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Granitschale im Lustgarten

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Johann Erdmann Hummel: Die Granitschale im Berliner Lustgarten, 1831, Alte Nationalgalerie Berlin (links: Bauinspektor und Steinmetz Cantian mit Zylinder)

Die Große Granitschale im Lustgarten vor dem Alten Museum im Berliner Lustgarten mit einem Durchmesser von 6,91 Metern und einem Gewicht von etwa 75 Tonnen wird auch als Biedermeierweltwunder [1] bezeichnet. Es ist die größte aus einem einzelnen Stein gefertigte Schale.[2] Die Porphyr-Schale aus einem Stück im Vatikanmuseum, die aus Neros Goldenem Haus in Rom stammt, ist etwa ein Drittel kleiner.

Geschichte

Der Rest des Großen Markgrafensteins heute

Den Auftrag, eine große steinerne Schale anzufertigen, erteilte 1826 der preußische König Friedrich Wilhelm III. Der preußische Oberlandesbaurat Karl Friedrich Schinkel plante daraufhin eine Schale mit 17 Fuß Durchmesser für die Rotunde des Alten Museums. Die Anfertigung wurde dem Berliner Bauinspektor, Steinmetz Christian Gottlieb Cantian übertragen. Es wird vermutet, dass der preußische König mit seinem Auftrag für die Granitschale den englischen Gesandten, den Herzog von Devonshire[3], übertrumpfen wollte, der seinerseits bei Cantian eine steinerne Schale in Auftrag gegeben hatte.[4] Das Polieren von Granit in Handarbeit ist eine ungemein schwere und sehr zeitraubende Arbeit. In jener Zeit war es in Deutschland erstmals möglich, im großen Stil dieses Hartgestein mit Maschinenunterstützung zu polieren, wobei das Polieren von Rundungen und Aushöhlungen eine zusätzliche Erschwernis darstellt. Es ist allerdings nicht bekannt, ob Cantian den Auftrag des Engländers ausführte und eine zusätzliche Schale angefertigt wurde.

Cantian wurde auch mit der Auswahl eines geeigneten Steins beauftragt. Er entschied sich 1827 für den Großen Markgrafenstein, einen riesigen Findling von schätzungsweise 700 bis 750 Tonnen Gewicht. Diesen aus rotem Granit bestehenden Findling hatte die Saale- oder Weichseleiszeit aus Karlshamn in Schweden bis auf den Sandberg in den Rauenschen Bergen transportiert, wo sich eine Reihe weiterer großer Steine befindet.

Der Rohling für die Granitschale wurde aus dem größeren der beiden Markgrafensteine abgespalten, anschließend angehoben und zum Bearbeiten mit speziell angefertigten Hebezeugen umgedreht. Als der König von der Größe des abgespaltenen Steinstücks erfuhr, korrigierte er den Entwurf von Schinkel und ordnete eine Größe von 22 Fuß an. Der zweite Plan Schinkels vom Oktober 1828, die Reaktion auf die königliche Anweisung, zeigt den Lustgarten als Vorgarten des Alten Museums. Vor der Freitreppe des Museums war ein Halbrund zur Aufnahme der Granitschale vorgesehen. Die Größenänderung hatte zur Folge, dass sie nicht mehr in die Rotunde passte und deshalb am vorgesehenen Ort nicht aufgestellt werden konnte.

Anfertigung der Granitschale

Lustgarten mit Schale im Jahre 1913, im Hintergrund das Stadtschloss

Die Arbeiten an der Schale begannen im Mai 1827 damit, dass der große Markgrafenstein unter Einsatz von zehn Winden bis Mitte Juni erstmals gewendet wurde. Dieser Vorgang war die Voraussetzung dafür, dass ein entsprechend großes Steinstück am 24. August 1827 durch Verwendung von 95 Eisenkeilen optimal abgespalten werden konnte. Dabei wurde mehrtägig kräftig mit dem Hammer auf die Eisenkeile geschlagen. Arbeitstäglich waren zwanzig Steinmetzen beschäftigt. Ein bis zwei Schmiede waren mit Härten und Formen der Steinmetzwerkzeuge an den Markgrafensteinen angestellt. Während der Arbeiten konnten zum Frühstück auf dem Schalenrand vierundvierzig Arbeiter Platz finden.[5] Bis Anfang November wurde die äußere grobe Form durch Abkeilen großer Steinstücke und mittels Steinmetzarbeit mit Fäustel und Meißel hergestellt und es dauerte noch bis zum 23. Dezember 1827 die 5 Fuß dicke Steinplatte zum Bearbeiten der Schalenunterseite zu wenden. Nach Fertigstellung der Unterseite musste die Platte mit 23 Hebezeugen und mit Hilfe von 100 Beschäftigten erneut gewendet werden. Dieser Vorgang wurde am 26. April 1828 abgeschlossen; anschließend erfolgte die Aushöhlung der Schale bis zum 4. August. Weitere Arbeiten an der Steinschale, wie das Herstellen der profilierten Schalenaußenseite und spezielle Arbeiten für den Transport, wie zum Beispiel der Bau eines Holzbalkenrahmens für die Schale, wurden Mitte September 1828 abgeschlossen. Der Transport aus den Bergen bis zum Schiff dauerte 6 Wochen. Täglich kam man 600 Fuß voran. Das Transportschiff aus Holz war 126 Fuß lang, 17 breit und etwa 5 hoch und speziell für diesen Transport ausgesteift.[6] Die Schale, die zu diesem Zeitpunkt zwischen 70 und 75 Tonnen wog, wurde mit Hilfe von Holzrollen zur Spree transportiert. Eine Bohlenbahn und eine Straße durch den Wald bis an die Spree wurden angelegt, die Trasse ist heute (2008) noch erkennbar. Anschließend verluden die Schale vierundfünzig Personen auf das Schiff.
Eine fertig polierte Granitschale hätte auf dem langem Transportweg mit großem Aufwand gegen Kratzer oder gegen Beschädigungen gesichert werden müssen, deshalb wurde sie lediglich in ihrer äußeren Form mit rauer Oberfläche transportiert. Außerdem war die speziell konstruierte Schleifanlage in Berlin aufgebaut worden.

Bevor die Schale am 6. November 1828 in Berlin ankam, musste die Grünstraßenbrücke abgestemmt werden, damit der Weitertransport möglich war. Unweit vom Ausstellungsplatz am Alten Museum in der Nähe des Flusses wurde der Stein in ein dafür eigens errichtetes Gebäude transportiert. Darin befand sich eine Dampfmaschine mit zehn Pferdestärken (PS) Leistung, mit deren Hilfe die Schale in zweieinhalb Jahre dauernden Schleif- und Poliervorgängen verrundet und bis zum Hochglanz geglättet wurde. Das Museum wurde 1830 eröffnet. Cantian wollte die Schale auf hohe Säulen stellen. Dem widersprach Schinkel, der die Schale bodennah vor der Museumstreppe aufstellen wollte. Der König gab dem Gesuch Schinkels statt. Die Schale wurde am 14. November 1831 zunächst provisorisch aufgestellt und am 10. November 1834 offiziell übergeben. Der Preis für die Schale betrug 37.904 Taler.[7]

Die Bearbeitung des Rohlings, der Transport und das Schleifen in Berlin wurden von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt. Mit der Dokumentation wurde der Maler Johann Erdmann Hummel beauftragt, der mehrere Ölgemälde und Skizzen schuf. Einige sind erhalten, ein Bild vom Wenden der halbfertigen Schale in Berlin ist im Zweiten Weltkrieg im Märkischen Museum verbrannt.

Zustand und Namensgebung

Schale im Jahr 2004 (v. links: Palast der Republik und Staatsratsgebäude der DDR)
Gekitteter Riss der Schale in der Bildmitte erkennbar

Da die Schale wegen ihrer Größe nicht an ihrem ursprünglich geplanten Aufstellungsort in der Rotunde innerhalb des Alten Museums aufgestellt werden konnte, war sie zum einen der Verwitterung ausgesetzt und wurde zum anderen zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen, weil dieser Platz in der Weimarer Republik auch Ort zahlreicher Kundgebungen und Aufmärsche war. Dabei wurde die Schale als Aussichtsplattform betreten und die Oberfläche zerkratzt. 1934 wurde die Schale nördlich des Doms versetzt, weil sie den Nazis für ihre Aufmärsche im Wege war und sie den Platz pflasterten. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie durch Granatentreffer beschädigt, und nach dem Krieg war der Lustgarten Teil des neu entstandenen Marx-Engels-Platzes. Bei ihrem Rücktransport an ihren früheren Platz im Jahre 1981 anlässlich des 200. Geburtstags von Schinkel [8] brach sie auseinander. Sie wurde zwar wieder zusammengefügt, dennoch ist der verkittete Riss deutlich sichtbar. Nach etwa 180 Jahren im Freien hat die Politur gelitten. Das Ölbild der fertiggestellten Schale von Johann Erdmann Hummel aus dem Jahr 1831 zeigt die ursprünglich spiegelglatte Oberfläche. Die Schale steht heute unter Denkmalschutz.

Die Schale galt im Biedermeier angeblich als Weltwunder. Johann Wolfgang von Goethe erwähnte das Polieren von Granit und äußerte sich bewundernd über die zweiundzwanzig Fuß messende Granitschale.[9]

Literatur

  • Galerie der Romantik. Hrsg. von der Nationalgalerie Berlin Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin 1986; S. 148–150 ISBN 3 87854 188 3.
  • Johann Wolfgang von Goethe: Über Kunst und Altertum. Sechsten Bandes zweites Heft, 1828.
  • Ludwig Scherhag: Der Steinmetz und sein Material. Natursteinarbeiten in Deutschland. Beispiel Berlin. (Ausstellungskatalog) Hrsg. vom Bundesinnungsverband des Deutschen Steinmetz-, Stein- und Holzbildhauerhandwerks, Ulm: Ebner 1978.
  • Ludwig Friedrich Wolfram: Lehre von den Baustoffen. Erste Abtheilung. Von den natürlichen Bausteinen, Hoffmann: Stuttgart, Wien 1833

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.luise-berlin.de/bms/bmstext/9811reza.htm#seite114
  2. http://www.berlin1237.de/werdn.php
  3. http://morgenmagazin.zdf.de/ZDFde/inhalt/17/0,1872,3991377,00.html?dr=1
  4. Zusammenfassung des Beitrages von Sibylle Einholz: Die Große Granitschale im Lustgarten: Zur Bedeutung eines Berliner Solitärs in Der Bär von Berlin: Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins 1997, ISSN 0522-0033
  5. Ausstellungskatalog Geschichte in Stein, S. 57 f. (siehe Literatur)
  6. Ludwig Friedrich Wolfram, Lehre, S. 117f
  7. http://morgenmagazin.zdf.de/ZDFde/inhalt/17/0,1872,3991377,00.html?dr=1
  8. http://www.bildhauerei-in-berlin.de/_html/_katalog/details-1858.html
  9. J. W. v. Goethe: Kunst und Altertum (siehe Literatur)

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