Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Kragenhai

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 31. August 2008 um 07:50 Uhr durch ADK (Diskussion | Beiträge) (+Vorlage:Lesenswert nach erfolgreicher Kandidatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kragenhai

Kragenhai (Chlamydoselachus anguineus)

Systematik
Unterklasse: Plattenkiemer (Elasmobranchii)
Überordnung: Squalea
Ordnung: Hexanchiformes
Familie: Kragenhaie
Gattung: Kragenhaie
Art: Kragenhai
Wissenschaftlicher Name der Familie
Chlamydoselachidae
Garman, 1884
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Chlamydoselachus
Garman, 1884
Wissenschaftlicher Name der Art
Chlamydoselachus anguineus
Garman, 1884

Der Kragenhai (Chlamydoselachus anguineus), auch Krausenhai oder Schlangenhai, ist die einzige Art aus der Familie der Kragenhaie (Chlamydoselachidae). Er ist hinsichtlich seiner Anatomie und Morphologie der altertümlichste rezente Hai, wodurch er auch als Lebendes Fossil bezeichnet wird.[1]

Merkmale

Der aalartig langgezogene Körper des Kragenhais erreicht eine Länge von maximal zwei Metern, wobei die Männchen mit etwa 1,50 Metern Länge kleiner als die Weibchen sind. Die Grundfärbung ist ein dunkelbraun bis -grau, Zeichnungen oder auffällige Markierungen existieren nicht. Die Augenöffnungen sind groß, eine Nickhaut fehlt. Anders als bei den übrigen rezenten Haien mit unterständigem Maul ist das stumpfe Maul des Kragenhais beinahe endständig, bildet also kein Rostrum. Das Maul ist sehr groß und reicht über mehr als die Hälfte des Schädels, wodurch der Kopf ein reptilartiges Aussehen bekommt (daher der französische Name requin lézard = „Eidechsenhai“). Es kann weit geöffnet werden.

Die etwa 300 Zähne sind in 25 Reihen angeordnet, 13 im Oberkiefer und 12 im Unterkiefer. Die gleichartige Morphologie der Zähne (Homodontie) ist kennzeichnend für die Art: die Zahnkrone wird von drei etwa gleichlangen, schlanken, zurückgebogenen Spitzen gebildet, an der Zahnbasis können kleinere Spitzen entwickelt sein. Die Einzelzähne haben einen großen Seitenabstand zueinander.

Die Scheidewände der sechs Paar Kiemenspalten (bei fast allen übrigen Plattenkiemern inklusive der paläozoischen Formen sind es fünf) schauen halskrausenartig hervor und umlaufen fast den gesamten Körper, daher rührt der deutsche Name (Trivialname) „Krausenhai“. Das erste Kiemenpaar ist auf der Bauchseite (ventral) miteinander verbunden und hat einen kragenartige Deckhaut („Kragenhai“). Eine richtige Gelenkung zwischen Oberkiefer und Hirnschädel (Neurocranium) fehlt. Das Palatoquadratum des Unterkiefers ist anders als bei allen anderen Haien breit an den Hirnschädel angehangen.[2]

Die breiten Bauchflossen sind klein und setzen in einem sehr stumpfen Winkel am Rumpf an. Die Basis der einzigen Rückenflosse liegt oberhalb der Afterflosse und damit ungewöhnlich weit zurück. Die Schwanzflosse ist, da die Chorda dorsalis anders als bei den übrigen rezenten Haien in Richtung Körperende (kaudal) nahezu gerade verläuft, nur andeutungsweise heterocerk (ungleichlappig) gestaltet. Ihre Asymmetrie, die für die Schwanzflosse der meisten Haie kennzeichnend ist, entsteht durch die Vergrößerung des unteren Flossensaums.

Die Chorda dorsalis ist kaum gegliedert. Das Begattungsorgan des männlichen Kragenhais, das Pterygopodium, ist deutlich einfacher gebaut als das der übrigen Plattenkiemer und besteht lediglich aus zwei stabförmigen Elementen. Die bei vielen Knorpelfischen ausgebildeten Hautzähne (Placoidschuppen) sind beim Kragenhai entlang des offenen Seitenlinienorgans verlängert.

Verbreitung

Verbreitungsgebiete bzw. Fangort des Kragenhais

Der erste Fang eines Kragenhais erfolgte 1870 in der Bucht von Tokio, später wurde die Art vereinzelt an verschiedenen Stellen der Nord- und Südhalbkugel der Erde gefangen, so dass eine weltweite Verbreitung in der Tiefsee anzunehmen ist. Dabei wurde er im östlichen Atlantik vor Norwegen, Schottland, Portugal, Spanien, Marokko, Mauretanien, Madeira, Angola, Namibia und Südafrika um im Golf von Biscaya gefangen. Im westlichen Indischen Ozean ist er von der Ostküste Afrikas bekannt, im westlichen Pazifik von der Küste Japans und Australiens und im östlichen Pazifik von der Südküste Kaliforniens und dem nördlichen Chile.

Lebensweise

Die vermutlich erste Aufnahme, die einen Kragenhai in seinem natürlichen Lebensraum zeigt, hier in etwa 875 Metern Tiefe.

Die Lebensweise des Kragenhais ist nahezu unbekannt, da er nur relativ selten gefangen und noch nie länger beobachtet werden konnte.

Der Kragenhai lebt wahrscheinlich am Boden oder im tiefen Freiwasser (Mesopelagial) der Tiefsee (Bathyal) an den Kontinental- und Inselhängen, gewöhnlich in einer Tiefe zwischen 120 und 1280 Metern. Seine Nahrung besteht, soweit bekannt, hauptsächlich aus Tintenfischen und anderen Kopffüßern, daneben auch aus Tiefsee-Knochenfischen.[3] Die Form der Zähne wie auch die zurückversetzte Position der meisten Flossen lassen ein schlangenähnliches Zustoßen auf die Beute vermuten. Wie bei allen Haien erfolgt auch beim Kragenhai eine innere Befruchtung. Die Art ist wie die meisten Knorpelfische ovovivipar, die Embryonen schließen also ihre Entwicklung bereits im Mutterleib ab und werden lebend geboren. Die Entwicklungszeit der 2 bis 12 Jungen dauert etwa zwei Jahre, nach einer japanischen Studie sogar mindestens 3,5 Jahre.[4] Falls weitere Untersuchungen dies bestätigen, wäre dies die längste bekannte Tragzeit bei einem Wirbeltier, beinahe doppelt so lange wie beim Afrikanischen Elefanten. Die Geburtsgrösse liegt bei etwa 40 Zentimeter und die Geschlechtsreife wird bei Männchen mit etwa 95 cm und bei Weibchen mit etwa 135 cm erreicht.

In der Regel bekommt der Mensch Kragenhaie nur zufällig als Beifang der Tiefsee-Leinenfischerei zu Gesicht und die Tiere sind dann zumeist bereits tot. Am 23. Januar 2007 konnte jedoch ein lebendes Weibchen von 1,60 Meter Länge vor der Küste der japanischen Hauptinsel Honshū gefangen werden. Im Becken eines Aquazoos gelangen Wissenschaftlern einzigartige Filmaufnahmen von dem Tier, das jedoch bereits nach wenigen Stunden starb.[5]

Evolution und Systematik

Stammesgeschichte

Präparat im Suma Aqualife Park in Japan

Es besteht keine Klarheit, ob man den Kragenhai als Angehörigen der paläo- oder mesozoischen Protoselachii oder der (primitiven) modernen Haie und Rochen (Euselachii) betrachten soll. Zwar bemerkte bereits Samuel Walton Garman (1843–1927), der Erstbeschreiber der Art, die Ähnlichkeit zwischen den Zähnen des Kragenhais und denen paläozoischer Protoselachier wie Cladodus (daher wird der Kragenhai auch zu den „cladodonten“ Haien gerechnet), doch sind diese Formen nur durch wenige isolierte Zahnfunde bekannt, so dass eine sichere Zuordnung zu einer der fossilen Gruppen nicht möglich ist. Daher kann die Frage, ob es sich beim Kragenhai um ein „lebendes Fossil“ handelt, nicht eindeutig beantwortet werden.

Fossile Kragenhaie

Funde fossiler Kragenhaie (Chlamydoselachus) sind recht selten. Die ältesten Funde stammen aus dem frühen Paläogen, es ist dies Chlamydoselachus fiedleri aus dem Eozän Österreichs. Jünger sind Chlamydoselachus tobleri aus dem Miozän von Trinidad und Chlamydoselachus lawleyi aus dem italienischen Pliozän. Thrinax ist eine weitere Gattung der Familie der Kragenhaie (Chlamydoselachidae) aus dem Paläogen Österreichs.

Systematik

Bislang wird der Kragenhai (Chlamydoselachus anguineus) als einzige rezente Art der Kragenhaie (Chlamydoselachidae; Chlamydoselachus) betrachtet, allerdings wurde 2005 eine weitere Art als Südamerikansicher Kragenhai aufgeführt, allerdings noch nicht beschrieben. Dieser Hai wird aktuell als Chlamydoselachus sp. nov. A (Compagno, Dando, & Fowler, 2005) bezeichnet.[6]

Kragenhaie stehen im System der Haie, dem über 400 rezente Arten angehören, aufgrund ihrer vielen Sondermerkmale etwas isoliert. Während jedoch die aalähnliche Gestalt oder die Anzahl der Kiemenspalten nicht eindeutig als ursprüngliche Merkmale gelten können, sind andere artspezifische Besonderheiten wie z. B. das fehlende Rostrum, das einfach gebaute Pterygopodium, die nicht-heterozerke Schwanzflosse, seine kaum gegliederte Chorda dorsalis und die cladodoten Zähne unzweifelhaft primitiv.

Aktuell werden die Kragenhaie als Schwestergruppe der Kammzähnerhaie (Hexanchidae) innerhalb der Hexanchiformes betrachtet. Diese stellt nach aktuellen Erkenntnissen die Schwestergruppe aller weiteren Squalea dar, die neben mehreren Haiordnungen auch alle Ordnungen der Rochen umfasst.[7]

──┐ Squalea
  │
  ├──┐ Hexanchiformes
  │  │
  │  ├─── Kammzähnerhaie (Hexanchidae)
  │  └─── Kragenhaie (Chlamydoselachidae)
  │
  └─── Sonstige Squalea

Menschen und Kragenhaie

Der Kragenhai wird nur selten gefischt, kann jedoch in einigen Regionen mit intensiverer Tiefseefischerei ein regelmäßiger Beifang sein. Als solcher wird er dann zu Fischmehl oder für andere Restfischverwertungen genutzt oder zurück ins Meer gekippt – eine direkte kommerzielle Verwertung für diese Art gibt es nicht. Es wird angenommen, dass die Beifänge mit einer Ausdehnung der Tiefseefischerei in Asien zunehmen werden.[8]

In der Roten Liste der IUCN wird er als Art der Vorwarnliste („Near Threatened“) eingestuft, wobei jedoch vermerkt wird, dass er auch bereits gefährdet sein könnte („Vulnerable“). Populationsabschätzungen gibt es zu dieser Art nicht, gemeinhin wird er als selten angesehen.[8]

Einzelnachweise

  1. z.B. nach Thenius 2000 und Hennemann 2001.
  2. Alfred Goldschmid: Chondrchthyes, Knorpelfische. In: W. Westheide und R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2. Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum, München 2004; Seite 202. ISBN 3-8274-0307-3.
  3. Kubota, T., Shiobara, Y. und Kubodera, T. 1991: Food habits of the frilled shark Chlamydoselachus anguineus collected from Suruga Bay, central Japan. Bulletin of the Japanese Society of Scientific Fisheries. 57(1): 15–20, ISSN 0021-5392.
  4. Tanaka, S., Shiobara, Y., Hioki, S., Abe, H., Nishi, G., Yano, K. und Suzuki, K. 1990: The reproductive biology of the frilled shark, Chlamydoselachus anguineus, from Suruga Bay, Japan. Japanese Journal of Ichthyology. 37(3): 273–291, ISSN 0021-5090.
  5. „Japaner fangen exotischen Tiefsee-Hai.“ Bericht auf Spiegel Online (24. Januar 2007); mit Bildern.
  6. Leonard Compagno, Marc Dando, Sarah Fowler: Sharks of the World. Princeton University Press 2005. ISBN 978-0-691-12072-0
  7. Alfred Goldschmid: Chondrchthyes, Knorpelfische. In: W. Westheide und R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2. Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum, München 2004; Seite 220. ISBN 3-8274-0307-3.
  8. a b Vorlage:IUCN2006

Literatur

Weblinks