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Zöliakie

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Klassifikation nach ICD-10
K90.0 Zöliakie
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Zöliakie (Synonyme: glutensensitive oder gluteninduzierte Enteropathie, intestinaler Infantilismus; bei Erwachsenen auch nichttropische oder einheimische Sprue, Glutenunverträglichkeit, Heubner-Herter-Krankheit) ist eine chronische Erkrankung der Dünndarmschleimhaut auf Grund einer Überempfindlichkeit gegen Gluten, das in vielen Getreidesorten vorkommende Klebereiweiß. Die Unverträglichkeit bleibt lebenslang bestehen, sie ist zum Teil genetisch determiniert und kann derzeit nicht ursächlich behandelt werden.

Essen die betroffenen Menschen glutenhaltige Nahrungsmittel, entsteht eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut mit einer ausgedehnten Zerstörung der Darmepithelzellen. Dadurch können Nährstoffe nur schlecht aufgenommen werden und verbleiben unverdaut im Darm. Symptome sind dementsprechend Gewichtsverlust, Durchfall, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Misslaunigkeit und im Kindesalter nicht zuletzt eine Gedeihstörung. Nichttherapierte Zöliakie erhöht vor allem die Gefahr des Non-Hodgkin-Lymphoms (ein aggressiver Lymphdrüsen-Krebs) sowie wahrscheinlich auch für Darmkrebs. Zöliakie ist bei fünf bis zehn Prozent der Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 1 vergesellschaftet. Die Behandlung der Zöliakie besteht derzeit ausschließlich in einer glutenfreien Diät.

Epidemiologie

Die Häufigkeit der Erkrankung schwankt in verschiedenen Ländern teilweise erheblich. Außerdem unterscheiden sich die Häufigkeitsangaben danach, ob die Diagnose erst aufgrund von klinischen Symptomen oder schon aufgrund eines Suchtests im Serum gestellt wird. Unter Berücksichtigung nur der symptomatischen Fälle reicht die Häufigkeit (Prävalenz) von 1:10 000 in Dänemark und den USA bis zu 1:300 in Schweden und Großbritannien. Weltweit wird eine durchschnittliche Häufigkeit von etwa 1:3 350 angegeben. Zieht man auch die durch Screeninguntersuchungen diagnostizierten Fälle hinzu, erhöht sich die Prävalenz auf 1:500 in Deutschland und Dänemark und etwa 1:110 in den USA und Großbritannien, im weltweiten Durchschnitt ungefähr 1:270.[1] Steigende Erkrankungszahlen in Schweden bei gleichzeitig konstant bleibender Häufigkeit im genetisch verwandten Norddänemark werden auf eine in Schweden übliche frühe Zufütterung von getreidehaltiger Beikost zurückgeführt.[1] Allzu frühes Zufüttern scheint das Risiko für eine Zöliakie zu erhöhen.[2] Menschen mit einem Down-Syndrom (Trisomie 21) bekommen sie etwas häufiger als Menschen ohne diese chromosomale Besonderheit.

Ursachen

Weizen, der wichtigste Lieferant des Klebereiweißes

Eine familiäre Häufung bei Verwandten ersten Grades und insbesondere eineiigen Zwillingen legt eine erbliche Ursache nahe. Tatsächlich findet sich bei mehr als 95 Prozent der betroffenen Menschen auch eine bestimmte Konstellation von sogenannten Histokompatibilitätsantigenen (HLA), nämlich HLA DQ2 und DQ8. Allerdings besitzen insgesamt 25 Prozent aller Menschen diese HLA−Konstellation und etwa 98 Prozent von ihnen vertragen das Klebereiweiß ohne Probleme, sie entwickeln eine Toleranz gegen die schädigenden Anteile, die von den übrigen zwei Prozent offenbar nicht erreicht wird. Warum das so ist, kann noch nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden. Die Forschungen richten sich auf weitere genetische Merkmale, aber auch auf Infektionen als mögliche mitauslösende Faktoren.[2]

Pathophysiologie

Inzwischen ist eine Reihe von schädigenden Abschnitten des Klebereiweißes genau identifiziert worden. Sie gehören alle der alkohollöslichen Fraktion an (sogenannte Prolamine), werden Gliadin genannt und enthalten als Aminosäuren besonders viel Prolin und Glutamin. Bei entsprechend veranlagten Menschen führen diese Eiweißabschnitte (Peptide, Ketten aus 50–100 Aminosäuren) zu einer komplexen Reaktion der Darmschleimhaut und des Immunsystems. Schleimhautzellen des Dünndarmes (Enterozyten) produzieren vermehrt verschiedene HLA-Klassen (HLA I, DR und DQ). Bestimmte Abschnitte des Klebereiweiß (Gliadinpeptide) binden an den vermehrt gebildeten HLA-DQ2-Antigenen. Diese Bindung wird dadurch verstärkt, dass aus der zahlreich im Peptid vorhandenen Aminosäure Glutamin Glutaminsäure gebildet wird. Diese Glutaminsäurebildung wird durch das Enzym Gewebstransglutaminase vermittelt. Mit dieser Veränderung passt der entsprechende Abschnitt des Gliadin besser in die „Taschen“ der HLA-Proteine. Der Komplex aus Gliadinpeptid und HLA-DQ2-Antigen wiederum bindet an spezielle Lymphozyten (CD4+-T-Helferzellen) und ruft in diesen eine vermehrte Produktion von verschiedenen entzündungsauslösenden Botenstoffen (Interferon-γ, TNF-α, Interleukin-6 und Interleukin-2) hervor.

Mikroskopisches Bild der geschädigten Dünndarmschleimhaut mit Zottenatrophie, Kryptenhyperplasie und Einwanderung von Lymphozyten (entspricht Marsh 3, s. u.)

Im weiteren Prozess der Entzündung werden verschiedene Antikörper gebildet, von denen noch nicht bekannt ist, ob sie ursächlich an der Entstehung der Zöliakie oder anderen, mit Zöliakie assoziierten Autoimmunerkrankungen beteiligt sind. Neben Antikörpern gegen das Klebereiweiß selbst (Gliadin-Antikörper, AGA) treten auch sogenannte Autoantikörper gegen körpereigenen Antigene auf. 1997 wurde die Gewebstransglutaminase als hauptsächlich verantwortliches Autoantigen identifiziert. Aufgrund dieser Befunde wird die Zöliakie aus pathophysiologischer Sicht als eine Mischform aus Allergie und Autoimmunerkrankung verstanden. Dabei stellt die allergische Komponente in Form der Überempfindlichkeit gegen das körperfremde Eiweiß Gliadin den auslösenden Faktor dar, während für die Ausprägung der Symptome die autoimmunologische Reaktion gegen körpereigene Strukturen verantwortlich ist. Letztlich endet der Entzündungsvorgang in einem programmierten Zelltod (Apoptose) der Enterozyten, der schließlich zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Verlust von Dünndarmzotten (Zottenatrophie) führt.[2] Die so geschädigte Dünndarmschleimhaut ist nun nicht mehr in der Lage, die zugeführte Nahrung in ausreichendem Umfang in die Blutbahn zu überführen, weil die Resorptionsfläche verkleinert ist.

Symptome

Die klassischen Symptome einer Zöliakie sind durch die Verdauungsstörung bedingte chronische Durchfälle, zum Teil mit massigen und durch die gestörte Fettverdauung auch fettglänzenden, klebrigen Stühlen (Steatorrhoe). Betroffene Kinder haben keinen Appetit, erbrechen oft und nehmen nicht oder nicht ausreichend an Gewicht zu. Später kann auch das Längenwachstum beeinträchtigt sein, der Kinderarzt spricht von einer Gedeihstörung. Die Kinder sind missmutig und fallen durch dünne Ärmchen und Beinchen und besonders durch einen vorgewölbten geblähten Bauch auf.

Seitdem die Untersuchung von zöliakiespezifischen Antikörpern im Blut in die Diagnostik eingeführt wurde, hat sich die Erkennung des Krankheitsbildes grundsätzlich gewandelt. Menschen, bei denen die Zöliakie beispielsweise im Rahmen von Familienuntersuchungen gefunden wurde und die eine fast vollständige Zottenatrophie aufweisen, können nur schwache und teilweise auch unspezifische Symptome zeigen. Die Tatsache, dass nur ein Teil von ihnen die typischen Symptome zeigt, ist unter dem Begriff „Eisbergphänomen“ in die Literatur eingegangen.[1] Bei ihnen treten Bauchschmerzen, paradoxerweise sogar Verstopfung, Wachstumsverzögerungen und verzögerte Pubertät bei Kindern, Verringerung des Kalkgehaltes der Knochen (Osteopenie) durch verminderte Calciumaufnahme, Eisenmangelanämie durch verminderte Eisenresorption, Gelenkentzündungen, Atemwegsinfekte, Defekte des Zahnschmelzes und psychische Auffälligkeiten auf. Außerdem werden heute neben einer aktiven Zöliakie weitere Verlaufsformen unterschieden: Bei der silenten Zöliakie weisen Patienten eine (fast) vollständige Zottenatrophie auf, haben jedoch keine oder nur geringe unspezifische Symptome, insbesondere keine Zeichen einer Ernährungsstörung. Der Begriff der latenten Zöliakie wird dann angewandt, wenn zwar zu einem früheren Zeitpunkt einmal eine Zottenatrophie unter glutenhaltiger Nahrung bestanden hat, diese sich aber unter glutenfreier Diät wieder normalisieren konnte und unter erneuter glutenhaltiger Ernährung normal geblieben ist. Schließlich beschreibt der Begriff potentielle Zöliakie Menschen, die nie die klassischen Veränderungen der Dünndarmschleimhaut aufwiesen, aber dennoch zöliakietypische immunologische Abweichungen aufweisen.[1]

Die Ausprägung hinsichtlich der Empfindlichkeit gegen Gluten und der Intensität der Symptome ist individuell verschieden. Einige Menschen zeigen auch beim Verzehr größerer Mengen an glutenhaltigen Lebensmitteln nur leichte Symptome in Form von Bauchschmerzen und Verstopfung. Auf der anderen Seite gibt es auch Betroffene, die selbst auf geringste Spuren von Gluten mit einer schweren Symptomatik reagieren.

Als Autoimmunerkrankung ist die Zöliakie mit anderen Erkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen körpereigene Gewebe richtet, vergesellschaftet. Die häufigste Begleiterkrankung einer Zöliakie ist der Diabetes mellitus Typ 1, bei dem Antikörper gegen insulinproduzierende Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet werden. Etwa fünf bis zehn Prozent aller Personen mit Zöliakie sind auch an einem Typ-1-Diabetes erkrankt und umgekehrt ebenso etwa der gleiche Anteil Typ-1-Diabetiker an einer Zöliakie. Auch für eine entzündliche Erkrankung der Schilddrüse, die Hashimoto-Thyreoiditis, die ebenfalls als Autoimmunerkrankung gilt, wurde ein wechselseitig gehäuftes Auftreten zusammen mit einer Zöliakie beschrieben. Eher bei Erwachsenen kann es zu einem bläschenförmigen Hautausschlag mit starkem Juckreiz (Dermatitis herpetiformis Duhring) kommen. Nur etwa ein Zehntel von ihnen hat Symptome seitens des Magen-Darm-Traktes.

Diagnostik

Der entscheidende Anfangsverdacht ergibt sich aus einer sorgfältigen Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese) mit Erfragen auch unspezifischer Beschwerden und den Befunden bei der körperlichen Untersuchung. Soll eine Zöliakie danach weiter abgeklärt werden, kann zunächst eine Untersuchung verschiedener Antikörper im Blut erfolgen. Man kann davon ausgehen, dass es sehr viele unbekannte Fälle gibt, denn die Krankheit und ihre Symptome sind in der Bevölkerung nur wenig oder gar nicht bekannt und auch Hausärzte haben darüber zumeist kein Fachwissen.

Serologische Diagnostik

Üblicherweise werden Antikörper gegen Gliadin vom IgA und IgG-Typ (AGA IgA und IgG), Endomysiumantikörper (EMA) vom IgA-Typ sowie Autoantikörper gegen die Gewebstransglutaminase (tTG-A) bestimmt. Letztere weisen mit 87,4-98,2 % die höchste Spezifität (Anteil der Gesunden, bei denen die Untersuchung negativ ist) und mit 86,5-97,2 % die höchste Sensitivität (Anteil der betroffenen Menschen, bei denen die Untersuchung auch tatsächlich positiv ausfällt) auf. Die tTG-Anitkörper sind jedoch immer vom IgA-Typ. Da aber bis zu 11 % der Zöliakie-Patienten gleichzeitig nicht in der Lage sind, ausreichend IgA zu produzieren (IgA-Mangel), muss immer auch die Gesamtkonzentration an IgA mitbestimmt werden, damit man falsch-negative Befunde nicht übersieht. Außerdem muss bedacht werden, dass bei Kindern unter zwei Jahren die Sensitivität der EMA nur etwa 80 % beträgt. In diesem Alter haben deshalb die Gliadin-Antikörper (AGA vom IgA- und IgG-Typ) besondere diagnostische Bedeutung. Die Antikörperbestimmungen eignen sich auch zur Verlaufskontrolle unter glutenfreier Diät, da ihre Konzentrationen mit zunehmender Therapiedauer unter die Nachweisgrenze absinken.[3]

Histologie

Bild einer Darmspiegelung bei einem Patienten mit Zöliakie
Schematische Darstellung der Veränderungen an der Darmschleimhaut entsprechend der Marsh-Klassifikation

Wird der Verdacht auf das Vorliegen einer Zöliakie durch positive Antikörperbefunde erhärtet, muss die Diagnose entsprechend der Empfehlungen der europäischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) durch eine anschließende Dünndarmbiopsie gesichert werden. Dabei wird – heutzutage zumeist mittels einer Magenspiegelung (Gastroduodenoskopie) – eine kleine Schleimhautprobe aus dem oberen Dünndarm entnommen. Diese wird anschließend zunächst unter dem Lupenmikroskop auf eine Zottenatrophie untersucht. Schließlich erfolgt noch eine feingewebliche (histologische) Untersuchung mit verschiedenen Färbeverfahren, wobei besonders darauf zu achten ist, dass die Probe exakt tangential geschnitten wird, da schräg angeschnittene Krypten unter dem Mikroskop sonst das Vorhandensein von Zotten vortäuschen können. Goldstandard für die Beurteilung der Dünndarmbiopsie sind die sogenannten Marsh-Kriterien: Zottenlänge im Verhältnis zu den Krypten, Zellteilungsrate, Zahl der in die Schleimhaut eingewanderten Lymphozyten, Grad der Zelleinwanderung in die sogenannte Lamina propria, Beurteilung des Bürstensaums in einer speziellen Färbung (PAS-Färbung) und Erkennung von Mikroorganismen wie Kryptosporidien und Lamblien. Die 1990 revidierten diagnostischen Kriterien der ESPGHAN fordern zudem eine klare klinische Besserung nach Einleitung der Therapie. Kontrollbiopsien, die früher noch üblich waren, sind demnach nur bei zweifelhaftem klinischen Erfolg unter glutenfreier Diät, Zweifel an der Initialdiagnose – zum Beispiel bei Diagnosestellung im Alter unter zwei Jahren zur Abgrenzung gegen eine vorübergehende Glutenintoleranz – oder auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten angezeigt.[1]

Differentialdiagnose

Auch wenn das Krankheitsbild bei typischem Verlauf recht eindeutig ist, ergeben sich auch aus einer anscheinend typischen, aber eben nicht spezifischen Histologie der Dünndarmsschleimhaut noch einige mögliche Differentialdiagnosen. Auch Nahrungsmittelallergien oder verschiedene Infektionen des Darmtraktes können zu einer ähnlichen Schleimhautschädigung führen. Seltene und meist offensichtliche Ursachen sind eine so genannte autoimmune Enteropathie, Immundefekte, Abstoßungsreaktionen nach Transplantation, Bestrahlung oder Behandlung mit Zytostatika, erhebliche Mangelernährung oder die sogenannte Mikrovillusatrophie.

Behandlung

Momentan ist die einzige gesicherte Möglichkeit, die Krankheit zu behandeln, eine lebenslange glutenfreie Diät, wodurch der Darm wieder heilt und auch die Risiken der Langzeitfolgen sinken. Strikt zu vermeiden sind alle Getreidesorten mit hohem Glutengehalt (Weizen, Gerste, Roggen, wie auch deren botanisch verwandten Ursorten Dinkel, Grünkern, Kamut, Einkorn, Emmer sowie die Roggen-Weizen-Kreuzung Triticale). Bislang ist auch der Verzicht auf die Grasgattungen Hafer und Wildreis empfohlen, obwohl sich die chemische Zusammensetzung der Prolamine von der bei Weizen unterscheidet und Hafer in Finnland und England für erwachsene Menschen mit Zöliakie in moderaten Mengen und unter ärztlicher Kontrolle freigegeben wurde.[4] Insbesondere bei verarbeiteten Lebensmitteln und Fertigprodukten muss genau darauf geachtet werden, dass keine glutenhaltigen Zutaten verwendet wurden. Da Gluten technologisch gerne als Emulgator, zum Gelieren, Stabilisieren und als Träger von Aromastoffen eingesetzt wird, ist dies nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Eine ausführliche Produktliste ist über die Deutsche Zöliakiegesellschaft (DZG) zu beziehen.

Alternative zu glutenhaltigen Getreidesorten: Hirse

Als Alternative zu den glutenhaltigen Getreidesorten ausdrücklich erlaubt sind Hirse, Mais, Reis, Amarant, Buchweizen, Quinoa, Sojabohnen, Teff, Kastanie, Kochbanane. Ein Teil dieser Sorten wird beispielsweise auch zur Herstellung von glutenfreiem Bier verwendet. Ohnehin erlaubt sind Gemüse einschließlich Kartoffeln, Salate, Früchte, Fleisch und Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte. Glutenfreie Speziallebensmittel erhielt man bisher fast nur in Reformhäusern, neuerdings aber auch in Fachgeschäften für glutenfreie Ernährung und in einzelnen regulären Lebensmittelgeschäften. Erfüllen die Produkte die strengen Anforderungen eines Glutengehaltes von unter 10 mg/100 g Trockenmasse (100 ppm), dürfen sie die Aufschrift glutenfrei und als gesetzlich geschütztes Zeichen eine durchgestrichene Weizenähre tragen. Laut Codex Alimentarius beträgt der Grenzwert sogar nur 20 ppm. Da zu Beginn der Therapie bei einigen Patienten durch die ausgedehnte Schädigung der Schleimhaut auch die Milchzucker-Verdauung beeinträchtigt sein kann (sekundäre Laktoseintoleranz), müssen diese vorübergehend auch auf eine milchzuckerarme Ernährung achten. Insbesondere Milch und Milchprodukte sind durch Sojamilch zu ersetzen.[4]

Ein derzeitiger Forschungsansatz zur Entwicklung einer neuen Behandlungsmöglichkeit der Zöliakie besteht in einer Enzymersatztherapie. Neuerdings ist es gelungen, Enzyme aus keimendem Getreide oder einem Pilz zu isolieren, die das Gluten in kleine Stücke zerschneiden können. Die Bruchteile könnten dann vom Immunsystem der betroffenen Menschen nicht mehr erkannt werden und würden dementsprechend auch keine Entzündung mehr auslösen. Der theoretische Ansatz sieht vor, die Enzyme in Tabletten zu verpacken. Eingenommen vor oder während einer Mahlzeit könnte die Mischung in der Nahrung enthaltenes Gluten unschädlich machen. Im Labor hat sich die Enzymmischung bereits bewährt. Schwierigkeiten bereiten derzeit noch die unterschiedlichen Säuregrade in Magen und Darm. Für eine wirksame Behandlung müsste sichergestellt sein, dass die Enzyme auch bei unterschiedlichen pH-Werten zuverlässig arbeiten. Außerdem ist auch die Geschwindigkeit der Gluten-Verdauung entscheidend, denn es muss komplett zerlegt sein, bis es im Darm ankommt, damit die Therapie ausreichend Sicherheit bietet.[5]

Geschichte

Der Ausdruck Zöliakie leitet sich vom altgriechischen κοιλία, koilia „Bauch, Unterleib“ (von κοίλος, koilos „hohl“) ab. Die bauchige Krankheit wurde von Aretaeus von Kappadozien schon im zweiten Jahrhundert vor Christus erwähnt. Allgemein gilt Samuel Gee als Erstbeschreiber der Krankheit. Er berichtete 1888 von der „coeliac affection“ und meinte damit eine Verdauungsstörung, die vor allem Kleinkinder betraf. Erst 1950 wurde schließlich von H. W. Dicke das Weizengliadin als entscheidender schädlicher Faktor identifiziert. Die Zottenatrophie wurde von Margot Shiner aus London 1957 erstmals beschrieben. Ein Jahr später erfolgte mit der Erstbeschreibung der Gliadin-Antikörper durch E. Berger aus Basel die Einführung der serologischen Diagnostik.

Die neuen Erkenntnisse über das Krankheitsbild führten erstmals 1969 zur Verabschiedung der diagnostischen Kriterien für die Zöliakie durch die Europäische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN), die sogenannten „Interlaken-Kriterien“. Diese gelten heute in der revidierten Fassung von 1990. Aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts datiert die Entdeckung der Endomysium-Antikörper als hochspezifischem serologischen Marker. Schließlich wurde 1997 die Gewebetransglutaminase (tTG) als entscheidendes Antigen für diese Antikörper erkannt.[1]

Quellen

  1. a b c d e f Keller, R.: Klinische Symptomatik: „Zöliakie, ein Eisberg“. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2003; 151:706-714
  2. a b c Zimmer, K. P.: Pathophysiologie der Zöliakie. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2003; 151:698-705
  3. S. Buderus, M. J. Lentze: Serologische Diagnostik der Zöliakie. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2003; 151:715-718
  4. a b A. van Teeffelen-Heithoff: Diätetische Grundlagen der Zöliakiebehandlung. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2003; 151:719-725
  5. Süddeutsche Zeitung 2006; 176:16

Weblinks

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