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Watersnoodwedstrijd

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Unter dem Namen Watersnoodwedstrijd (niederländisch – „Flutopferspiel“; wörtlich: watersnood = „Überschwemmungskatastrophe“, wedstrijd = „Wettkampf“) wurde ein Benefiz-Fußballspiel bekannt, dessen Erlös für die Opfer und Hinterbliebenen der Flutkatastrophe vom 1. Februar 1953 in den Niederlanden bestimmt war. Der Wettstreit wurde am 12. März 1953 in Paris ausgetragen. Die Partie gilt heute als ausschlaggebender Schritt hin zur Einführung des Profifußballs in den Niederlanden.[1]

Offizielles Benefiz-Länderspiel

Schon am 7. März 1953 hatte der Koninklijke Nederlandse Voetbal Bond, der niederländische Fußballverband KNVB, ein offizielles Spiel zugunsten der Stichting Nationaal Rampenfonds („Stiftung Nationaler Katastrophenfonds“) durchgeführt.[2] Hierbei traf die vom KNVB organisierte und noch immer nur mit Amateuren bestückte Nationalmannschaft im 198. Länderspiel der niederländischen Geschichte auf Dänemark. Im Rotterdamer Feijenoord-Stadion verloren die Gastgeber vor 63.000 Zuschauern mit 1:2; Holger Seebach erzielte die zwei Tore für die Dänen, ehe Abe Lenstra den Anschlusstreffer markierte. 200.000 Gulden kamen für den Fonds zusammen.[3]

Benefizspiel in Paris

Die Mannschaftsaufstellungen[4]
Ersatzspieler: v. Lent (Lens), Röhrig (Roubaix-T.) für NL; für F unbekannt

Fünf Tage nach dem offiziellen Spiel traf eine Auswahl von niederländischen Auslandsprofis auf die französische Nationalmannschaft[5] um Raymond Kopa mit Roger Marche als Mannschaftskapitän.[6] Die Initiative zu diesem Match hatte Theo Timmermans ergriffen, der in Nîmes spielte und zunächst versucht hatte, in Südfrankreich ein Benefizspiel zu organisieren. Doch es wurde noch mehr daraus, nachdem ihm Bram Appel von Stade Reims bei der Organisation beigesprungen war: Der französische Fußballbund sagte ein Spiel in Paris zu.

Aus ganz Frankreich und – mit Torhüter Frans de Munck vom 1. FC Köln – aus Deutschland reisten Profis an, um für die niederländische Auswahl anzutreten. Lediglich Faas Wilkes wurde von seinem italienischen Verein Juventus Turin nicht freigestellt. Als Trainer des zusammengewürfelten Teams, dessen Mitglieder nie zuvor in einer Mannschaft gespielt hatten, sprang der damalige Übungsleiter von Stade Français, Edmond Delfour, ein. Der KNVB hatte durchgesetzt, dass die Nationalhymne Het Wilhelmus nicht gespielt wurde und dass die Spieler nicht in Oranje-Hemden auflaufen durften; sie traten im Prinzenpark stattdessen in roten Shirts, weißen Hosen und blauen Strümpfen an, den Farben der niederländischen Flagge.[7] Statt des Wilhelmus erklang die ehemalige Nationalhymne Wien Neerlands Bloed.[8] Auf der Anzeigetafel wurden die Teams als Pr. Holl. und France,[9] auf dem offiziellen Mannschaftsfoto der Niederländer als France und "Pros" Hollandais bezeichnet.[10]

Spielankündigung aus L'Équipe vom 12. März 1953

„Die Atmosphäre war einzigartig; mir liefen Schauer über den Rücken,“ erinnerte sich Cor van der Hart später.[11] Vor 5.000 bis 10.000 angereisten Oranje-Fans und mehr als 30.000 französischen Anhängern spielten die niederländischen Profis herzhaft auf; van Geen wurde ein Tor wegen Abseitsposition vom Luxemburger Schiedsrichter Elschen aberkannt, ehe die Bleus in der 34. Minute durch Saunier in Führung gingen.[12] Doch dank eines durch Kees Rijvers vorbereiteten Tors des herausragenden[3] Bertus de Harder und eines weiteren Treffers in der 81. Minute durch Bram Appel auf Vorlage Timmermans’ drehten die Niederländer das Spiel in der zweiten Halbzeit und gewannen mit 2:1.

Fast war es zur Nebensache geworden, dass noch einmal 110.000 Gulden[3] für die Flutopfer zusammengekommen waren; die Reaktionen der niederländischen Zeitungen waren einhellig: Wie lange würde der niederländischen Öffentlichkeit dieses wunderbare Spiel ihrer Profis noch vorenthalten?[7] Auf der Pressetribüne saß auch Abe Lenstra, der fünf Tage zuvor für den KNVB gespielt hatte. Auf Einladung der Zeitschrift Sport en Sportwereld sollte er einen Artikel über das Spiel schreiben. Sein Bericht schwärmte von den niederländischen Profis, die sich nicht nur seiner Meinung nach seit ihrem Weggang aus den Niederlanden technisch, taktisch und konditionell enorm verbessert hätten.[13] Cor van der Hart äußerte gegenüber der französischen Zeitung L’Équipe unmittelbar nach dem Spiel:[14]

„Wir haben die französische Nationalmannschaft besiegt; das ist fantastisch. Aber wir haben auch bewiesen, wozu wir als Berufsfußballer in der Lage sind. Wird unser Amateurverband die Bedeutung dieses großartigen Erfolges begreifen?“

Am 31. März 2004 wurde an dieses „Spiel des Jahrhunderts“[3] mit einem Freundschaftsspiel zwischen den Niederlanden und Frankreich erinnert, das diesmal in Rotterdam torlos endete. Von den 15 in diesem Match eingesetzten niederländischen Spielern verdienten zehn ihr Geld zu diesem Zeitpunkt im Ausland.[15]

Bedeutung für den niederländischen Fußball

Der KNVB, der auch den Ligenbetrieb in den Niederlanden verantwortete, hielt Anfang 1953 im Sinne seines im Januar des Jahres zurückgetretenen Vorsitzenden Karel Lotsy weiter an einem reinen Amateur-Fußball fest, auch wenn bereits seit Jahren kleinere Abgeltungen in Naturalien oder durch Zahlungen „unter der Hand“ an der Tagesordnung waren.[7] Während überall in Europa Profiligen entstanden, verharrte Lotsy im „edlen und wahren Geiste“ des Amateursports.[16] Spieler, die im Ausland einen Profivertrag unterschrieben, galten als „dreckige Profis“, „Geldwölfe“ oder „Vaterlandsverräter“.[17] Sie wurden für jegliche Spiele des KNVB gesperrt und so natürlich auch aus der Nationalmannschaft verbannt – eine Praxis, die auch in der einheimischen Presse durchaus kritisch gesehen wurde:

„Wenn die Pariser Oper einem musikalisch begabten jungen Holländer einen Vertrag als Violinist anbietet, betrachten wir das als eine Ehre. Bei Fußballspielern sieht das ganz anders aus … Die holländischen Profis in Frankreich werden als minderwertige Wesen angesehen, weil sie ihr Brot mit Fußball verdienen …, obwohl sie doch durch die Ausübung ihrer Fähigkeiten wahrhaftig Talent nachweisen.“

Sportief, 8. Januar 1953[18]

Während vor dem Krieg nur Gerrit Keizer und Beb Bakhuys außerhalb der Niederlande tätig wurden, folgten direkt nach dem Krieg Gerrit Vreeken (1946) und Faas Wilkes (1949). Waren bei diesen Pionieren noch verschiedene Gründe verantwortlich – Bakhuys beispielsweise wurde das Spielen in den Niederlanden verboten, weil sein Verein ihm einen Tabakwarenladen eingerichtet hatte;[19] Vreeken flüchtete, weil man ihm, wohl zu Unrecht, vorwarf, Mitglied der NSB gewesen zu sein[20] –, waren Anfang der 1950er dann einige mehr dem Lockruf des bezahlten Fußballs gefolgt, vornehmlich nach Frankreich. Aber auch in Deutschland spielte mittlerweile der eine oder andere ehemalige oder künftige niederländische Nationalspieler, so Torhüter Frans de Munck und Bart Carlier beim 1. FC Köln. Entsprechend verlor die Oranje Elftal ihre größten Talente; von den bedeutendsten Spielern der Zeit hielten nur wenige, wie der Friese Abe Lenstra, dem Amateurfußball die Stange. Entsprechend auch fielen die Ergebnisse der Nationalmannschaft in dieser Zeit aus: Von 28 Länderspielen zwischen November 1949 und Oktober 1954 gewann das Team nur drei, dreimal gab es ein Unentschieden und in 22 Spielen hatten die Gegner das bessere Ende für sich – wie ja auch das Benefizspiel gegen die Dänen verloren ging.

Nachdem bekannt geworden war, dass die Auslandsprofis ihr eigenes Benefizspiel durchführen wollten, kam vom KNVB zunächst die Reaktion, dieses Match zu „verbieten“ und ihm jeglichen auch noch so geringen Anstrich von Offizialität zu verweigern. Erst auf Initiative von Prinz Bernhard, der kurz zuvor auch den Vorsitz des Katastrophenhilfefonds übernommen hatte, gab der KNVB den Widerstand auf. Die Partie bekam so zwar keinen offiziellen Status, verlor aber zumindest den Ruch des Verbotenen.

Direkt nach dem Spiel gab KNVB-Vorstandsmitglied Lo Brunt gegenüber den Profispielern zu, dass der Berufsfußball nun auch in den Niederlanden nicht mehr aufzuhalten sei.[13] Nach den begeisterten Reaktionen von Presse und Öffentlichkeit konnte sich der KNVB nicht mehr lange gegen dessen Einführung sperren. Innerhalb des folgenden Jahres gründete der Limburger Unternehmer Gied Joosten, der in Paris einer der niederländischen Zuschauer gewesen war,[3] in Geleen mit Fortuna’54 den ersten Profiverein und den Nederlandse Beroeps Voetbalbond („Niederländischer Berufsfußballbund“). Im NBVB waren zehn neue Berufsfußballvereine organisiert; die meisten der im Ausland spielenden Profis kehrten nun in die Niederlande zurück und schlossen sich einem dieser Vereine an. Im ersten Profifußballspiel in den Niederlanden standen sich in Alkmaar am 14. August 1954 Alkmaar’54 und der Sportclub Venlo in der Profiliga des NBVB gegenüber; vor 13.000 Zuschauern erzielte Klaas Smit das erste Tor.[3] Die Spiele der Berufsliga zogen nun viel mehr Zuschauer an als die der KNVB-Amateurligen,[7] und nach nur elf Spieltagen hatten sich NBVB und KNVB auf eine Fusion verständigt. Die Saisons der beiden höchsten Ligen wurden abgebrochen und ein gemeinsamer Wettbewerb, die Kampioenscompetitie, gestartet; die meisten der neuen NBVB-Proficlubs fusionierten in der Folge mit etablierten KNVB-Mitgliedern. Aus der Landkampioenschap, der nationalen Meisterschaftsrunde, wurde 1956 die Eredivisie, die erste niederländische Profiliga.

Schon am 13. März 1955, fast auf den Tag zwei Jahre nach dem Watersnoodwedstrijd, war zuvor das erste Länderspiel mit Profis im Oranjehemd durchgeführt worden. Nach anfänglichen Integrationsschwierigkeiten – das Match gegen Dänemark endete 1:1 – fand die Auswahlkommission des KNVB eine gelungene Mischung aus Alt- und Neuprofis, deren größter Erfolg erneut fast genau ein Jahr später, am 14. März 1956, ein 2:1-Sieg beim gastgebenden Weltmeister Deutschland war.

Literatur

  • Watersnoodwedstrijd, in: Frans Oosterwijk, Voetbal in de jaren vijftig, in 99 beelden, ANP Foto/Nieuw Amsterdam Uitgevers, Amsterdam 2007, ISBN 978-90-468-0264-9, S. 2–21

Weblink

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. „De benefiet is een cruciaale stap die leidt tot het invoeren van betaald voetbal in Nederland.“ Christiaan Ruesink, „Wedstrijd van de eeuw“, A4 krant, Algemeen Dagblad, Juni 2003, S. 9/10
  2. Spielstatistik mit Hinweis auf den Fonds auf der Abbildung einer Eintrittskarte
  3. a b c d e f Christiaan Ruesink, „Wedstrijd van de eeuw“, A4 krant, Algemeen Dagblad, Juni 2003, S. 9/10
  4. Dutch "professionals" against France, gesichtet am 9. September 2008
  5. Das Spiel wird wie in den Niederlanden auch in Frankreich nicht als offizielles Länderspiel gezählt (vgl. L'Équipe/Gérard Ejnès: La belle histoire. L'équipe de France de football. L'Équipe, Issy-les-Moulineaux 2004 ISBN 2-951-96053-0, S. 366f.); dennoch bot der französische Verband eine starke Elf auf, aus der nur Gaulon und Saunier nie ein offizielles A-Match bestritten und von denen sechs der eingesetzten Spieler 15 Monate später zum endgültigen Weltmeisterschaftsaufgebot gehörten.
  6. Oosterwijk, Voetbal..., a.a.O., S. 18, gibt Marches Vornamen in der Unterschrift zum Foto vom Wimpeltausch als René an. Ein ähnliches Foto von ANP und der Vorname Rene finden sich bei Christiaan Ruesink, „Wedstrijd van de eeuw“, A4 krant, Algemeen Dagblad, Juni 2003, S. 9/10
  7. a b c d Oosterwijk, Voetbal..., a.a.O., S. 5
  8. Oosterwijk, Voetbal..., a.a.O., S. 14
  9. ANP Foto, in Oosterwijk, Voetbal..., a.a.O., S. 2/3
  10. ANP Foto, in Oosterwijk, Voetbal..., a.a.O., S. 10/11
  11. „De sfeer was uniek, de rillingen liepen me over de rug,“ zitiert nach Christiaan Ruesink, Wedstrijd van de eeuw, A4 krant, Algemeen Dagblad, Juni 2003, S. 9/10
  12. L’Équipe vom 13. März 1953; ebenso http://www.arbeiter-zeitung.at/cgi-bin/archiv/flash.pl?seite=19530313_A08;html=1; eine niederländische Website gibt Raymond Kopa als Torschützen an.
  13. a b Johann Mast, Abe. Het levensverhaal van Nederlands eerste grote sportidool, Tirion Uitgevers, Baarn 2007, ISBN 978-90-4390-983-9, S. 149
  14. Zitat aus dem Artikel „Devroedt: «Le plus beau jour de notre vie sportive !»“ von Max Urbini in l’Équipe vom 13. März 1953
  15. Spielstatistik bei voetbalstats.nl
  16. Oosterwijk, Voetbal..., a.a.o., S. 4
  17. „Von het ene op het andere moment werden se gebrandmarkt als ‚vuile prof‘, ‚geldwolf‘ of ‚NSB'er‘ en uitgesloten van het Nederlands elftal“. Oosterwijk, Voetbal..., a.a.O., S. 4 (N.B.: Die Übersetzung „Vaterlandsverräter“ für „NSB'er“ stammt vom Erstautor dieses Artikels. NSB'er sind die Angehörigen der Nationaal-Socialistische Beweging, die während der Besatzungszeit als einzige zugelassene Partei mit den Deutschen kollaborierte.)
  18. op. cit. in Alfred Wahl/Pierre Lanfranchi: Les footballeurs professionnels des années trente à nos jours. Hachette, Paris 1995 ISBN 978-2-0123-5098-4, S. 133
  19. Gijs Nass oer-VVV'er, bei Alle heej is VVV, gesichtet am 29. September 2008
  20. „Vreken zou NSB-lid zijn geweest tijdens de oorlog. Maar dat klopt niet, weet ik na een bezoek aan deze man in 2003. Letterlijk huilend vertelde hij voor NOS Langs De Lijn dat hij in feite gedwongen werd om bij de NSB te gaan, maar dat hij dat nooit heeft gedaan. Wel werd hij sympathiserend lid, omdat hij anders naar Duitsland zou worden afgevoerd als dwangarbeider. Hij is nooit op een vergadering geweest en heeft ook geen contributie betaald. Maar toch blijft het hem achtervolgen, tot in 2005 toe.“ Jurryt van de Vooren, De geschiedvervalsing rond ADO Den Haag, gesichtet am 29. September 2008