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Regenwürmer

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Regenwürmer
Datei:Regenwurm fexx.jpg
Regenwurm
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Superphylum: Urmünder (Protostomia)
Überstamm: Lophotrochozoen
(Lophotrochozoa)
Vorlage:Phylum: Ringelwürmer (Annelida)
Vorlage:Classis: Gürtelwürmer (Clitellata)
Vorlage:Ordo: Wenigborster (Oligochaeta)
Vorlage:Familia: Regenwürmer
Wissenschaftlicher Name
Lumbricidae
einheimische Gattungen
  • Allolobophora
  • Dendrobaena
  • Eisenia
  • Eiseniella
  • Lumbricus
  • Octolasium

Die Regenwürmer (Lumbricidae) sind im Erdboden lebende, gegliederte Würmer aus der Ordnung der Wenigborster (Oligochaeta). Sie gehören innerhalb der Klasse Clitellata zum Stamm der Ringelwürmer (Annelida). Von den weltweit rund 3500 Arten zählen 10 Gattungen mit etwa 220 Arten zur Familie der Lumbricidae. In Deutschland leben derzeit 39 Arten. Nicht alle davon sind ursprünglich hier heimisch.

Der 9 bis 30 Zentimeter lange Tauwurm oder Gemeine Regenwurm (Lumbricus terrestris) ist neben dem 6 bis 13 Zentimeter langen Kompostwurm (Eisenia foetida), wohl die bekannteste einheimische Annelidenart. Im Jahr 2004 wurde der für den Naturkreislauf nützliche Regenwurm zum "Wirbellosen Tier des Jahres" erklärt.

Name

Der Name "Regenwurm" geht offenbar auf den althochdeutschen Begriff "regnwurm" zurück, der sich auf das Verhalten der Würmer bezieht, bei starken Regenfällen die unterirdische Wohnröhre zu verlassen und auf dem Erdboden umherzukriechen. Treffender, weil auf den eigentlichen Aufenthaltsort des Wurms bezogen, ist die englische Bezeichnung "earthworm" oder der französische Begriff "ver de terre". Nach anderer Ansicht rührt der deutsche Name nicht von der Eigenart der Würmer her, bei Regen in großen Scharen an die Erdoberfläche zu kommen, sondern von ihrer steten Aktivität. Im 16. Jahrhundert soll es entsprechend noch die Bezeichnung "reger Wurm" gegeben haben.

Man nimmt oft an, dass die Regenwürmer nicht an die Erdoberfläche kriechen, weil sie den Regen lieben, sondern weil sie bei Regen in ihren Gängen im Erdboden ertrinken würden, da der im Wasser gelöste Sauerstoff nicht ausreiche, um den Wurm über die Hautatmung mit genügend Sauerstoff zu versehen. 1978 veröffentlichten jedoch B. Gruner und E. Zebe eine Studie, aus der hervorging, dass unter anaeroben Bedingungen unter Wasser gehaltene Regenwürmer erst nach 35 Stunden zugrunde gingen. Wie sich weiter herausstellte, schalten die Würmer unter diesen extremen Bedingungen auf einen glykolytischen Stoffwechsel ohne Sauerstoffverbrauch um. Was der eigentliche Anlass für die Regenwürmer ist, bei Regen ihre Wohnröhren zu verlassen, scheint also unbekannt zu sein.

Körperbau

Segmentierung

Der Körper des Regenwurms besteht aus zahlreichen zylindrischen Gliedern (Segmenten), welche an ihren Seiten die kaum aus der Haut hervorragenden Borsten tragen. Die Borsten, von denen Regenwürmer pro Segment 4 Paar oder 8 Stück, besitzen, bestehen aus Chitin und Proteinen und können mit Hilfe besonderer Muskeln bewegt werden. Die Anzahl der Segmente nimmt mit dem Alter des Wurms zu. Eine spezielle Wachstumszone in der Nähe des Hinterendes produziert neue Glieder. Ausgewachsene Exemplare verfügen um die 160 Segmente.

Hautmuskelschlauch

Nach außen hin ist der gesamte Körper des Wurms und damit auch jedes seiner Segmente durch einen Hautmuskelschlauch abgegrenzt. Auf eine einschichtige Epidermis, die einige Drüsen- und Sinneszellen enthält und nach außen eine Cuticula abscheidet, folgt eine Ringmuskelschicht und weiter innen die dicke Längsmuskelschicht. Die meisten Arten besitzen Hautpigmente. So sind z.B. viele Lumbricus-Arten mehr oder weniger rot gefärbt. Alle Allolobophora-Arten besitzen dunkle Pigmente, die die Hautoberfläche grau oder grau-schwarz erscheinen lassen.

Verdauungsorgane

Eine Art Oberlippe, der Kopflappen (Prostomium), überwölbt am Kopfende den Mund. Die Mundöffnung führt in den Darm, der den ganzen Regenwurm von vorne bis hinten durchzieht. Der Darm beginnt mit einem muskulösen Pharynx, auf den die Speiseröhre (Oesophagus) mit ihren Kalksäckchen sowie ein muskulöser Kropf und Muskelmagen folgen. In letzterem wird (ähnlich wie bei Hühnern) die pflanzliche Nahrung durch aufgenommene kleine Steinchen (hier: Sandkörner) gleichmäßig zerrieben. Es folgt der lange Mitteldarm, der auf der Rückenseite in seiner gesamten Länge eine Einstülpung (Typhlosolis) aufweist, die die innere Darmoberfläche vergrößern hilft. Am Hinterende des Wurms befindet sich der After.

Ausscheidungsorgane

Als Ausscheidungsorgane liegen in jedem Segment (mit Ausnahme der ersten drei Glieder und des letzten Segments) links und rechts vom Darm zwei so genannte Nephridien, die aus einem langen, in Schleifen gewundenen, im Endabschnitt sich zur Harnblase erweiternden Exkretionskanal bestehen. Ein Wimpertrichter, der in das davor liegende Segment ragt, fängt die auszuscheidenden Substanzen auf. Jedes Nephridium ist von Blutgefäßen umsponnen, die der Sauerstoffversorgung des Ausscheidungsorgans dienen. Die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff ist nötig, weil an den Schleifen des Nephridiums aktive Transportvorgänge zur Ausscheidung von Harnsäure, Harnstoff, Ammonium und Salzen sowie zur Rückresorption von Wasser, Ionen und organischen Verbindungen ablaufen.

Coelom

Zwischen Darm und Hautmuskelschlauch liegt in jedem Segment die sekundäre Leibeshöhle (das Coelom). Diese ist durch zarte Querwände (Dissepimente) von der Leibeshöhle des Nachbarsegments abgegrenzt und prall mit Flüssigkeit gefüllt. Diese Flüssigkeit, die von innen gegen den Hautmuskelschlauch drückt, wirkt als ein hydrostatisches Skelett und hilft mit, dem Wurm beim Kriechen und Bohren im Erdboden Stabilität zu verleihen.

Nervensystem

Das Nervensystem ist hoch entwickelt. Es ist in das Gehirn oder Oberschlundganglion, das Bauchmark und die Segmentalnerven untergliedert. Das aus zwei miteinander verwachsenen Cerebralganglien bestehende Gehirn liegt im dritten Segment kurz vor dem Beginn des Pharynx dorsal dem Darm auf. Von ihm ziehen zahlreiche Nerven nach vorn in Richtung Prostomium. Schlundkonnektive verbinden das Oberschlundganglion auf beiden Seiten des Vorderdarms mit dem zu Beginn des vierten Segments ventral vom Darm gelegenen Unterschlundganglion. Es folgt der Hauptstrang des Nervensystems, der auf der Bauchseite den Wurm vom vom 4. Segment bis zum Schwanzsegment durchzieht. Er wird daher als Bauchmark bezeichnet. In einem Frontalschnitt durch das Bauchmark erkennt man, dass es sich evolutiv vom Strickleiternervensystem ableitet. Die ursprüngliche Organisation des Strickleiternervensystems besteht aus paarigen, längs zur Körperachse verlaufenden Konnektiven, die durch quer zur Körperachse angeordnete Kommissuren miteinander verbunden sind. Konnektive und Kommissuren sind durch Nervenknoten (Ganglien), die überwiegend aus den Zellkörpern der Nervenzellen bestehen, miteinander verbunden. Beim Regenwurm sind diese Elemente alle in einem median verlaufenden (unpaaren) Nervenstrang vereint. In azangefärbten histologischen Präparaten kann man die beiden Faseranteile (Kommissuren und Konnektive) sowie die Nervenknoten auf geeigneten Schnitten gut differenzieren. Pro Segment zweigen vom Bauchmark je 3 Paar Segmentalnerven ab. Das vordere Paar liegt im kranialen (kopfwärts orientierten) Abschnitt eines Segments, das mittlere und das hintere Paar liegen meist eng benachbart im caudalen (schwanzwärts orientierten) Bereich eines Segments. Diese typische Anordnung erlaubt in den allermeisten Fällen, ein histologisches Präparat nach kopfwärts/schwanzwärts zu orientieren. Nach ihrer Abzweigung vom Bauchmark verlaufen die Segmentalnerven zunächst durch die sekundäre Leibeshöhle des Regenwurm (Coelom) treten dann in den Hautmuskelschlauch ein, wo sie sich in einen ventralen und eines dorsalen Ast auftrennen. In ihrem weiteren Verlauf zwischen Ring- und Längsmuskulatur zweigen fortwährend feine Fasern ab und innervieren die Muskelzellen, sowie die Zellen der Epidermis. Die Innervation der Dissepimente (muskulöse Scheidewände zwischen den Segmenten) erfolgt durch die sogenannten Septalnerven, die in den Achseln der vorderen Segmentalnerven vom Bauchmark abzweigen. Das Darmnervensystem des Regenwurms (auch stomodaeales System) wurde erst relativ spät entdeckt. Augen fehlen zwar, doch ist der Regenwurm vor allem am Vorder- und Hinterende lichtempfindlich und reagiert auch auf Erschütterungen des Bodens.

Blutgefäßsystem

Besondere Atmungsorgane besitzt der Regenwurm nicht, aber ein vielfach verzweigtes, geschlossenes Blutgefäßsystem, das den über die Haut aufgenommenen Sauerstoff und die aus dem Darm aufgenommenen Nährstoffe im ganzen Körper verteilt. Es besteht aus einem Rückengefäß, das das Blut von hinten nach vorn treibt, und einem Bauchgefäß. In den Segmenten 7 - 11 werden die beiden Hauptblutgefäße durch muskulöse und stark kontraktile Schlingen, die sog. Lateralherzen (2 pro Segment), miteinander verbunden. In den übrigen Segmenten gibt es keine direkte Verbindung mehr, zwischen dem Rücken- und dem Bauchgefäß. Das Blut selbst ist durch den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der im Blutplasma gelöst ist, rot gefärbt. Es enthält auch farblose Blutkörperchen, die Amoebocyten, die jedoch meistens den Gefäßwänden anliegen. Das Hämoglobin des Regenwurms besteht nicht wie das des Menschen aus nur 4, sondern aus 24 Untereinheiten. Entsprechend hoch ist sein Molekulargewicht von 3.840.000 u.

Lebensweise

Ernährung

"Regenwürmer sind die Eingeweide der Erde" (Aristoteles 384-322 v.Chr.) Die nachtaktiven Regenwürmer sind überwiegend Substrat- und Pflanzenfresser, das heißt sie füllen ihren Darm mit humusreicher Erde und vermodertem Pflanzenmaterial. Sie ziehen nachts beispielsweise Keimlinge und Blätter in die Erde, um sie dort verrotten zu lassen und später als Nahrung zu verwerten. Um die Blätter festzuhalten, können die Regenwürmer ihr Vorderende knopfartig aufblähen, so dass ihr Mund wie von einer Saugscheibe umgeben ist. Diese wird an das Blatt oder den Blattstiel gepresst, und mit Hilfe des muskulösen Pharynx saugt sich der Wurm so sehr fest, dass er in der Lage ist, das angesaugte Blatt rückwärts kriechend in seinen Gang zu ziehen, wo es verrotten kann. Sekrete aus den Pharynxdrüsen fördern den Zersetzungsprozess. Zum Teil fressen sich die Regenwürmer auch durch die Humuserde, in der sie leben. Die aufgenommene Erde enthält Detritus-Bestandteile, Bakterien, Pilzsporen und Einzeller, die verdaut und als Nahrung genutzt werden können. Manche Arten verzehren bekanntlich auch Aas. Die aufgenommene Nahrung wird mit Hilfe des Muskelmagens zerrieben und anschließend im Mitteldarm verdaut.

Fortbewegung

Mit Hilfe der Ring- und Längsmuskulatur seines Hautmuskelschlauchs bewegt sich der Regenwurm kriechend fort. In der vorderen Region kontrahieren sich beispielsweise die Ringmuskeln. Sie bewirken, dass die dortigen Segmente dünner und länger werden und sich nach vorne schieben. Die schräg nach hinten gerichteten Borsten verankern zusätzlich die vorgestreckten Segmente an der erreichten Stelle im Boden. Nun folgt eine von vorn nach hinten verlaufende Kontraktion der Längsmuskeln, wodurch die Segmente wieder dicker und kürzer werden, was den Wurmkörper nach vorne zieht. Berührungs- und Lichtreize können Regenwürmer auch zum Rückwärtskriechen veranlassen. Beim Eindringen in den Oberboden sowie bei der Neuanlage unterirdischer Wohnröhren wird das verdünnte Vorderende als Bohrinstrument benutzt. Zum Überwinden des Bodenwiderstandes dient dabei der hydrostatische Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit.

Fortpflanzung

Regenwurm mit Clitellum - (sattelförmige Verdickung im vorderen Drittel)

Die Regenwürmer sind Zwitter und befruchten sich wechselseitig. Eine bestimmte Reihe ihrer Körpersegmente, die den so genannten Gürtel (das Clitellum, eine Art sattelförmige Verdickung) bilden, enthalten mächtige Drüsen, welche bei der Begattung ein Sekret ausscheiden, das die beiden Geschlechtspartner manschettenartig aneinanderheftet. Die Seitenränder des Clitellums treten als sogenannte Pubertätsleisten besonders hervor. Während der Begattung legen sich zwei Würmer mit der Bauchseite aneinander, und zwar so, dass sie über ihre Geschlechtsöffnungen Spermien austauschen und in die Receptacula seminis (kugelförmige Einstülpungen zur Sperma-Aufbewahrung) des Geschlechtspartners einführen können. Die jeweils dort gespeicherten fremden Spermien dienen später zur Befruchtung der eigenen Eizellen. Bei einigen Regenwurmarten wurde hin und wieder auch Selbstbefruchtung beobachtet. Die Eier werden wie bei den Blutegeln in Kokons abgelegt. Das Sekret der Clitellum-Drüsen dient zur Bildung dieses Ei-Kokons. Die Embryonen ernähren sich von dem Eiweiß, von dem sie umgeben sind, und machen nur eine geringe Metamorphose zum Wurm durch. Die Entwicklungsdauer der Jungwürmer kann je nach Art und Lebensraum sehr verschieden sein. So schlüpft der Kompostwurm (Eisenia foetida) in seiner relativ warmen Umgebung bereits nach 16 bis 20 Tagen, dagegen benötigt Lumbricus terrestris bei einer mittleren Bodentemperatur von etwa 12° C bis zu 135 Tagen.

Überleben im Winter

Den Winter verbringen die meisten Regenwürmer zusammengerollt in 40 bis 80 cm Bodentiefe in einer Art Kältestarre. Auch unter wärmespeichernden Bodenstrukturen wie Baumstümpfen, Steinen oder Komposthaufen findet man Kolonien ruhender Würmer. Unter hohen und dicht geschlossenen Schneedecken ist der Boden gegen Kälte geschützt und meist nicht gefroren. Hier finden sich immer wieder Regenwürmer, die auch über den Winter im Bereich des Oberbodens aktiv sein können. Noch ist unbekannt, inwieweit und wie lange die Tiere Kältegrade überstehen können. Mittelfristig droht den im Winter aktiven Würmern aber die Gefahr auszutrocknen, da eine Durchfeuchtung des Bodens aufgrund der gefrorenen Schneedecke bzw. Bodenoberfläche nicht stattfindet. Manche Arten können während der Winterruhe ca. 80 % ihres ursprünglichen Gewichts einbüßen, bevor sie eingehen. Lumbricus terrestris z.B. vollzieht in den relativ milden Gegenden Südwestdeutschlands (Oberrheingraben) keine richtige Winterruhe. Er erscheint in feuchten, frostfreien Nächten stets an der Bodenoberfläche um Nahrung aufzunehmen.

Die im Herbst abgelegten Kokons der geschlechtsreifen Regenwürmer, entwickeln sich im frostfreien Boden über den Winter hinweg weiter. Im Frühjahr schlüpfen die Jungwürmer nach Eintritt einer Bodentemperatur von über 10° C.

Bedeutung für die Bodenverbesserung

Regenwürmer sorgen für Belüftung des Bodens

Regenwürmer können in bestimmten Bereichen einen Anteil von bis zu 90 % der Biomasse der gesamten Bodenfauna ausmachen. Sie nehmen als sog. Destruenten eine zentrale Stellung beim Abbau organischer Substanzen ein. Bei ihren Wanderungen im Boden bilden Regenwürmer Röhren. In lockerem Material z.B. in der Waldstreu oder in Komposthäufen bereitet dies den Tieren keine Schwierigkeiten. Mineralböden dagegen bieten je nach Körnung, Festigkeit und aktuellem Wassergehalt sehr unterschiedliche Widerstände. Meist werden die gebohrten Röhren mit Schleim und Exkrementen der Würmer ringsherum ausgekleidet und somit für den raschen Auf- und Abstieg stabilisiert. Man nennt diese Verfestigung auch "Tapete". Sie dient u.a. auch den Pflanzen als Dünger. Die lufthaltigen Gänge sorgen dafür, dass aerobe Bakterien mit genügend Sauerstoff versorgt werden und sich abgestorbene Pflanzenteile besser zersetzen. In den vertikal gebohrten Gängen können aber auch Pflanzenwurzeln schneller in die Tiefe wachsen.

Von besonderer Bedeutung ist eine Tatsache, die bereits Charles Darwin beobachtete, dass Regenwürmer beständig die aus den tieferen Schichten des Bodens stammende Erde durch ihren Darm hindurch an die Erdoberfläche befördern und dadurch zur Auflockerung und Belüftung der Böden beitragen. Als begleitender Effekt zeigt sich u.a. das erleichterte Eindringen von Wasser in tiefere Bodenschichten. Dies wiederum fördert das Pflanzenwachstum.

Ihren Kot setzen die Regenwürmer meist in Form von geringelten Kotbällchen überwiegend an der Mündung ihrer Gänge ab. Nach Darwins Berechnung befördern die Regenwürmer in vielen Teilen Englands jährlich auf einem 6 Hektar großen Landstück ein Gewicht von mehr als 25000 kg Erde an die Oberfläche und bewirken dadurch eine ganz erhebliche Durchmischung der Bodenschichten, wobei der Untergrund mit Humusstoffen angereichert wird. In den Oberböden der Tropen und Subtropen wurden noch wesentlich höhere Umsetzungsraten festgestellt. Es liegt nahe, dass die Böden des tropischen Regenwaldes hierbei an der Spitze liegen (bis zu 280t pro ha).

Die gezielte Verarbeitung von Kompost (Kompostierung) durch Regenwürmer (Wurmkompost) ergibt als Produkt den sog. Wurmhumus mit hochkonzentrierten Bestandteilen an pflanzenverfügbaren Nährstoffen. Im Freiland sind die positiven Einflüsse von Regenwürmer nicht messbar, da man sie von den anderen Umwelteinflüssen nicht trennen kann. Unter standardisierten Bedingungen im Labor hingegen, sind die fruchtbaren Effekte dieser Bodenbewohner belegt. Erfahrungen haben aber auch gezeigt, dass sich übermäßige künstliche Düngung eher ungünstig auf die Regenwurmfauna auswirkt.

Fressfeinde

Regenwürmer werden in erster Linie durch zahlreiche Vogelarten verfolgt. Meist sind es Stare, Drosseln, Amseln und Krähen, die den Würmern aktiv nachstellen. Weitere natürliche Feinde sind Maulwürfe, Igel, Spitzmäuse, Kröten, Frösche, Feuersalamander, Tausendfüßler und Laufkäfer. Der Maulwurf beißt den Regenwürmern häufig ins Vorderende, um sie am Davonkriechen zu hindern und sich so einen Wintervorrat an halblebendigen Würmern anzulegen. Auch Füchse und Dachse ernähren sich gern von Regenwürmern.

Parasiten

In Regenwürmern leben zahlreiche parasitierende Organismen. Neben verschiedenen Bakterien, Ciliaten und Flagellaten finden sich besonders häufig Gregarinen (Sporozoen) und Fadenwürmer (Nematoden). Befallen werden vor allem die Leibeshöhle sowie die Samenblase. Die meisten Parasiten sind harmloser Natur, einige aber übertragen als Zwischenwirte schwere Krankheiten (z.B. die Lungenwurmkrankheit bei Schweinen und Hühnern durch Metastrongylus-Arten). Hin und wieder werden auch Larven von Bandwürmern (Eucestoda) in Regenwürmern nachgewiesen. Gelegentlich parasitieren auch Fliegenlarven (Gattung Lucilia) in Regenwürmern. Sie halten sich bevorzugt im vorderen Bereich des Regenwurms (3. u. 4. Segment) auf und führen nach einiger Zeit zum Tod ihres Wirts. Anhand dieser Fakten klingt es sicherlich einleuchtend, dass Regenwürmer nicht unbedingt für den menschlichen Verzehr geeignet sind (s. Kap. Wurmzucht, Wurmfarm).

Regenerationsvermögen und Selbstverstümmelung

Regenwürmer besitzen ein beachtliches Regenerationsvermögen, vor allem am Hinterende kann fast vollständig ersetzt werden. Sie sind auch in der Lage, sich selbst zu verstümmeln (Autotomie), wenn sie ein Fressfeind gepackt hat. Dabei schnürt der Wurm am Hinterende eine Reihe von Segmenten ab, um sie dem Räuber zu überlassen, und bringt sich mit dem restlichen Körper durch eine schnelle Fluchtbewegung in Sicherheit.

Das weitverbreitete Gerücht, dass zwei lebende Würmer entstehen, wenn man einen Wurm in der Mitte trennt, stimmt nicht. Gerade in der Körpermitte ist das Regenerationsvermögen am geringsten. Jedes Segment eines Regenwurms hat nur die genetische Anlage, einen After zu bilden. Nach der Durchtrennung entsteht also ein Hinterende mit zwei Aftern, dass dann je nach Anzahl der Segmente über kurz oder lang verhungert. Das Vorderende überlebt, falls die Trennung nach etwa dem 10. Segment stattfindet und damit die Ganglien (Nervenknoten) komplett erhalten bleiben.

Am Vorderende können maximal vier Segmente abgetrennt werden, ohne dass der Wurm damit getötet wird. Diese Segmente werden zwar nicht vollständig regeneriert, das Fehlen beeinflusst allerdings auch nicht das Überleben des Tieres.

Gefährdung und Schutz

vollständige Versiegelung der Bodenoberfläche durch Straßen- und Wegebau

Auch dem Regenwurm und insbesondere seinem Lebensraum dem Boden drohen heute zahlreiche Gefahren, z.B. durch schädliche Bodenveränderungen. Schädliche Stoffeinträge in die Böden können durch sehr unterschiedliche Quellen verursacht werden. Die Schadstoffe stammen zu unterschiedlichen Anteilen unter anderem aus privaten und gewerblichen Anlagen, aus dem Straßenverkehr, aus Heizungs- und Feuerungsanlagen, aus der Verwertung von Klärschlamm und Abfällen sowie aus unsachgemäßer Anwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Alle genannten Faktoren bewirken eine Veränderung bzw. eine Absenkung der natürlichen Bodenfunktionen. Besonders betroffen davon sind nährstoffarme und flachgründige Standorte, die von Natur aus ein geringeres Puffervermögen gegenüber schädlichen Bodenveränderungen besitzen. Ebenso schädigend sind die Verdichtung und die immer mehr zunehmende Versiegelung der Böden. Man hat festgestellt, dass unter völlig versiegelten Flächen wie Fahrbahnen und Parkplätzen keine Bodenlebewesen mehr existieren. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags "Schutz des Menschen und der Umwelt" wagt in ihrem Zwischenbericht ("Konzept Nachhaltigkeit") die Prognose, dass weite Flächen des Bundesgebiet in ca. 80 Jahren zugebaut sein werden, wenn die Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr wie in den letzten 30 Jahren weiter voran schreiten wird.

Es liegt auf der Hand, bei der Planung von neuen Wohn- und Gewerbegebieten auf eine flächensparende Bauweise mit möglichst geringer Flächenversiegelung zu achten. Die vielfache Verwendung von Baumscheiben, Rasensteinen sowie die Anlage von Grünflächen und Heckenzügen ermöglichen es, dass Regenwürmer und andere Bodenlebewesen selbst in dichtbesiedelten Ballungszentren existieren können.

Wurmzucht, Wurmfarm

Die meisten Regenwurmarten können relativ einfach in Gefangenschaft gehalten und entsprechend gut vermehrt werden. Auf diese Weise werden Regenwürmer inzwischen in sog. Wurmfarmen vielerorts in großem Stil gezüchtet und kommerziell genutzt. Vielfache Verwendung finden die Würmer als Futtertiere im Zoofachhandel oder als Köder für den Angler. Seit einiger Zeit werden Wurmkulturen auch für die Bodenverbesserung und für die Kompostwirtschaft eingesetzt. Am besten eignen sich für die Wurmkultur Arten, die bereits von Natur aus eine hohe Vermehrungsrate aufweisen (z.B. Eisenia foetida). Neuerdings werden in geheizten Anlagen auch tropische Regenwurmarten kultiviert (z.B. Eudrilus eugeniae aus Westafrika). Solche Arten sollten allerdings nur in geschlossenen Bereichen (Gewächshäuser, Laboreinheiten) verwendet werden. Eine Ausbringung ins Freiland sollte aufgrund der Neozoenproblematik nicht stattfinden.

Auch für den Hobbygärtner und den Halter von Terrarientieren (z.B. Schildkröten, Frosch- und Schwanzlurche) kann sich die Zucht von Regenwürmern in sog. Wurmkisten lohnen. Diese speziellen Behältnisse eignen sich u.a. auch für die Aufstellung auf Balkonen und Terrassen. Gelegentlich tauchen in der Presse immer wieder Berichte auf, dass Regenwürmer kommerziell für den menschlichen Verzehr gezüchtet und angeboten werden (z.B. als Fleischklößchen oder frisch frittiert). Aufgrund der generell starken Parasitierung der Würmer ist aber Vorsicht geboten (s. Kap. Parasiten).

Thielemann´sches Oktett

Die Thielemann´sche Oktettmethode ist eine in der Wissenschaft inzwischen anerkannte Anwendung, zum Fang von Regenwürmern mittels elektrischem Strom. Das Verfahren des sehr früh verstorbenen Biologen Dr. Ullrich Thielemann wird häufig im Rahmen von Untersuchungen zur standardisierten Bestandserfassung der Regenwurmfauna spezieller Standorte angewandt. Auch im Zuge des Biomonitorings ist es eine weit verbreitete Nachweismethode. Hierbei stößt man 8 Elektroden mit einen Abstand von ca. 5 m zueinander kreisförmig in den Oberboden. Je nach Leitfähigkeit des anstehenden Bodens werden "zerhackte" Gleichstomimpulse von 50 bis 250 Volt an die Elektroden für die Dauer von etwa 20 Minuten angelegt. Binnen weniger Minuten werden die im elektrischen Feld angesiedelten Regenwürmer aus dem Boden getrieben, wobei die größeren Exemplare meistens als Erste an die Oberfläche kriechen.

Systematik in Deutschland vorkommender Arten

In Deutschland finden sich derzeit 39 Arten aus 6 Gattungen:

Gattung Allolobophora - (14 Arten):

A. antipae A. caliginosa (Feldwurm, Wiesenwurm) A. chlorotica
A. cupulifera A. diomedea A. handlirschi
A. icterica A. jenensis A. limicola
A. longa A. minuscula A. oculata
A. rosea A. smaragdina

Gattung Dendrobaena - (9 Arten):

D. attemsi -(rötlich, bis 5 cm) D. austriaca D. illyrica
D. octaedra D. platyura (grau, bis 17 cm) D. pygmaea
D. rubida (blassrot, bis 6 cm) D. subrubicunda D. tenuis

Gattung Eisenia (4 Arten):

E. eiseni E. foetida andrei (Kompostwurm, bis 13 cm), E. foetida foetida (Mistwurm)
E. veneta

Gattung Eiseniella (1 Art):

E.tetraedra

Gattung Lumbricus (8 Arten):

L. badensis (Badischer Regenwurm, bis 3m!) L. castaneus L. festivus
L. friendi L. polyphemus L. pusillus
L. rubellus (Rotwurm, leuchtend rot bis 12 cm) L. terrestris (Tauwurm)

Gattung Octolasium (3 Arten):

0. croaticum, 0. cyaneum, 0. lacteum

Europäische Namen

England: Earthworm Frankreich: Ver de Terre Italien: Lombricidi Niederlande: Regenworm
Belgien: Terrik Spanien: Lombriz de Tierra Dänemark: Regnorm Schweden: Daggmask
Norwegen: Meitemark Estland: Vinmauss Finnland: Liero Polen: Dżdżownica
Ungarn: Giliszt Russland: Cheru

Literatur (Auswahl)

  • Peters, W. & V. Walldorf: Der Regenwurm. Heidelberg 1986.
  • Buch, W.: Der Regenwurm im Garten. Stuttgart: Ulmer, 1986.TB ISBN 3800162768
  • J.E. Satchell: Earthworm Ecology, London 1983.
  • Gruner, B. & E. Zebe (1978): Studies on the anaerobic metabolism of earthworms. Comp. Biochem. Physiol 60 B, 441-445.
  • Osche, G. (1982): Der "Riesenregenwurm" (Lumbricus badensis) des Südschwarzwaldes. In: Der Feldberg im Schwarzwald. Natur- und Landschaftsschutzgebiete Bad.-Württ. 12: S. 394-396, Karlsruhe.
  • Charles Darwin (1882): Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer mit Beobachtung über deren Lebensweise.- Berlin u. Schlechtenwegen - [Nachdruck 1983 der Auflage von 1882].
  • Thielemann, U. (1986): Elektrischer Regenwurmfang mit der Oktett-Methode. Pedobiologia 29 (4), 296-302.
  • Breidenbach, J.: Normalanatomie und -histologie des Lumbriciden Lumbricus terrestris L. Dissertation Online (2002): http://miami.uni-muenster.de/servlets/DocumentServlet?id=117

Weblinks