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Mandelbrot-Menge

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Die Mandelbrot-Menge, im allgemeinen Sprachgebrauch oft auch "Apfelmännchen" genannt, ist ein Fraktal, das in der Chaostheorie eine bedeutende Rolle spielt. Es wurde 1980 von Benoît Mandelbrot erstmals computergrafisch dargestellt und untersucht. Die mathematischen Grundlagen dafür wurden bereits 1905 von dem französischen Mathematiker Pierre Fatou erarbeitet.

Außerhalb der Fachwelt wurde die Mandelbrot-Menge vor allem durch den hohen ästhetischen Reiz dieser Computergrafiken bekannt, der durch geschickte Farbgestaltung des Außenbereichs, der nicht zur Menge gehört, noch erhöht wird. Die Mandelbrot-Menge wird oft als das formenreichste geometrische Gebilde bezeichnet, das überhaupt bekannt ist. Dieser außerordentliche Formenreichtum zeigt sich an stark vergrößerten Ausschnitten des Randes, die überdies schöne Beispiele für das Konzept der Selbstähnlichkeit bei Fraktalen liefern. Trotz dieser offensichtlichen hohen inneren Ordnung wurde die Mandelbrot-Menge zum Symbol für das mathematische Chaos, welches sich allerdings von Chaos im umgangssprachlichen Sinne grundsätzlich unterscheidet.

Mandelbrot-Menge mit farbig dargestellter Umgebung. Jedem Pixel ist eine bestimmte Zahlenfolge zugeordnet. Der Folgenindex, ab dem alle Folgenglieder einen Betrag größer als 1000 haben, wächst von Farbstreifen zu Farbstreifen zur Mandelbrot-Menge hin um den Wert 1.

Definition

Definition über Rekursion

Die Mandelbrot-Menge ist die Menge aller komplexen Zahlen c, für die die rekursiv definierte Folge komplexer Zahlen z0, z1, z2, ... mit dem Bildungsgesetz

zn+1 := zn2 + c

und der Anfangsbedingung

z0 := 0

beschränkt bleibt, das heißt, der Betrag der Folgenglieder wächst nicht über alle Grenzen. Die grafische Darstellung dieser Menge erfolgt in der komplexen Ebene. Die Punkte der Menge werden dabei schwarz dargestellt und der Rest farbig, wobei die Farbe eines Punktes den Grad der Divergenz der zugehörigen Folge widerspiegelt (siehe unten).

Definition über Julia-Mengen

Die Mandelbrot-Menge wurde von Benoît Mandelbrot ursprünglich zur Klassifizierung von Julia-Mengen eingeführt, die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts von den französischen Mathematikern Julia und Fatou untersucht wurden. Die Julia-Menge Jc zu einer bestimmten komplexen Zahl c ist definiert als der Rand der Menge aller Anfangswerte z0, für die die obige Zahlenfolge beschränkt bleibt. Man kann beweisen, dass die Mandelbrot-Menge genau die Menge der Werte c ist, für die die zugehörige Julia-Menge Jc einfach zusammenhängend ist.

Verallgemeinerte Mandelbrot-Mengen

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die oben definierte Menge als die Mandelbrot-Menge bezeichnet. Verwendet man anstelle des obigen Bildungsgesetzes die Rekursionsregel

zn+1 := fc(zn)

mit einer von einem komplexen Parameter c abhängige Abbildung fc innerhalb der komplexen Zahlen, so lässt sich in analoger Weise eine zu dieser Abbildung gehörige Mandelbrot-Menge und entsprechende Julia-Mengen definieren. Der Startwert z0 muss ein kritischer Punkt sein, das heißt, es muss f'c(z0)=0 gelten.

Dieses Verfahren kann auch für Funktionen mit mehr als einem komplexen Parameter c erweitert werden. Allerdings ist dann eine grafische Darstellung in zwei Dimensionen nicht mehr möglich.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die üblicherweise betrachtete Mandelbrot-Menge.

Geometrische und mathematische Eigenschaften

Der ungeheure Formenreichtum der Mandelbrot-Menge erschließt sich aus dem Bezug zu Julia-Mengen. Julia-Mengen zu c-Werten aus dem Randbereich der Mandelbrot-Menge sind Fraktale. Die Formen dieser fraktalen Strukturen sind innerhalb einer Julia-Menge stets die gleichen, umspannen aber für Julia-Mengen zu verschiedenen c-Werten einen enormen Formenreichtum. Es zeigt sich, dass die Strukturen der Mandelbrot-Menge in der Umgebung eines bestimmten Wertes c genau jene Strukturen der zugehörigen Julia-Menge wiedergeben. Damit enthält die Mandelbrot-Menge den kompletten Formenreichtum der unendlich vielen Julia-Mengen.

In den fraktalen Strukturen am Rand findet man verkleinerte ungefähre Kopien der gesamten Mandelbrot-Menge, so genannte Satelliten. Jeder Bildausschnitt der Mandelbrot-Menge, der sowohl Punkte aus als auch solche außerhalb umfasst, enthält unendlich viele dieser Satelliten. Es zeigt sich, dass unmittelbar am Rand eines Satelliten fast die gleichen Strukturen auftreten wie an den entsprechenden Stellen des Originals. Diese Strukturen sind jedoch nach weiter außen hin mit den Strukturen kombiniert, die für die größere Umgebung des Satelliten typisch sind. Diese Situation wird gelegentlich mit der eines biologischen Organismus und seiner Gene verglichen. Danach entspricht jedem Satelliten die Erbsubstanz einer Zelle, die den Bauplan für den kompletten Organismus enthält, während nach außen hin nur die Strukturen des lokalen Organs exprimiert sind. Es handelt sich dabei jedoch um ein rein formales Gleichnis ohne kausalen Hintergrund.

Da jeder Satellit wiederum mit Satelliten höherer Ordnung bestückt ist, lässt sich immer eine Stelle finden, an der eine beliebige Anzahl beliebiger verschiedener Strukturen in beliebiger Reihenfolge kombiniert auftritt. Diese Strukturen sind dann allerdings nur bei extremer Vergrößerung erkennbar.

Die Mandelbrot-Menge ist spiegelsymmetrisch zur reellen Achse. Sie ist einfach zusammenhängend, das heißt sie bildet weder Inseln noch hat sie Löcher. Ihre fraktalen Strukturen sind zwar selbstähnlich, es gibt aber keine zwei Teilstrukturen, die exakt gleich sind.

Da die Mandelbrot-Menge Kardioid- und Kreisflächen enthält, hat sie die fraktale Dimension zwei. Der Rand der Mandelbrot-Menge hat eine unendliche Länge, und seine Hausdorff-Dimension beträgt ebenfalls zwei. Numerische Annäherungen legen dies auch für die Box-Dimension nahe. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Rand auch eine endliche Fläche hat, obwohl dies eine zeitlang vermutet wurde. Die Fläche der Mandelbrot-Menge ist nicht einfach zu bestimmen und beträgt etwa 1,506.

Die Frage, ob die Mandelbrotmenge entscheidbar ist, gibt zunächst keinen Sinn, da überabzählbar ist. Ein Ansatz, den Begriff der Entscheidbarkeit auf überabzählbare Mengen zu verallgemeinern, stellt das Blum-Shub-Smale-Modell dar. Innerhalb dessen ist die Mandelbrotmenge nicht entscheidbar.

Bildergalerie einer Zoomfahrt

Die folgende exemplarische Bildersequenz einer Zoomfahrt an eine bestimmte Stelle c gibt einen Eindruck vom geometrischen Formenreichtum und erläutert gewisse typische Strukturelemente. Die Vergrößerung im letzen Bild beträgt etwa 1:60 Milliarden. Bezogen auf einen üblichen Computerbildschirm stellt es daher einen Ausschnitt eines Apfelmännchens von grob 20 Millionen Kilometern Durchmesser dar, dessen Rand in dieser Auflösung eine unvorstellbare Fülle verschiedenster fraktaler Strukturen aufweisen würde.

Startbild
Ausschnitt 1
Ausschnitt 2
Ausschnitt 3
Ausschnitt 4
Ausschnitt 5
Ausschnitt 6
Ausschnitt 7
Ausschnitt 8
Ausschnitt 9
Ausschnitt 10
Ausschnitt 11
Ausschnitt 12
Ausschnitt 13
Ausschnitt 14


  • Startbild: Die Mandelbrot-Menge mit stufenlos eingefärbtem Außenraum.
  • Ausschnitt 1: Spalte zwischen "Kopf" und "Körper", auch "Tal der Seepferdchen" genannt.
  • Ausschnitt 2: Links Doppelspiralen, rechts "Seepferdchen".
  • Ausschnitt 3: "Seepferdchen". Der "Körper" wird von 25 "Speichen" gebildet, von denen sich zwei Zwölfergruppen nach Art einer Metamorphose auf jeweils einen der beiden "Finger" an der "oberen Hand" des Apfelmännchens zurückführen lassen. Die Zahl der "Speichen" nimmt daher von einem "Seepferdchen" zum nächsten um zwei zu. Die "Nabe" wird von einem Misiurewicz-Punkt gebildet wird (s. u.). Zwischen "Oberkörper" und "Schwanz" ist ein deformierter Satellit erkennbar.
  • Ausschnitt 4: Der "Seepferdchenschwanz" endet ebenfalls in einen Misiurewicz-Punkt.
  • Ausschnitt 5: Teil des "Schwanzes". Der einzige Pfad, der sich durch den gesamten "Schwanz" windet, und damit gewährleistet, dass einfach zusammenhängend ist, führt im Zickzack von einer "Schwanzseite" zur anderen und passiert dabei die "Naben" der großen 25-spiraligen Gebilde.
  • Ausschnitt 6: Satellit. Die beiden "Seepferdchenschwänze" bilden den Auftakt für eine Folge von konzentrischen Kränzen mit dem Satelliten im Zentrum.
  • Ausschnitt 7: Jeder dieser Kränze besteht aus gleichartigen Strukturelemente, deren Anzahl pro Kranz mit Potenzen von 2 wächst, ein typisches Phänomen in der Umgebung von Satelliten. Der oben erwähnte Pfad durch den "Seepferdchenschwanz" passiert den Satelliten über die beiden kopfseitigen "Finger" der "Hände".
  • Ausschnitt 8: "Antenne" des Satelliten. Auf ihr sind mehrere Satelliten 2. Ordnung erkennbar.
  • Ausschnitt 9: "Tal der Seepferdchen" des Satelliten. Es zeigen sich die gleichen Strukturelemente wie in Ausschnitt 1.
  • Ausschnitt 10: Doppelspiralen und "Seepferdchen", die jedoch im Unterschied zu Ausschnitt 2 nach außen hin mit seepferdchenschwanzartigen Fortsätzen bestückt sind. Dieses Phänomen demonstriert die für Satelliten n-ter Ordnung typischen Verkettungen von n+1 Strukturelementen für den Fall n=1.
  • Ausschnitt 11: Doppelspiralen mit Satelliten 2. Ordnung. Sie lassen sich als Metamorphose der "Antenne" interpretieren.
  • Ausschnitt 12: Im Bereich der äußeren Fortsätze sind stets inselartige Strukturen eingestreut, die Julia-Mengen Jc ähneln. Die im Bild größte ist im Zentrum des "Doppelhakens" rechts gerade eben erkennbar.
  • Ausschnitt 13: Teil des "Doppelhakens".
  • Ausschnitt 14: Diese Inseln scheinen auf den ersten Blick nach Art von Cantor-Mengen wiederum aus unendlich vielen unzusammenhängenden Teilstücken zu bestehen, wie es für die zugehörigen Jc tatsächlich der Fall ist, sie sind jedoch hier über filigrane Strukturen miteinander verbunden. Der zu Jc gehörige c-Wert ist jedoch nicht der des Bildzentrums sondern hat relativ zum Hauptapfelmännchen die gleiche Position wie das Bildzentrum zum Satelliten.

Eine aufgeteilte Animation der "Fahrt" zu dieser Stelle ist hier: Teil 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10

Verhalten der Zahlenfolge

Die verschiedenen Strukturelemente von stehen in engem Zusammenhang mit bestimmten Verhaltensweisen der Zahlenfolge, die zugrunde liegt. Je nach Wert von c ergibt sich eine der folgenden vier Möglichkeiten:

  1. Sie strebt gegen einen festen Wert (Konvergenz).
  2. Sie konvergiert gegen einen periodischen Grenzzyklus, der aus 2 oder mehr Zahlen besteht.
  3. Sie zeigt chaotisches Verhalten, das heißt sie wiederholt sich nie, bleibt aber beschränkt.
  4. Sie strebt gegen Unendlich (bestimmte Divergenz).

Alle c-Werte, die zu den ersten drei Verhaltensweisen führen, gehören zu .

Geometrische Zuordnung

Datei:Mandelbrot-Menge Koordinatensystem.png
Mandelbrot-Menge in der komplexen Ebene. Perioden von Grenzzyklen sind gelb angegeben.

Konvergenz liegt genau für die Werte von c vor, die die Kardioide bilden, den "Körper" des Apfelmännchens. Periodische Grenzzyklen findet man in den kreisförmigen "Knospen" wie z. B. im "Kopf", in den Kardioiden der Satelliten, aber auch in den isolierten Punkten, die die "Naben" radförmiger Strukturen mit mehr oder weniger spiraligförmigen "Speichen" bilden, sowie an den Endpunkten der filigranen Strukturen. Chaotisches Verhalten findet sich in den Punkten, die zum Inneren der filigranen Strukturen gehören wie beispielsweise Bereiche der "Antenne" auf dem "Kopf", die auf der reellen Achse bis zum Punkt c=-2 reicht.

Periodisches Verhalten

Attraktive Zyklen

Gibt es für ein c ein Folgenglied mit der Eigenschaft zn=z0=0, so wiederholt sich die Folge und zwar mit der Periode n. Da sich zn durch n-malige Anwendung der Iterationsvorschrift ergibt, wobei bei jedem Schritt quadriert wird, lässt es sich als Polynom von c vom Grad 2n-1 formulieren. Die c-Werte für periodische Folgen der Periode n erhält man daher über die 2n-1 Nullstellen dieses Polynoms. Es zeigt sich, dass jede Zahlenfolge gegen diesen Zahlenzyklus konvergiert, sofern eins ihrer Folgenglieder hinreichend nahe an diesen Zyklus gerät. Man spricht von sogenannten Attraktoren. Das führt dazu, dass auch alle Zahlenfolgen zu einer gewissen Umgebung des c-Wertes, der den Attraktor repräsentiert, gegen einen stabilen Zyklus der Periode n konvergieren. Jede kreisförmige "Knospe" und jede Kardioide eines Satelliten repräsentiert genau eine solche Umgebung. Exemplarisch seien die Gebiete mit den Perioden 1 bis 3 aufgeführt:

  • Periode 1: Die Kardioide des Hauptapfelmännchens
  • Periode 2: Der "Kopf". Die 2. Nullstelle c=0 entspricht der Hauptkardioide, die wegen der Periode 1 natürlich auch bei der Ermittlung aller höherer Perioden als Nullstelle auftritt. Diese Überlegung zeigt, dass die Zahl der Attraktoren mit der Periode n maximal 2n-1-1 betragen kann, und das auch nur dann, wenn n eine Primzahl ist.
  • Periode 3: Die "Knospen", die den "Armen" entsprechen und die Kardioide des größten Satelliten auf der "Kopfantenne". Die 4. Nullstelle c=0 entfällt wieder.

Für die Periodizität der "Knospen" und Kardioiden gelten folgende Regeln:

  • Tendenziell sind die "Knospen" bzw. Kardioiden um so kleiner je größer ihrer Periodizität ist.
  • Jede "Knospe" berührt eine größere oder einen Kardioiden. Ungefähr gegenüber des Berührungspunktes befindet sich die nächst kleinere "Knospe", deren Periodizität stets das doppelte beträgt, wie beispielsweise der "Dutt" mit der Periode 4 am "Kopf".
  • Die Periodizität einer "Knospe" eines Satelliten ist das Produkt der Periodizität der Kardioide und der der korrespondierenden "Knospe" des Hauptapfelmännchens.

Repulsive Zyklen

Neben attraktiven Zyklen gibt es auch repulsive, die sich dadurch auszeichnen, dass Zahlenfolgen in ihrer Umgebung sich zunehmend von ihnen entfernen. Sie lassen sich jedoch erreichen, da jedes zn abgesehen von der Situation zn-1=0 wegen des Quadrats in der Iterationsvorschrift zwei potenzielle Vorgänger in der Folge hat, die sich nur durch ihr Vorzeichen unterscheiden. c-Werte, für die die zugehörige Folge irgendwann über einen solchen zweiten Vorläufer eines Periodenmitgliedes in einen derartigen instabilen Zyklus mündet, sind beispielsweise die "Naben" der rad- bzw. sprialförmigen Strukturen sowie die Endpunkte der weitverbreiteten antennenartigen Strukturen, die sich formal als "Naben" von "Rädern" oder Spiralen mit einer einzigen Speiche interpretieren lassen. Derartige c-Werte werden auch als Misiurewicz-Punkte bezeichnet.

Intermediär wechselhaftes Verhalten

Darstellung des Betrages der Folgenglieder als Funktion des Iterationsschrittes n für einen c-Wert mit besonders abwechslungsreichem Verhalten der Folge. Die auffälligen Brüche im Verhalten ergeben sich durch Beinahe-Einfänge in repulsive Zyklen, was temporär zu quasiperiodischem Verhalten führt.
Darstellung der Folgenglieder zum c-Wert des vorherigen Diagramms als Punkte in der komplexen Ebene mit hinterlegter Mandelbrotmenge zur Orientierung. Die Helligkeit eines Pixels ist ein Maß dafür, von wie vielen Punkten der Folge es getroffen wurde.

Durch die Möglichkeit der Zahlenfolge, wiederholt in die unmittelbaren Umgebung eines repulsiven Zyklus zu geraten, und bei dem anschließend tendenziell divergenten oder chaotischen Verhalten wiederum beinahe in einen anderen Zyklus zu geraten, können sich intermediär sehr komplizierte Verhaltensweisen der Folge ausbilden, bis sich der endgültige Charakter der Folge zeigt, wie die beiden Abbildungen demonstrieren. Die Umgebung der zugehörigen c-Werte in ist entsprechend strukturreich. Auch die Darstellung der Folgepunkte selbst in der komplexen Ebene zeigt in diesen Fällen eine größere Komplexität. Das quasiperiodische Verhalten in der Nachbarschaft eines repulsiven Zyklus führt in diesen Fällen oft zu spiralförmigen Strukturen mit mehreren Armen, wobei die Folgepunkte das Zentrum umkreisen, während der Abstand zu ihm zunimmt. Die Anzahl der Arme entspricht daher der Periode. Die Punktanhäufungen an den Enden den Spiralarme in der obigen Abbildung sind die Folge der beiden zugehörigen Beinahe-Einfänge durch repulsive Zyklen.

Dichteverteilung der Folgenglieder

Summarische Dichteverteilung der Folgenglieder für alle c-Werte in einer farbkodierten Darstellung.

Das nebenstehende Bild zeigt in der komplexen Ebene die Dichteverteilung der Folgenglieder, die man erhält, wenn man alle Folgen für c-Werte auf einem engen flächendeckenden Raster berücksichtigt. Im großen Kreis entspricht das der Dichteverteilung der Endpunkte der konvergenten Folgen zu c-Werten aus der Kardioide. Die beiden nächstkleineren Gebilde markieren die Bereiche zwischen denen die Grenzzyklen mit der Periode 2 für Folgen zu c-Werten aus dem "Kopf" hin und her springen. Die gitterförmigen Linien sind Artefakte als Folge eines Moiré-Effekts zwischen dem Raster der c-Werte und dem für die numerische Auswertung der Dichteverteilung.

Bezug zur Chaostheorie

Grenzzyklen für reelle c-Werte. Konvergenz geht über Bifurkation in Chaos über.

Das Bildungsgesetz, das der Folge zugrunde liegt, ist die einfachste nichtlineare Gleichung, anhand der sich der Übergang von Ordnung zu Chaos durch Variation eines Parameters provozieren lässt. Dazu genügt es, reelle Zahlenfolgen zu betrachten. Man erhält sie, wenn man sich auf die c-Werte der x-Achse von beschränkt. Für Werte –0,75<=c<=0,25, das heißt innerhalb der Kardioide, konvergiert die Folge. Auf der "Antenne", die bis c=-2 reicht, verhält sich die Folge chaotisch. Der Übergang zu chaotischem Verhalten erfolgt nun über ein Zwischenstadium mit periodischen Grenzzyklen. Dabei nimmt die Periode zum chaotischen Bereich hin stufenweise um den Faktor zwei zu, ein Phänomen, das als Periodenverdopplung und Bifurkation bezeichnet wird. Jeder c-Bereich zu einer bestimmten Periode entspricht dabei einer der kreisförmigen "Knospen" auf der x-Achse. Die Periodenverdopplung beginnt mit dem "Kopf" und setzt sich in der Folge der "Knospen" zur "Antenne" hin fort. Das Verhältnis der Längen aufeinander folgender Parameterintervalle und damit das der Knospendurchmesser zu unterschiedlicher Periode strebt dabei gegen die Feigenbaum-Konstante δ ≈ 4,669, eine fundamentale Konstante der Chaostheorie. Dieses Verhalten ist typisch für den Übergang realer Systeme zu chaotischer Dynamik. Die auffälligen Lücken im chaotischen Bereich entsprechen Inseln mit periodischem Verhalten, denen in der komplexen Ebene die Satelliten auf der "Antenne" zugeordnet sind.

Für gewisse komplexe c-Werte stellen sich Grenzzyklen ein, die auf einer geschlossenen Kurve liegen, deren Punkte jedoch nicht periodisch sondern chaotisch abgedeckt werden. Eine solche Kurve ist in der Chaostheorie als sogenannter seltsamer Attraktor bekannt.

Die Mandelbrot-Menge ist daher ein elementares Objekt für die Chaostheorie, an der sich fundamentale Phänomene studieren lassen. Sie wird aus diesem Grund hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Chaostheorie gelegentlich mit der von Geraden für die euklidische Geometrie verglichen.

Grafische Darstellung

Die grafische Darstellung der Mandelbrot-Menge und ihrer Strukturen im Randbereich ist nur mittels Computer möglich. Dabei entspricht jedem Bildpunkt ein Wert c der komplexen Ebene. Der Computer ermittelt für jeden Bildpunkt, ob die zugehörige Folge divergiert oder nicht. Sobald das Quadrat des Zahlenwertes der Folge den Wert 4 überschreitet (zn2 > 4) divergiert diese. Bei einer Konvergenz kann die Berechnung für den Startwert c sofort abgebrochen werden. Die Zahl der Iterationsschritte N gemäß obiger Rekursionsformel, nach denen das erfolgt, kann als Maß für den Divergenzgrad herangezogen werden. Über eine zuvor festgelegte Farbtabelle, die jedem Wert N eine Farbe zuordnet, wird dem Bildpunkt eine Farbe zugewiesen. Um in ästhetischer Hinsicht harmonische Grenzen zwischen aufeinanderfolgenden Farben zu erreichen, wird in der Praxis für die Grenze R ein Wert R>>1 gewählt, da andernfalls die Farbstreifenbreite oszilliert. Für R>>1 bilden die Farbgrenzen übrigens Äquipotenzialflächen, die man erhalten würde, wenn man die Mandelbrot-Menge als elektrisch geladenen Leiter interpretieren würde. Für kontinuierliche Farbverläufe, wie beispielsweise in der obigen Zoom-Bilderserie, ist eine Auswertung des Faktors erforderlich, um den R bei der ersten Überschreitung übertroffen wurde.

Da die Zahl der Iterationsschritte N, bevor die Grenze R überschritten wird, beliebig groß sein kann, muss für die praktische Durchführung der Rechnung ein Abbruchkriterium in Form einer maximalen Zahl von Iterationsschritten festgelegt werden. Werte von c deren Folgen danach die Grenze R noch nicht überschritten haben, werden zu gerechnet. Je geringer der Abstand von c zu ist, umso größer ist die Zahl N nach der R überschritten wird. Je stärker die Vergrößerung ist, mit der man den Rand von darstellen möchte, umso größer muss in diesem Fall die maximalen Zahl von Iterationsschritten gewählt werden, und umso größer fällt auch die Rechenzeit aus.

Grafisch besonders reizvoll ist die Darstellung des Randes von mit seinem Formenreichtum. Je stärker die gewählte Vergrößerung ist, umso komplexere Strukturen lassen sich dort finden. Mit entsprechenden Computerprogrammen lässt sich dieser Rand wie mit einem Mikroskop mit beliebiger Vergrößerung darstellen. Die beiden einzigen künstlerischen Freiheiten, die dabei bestehen, sind die Wahl des Bildausschnittes sowie die Zuordnung von Farben zum Divergenzgrad.

Zur Untersuchung interessanter Strukturen sind oft Vergrößerungen erforderlich, die mit der üblichen Rechengenauigkeit gängiger Programmiersprachen aufgrund von Rundungsfehlern nicht darstellbar sind. Manche Programme enthalten daher spezielle Arithmetik-Routinen für 100 Nachkommastellen oder auch deutlich mehr. Die damit erzielbaren Vergrößerungsfaktoren von etwa 10100 bzw. mehr übersteigen selbst das Verhältnis vom Durchmesser des bekannten Kosmos zu dem eines Protons von nur etwa 1040 um einen astronomischen Faktor.

Programmbeispiel

Iteration über alle Bildpunkte

Das folgende Programmbeispiel geht davon aus, dass die Pixel des Ausgabemediums durch Koordinaten pix_x und pix_y mit einem Wertebereich von 1 bis jeweils max_x und max_y adressierbar sind. Die Berechnung des dem Pixel zugeordneten komplexen Zahlenwerts c mit dem Realteil cx und dem Imaginärteil cy erfolgt mittels geometrischer Überlegungen.

Die maximale Anzahl von Iterationsschritten ist max_iterationen. Wird dieser Wert überschritten, so wird das entsprechende Pixel der Menge zugeordnet. Der Wert von max_iterationen sollte mindestens 100 betragen. Bei stärkerer Vergrößerung sind zur korrekten Darstellung der Strukturen unter Umständen erheblich größere Werte erforderlich und damit auch deutlich größere Rechenzeiten.

FOR pix_x = 1 TO max_x
  FOR pix_y = 1 TO max_y

    cx = min_cx + pix_x * punkt_abstand_x
    cy = min_cy + pix_y * punkt_abstand_y

    iterations_wert = punkt_iteration ( cx, cy, max_betrags_quadrat, max_iterationen )

    farb_wert = waehle_farbe ( iterations_wert, max_iterationen )

    plot pix_x pix_y farb_wert

  NEXT pix_y
NEXT pix_x

Iteration eines Bildpunktes

Die Iteration von n nach n+1 für einen Punkt c der komplexen Zahlenebene erfolgt mittels der komplexen Gleichung

,

die sich mittels der Zerlegung der komplexen Zahl z in ihren Realteil x und Imaginärteil y in zwei reelle Gleichungen

und

umwandeln lässt.

Falls das Quadrat des Betrags der (n+1)-sten Zahl, gegeben durch

den Wert max_betrag_quadrat (mindestens 2*2=4) überschreitet, wird die Iteration abgebrochen, und die Anzahl der bislang erfolgten Iterationssschritte für die Zuordnung eines Farbwertes verwendet. Falls das Quadrat des Betrags nach einer gegebenen maximalen Anzahl von Iterationsschritten den max_betrag_quadrat nicht überschritten hat, wird angenommen, dass die Iteration beschränkt bleibt, und die Iterationsschleife abgebrochen.

Die folgende Funktion führt die beschriebene Iteration durch. x und xt sowie y und yt sind die iterativ benutzten Variablen für die Iterationswerte.

FUNCTION punkt_iteration (cx, cy, max_betrag_quadrat, max_iter)

   betrag_quadrat = 0
   iter = 0
   x = 0
   y = 0

   WHILE ( betrag_quadrat <= max_betrag_quadrat ) AND ( iter < max_iter )
     xt = x * x - y * y + cx
     yt = 2 * x * y + cy
     x = xt
     y = yt
     iter = iter + 1
     betrag_quadrat = x * x + y * y
   WEND

   punkt_iteration = iter

END FUNCTION

Wird eine kontinuierlicherer Farbverlauf gewünscht, so bietet sich alternativ die Formel

   punkt_iteration = iter – log(log(betrag_quadrat) / log(4)) / log(2) 

an, die keine ganze sondern eine gebrochene Zahl liefert. Für die Folge mit c=0 und dem Startwert z0=2 liefert diese Formel den Wert Null. Es ergibt sich ferner eine von max_betrag_quadrat unabhängige Farbgebung, sofern dieser Wert groß gegen 1 ist.

Ein erheblicher Teil der Rechenzeit wird dort benötigt, wo die Zahlenfolge nicht divergiert. Moderne Programme bemühen sich, mit verschiedenen Verfahren die Rechenzeit für diese Stellen zu reduzieren. Eine Möglichkeit besteht darin, die Rechnung bereits abzubrechen, wenn die Zahlenfolge konvergiert ist oder sich in einem periodischen Zyklus gefangen hat. Andere Programme nutzen aus, dass jeder Punkt im Inneren einer geschlossenen Kurve, die nur Punkte aus enthält, ebenfalls dazugehört.

Rezeption in der Öffentlichkeit

Die Mandelbrot-Menge erlangte durch Publikationen von Bildern in den Medien Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts einen für ein mathematisches Thema dieser Art ungewöhnlich großen Bekanntheitsgrad. Ein Aspekt neben dem enormen geometrischen Formenreichtum ist der extreme Kontrast zwischen diesem und der Einfachheit des zugrunde liegenden Algorithmus, der in an biologische Systeme erinnert, bei denen nach naturwissenschaftlicher Sicht ebenfalls aus einer vergleichsweise geringen Zahl von Regeln äußerst komplexe Systeme entstehen können. Ein weiterer Aspekt ist die Nähe zur Chaostheorie, die ebenfalls in der Öffentlichkeit großes Interesse geweckt hatte. Die Mandelbrot-Menge hat auch Computerkünstler inspiriert und zu einem Aufschwung fraktaler Konzepte beigetragen. Dabei fanden und finden auch zahlreiche Modifikationen des Algorithmus Anwendung, der der Mandelbrot-Menge zugrunde liegt.

Literatur

Siehe auch: Fraktale Geometrie

Weblinks