwang, als Trophäe überreicht. Sie befindet sich jetzt im Museum der Royal Air Force in Hendon.

Weblinks