Apollo 1

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Emblem der Apollo 1.
Erst- (sitzend) und Zweitbesatzung (stehend) der Apollo-1-Mission.

Der erste bemannte Flug im Rahmen des US-amerikanischen Apollo-Programms war unter der internen Bezeichnung AS-204 geplant. Während eines Tests auf der Startrampe brach jedoch ein Feuer in der Kapsel aus, in dem die drei Astronauten ums Leben kamen. Das amerikanische Mondlandeprogramm wurde dadurch weit zurückgeworfen. Diese Mission, die nie durchgeführt wurde, bekam rückwirkend die Bezeichnung Apollo 1.

Die Mannschaft

Als im Jahre 1966 das Apollo-Programm der NASA konkret wurde, ging man noch davon aus, dass der erste bemannte Start des dreisitzigen Apollo-Raumschiffs Ende 1966 oder Anfang 1967 unter der Projekt-Bezeichnung AS-204 stattfinden würde. Am 21. März 1966 wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass Virgil Grissom, Edward White und Roger Chaffee als Besatzung ausgewählt worden waren. Grissom war einer der Mercury-Veteranen, White hatte mit Gemini 4 den ersten amerikanischen Weltraumspaziergang unternommen, und Chaffee war ein Weltraumneuling aus der dritten Astronautengruppe der NASA. Zu diesem Zeitpunkt standen noch vier Flüge des Gemini-Programms aus.

Als Ersatzkommandant wurde James McDivitt nominiert, der bereits Gemini 4 geleitet hatte. Mit ihm in der Ersatzmannschaft waren David Scott, der mit Gemini 8 den ersten Abbruch eines Raumfluges durchgemacht hatte und Russell L. Schweickart, einer der wenigen Zivilisten unter den NASA-Astronauten.

Ende 1966 wurden die Projektpläne geändert. Der Flug AS-205, der als zweiter bemannter Apolloflug gedacht war, wurde gestrichen, so dass die AS-205-Mannschaft nun zur Ersatzmannschaft von AS-204 wurde. Dies waren Walter Schirra, Donn Eisele und Walter Cunningham. Die bisherige Ersatzmannschaft um James McDivitt wurde zur Hauptmannschaft des Fluges AS-207, der als Test der Mondlandefähre geplant war.

Der Unfall

Die drei Astronauten Edward H. White, Virgil I. Grissom und Roger B. Chaffee (Auf der Abbildung: sitzend, von links nach rechts in oben genannter Reihenfolge) hatten am 27. Januar 1967 die Kapsel (S/C 012) für eine Routineübung bestiegen. Es handelte sich dabei um einen "plugs-out"-Test, bei dem alle Verbindungen von Rakete und Raumschiff zum Startturm getrennt werden. Die Rakete und das CM/SM waren nicht betankt, die Brennstoffzellen dadurch nicht betriebsbereit, sie wurden durch eine verbliebene Einspeisung simuliert. Der "plugs-out"-Test galt bis zu dem Unglück als unkritisch, es wurden keine Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, es war keine Feuerwehr in Bereitstellung, die Turmmannschaft war nicht mehr an der Kapsel. Der Test sollte ursprünglich von der Inbetriebnahme bis zum Abschluss des Countdowns dauern.

Datei:Apollo1 Kapsel.jpg
Das Innere der Kapsel nach dem Feuer

Um 7:55 (EST) wurde mit der Inbetriebnahme begonnen, die Stromversorgung eingeschaltet. Um 13:00 bestiegen die Astronauten die Kapsel. Bereits beim Einsteigen in die Kapsel nahm Grissom einen unangenehmen Geruch wahr. In NASA-Unterlagen wird er als Geruch von "saurer Milch" beschrieben, in der späteren Untersuchung des Unfalls spielt dies noch eine Rolle. Gegen 18:20 wurde der Countdown bei T-10 min angehalten, da es bei der Sprechverbindung immer wieder starke Störungen gab. Um 18:31, der Countdown war immer noch angehalten, meldete ein Astronaut (vermutlich war es Chaffee) Feuer an Bord. Einige Sekunden vor der Meldung traten kurze Spannungseinbrüche und Stromspitzen auf. Das Lebenserhaltungssystem erhöhte die Sauerstoffzufuhr, da durch das entbrannte Feuer mehr Sauerstoff verbraucht wurde. Dadurch und aufgrund entstehender Verbrennungsgase stieg der Druck in der Kapsel schnell an, ein Druckausgleich war nicht mehr möglich. Die innere Luke ließ sich gegen den Druck nicht mehr öffnen, sie hätte nach innen entfernt werden müssen. Turmpersonal war zu dieser Zeit auf dem Weg zur Kapsel. Noch vor deren Eintreffen kam es zum Einriss der Kapsel zwischen Druckkörper und Hitzeschutz. Alle Sprech- und Datenverbindungen fielen endgültig aus. In der Kapsel war erst jetzt offenes Feuer sichtbar, aufgenommen durch eine Kamera außen an einem Fenster der Kapsel.

Als endlich Turmpersonal an der Kapsel eintraf, allerdings ohne ausreichenden Atemschutz, war der gesamte Bereich bereits stark verqualmt. Immer wieder musste das Personal die Arbeit an der Kapsel unterbrechen, um Luft zu holen. Um 18:36 waren die Luken geöffnet, Lebenszeichen der Astronauten aber nicht mehr wahrnehmbar. Das Feuer in der Kapsel erlosch alleine, die Mannschaft löschte noch kleine Brandnester am Turm selbst. Das Feuer war beim Eintreffen der Feuerwehr gelöscht, es wurde aber befürchtet, dass der Rettungsturm der Rakete durch die Hitze noch zünden könnte. Um 18:40 wurde ein Versuch unternommen, White aus seinem Sitz zu holen. Um ca. 18:45 wurde der Tod der Astronauten durch einen Arzt festgestellt. Erst mit Verzögerung konnten die Leichen aus der Kapsel geborgen werden, was über 90 Minuten dauerte. Die Leichen, Anzüge und Sitze waren teilweise stark miteinander verklebt.

Die Untersuchung

Foto der Block-I-Luken (Außenluke geöffnet)
Skizze der Luken-Konstruktion
Astronaut White in einem Raumanzug mit hohem Nylonanteil

Vor und unmittelbar nach der Leichenbergung wurden Innen- und Außenaufnahmen der Kapsel gemacht. Nach Bergung der Leichen begann die Sicherung und Bergung der Kapsel. Zunächst kletterten zwei Experten in die Kapsel und dokumentierten noch erkennbare Schalterstellungen. Am 28. Januar kletterte der Astronaut Frank Borman erneut in die Kapsel, er dokumentierte und verifizierte Schalterstellungen und Sicherungsautomaten, die unklar geblieben waren. Anschließend holte man die Kapsel von der unbeschädigten Rakete und brachte sie in die Werkstatt der Pyrotechnik, die für die Durchführung der Untersuchung am geeignetsten erschien. Dort wurde ein durchsichtiger Zwischenboden in die Kapsel eingebaut, um ungehindert alle Einbauteile schrittweise zu entfernen. Der Hersteller North American Aviation lieferte die Kapsel S/C 014, die annähernd baugleich war. Beide Kapseln wurden quasi synchron zerlegt, alle Einbauten miteinander verglichen. Dabei wurde jede Beschädigung daraufhin bewertet, ob sie durch das Feuer entstanden war oder zur Brandentstehung beigetragen haben konnte. Diese Arbeiten zogen sich über Wochen hin. Vergleiche mit der fabrikneuen Kapsel deckten viele konstruktive Mängel auf. Die Ergebnisse flossen in die Verbesserung der Block-II-Kapseln ein. Hier die wichtigsten Mängel im Bezug auf den Unfall:

Verkabelung

  • Die genaue Ursache des Brandes konnte nicht mehr zweifelsfrei ermittelt werden. Gesichert ist der Ausbruch des Brandes im Bereich des Lebenserhaltungssystems links neben dem Platz von Grissom.
  • Es steht auch fest, dass der Brand durch ein Versagen des elektrischen Systems ausgelöst worden sein musste.
  • Die Kabel waren mit Isolierungen aus Teflon gefertigt, welches zwar gegen hohe Temperaturen und chemische Einflüsse sehr beständig ist, mechanisch aber leicht beschädigt werden kann. Das stellte sich als Schwachstelle heraus.
  • In Bereichen, in denen Kabelbäume mit der Aluminiumstruktur in Berührung kamen, wurden Beschädigungen durch Lichtbögen nachgewiesen. Beschädigungen der Isolierung in ähnlichen Bereichen waren auch bei S/C 014 zu finden.
  • Versuche zeigten, dass Kabelbäume mit Teflon-Isolierung bei mechanischer Beanspruchung (Scheuern an Aluminiumteilen) in reinem Sauerstoff zu einem Brand führen konnten, selbst die Isolierung fing Feuer, Schmelzsicherungen und Sicherungsautomaten sprachen nicht an, die Stromspitzen waren zeitlich zu kurz. Ein ähnlicher Hergang wird auch für den Absturz der Swissair-Maschine vor Halifax (Kanada) am 2. September 1998 verantwortlich gemacht. (siehe auch Swissair Flug 111)

Kühlsystem

  • Der saure Geruch, den Grissom wahrnahm, stammte höchstwahrscheinlich von älteren Lecks im Kühlsystem, teilweise hatten Mechaniker sich an den Rohren festgehalten, die zu der Zeit weitgehend verlötet waren. Kleinere Lecks und Undichtigkeiten sind vielfältig dokumentiert.
  • Das Kühlmittel (RS-89) setzte sich zusammen aus 62,5 % Ethylenglykol, 35,7 % Wasser und 1,8 % Stabilisatoren (nicht näher beschriebene Ammoniumsalze), es wurde daher als brandfördernd und korrosiv eingestuft.
  • Eine direkte Auslösung des Feuers durch ein Kühlmittelleck war nicht nachweisbar. Es wird aber angenommen, dass Kühlmittel im Bereich des Lebenserhaltungssystems ausgetreten sein kann. Dort verläuft auch einer der oben beschriebenen Kabelbäume.

Luke

  • Die ursprüngliche Luke bei Block-I-Kapseln war eigentlich ein Lukensystem aus zwei Luken, einer inneren und einer äußeren. Diese wurden beim Öffnen und Schließen montiert, demontiert und vollständig abgenommen. Die innere Luke wurde zudem nach innen abgenommen. Der Innendruck diente so auch zur Abdichtung, verhinderte aber bei dem Unfall das Öffnen.
  • Bei Block-I-Kapseln war eine EVA durch diese Luke nicht möglich.
  • Ein dritter Deckel lag bis zum Abwurf des Rettungsturms außen vor den Luken.

Raumanzüge

  • Die Raumanzüge waren weiterentwickelte Anzüge, die noch immer große Ähnlichkeit mit den Anzügen aus dem Mercury- und Gemini-Programm hatten. Sie stammten ursprünglich u. a. aus dem U-2-Projekt von US-Luftwaffe und CIA.
  • Nylon stellte sich als Material für Raumanzüge als ungeeignet heraus, es ist zu leicht entflammbar und schmilzt bei Erhitzung.

Qualitätssicherung, Organisation

  • Bei der Verarbeitung der Kapsel wurden viele Qualitätsmängel gefunden, z. B. vergessenes Material und Werkzeug. In einem Kabelbaum wurde sogar die Nuss eines Steckschlüssels gefunden. Dieser Kabelbaum war aber ins Brandgeschehen nicht unmittelbar verwickelt.
  • Sicherheitsrichtlinien waren viel zu lasch ausgelegt oder wurden recht oberflächlich befolgt.

Schlussfolgerungen

Nach den ersten Untersuchungen war rasch klar, dass eine große Anzahl an Mängeln zu dem Unfall führte. Sie führten zu einer Unzahl Korrekturen und Verbesserungen. Zum einen wurde das Raumschiff grundlegend umgebaut:

  • Die Luken wurden ersetzt durch eine einzige Luke, die nicht mehr innenbords geöffnet werden musste und sich mit einem einfachen Hebelmechanismus notfalls auch gegen einen höheren Innendruck öffnen ließ.
  • Die Anzüge wurden vollkommen neu gestaltet, auch hier wurden andere Werkstoffe benutzt.
  • Nylon und andere brennbare Materialien wurden nicht mehr verwendet.
  • Teflon als Isolationsmaterial wurde beibehalten, jedoch sind die Kabelbäume stärker armiert worden. Sie wurden nur noch so verlegt, dass sie nicht mehr mit scharfen Kanten in Berührung kommen konnten.
  • Alle elektrischen Anschlüsse wurden gegen das Eindringen von Flüssigkeiten abgedichtet.
  • Alle verlöteten Rohrverbindungen wurden durch Verschraubungen oder Schweißverbindungen ersetzt.
  • Die Atmosphäre innerhalb der Kapsel wurde während aller Arbeiten vor dem Start und der Startphase durch ein StickstoffSauerstoff Gemisch ersetzt. Im Orbit wurde sie wieder gegen eine Atmosphäre von 100% Sauerstoff getauscht.

Zum anderen gab es viele organisatorische Veränderungen:

  • Die Liste der "kritischen" Tests wurde stark erweitert, auch der "plugs-out"-Test war danach ein kritischer Test. Bei allen dieser Tests mussten fortan eine Sicherheitsmannschaft und die Feuerwehr bereitstehen.
  • Den Mechanikern wurde verboten, sich an Rohren und Leitungen abzustoßen oder festzuhalten.
  • Es wurde ein weiterer Mockup-Test eingeführt, bei dem eine voll ausgestattete Apollo-Boilerplate in Brand gesetzt wurde.

Die Saturn-1B-Rakete blieb beim Brand unbeschädigt und wurde ein Jahr später für den Start von Apollo 5 verwendet.

Die Nummerierung

Im Gemini-Programm wurden sämtliche Starts, ob unbemannt oder bemannt, gemeinsam durchnummeriert. Nach zwei unbemannten Gemini-Starts erfolgte der erste bemannte Flug als Gemini 3, damals ebenfalls mit Grissom als Kommandant des Jungfernflugs. Für das Apollo-Programm war ein Nummerierungsschema noch nicht festgelegt. Einerseits hatten sowohl Raumschiffe als auch Raketen Seriennummern, andererseits wurden intern meist die Raketen-Seriennummern (hier: AS-204) als Projektbezeichnung verwendet.

Grissom, White und Chaffe reichten ein Missionsabzeichen ein, das die Bezeichnung "Apollo 1" trug, wobei sie befürworteten, dass nur die bemannten Apollo-Missionen nummeriert werden sollten. Im Juni 1966 wurde das Abzeichen genehmigt, wobei das noch nichts darüber aussagte, unter welcher Nummer der Flug dann schließlich starten würde.

Nach dem Unfall baten die drei Witwen darum, dass die Bezeichnung "Apollo 1" im Andenken an die Toten keinem anderen Flug verliehen werden sollte. Die NASA-Manager James Webb, Robert Seamans und George Mueller stimmten dem zu.

Zeitweise wurde der nächste Flug intern mit "Apollo 2" bezeichnet. Im März 1967 schlug Apollo-Manager George Low Mueller vor, die bisherigen drei unbemannten Flüge rückwirkend "Apollo 1A", "Apollo 2" und "Apollo 3" zu nennen, was jedoch nicht geschah. Im April gab Julian Scheer, der zuständige Sprecher der NASA-Öffentlichkeitsarbeit, bekannt, dass der erste, unbemannte Flug der Saturn V die Bezeichnung Apollo 4 tragen werde. Die drei unbemannten Testflüge, die zuvor durchgeführt wurden, würden aber nicht rückwirkend umbenannt werden. Es blieb bei den Bezeichnungen AS-201 (Februar 1966), AS-203 (Juli 1966) und AS-202 (August 1966).

Beginnend mit Apollo 4 wurden dann wie im Gemini-Programm unbemannte und bemannte Missionen gemeinsam durchnummeriert. Der erste bemannte Start fand im Oktober 1968 mit Apollo 7 statt, wobei die Reservemannschaft von Apollo 1, Schirra, Eisele und Cunningham, zum Einsatz kam.

Siehe auch

Katastrophen der Raumfahrt

Weblinks

Commons: Apollo 1 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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