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Motorcortex

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Funktionelle Organisation der Großhirnrinde
Aufsicht auf die linke Hemisphäre von der Seite
Primär-motorisches Areal
Prä/Supplementär-motorische Areale
Primär-sensible Areale
Sensible Assoziationsareale
Hörfelder
Sehfelder

Der Motorcortex (lat. motor „Beweger“, cortex „Rinde“), auch motorische bzw. somatomotorische Rinde, ist ein histologisch abgrenzbarer Bereich der Großhirnrinde (Neocortex) und das funktionelle System, von dem aus willkürliche Bewegungen gesteuert und aus einfachen Bewegungsmustern komplexe Abfolgen zusammengestellt werden. Er liegt in den hinteren (posterioren) Zonen des Frontallappens.

Reflexhafte Bewegungen (Muskeleigenreflexe und Fremdreflexe) entstehen hingegen auf niederem Niveau (im Rückenmark oder im Hirnstamm) und sind daher auch nicht willentlich beeinflussbar. Andere Systeme wirken an Bewegungsleistungen mit: Für die Steuerung des Muskeltonus sind die Basalganglien wichtig. Zur räumlichen Bemessung, Abschätzung der nötigen Kraft und Schnelligkeit und Glättung der Bewegungen ist die Mitarbeit des Kleinhirns notwendig. Diese sind wie die Olive und der Nucleus ruber Elemente des extrapyramidalmotorischen Systems.

Definition und anatomische Eingrenzung

Früher wurde die Gesamtheit des erregbaren Cortex als motorischer Cortex angesehen. Darunter verstand man die Summe der Großhirngebiete, bei deren äußerer elektrischer Stimulation sichtbare Bewegungen hervorgerufen werden können. Da dies bei ausreichend hohen Reizspannungen auch an praktisch allen assoziativen und einigen sensiblen Arealen möglich ist, tendiert man heute dazu, unter Motorcortex nur die vor der Zentralfurche (Sulcus centralis) gelegenen Areale, die einen typischen cytoarchitektonischen Aufbau besitzen, zu fassen.

Dazu gehören der Gyrus praecentralis und die hinteren (posterioren) Anteile der Gyri frontalis superior, frontalis medialis und frontalis inferior sowie der vordere (anteriore) Abschnitt des Gyrus paracentralis.

Histologie

Schichtaufbau der Hirnrinde
links: Golgi-Imprägnation (Zellen)
rechts: Weigertfärbung (Fasern)

Histologisch gehört der Motorcortex zum sogenannten Isocortex. Das bedeutet, dass er einen definierten sechsschichtigen Aufbau hat, den er mit allen phylogenetisch jungen Arealen der Großhirnrinde teilt. Körnerzellen fehlen im Gegensatz zu präfrontalen Regionen fast völlig. Man spricht deshalb auch von agranulärem Cortex. Aufgrund der nur hier vorkommenden Riesenneurone wird die primär-motorische Rinde auch als Area gigantocellularis bezeichnet.

Die Schichten heißen im einzelnen:

  • Lamina moleculare (Molekularschicht)
  • Lamina granulare externa (äußere Körnerzellschicht)
  • Lamina pyramidale externa (äußere Pyramidenzellschicht)
  • Lamina granulare interna
    (innere Körnerzellschicht)
Diese Schicht ist anders als in sensiblen und sensorischen Arealen sehr schmal und enthält sehr wenige Körnerzellen.
  • Lamina pyramidale interna oder Lamina ganglionare (innere Pyramidenzellschicht)
Hier liegen die Pyramidenzellen, die die Bewegungsanweisungen schließlich durch ihre Zellfortsätze (Axone) an periphere Motoneurone weiterleiten. Darunter sind in der primär-motorischen Rinde auch die sogenannten Betz-Riesenzellen, die zu den größten Zellen im menschlichen Organismus gehören. Sie sind allerdings deutlich in der Unterzahl.
  • Lamina multiforme (vielformige Schicht)

Funktionelle und histologische Einteilung

Funktionell wird die primär-motorische Rinde (in angelsächsischer Literatur: M1) von der supplementär-motorischen Rinde (supplementary motor area, SMA) und der prämotorischen Rinde (pre-motor area, PMA) unterschieden. Letztere dienen nach heutigem Verständnis der Erstellung bestimmter Abfolgen aus einem erlernten Fundus von Bewegungen und der Vorbereitung willkürlicher (sowohl bewusster als auch unbewusster) Bewegungen. Die in der primär-motorischen Rinde liegenden Motoneurone sind der hauptsächliche gemeinsame Ausgang des Motorcortex, da vor allem ihre Axone das Rückenmark und die motorischen Hirnnervenkerne erreichen. Nach dortiger Umschaltung auf das periphere Motoneuron (Vorderhornzelle) gelangen die Befehle schließlich zur Willkür-Muskulatur.

Nach dem histologischen Hirnatlas von Korbinian Brodmann entspricht das Areal 4 der primär-motorischen Rinde; die supplementär-motorische Rinde und die prämotorische Rinde werden vom Areal 6 gebildet. Moderne Unterteilungen, die sich mehr an der Funktion orientieren, unterscheiden insgesamt sieben bis neun Felder.

Primär-motorische Rinde (M1)

Die primär-motorische Rinde liegt zum überwiegenden Teil auf der Rindenwölbung vor der Zentralfurche, der Fachterminus für diese Struktur lautet Gyrus praecentralis. Bemerkenswert ist die sogenannte Somatotopie, das heißt, dass benachbarte Regionen des Körpers auch in ihren Repräsentationen auf der primär-motorischen Rinde nebeneinander liegen. Der Körper ist somit verkleinert und kopfstehend als „Homunculus“ auf der Hirnrinde abgebildet. Allerdings sind die Proportionen des Homunculus verzerrt, da bestimmte Körperbereiche eine sehr fein abgestimmte Motorik besitzen, dies gilt beim Menschen vor allem für die Hand und die Sprechmuskulatur. Andere Regionen können hingegen nur vergleichsweise grob bewegt werden (Rücken) oder haben einen höheren Anteil automatischer Regulation (Halte- und Stützmuskulatur). Die jeweiligen Rindenareale sind entsprechend größer oder kleiner.

Die absteigenden (efferenten) Bahnen, die die Hirnrinde verlassen, bilden zusammen den Tractus corticonuclearis, der die motorischen Hirnnervenkerne versorgt, und den Tractus corticospinalis, also die Pyramidenbahn.

Prämotorische Rinde (PMA)

Dieses recht ausgedehnte Rindengebiet liegt vor der primär-motorischen Rinde und befindet sich etwas seitlicher (lateral) auf der Konvexität der Hirnoberfläche, während die supplementär-motorische Rinde zur Kopfmitte zu (medial) und überwiegend jenseits der Mantelkante, sozusagen auf den sich gegenüberliegenden Flächen der Hirnhemisphären lokalisiert ist. Die Aufgabe dieses Feldes ist es, Bewegungsentwürfe zu erstellen und mit dem Kleinhirn und den Basalganglien abzustimmen. Dabei fließen auch sensorische Informationen, die beispielsweise das notwendige Ausmaß einer Bewegung definieren, ein.

Einige Nervenzellen im prämotorischen Areal sind sowohl bei der Planung und Ausführung als auch bei der passiven Beobachtung derselben Bewegung bei einem anderen Individuum aktiv (sog. Spiegelneurone).[1][2] Man vermutet ihre Bedeutung in imitativen Lernprozessen (siehe Imitation, Lernen am Modell).

Auch das für die Sprachproduktion wichtige Broca-Areal und das sogenannte frontale Augenfeld sind Teil der PMA.

Supplementär-motorische Rinde (SMA)

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Die Pyramidenbahn besteht aus den Fortsätzen der zentralen Motoneurone

Die supplementär-motorische Rinde spielt eine Rolle beim Erlernen von Handlungsabfolgen[3] und bei der Vorbereitung komplexer Bewegungsmuster.[4] Versuche an Affen zeigten, dass die vorübergehende Blockade der SMA zur Unfähigkeit führt, Bewegungen zu initiieren.[5] Hinweis auf die vorbereitende und bewegungseinleitende Funktion der supplementär-motorischen Rinde ist auch eine gesteigerte elektrophysiologische Aktivität, die sich dort bereits mehr als eine Sekunde vor dem sichtbaren Einsetzen einer Bewegung nachweisen lässt: das sogenannte Bereitschaftspotential[6] (Siehe auch: Libet-Experiment).

Pyramidenbahn

Die Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis) ist die Zusammenfassung aller Nervenzellfortsätze, die aus der primär-motorischen Rinde stammen und Befehle an das Rückenmark oder Hirnnervenkerne weiterleiten. Sie haben einen gemeinsamen und in sich wiederum somatotop gegliederten Verlauf. Rein funktionell betrachtet ist die Pyramidenbahn ein unmittelbarer Bestandteil der motorischen Rinde.

Die meisten absteigenden Axone stammen von kleineren Pyramidenzellen der primär-motorischen Rinde, nur etwa fünf Prozent gehen von den großen Betz-Riesenzellen aus. Einige Efferenzen werden allerdings auch aus der supplementär-motorischen und prämotorischen Rinde und sogar relativ viele aus den somatosensiblen Feldern beigesteuert. Diese scheinen funktionell aber weniger bedeutsam zu sein, da sie keine monosynaptischen Verbindungen mit den motorischen Vorderhornzellen eingehen.

Neuronale Verbindungen

Afferenzen

Die zuführenden Bahnen des Motorcortex stammen vorwiegend aus dem Thalamus, insbesondere aus dessen ventralen Bezirken. Dort werden Informationen aus dem Kleinhirn und den Basalganglien sowie sensible Reize aus dem lemniskalen System zusammengefasst. Die Bahnen aus den Basalganglien (vor allem aus dem Globus pallidus) gelangen vorwiegend in die prä- und supplementär-motorische Rinde.

Über Assoziationsfasern, also Verbindungen innerhalb der Hirnrinde, erhalten die prämotorischen Gebiete umfangreiche sensible und sensorische Informationen aus dem Parietallappen, die supplementär-motorischen Areale hingegen werden vor allem vom präfrontalen Cortex gespeist, der mit höheren kognitiven Leistungen (Bewusstsein, Absicht, Motivation) in Verbindung gebracht wird. Dies wird als Hinweis auf die Rolle der SMA als „Freigeber“ einer geplanten Bewegung interpretiert. Verbindungen aus dem Gyrus cinguli, der dem limbischen System zugerechnet wird, bestehen zu allen Teilen des Motorcortex.

Verbindungen innerhalb des Motorcortex

Innerhalb der motorischen Rinde verlaufen die Bahnen überwiegend von den prä- und supplementär-motorischen Feldern zur primär-motorischen Rinde. Die vorderen Anteile der PMA und SMA scheinen die Funktion der hinteren zu kontrollieren und gegebenenfalls zu hemmen, entsenden aber keine direkten Fasern in die M1.

Efferenzen

Die großen Pyramidenzellen der primär-motorischen Rinde entsenden ihre Axone praktisch ausschließlich in die Pyramidenbahn, wo sie etwa 5 % der Fasern ausmachen. Zudem strahlen dort die Axone der kleinen praecentralen Pyramidenzellen (25-45 %) und Fasern aus der prämotorischen und supplementär-motorischen Rinde (5-10 %) sowie aus dem somatosensiblen Cortex (20-50 %) ein.[7][8] Kollateralen der motoneuronalen Axone erreichen den Nucleus ruber und die Reticularis-Kerne des verlängerten Marks. Ein großer Teil der Bahnen endet zudem an den Kerngebieten der Pons und am Nucleus olivaris, von wo sie in das Kleinhirn weitergeleitet werden, oder verlässt bereits in der Capsula interna die Pyramidenbahn, um den Thalamus und das Corpus striatum anzusteuern. Der Anteil der Nervenzellfortsätze, die die Pyramidenbahn bis in das Rückenmark begleiten, liegt bei 15 %.

Pathologie

Folgen einer Läsion des Motorcortex

Eine Schädigung des ersten Motoneurons in der primär-motorischen Rinde führt unabhängig von der Schädigungsursache zu charakteristischen Bewegungsstörungen in den Muskelgruppen, die von dem betroffenen Rindenbezirk kontrolliert werden. Da die meisten absteigenden Bahnen (siehe Pyramidenbahn) im Hirnstamm auf die Gegenseite kreuzen (decussatio pyramidum), tritt die Lähmung an der gegenüberliegenden Körperseite in Erscheinung (Hemiparese). Praktisch immer ist die Kontrolle der rumpffernen (distalen) Muskulatur ausgeprägter eingeschränkt als die der rumpfnahen (proximalen) Muskulatur. John Hughlings Jackson teilte die Bewegungsstörungen in Plus- und Minussymptome ein. Plussymptome sind:

Zu dem Minussymptomen gehören:

  • Minderung der entwickelten Muskelkraft (Parese)
  • Beeinträchtigung selektiver Bewegungen und Verlust von Präzisionsbewegungen
  • Beeinträchtigung der Fähigkeit zu schnell alternierenden Bewegungen (Dysdiadochokinese)
  • Beeinträchtigung der Fähigkeit, die Kraft rasch zu entwickeln und längere Zeit konstant zu halten (motor impersistence).

Schädigungen der vorgelagerten Rindenareale kommen selten isoliert vor und führen zu komplexen Bewegungsstörungen. Ähnliche Störungen können auch bei Läsionen der parietalen Assoziationsrinde und – zumindest teilweise – bei krankhaften Prozessen der Basalganglien und des Kleinhirns auftreten:

  • allgemeine koordinative Ungeschicklichkeit (Ataxie), die aber auch bei Kleinhirnschädigung oder sensiblem Defizit auftreten kann
  • gestörtes Bewegungsgedächtnis
  • Unfähigkeit, Ausdrucksbewegungen adäquat einzusetzen und zu imitieren (ideomotorische Apraxie)
  • Unfähigkeit, Bewegungen sinnvoll und in der richtigen Reihenfolge zu kombinieren (ideatorische Apraxie)
  • gestörte Einleitung einer Bewegung, auch bei Morbus Parkinson

Wichtige Krankheitsbilder

Die häufigste Ursache einer akuten Hirnschädigung mit motorischer Beeinträchtigung ist der ischämische Hirninfarkt durch Gefäßverschluss im Gebiet der mittleren Hirnarterie (Arteria cerebri media). Wenn die bei den meisten Menschen dominante linke Hemisphäre betroffen ist, kommt es oftmals zusätzlich zu Sprachstörungen (siehe Aphasie). Gleichzeitig vorliegende apraktische und ataktische Symptome werden nicht selten durch die Lähmung maskiert. Seltenere Ursachen für Schädigungen der motorischen Rinde sind Hirnblutungen, Entzündungen, Gehirntumoren und Verletzungen.

Eine seltene Krankheit, die mit der Degeneration der corticalen Motoneurone einhergeht, ist die Spastische Spinalparalyse. Auch bei Sauerstoffmangel während der Geburt kann eine Schädigung der empfindlichen Nervenzellen des Motorcortex auftreten, das daraus resultierende Krankheitsbild heißt Infantile Zerebralparese. Eine neurodegenerative Erkrankung des älteren Menschen, die neben den Vorderhornzellen auch zentrale Motoneurone erfasst, ist die Amyotrophe Lateralsklerose.

Epilepsien sind kurz andauernde, anfallsartige Funktionsstörungen zahlreicher Nervenzellen. Beim generalisierten tonisch-klonischen Anfall (grand mal) wird die motorische Rinde beider Seiten massiv erregt. Folge ist – neben anderen Erscheinungen – das charakteristische „krampfhafte“ Zucken, das den gesamten Körper erfasst. Hingegen breiten sich bei einer anderen Form der Epilepsie, den fokalen Jackson-Anfällen, die Krampfpotentiale langsam über die primär-motorische Rinde nur einer Seite aus und führen somit – entsprechend der Somatotopie – zu einem „Wandern“ der Zuckungen (march of convulsion) über die Muskelgruppen einer Gliedmaße. Das Bewusstsein ist dabei erhalten. Nach Abklingen der Krampfpotentiale ist die motorische Funktion fast immer ungestört (Ausnahme: Todd'sche Parese).

Evolutionäre Aspekte

Im Laufe der Evolution ist eine Tendenz zur Ausbildung einer immer höheren Komplexität der Gehirnstrukturen und zur zunehmenden Verlagerung von Steuerungsprozessen in die Hirnrinde (corticalisation) festzustellen. Der Motorcortex ist eine relativ junge Entwicklung und kommt nur bei Säugetieren vor. Die Ausführung von Bewegungen wird bei Fischen, Amphibien, Reptilien und auch Vögeln von einem als Archistriatum bezeichneten Kerngebiet im Gehirn gesteuert, bei Säugern entspricht dem das Corpus striatum.

Besonders Primaten haben ein ausgeprägtes motorisches Rindengebiet. Zudem besitzen sie – anders auch als alle anderen Säuger – viele monosynaptische, also direkte Verbindungen des Motorcortex zu den Motoneuronen im Hirnstamm und Rückenmark. Daraus lässt sich ableiten, dass die bewusste, geplante und fein abgestufte Bewegung einzelner Muskeln nur ihnen möglich ist, während bei den meisten Tieren Bewegungsprogramme wahrscheinlich „automatischer“ und ohne große Eingriffsmöglichkeiten ablaufen. Huftiere besitzen im Vergleich dazu eine schwach entwickelte Pyramidenbahn, die bereits in der Halsschwellung des Rückenmarks (Intumescencia cervicalis) endet und vor allem für die Mimik eine Rolle spielt. Bei Hunden erreichen zwar noch etwa 30 % der pyramidalen Fasern die Lendenschwellung des Rückenmarks (Intumescencia lumbalis), allerdings enden die Fasern immer an Interneuronen, nie direkt an der Vorderhornzelle. Eine komplette Schädigung des Motorcortex einer Seite führt daher bei fast allen Nicht-Primaten nie zu Paralysen, sondern zu kontralateralen Störungen der Haltungs- und Stellreaktionen.

Beim Menschen hat sich in seiner evolutionären Entwicklung insbesondere die Steuerung der Hand und der Sprechmuskulatur immer weiter verfeinert. Er besitzt zudem ein im Tierreich einmalig hohes Potential, lebenslang neue Bewegungsabläufe zu erlernen.

Geschichte

Im Prinzip war schon seit 1870 bekannt, dass die Reizung bestimmter Rindenfelder zu definierten motorischen Entäußerungen führt: Gustav Theodor Fritsch und Eduard Hitzig hatten damals aufschlussreiche Experimente am Hund durchgeführt,[9] deren Ergebnisse von David Ferrier durch Versuche am Affen bestätigt und konkretisiert werden konnten.[10] John Hughlings Jackson hingegen leitete allein aus der genauen Beobachtung fokaler Anfälle (vor allem der oben geschilderten und nach ihm benannten Jackson-Anfälle) im Wesentlichen zutreffende Theorien über die Organisation der motorischen Systeme ab. Die Entdeckung der Bedeutung und der somatotopen Gliederung der primär-motorischen Rinde beim Menschen geht auf den kanadischen Neurochirurgen Wilder Penfield zurück. Durch schwache elektrische Reizung der Hirnrinde von wachen Patienten bei offener Schädelkalotte (das Gehirn selbst ist nicht schmerzempfindlich) konnte er die Lage einiger Funktionen klären. 1949 entdeckte er so, dass sich durch Stimulation des Gyrus praecentralis Zuckungen in konkreten Muskelgruppen auslösen lassen.[11]

Bedeutung

Die außerordentliche Bedeutung der motorischen Areale – auch hinsichtlich philosophischer Erwägungen – liegt darin, dass sie gewissermaßen die Schnittstelle zwischen Bewusstsein und Materie darstellen. Nur über diese Verbindung ist der Mensch in der Lage, absichtsvoll und gerichtet seine Umwelt zu beeinflussen, sich fortzubewegen und Kontakt zu anderen Individuen aufzunehmen. Eindrucksvoll offenbart sich die Wichtigkeit des Motorcortex dann, wenn bei vollständigem Verlust seiner Funktion – in der Regel durch Läsion der absteigenden (efferenten) Bahnen – jede willkürliche Kontrolle über den Körper verloren geht. Patienten mit dem so genannten Locked-in-Syndrom sind bei vollem Bewusstsein und nehmen ihre Umwelt wahr, können aber nicht mehr reagieren und sind somit praktisch völlig in sich selbst eingeschlossen (locked in). Lediglich über vertikale Augenbewegungen ist noch eine Verständigung möglich.

Siehe auch

Quellen

  1. G. Rizolatti et al.: Premotor cortex and the recognition of motor actions. Brain Res Cogn Brain Res. 1996 Mar; 3(2):131-41
  2. R. Hari et al.: Activation of human primary motor cortex during action observation: a neuromagnetic study. Proc Natl Acad Sci U S A. 1998 Dec 8; 95(25):15061-5
  3. U. Halsband, R. K. Lange: Motor learning in man: A review of functional and clinical studies. J Physiol Paris. 2006 Jun; 99(4-6):414-24
  4. R. Q. Cui, L. Deecke: High resolution DC-EEG analysis of the Bereitschaftspotential and post movement onset potentials accompanying uni- or bilateral voluntary finger movements. Brain Topogr. 1999 Spring; 11(3):233-49
  5. I. Kermadi et al.: Effects of reversible inactivation of the supplementary motor area (SMA) on unimanual grasp and bimanual pull and grasp performance in monkeys. Somatosens Mot Res. 1997; 14(4):268-80
  6. Hans Helmut Kornhuber, Lüder Deecke: Hirnpotentialänderungen bei Willkürbewegungen und passiven Bewegungen des Menschen: Bereitschaftspotential und reafferente Potentiale. Pfuegers Arch. 281: 1-17 (1965)
  7. M. Wiesendanger: Organization of secondary motor areas of the cerebral cortex. in J. M. Brookhart, V. B. Mountcastle: Handbook of Physiology. American Physiol. Society, Bethesda/Ma. (1981)
  8. K. Toyoshima, H. Sakai: Exact cortical extent of the origin of the corticospinal tract (CST) and the quantitative contribution to the CST in different cytoarchitectonic areas. A study with horseradish peroxidase in the monkey. J Hirnforsch. 1982; 23(3):257-69
  9. Gustav Theodor Fritsch, Eduard Hitzig: Über die elektrische Erregbarkeit des Grosshirns in: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin: 300-332 (1870)
  10. David Ferrier: The functions of the brain. London (1876)
  11. Wilder Penfield, Theodore Rasmussen: The Cerebral Cortex of Man. A Clinical Study of Localization of Function. New York, The Macmillan Comp. (1950)

Literatur

  • Otto Detlev Creutzfeldt: Cortex cerebri. Springer (1983). ISBN 3540121935
  • Walle Nauta, Michael Feirtag: Neuroanatomie. Eine Einführung. Spektrum (1991).
  • Alexa Riehle, Eilon Vaadia: Motor Cortex in Voluntary Movements (Methods and New Frontiers in Neuroscience). CRC Press Inc. (2004). ISBN 0849312876

Weblinks