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Habicht

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Habicht
Datei:Goshawkfly.jpg
Fliegender Habicht (Accipiter gentilis)
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Vorlage:Ordo: Greifvögel (Falconiformes)
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Wissenschaftlicher Name
Accipiter gentilis
(Linnaeus, 1758)
Datei:Habicht.jpg
Habicht in einer Darstellung aus dem 19. Jahrhundert

Der Habicht (Accipiter gentilis (Linné 1758)) ist eine Greifvogelart, die zur Familie der Habichtartigen (Accipitridae) gehört.

Beschreibung

Habichte sind mittelgroße Greifvögel, das Weibchen ist etwa so groß wie ein Mäusebussard, das Männchen ist etwas kleiner. Die Flügel sind relativ kurz, breit und an ihren Spitzen gerundet, der Schwanz ist relativ lang. Diese Merkmale sind typisch für die Gattung Accipiter, sie ermöglichen keine extremen Fluggeschwindigkeiten, jedoch eine hohe Wendigkeit auf engem Raum.

Ausgewachsene (adulte) Habichte sind auf der Oberseite schiefergraubraun, auf der Unterseite weiß mit einer dunkelbraunen Querbänderung. Jungvögel sind bis zur ersten Mauser oberseits bräunlich, auf der Unterseite hellgelb, gelb, beige, orange oder lachsfarben mit einer senkrechten Tropfen- oder Strichzeichnung. Das Großgefieder zeigt in allen Kleidern eine deutliche Bänderung auf weißem bis beigebraunem, bei Jungvögeln auf gelblichem Grund. Die Beine sind gelb, ebenso die Wachshaut des Schnabels. Die Iris der Augen ist gelb bis orangerot. Die Gefiederzeichnung ist bei den Geschlechtern sehr ähnlich, adulte Männchen sind auf der Oberseite etwas dunkler blaugrau und zeigen eine etwas kontrastreichere Kopfzeichnung als ad. Weibchen. Habichte zeigen jedoch einen sehr ausgeprägten reversen Geschlechtsdimorphismus bezüglich der Körpergröße. So wiegen beispielsweise im Osten Deutschlands adulte Männchen im Mittel 724 g, adulte Weibchen 1.133 g, die Flügellänge beträgt bei adulten Männchen aus demselben Gebiet im Mittel 314 mm, bei Weibchen 353 mm.

Lautäußerungen

Habichte rufen fast ausschließlich in Horstnähe. Häufigster Ruf ist ein scharfes, oft gereihtes "gik, gik, gik" ("Gickern"), das allgemein bei Erregung, z. B. bei Störungen geäußert wird und besonders häufig während der Balz von Januar bis März zu hören ist. Diese Rufe sind bei ruhigem Wetter mehrere Hundert Meter weit hörbar. Der Kontaktruf zwischen den Brutpartnern ist ein kurzes, nicht sehr auffallendes "gjak", das zum Beispiel einer Beuteübergabe oder der Ablösung bei der Brut vorausgeht. Bei der Kopulation rufen beide Partner ein relativ hohes, gereihtes "wirr, wirr, wirr". Sehr auffallend sind auch die lauten Bettelrufe der Jungvögel nach dem Ausfliegen, die etwa wie "hiiiiääh" oder "klijäh" klingen ("lahnen") und ebenfalls häufig wiederholt werden.

Verbreitung

Habichte besiedeln in mehreren Unterarten die boreomontanen, temperaten und mediterranen Wälder der gesamten Paläarktis, in der Nearktis ist das Vorkommen überwiegend auf die boreomontanen Nadelwälder beschränkt. In der westlichen Paläarktis fällt die nördliche Verbreitungsgrenze mit der nördlichen Grenze der Nadelwaldtaiga in Skandinavien und Russland zusammen, im Süden reicht die Verbreitung im Westen bis Nordafrika, weiter östlich bis Griechenland, Kleinasien und den Norden Irans.

Unterarten

Nahaufnahme eines männlichen Habichts

Die Abgrenzung der in der Paläarktis vorkommenden Unterarten ist komplex und wird in der Wissenschaft intensiv diskutiert. Die Übergänge zwischen den Unterarten sind meist klinal (fließend). Je nach Autor unterscheiden sich Anzahl und geographische Abgrenzung der Unterarten daher oft erheblich. Die folgende Darstellung basiert im wesentlichen auf dem Handbuch der Vögel Mitteleuropas (Band 4, 1989).

Insgesamt werden zur Zeit zehn Unterarten der Art Accipiter gentilis beschrieben, davon drei in Nordamerika:

  • A. g. gentilis: Nord- und Mitteleuropa, südlich bis zu den Pyrenäen, südlichen Alpen und Karpaten, östlich bis zum mittleren Russland
  • A. g. marginatus: südlich an Nominatform anschließend, Spanien und Marokko bis Kaukasus und Elburs; dunkler und etwas kleiner als Nominatform
  • A. g. arrigonii: Korsika und Sardinien; noch dunkler und kleiner als A. g. marginatus
  • A. g. buteoides: nordöstlich an Nominatform anschließend, von Nordschweden, nach manchen Autoren aber auch erst von der Kola-Halbinsel an östl. bis West- und Mittelsibirien etwa bis zu Lena, südlich bis an den Rand der Taigazone; größer und besonders im Jugendkleid deutlich heller als Nominatform
  • A. g. albidus: nordöstliches Sibirien bis Kamtschatka; noch größer als A. g. buteoides, mit einer grauen und einer sehr auffallenden weißen Morphe
  • A. g. schvedowi: südlich von A. g. buteoides und A. g. albidus in der Waldsteppenzone und in den temperaten Laubwäldern Ostasiens bis einschließlich Hokkaidō; Färbung und Größe etwa wie A. g. marginatus
  • A. g. fujiyamae: auf der japanischen Hauptinsel Honshū, sehr dunkel, wohl kleinste Unterart
  • A. g. atricapillus: größter Teil Nordamerikas; blaugraue Oberseite, sehr kontrastreiches Kopfmuster, ad. Individuen mit fein gestrichelter und gesprenkelter Unterseite und karminroter Iris. Artstatus für diese und die folgenden zwei Unterarten wird diskutiert (dann A. atricapillus)
  • A. g. laingi: Vancouver- und Queen-Charlotte-Inseln vor der Küste der kanadischen Provinz British Columbia; dunkler als A. g. atricapillus
  • A. g. apache: montane Bereiche im Grenzgebiet Mexiko/USA; heller als A. g. atricapillus

Ernährung

Nahaufnahme eines weiblichen Habichts

Habichte erjagen ihre Beutetiere überwiegend aus dem bodennahen Flug oder vom Ansitz aus in einem kurzen, schnellen und sehr wendigen Verfolgungsflug direkt auf dem Boden oder im bodennahen Luftraum. Die Beute wird mit den Füßen (Fängen) gegriffen und getötet, die Krallen der sehr kräftigen ersten und zweiten Zehe werden dabei solange in die Beute gebohrt, bis diese aufhört, sich zu bewegen. Im Zusammenwirken mit den relativ langen Beinen ermöglicht diese Tötungsmethode dem Habicht die Nutzung von vergleichsweise sehr großen und wehrhaften Beutetieren. Habichte ernähren sich in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet fast ausschließlich von kleinen bis mittelgroßen Vögeln und Säugetieren. Im Süden des Verbreitungsgebietes werden auch Reptilien regelmäßig erbeutet. Amphibien, Fische und Wirbellose werden von Habichten sehr selten als Nahrung genutzt. Das Gewicht der Beutetiere beträgt zwischen 0,006 und 3,5 kg, in Mitteleuropa reicht das Beutespektrum bei Vögeln vom Goldhähnchen (Regulus sp.) bis zu Gänsen (Anser sp.), bei Säugern von Mäusen bis zu erwachsenen Kaninchen (Oryctolagus cuniculus) und halbwüchsigen Hasen (Lepus europaeus). Überwiegend werden jedoch Tiere mit einer Körpermasse von 0,05 - 1,0 kg genutzt, in Mitteleuropa vor allem Hühnervögel, Tauben, Drosseln und Rabenvögel. In der Taiga Skandinaviens und Russlands dominieren in der Nahrung Rauhfußhühner, daneben spielen Ringeltauben, Rabenvögel und Eichhörnchen eine wichtige Rolle.

Brutbiologie

Habichte sind monogam und streng territorial. Sie bauen große, voluminöse Nester (Horste) auf Bäumen; diese werden, meist im Wechsel mit weiteren Horsten innerhalb des Brutreviers, oft über Jahre benutzt. Mit Beginn der Balz wird der zur Brut gewählte Horst mit grünen Zweigen aufgebaut, diese Begrünung wird bis ins späte Nestlingsalter fortgesetzt. Habichte machen eine Jahresbrut, die Eiablage erfolgt in Mitteleuropa meist Ende März bis Anfang Mai, die Gelegegröße beträgt ein bis fünf, meist zwei bis vier Eier. Die Jungvögel schlüpfen nach einer Brutzeit von 37 bis 39 Tagen und sind mit etwa 40 Tagen flügge. Sie verlassen drei bis sechs Wochen nach dem Ausfliegen das elterliche Revier. Die Art ist in Mitteleuropa Standvogel, Jungvögel zeigen eine ungerichtete Dispersion.

Raumnutzung

Die Größe des Lebensraumes ist unter anderem abhängig vom Geschlecht, Alter, Status (verpaart, unverpaart) des untersuchten Individuums, außerdem von der Jahreszeit und dem lokalen Nahrungsangebot. In Hamburg beflogen Männchen zur Brutzeit eine Fläche von im Mittel 8,6 km², in Schleswig-Holstein 13-55 km², in Arizona/USA 18 km² und in Alaska/USA 39,8 km².

Außerhalb der Brutzeit umfassten Reviere von Männchen in Schleswig-Holstein 5-64 km², von Weibchen im selben Gebiet 16-59 km². In Mittelschweden beflogen Männchen im Winter eine Fläche von im Mittel 57 km² (18-80 km²), Weibchen im Mittel 62 km² (32-92 km²). In Nordfinnland schließlich waren die winterlichen Home-ranges von adulten Männchen 88 km² groß (79 bis 97 km²), von jugendlichen (juvenilen) Männchen 110 km² (50-170 km²), von adulten Weibchen 69 km² (48-94 km²), von juvenilen Weibchen 67 km² (31-103 km²). Die Übersicht zeigt die deutliche Zunahme der Reviergröße mit zunehmendem Längengrad, diese Zunahme hat sicher ihren Grund in der nach Norden vor allem im Winter stark abnehmenden Beutetierdichte.

Bestandsentwicklung

Da Habichte häufig jagdlich genutzte Arten sowie Hausgeflügel erbeuten, wurden und werden sie in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes von Jägern und Kleintierzüchtern intensiv verfolgt. Innerhalb Europas wurde die Art in Großbritannien ausgerottet (letzte Bruten 1893 und 1938-1951, Wiederbesiedlung ab 1965, 1991 wurden dort wieder 230 Paare gezählt), in den übrigen Ländern wurden die Bestände bis Ende des 19. Jahrhunderts drastisch reduziert, eine vollständige Ausrottung erfolgte jedoch in keinem weiteren Land. Im Gegensatz zu anderen Greifvogelarten (v. a. Seeadler (Haliaeetus albicilla), Sperber (Accipiter nisus) und Wanderfalke (Falco peregrinus)) war der Habicht durch die europaweite Anwendung von DDT bis Anfang der 1970er Jahre (in Ostdeutschland bis Ende der 1980er Jahre) kaum betroffen. Nach der Unterschutzstellung des Habichts etwa ab Anfang der 1970er Jahre war in vielen Teilen Europas wie auch Deutschlands eine deutliche Bestandszunahme zu verzeichnen, beispielsweise in den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen sowie in Brandenburg und Berlin. Die Anzahl der Paare in Deutschland wurde für das Jahr 1993 auf 24.000, für Österreich auf 2.300 und die Schweiz auf 1.200 bis 1.400 geschätzt.

Urbane Populationen

Der Habicht ist eine von zurzeit weltweit mindestens 20 Greifvogelarten, die auch in oder im Umfeld von Städten (urbanen Habitaten) leben. Die Besiedlung urbaner Habitate durch Habichte ist ein relativ neues Phänomen, bis Ende der 1960er Jahre gab es entsprechende Beobachtungen nur sporadisch. Die urbanen Populationen sind bisher auf Europa beschränkt, außer aus Berlin sind derartige Populationen zurzeit aus Köln, Saarbrücken, Hamburg, Moskau und Kiew bekannt.

Mensch und Habicht

Junges Habichtweibchen. Es wurde von der Polizei beschlagnahmt, nachdem ein portugiesischer Landwirt es illegalerweise in seinem Hühnerstall fing

Da der Habicht auch Hausgeflügel erbeutet, haben sich im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe von abergläubischen Praktiken etabliert, um diesen von Tauben und Hühnern fernzuhalten. Diese sind bzw. waren von Region zu Region unterschiedlich. In der Oberpfalz beispielsweise sollte das Ausreißen von drei Habichtfedern, die man anschließend in eine andere Gemeinde brachte, das eigene Geflügel vor seinen Angriffen schützen.

In Westfalen dagegen sollte es helfen, wenn man neben das junge Federvieh einen blanken Kessel setzte.

Andere Rituale sind an die Osterfeiertage gebunden: Wer an Karfreitag die Hühner durch einen hölzernen Reifen ließ, schützte sie gleichfalls vor dem Habicht. Komplizierter ist ein anderes überliefertes Ritual: Von allen auf dem Ostertisch stehenden Speisen musste etwas rund um den Hof gestreut werden und dazu war folgender Spruch aufzusagen:

Habicht, Habicht
hier gebe ich dir ein Osterlamm
friß mir keine Hühner auf

Ähnlich wie auch für Eulen überliefert, sollte auch ein erjagter Habicht, der an der Stalltür aufgehängt wurde, den Hof vor Hexen schützen und andere Raubvögel fernhalten.

Die Stammburg der Habsburger, die Habsburg im Schweizer Kanton Aargau, soll nach einer Legende von ihrem Erbauer Habichtsburg genannt worden sein, als sich ein Habicht auf dem Schlossgemäuer niederließ. Wahrscheinlicher ist jedoch eine Benennung nach dem altdeutschen Wort 'hab'/'haw' als Bezeichnung für 'Flussübergang'.

Literatur

  • Bijlsma, R. G. (1993): Ecologische Atlas van de Nederlandse Roofvogels. Schuyt & Co, Haarlem.
  • Cramp, S. & K. E. L. Simmons (1980): Handbook of the Birds of Europe the Middle East and North Africa – The Birds of the Western Palearctic. Band 2. Oxford University Press, Oxford, New York.
  • Glutz v. Blotzheim, U. N., K. M. Bauer & E. Bezzel (1989): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 4., 2. Aufl., AULA-Verlag, Wiesbaden.
  • Forsman, D. (1999): The Raptors of Europe and the Middle East – A Handbook of Field Identification. T & A D Poyser, London.
  • Hagemeijer, E. J. M. & M. J. Blair (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their Distribution and Abundance. T & A D Poyser, London.
  • Kenntner, N., Krone, O., Altenkamp, R. & F. Tataruch (2003): Environmental Contaminants in Liver and Kidney of Free-Ranging Northern Goshawks (Accipiter gentilis) from Three Regions of Germany. Archives of Environmental Contamination and Toxicology 45: 128-135.
  • Looft, V. & G. Busche (1981): Vogelwelt Schleswig-Holsteins, Band 2 (Greifvögel). Karl Wachholtz Verlag, Neumünster.

Weitere Literatur wurde aufgrund der sehr detaillierten Sammlung ausgelagert auf Bibliografie Habicht.