Benutzer:Julius1990/An-My Le

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An-My Le (* 1960 in Saigon) ist eine vietnamesisch-amerikanische Fotografin seit 1998 Professorin am Bard College. Le ist bekannt für ihre dokumentarischen Projekte, in denen sie sich unter anderem War Games, der weltweiten Präsenz des Militärs der Vereinigten Staaten von Amerika und der vietnamesischen Einwanderung in den Süden Louisianas gewidmet hat. Dabei lotet sie das Verhältnis zwischen Fotojournalismus und Fiktion aus.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kindheit und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An-My Le wurde 1960 in Saigon, der Hauptstadt Südvietnams, geboren. Nach Beginn der Tet-Offensive Anfang 1968 verließ ihre Mutter mit ihr und zwei Brüdern Vietnam und ging nach Paris, da sie ein Stipendium der Sorbonne erhalten hatte. Sie kehrten nach dem Abzug der amerikanischen Truppen Anfang 1973 nach Südvietnam zurück. Trotz des Aufenthalts in Frankreich machte Le als Kind die Erfahrung der nächtlichen Bombardements und der sozialen Konflikte unter dem Eindruck des Vietnamkriegs. In ihrer frankophilen Familie gab es die Spaltung zwischen ihrem buddhistischen Vater und ihrer katholischen Mutter. Während der Vater mit den drei Kindern bereits Anfang 1975 von den Amerikanern evakuiert wurde, folgte die Mutter erst Monate später. Sie gehörte zu den letzten Südvietnamesen, die Ende April 1975 mit Helikoptern vom Dach der US-Botschaft in Saigon ausgeflogen wurden. Die Familie ließ sich in der Folge in Südkalifornien nieder.[1]

Le studierte Biologie an der Stanford University, wo sie 1981 einen Bachelor of Science und 1985 einen Master of Science erwarb.[2] Sie plante ihre Studien an einer medizinischen Fakultät fortzusetzen, entschied sich jedoch nach dem Besuch eines Fotografie-Kurses für eine künstlerische Laufbahn. 1986 wurde sie von einer Pariser Gilde von Baumeistern von Kirchen und Palästen, die sich zu dieser Zeit deren Erhalt und Dokumentation widmete, als Fotografin angestellt. In dieser Rolle reiste sie vier Jahre lang durch Frankreich, wobei sie sich selbst im Umgang mit der Kamera schulte. 1990 kehrte Le in die Vereinigten Staaten zurück, wo sich an der Yale University School of Art einschrieb. Dort lernte sie den Kommilitonen John Pilsen kennen, den sie heiratete und mit dem sie zwei Kinder hat.[1] 1993 erhielt sie von Yale einen Master of Fine Arts.[2]

Freies künstlerisches Schaffen: Vietnam und Small Wars[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehung der Vereinigten Staaten mit Vietnam 1994, kehrte Le in ihr Geburtsland zurück. Dabei hatte sie zum Ziel, ihre Kindheitserinnerungen und die von der Populärkultur, insbesondere dem amerikanischen Film, vermittelten Vietnambildern mit der Realität vor Ort abzugleichen. Sie bereiste dabei sowohl Städte als auch ländliche Gegenden. Ihre in Vietnam geschaffenen Aufnahmen zeichnen sich durch zarte Farbigkeit, große Detailiertheit und emotionale Zurückhaltung aus. Sie nutzte eine Balgenkamera, die sie von von Journalisten absetzte und als Künstlerin erkennbar machte, was ihr eine zusätzliche Autorität verliehen habe. Der Fotograf Mitch Epstein interpretierte Les Arbeit mit diesem Typ Kamera selbst als einen performativen Akt.[1]

Small Wars (Ambush 1)
Silbergelantine
66 x 95,3 cm
Indianapolis Museum of Art
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(Bitte Urheberrechte beachten)

In den Jahren 1999 bis 2002 schuf Le die Serie Small Wars, für die sie Re-enactments des Vietnamkrieges in North Carolina und Virginia beiwohnte. Um Zugang zu diesen Veranstaltungen zu erhalten, beteiligte sie sich an verschiedenen Wochenenden über drei Sommer als feindliche Kämpferin an den Nachstellungen von Kampfhandlungen. Da die Darsteller, die meist nicht im Militär gedient und noch seltener an Kampfhandlungen teilgenommen hatten, Le für die durch sie eingebrachte Authentizität schätzten, erhielt sie Zugang zu einer Welt männlicher Fantasie. Ihre Fotografien zeigen stillere Momente der Veranstaltungen wie Männer, die sich Schweiß von der Stirn wischen, sich tief im Wald befinden oder eine Explosion auslösen und dabei ihre persönlichen Lasten - wie auch die Künstlerin selbst - verarbeiten. Mit Small Wars bewegt sich Le zwischen performen, dokumentieren und regie führen sowie an der Grenze von ziviler und militärischer Welt. Damit weist ihre Arbeit unter anderem Bezüge zu Jeremy Dellers Neuinszenierung des Bergarbeitersstreiks in Yorkshire von 1980, die er 2001 durchführte, und Dread Scott, der 2019 einen historischen Sklavenaufstand in Louisiana nachstellen ließ, auf. Mit dieser Grenzwandelung befindet sich Le zudem in der Gesellschaft von Künstlern wie Harun Farocki, Omar Fast und Jeff Wall.[1]

2000er-Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Serie 29 Palms setzte Le 2003 ihre Untersuchung dieses Grenzbereichs fort. Eigentlich wollte sie als eingebettete Kriegsberichterstatterin die amerikanischen Truppen im Irakkrieg begleiten, meldete sich jedoch zu spät. Stattdessen besuchte sie das im kalifornischen Twentynine Palms gelegene Trainingsgelände des United States Marine Corps, wo die Bedingungen des Afghanistankriegs simuliert wurden. In den Bildern der Serie verbinden sich laut Le der Schrecken des Krieges mit dem Erhabenen, so beispielsweise im Spiel von Licht und Schatten von Zäunen und Stacheldraht oder nächtlichen Detonationen von Munition, die an Feuerwerk erinnerte.[1]

Das Thema des US-Militärs verfolgte Le auch in der folgenden Serie von Fotografien, die den Titel Events Ashore trägt und die sie erstmals in Farbe umsetzte. Die Künstlerin besuchte verschiedene Schiffe der United States Navy vom Flugzeugträger bis zum Atom-U-Boot an verschiedenen Standorten weltweit, wo sie sich nicht im Kapfeinsatz befanden. Diese Arbeiten wurden von der Kunsthistorikerin Nancy Princenthal in der New York Times in Beziehung zu den Werken kanonischer Militärmaler sowie Kriegsfotografen wie Mathew Brady, Robert Capa und Tyler Hicks gesetzt. Auch Le selbst stellte für diese Arbeiten kunsthistorische Bezüge her. Das Foto von Matrosen beim Appell an Bord eines Schiffes in einem indonesischen Hafen mit Dutzenden von Schiffen im Hintergrund, das sich durch ein milchiges Licht auszeichnet, bezeichnete sie selbst ironisch als ihren Canaletto.[1]

Fragment IV. General Robert E. Lee and General P.G.T. Beauregard Monuments, Homeland Security Storage, New Orleans, Louisiana, 2017
Inkjet Print
141,6 x 99,7 cm
Amon Carter Museum of American Art in Forth Worth, TX
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Fragment II. Cattle Drive at Perdiz Creek Ranch (Ranchers at Reservoir), Marfa, Texas, 2019.
Inkjet Print
143,5 x 101,6 cm)
Marian Goodman Gallery
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In der Serie Silent General verhandelte Le die politische Situation in den Vereinigten Staaten Ende der 2010er-Jahre. Den Titel entlehnte sie einem späten Essay von Walt Whitman, in dem sich dieser mit Ulysses S. Grant, dem Oberbefehlshaber der siegreichen Nordstaaten im Secessionskrieg und späteren Präsidenten vor dem Hintergrund einer politisch weiterhin gespaltenen Nation beschäftigt hatte. Die Nachwirkungen des Bürgerkriegs tauchen in der Serie auch direkt auf. So zeigt etwa eine der Fotografien zwei Denkmäler zu Ehren der beiden Südstaaten-generäle Robert Edward Lee und Pierre Gustave Toutant Beauregard, die nachdem sie in New Orleans abgebaut worden war in einer von Arbeitern des Department for Homeland Security errichteten provisorischen Lagerhalle aus Holz abgestellt worden waren. Dieses Bild wurde von Nancy Princenthal in der New York Times als unaufgeregte Feststellung der Ablehnung dieser Plastiken gedeutet, die „unglücklich und massig“, von einigen Sonnenstrahlen berührt gezeigt würden.[1] Le widmete sich dieser Serie, als sie sich „sicher genug als Amerikanerin fühlte“, und greift in ihr typisch amerikanische Ikonografie auf. So zeigt eines der Bilder mehrere Reiter mit weißen Cowboy-Hüten vor der untergehenden Sonne. Dieses Motiv nimmt auf den Marlboro Man Bezug, jedoch handelt es sich bei den Reitern um Mexikaner.[1] Der politische Gehalt der Serie Silent General wurde von Eric Crosby, dem Direktor des Carnegie Museum of Art, anlässlich der dortigen Einzelausstellung der Künstlerin 2020 begrüßt. So gab er zu Protokoll: „Museen müssen Politik aufnehmen, da die Besucher ihre politische Einstellung über die Schwelle des Museums tragen.“[3]

Einzelausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Small Wars, Aperture, New York City 2005.
  • Events Ashore, Aperture, New York City 2014.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Claire Raymond, Photography and Resistance Anticolonialist Photography in the Americas, Springer Nature Switzerland, Cham 2022, ISBN 978-3-0309-6158-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h Nancy Princenthal, Troubled Turf: The Photographs of An-My Le, in: The New York Times, 3. April 2020, abgerufen am 10. August 2023.
  2. a b Curriculum Vitae auf anmyle.com, abgerufen am 10. August 2023.
  3. Original: „Museums have to embrace politics because people bring their politics across the threshold.“, zitiert nach: Nancy Princenthal, Troubled Turf: The Photographs of An-My Le, in: The New York Times, 3. April 2020, abgerufen am 10. August 2023.