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Schiff von Uluburun

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Als Schiff von Uluburun wird ein spätbronzezeitliches gesunkenes Segelschiff vor der Südwestküste der Türkei bezeichnet. 1982 entdeckte ein Schwammtaucher schwere kupferne Gegenstände unter Wasser. Der Fundort liegt in der Nähe des Kap Uluburun (auch Ulu Burun) und der Stadt Kaş.

Fundort und Entdeckung

Schiff von Uluburun - Fundort

Die Landzunge Uluburun ragt 8,5 km südöstlich von Kaş ins Meer und ist ein bei Hobbytauchern beliebter Ort. 60 m vor ihrer östlichen Küste liegt das Frachtschiff aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. am Meeresboden. 1984 begannen die Taucharbeiten um das antike Schiff, um archäologische Funde zu bergen. Während der Arbeiten ist das Wrack schließlich bis in 61 m Tiefe abgedriftet. Die geborgenen Funde sind in Bodrum im Unterwassermuseum zu besichtigen.

Umfang der Bergung

Die ersten gefundenen Gegenstände stellten sich als sogenannte Ochsenhautbarren heraus. Damit werden antike Rohkupferplatten bezeichnet, deren Form an die getrockneten Häute von Ochsen erinnert, eine damals übliche und weit verbreitete Form für den Metall-Transport, die das Tragen bzw. die Befestigung an Tragtieren und auf Schiffen erleichtert haben dürfte. Die Bergung weiterer Funde war durch die Lage an einem Abhang in bis zu 60 Metern Tiefe erschwert und erstreckte sich so auf den Zeitraum von 1984 bis 1994. Insgesamt waren mehr als 22.000 Tauchgänge mit über 6.600 Tauchstunden notwendig. Beteiligt waren amerikanische und türkische Forscher, geleitet durch den Unterwasserarchäologen George Fletcher Bass von der A&M University Texas (Institute of Nautical Archaeology, INA) und seinem türkischen Kollegen Cemal Pulak.

Die Bergung wurde nach zehn Jahren abgeschlossen, die wissenschaftliche Analyse und die Konservierung der enormen Fundfülle hält jedoch bis heute an.

Datierung

Über die gefundenen Artefakte, insbesondere der Keramiken, konnte der Zeitpunkt des Untergangs auf die späte Bronzezeit, genauer das Späthelladikum III A datiert werden. Das entspricht in der absoluten Chronologie dem 14. Jahrhundert v. Chr. Die C14-Datierungen und die Dendrochronologie weisen ebenfalls auf das Ende des 14. Jahrhunderts. Der gefundene Skarabäus der Nofretete (ca. 1360–1335 v. Chr.) verweist in den selben Zeitraum.

Die politische Lage zum Zeitpunkt des Untergangs

Östlicher Mittelmeerraum im 14. Jh. v. Chr.

Die Staatenwelt im östlichen Mittelmeerraum zum Zeitpunkt des Untergangs des Schiffes befand sich im steten Wandel: Die Hethiter waren auf dem Vormarsch und beherrschten fast ganz Anatolien, sie expandierten in Richtung Levante mit den nördlicher gelegenen Hafenstädten, etwa Ugarit, sowie nach Zypern. Das Reich von Mitanni war um 1335 v. Chr. dem hethitischen Großreich unterlegen und einverleibt worden. Der große Kontrahent der Hethiter waren die Ägypter des Neuen Reiches, genauer die 18. Dynastie, die ihrerseits den südlichen Teil der Levante mit den phönikischen Städten Byblos, Sidon, Tyros und anderen besetzt hatten. Die Ägypter waren gegen die Hethiter etwas in die Defensive geraten und hatten Teile Syriens verloren. Südöstlich des Hethiterreiches im Zweistromland bildete sich das assyrische Reich, noch weiter südlich das babylonische Reich. Das griechische Festland im Westen, die Inseln im ägäischen Meer und ein kleiner Teil Westanatoliens waren Teil des mykenischen Herrschaftsbereiches.

Fundgegenstände und Einordnung

Das Schiff hatte 354 Kupferbarren in Ochsenhautform und 121 plankonvexe (Brotlaibform) Barren (insg. ca. 10 Tonnen), Zinnbarren (ca. 1 Tonne), Blauglas, Terebinthenharz, Ebenholz, sowie Elfenbein an Bord. Daneben wurden Eicheln, Mandeln, Feigen, Oliven, Granatäpfel, Töpferwaren, sowie Schmuck aus Gold und Silber, Bronzewerkzeuge und Waffen an Bord gefunden.

Die meisten Gegenstände waren offensichtlich für den Export bestimmt, andere gehörten zum persönlichen Eigentum der Besatzung oder zur Schiffsausrüstung. Nach und nach fanden sich Keramik und Schmuck aus den kanaanitischen Stadtstaaten der Levante, Schmuck und Glas aus Ägypten, Kupfer von Zypern (die Herkunft konnte durch Bleiisotopenanalyse geklärt werden, Kupfer begründete das Aufblühen der zyprischen Kultur), Rollsiegel aus Assur, ein ägyptisches Siegel in Skarabäenform, Waffen und Keramik aus dem mykenischen Raum und sogar Bernstein von der Ostsee. Letzteres stellt den ersten Beweis dafür dar, das es bereits so früh eine bestehende Handelsverbindung gab. Die Waren wurden meist in Amphoren und Pithien transportiert. Drei Pithien waren mit Keramik aus Zypern gefüllt. Die Gefässe enthielten auch Oliven, Olivenöl, Granatäpfel und Pistazienharz, das vermutlich aus dem Toten-Meer-Gebiet stammte. Die 175 blauen und türkisgrünen Glaszylinderbarren kamen vermutlich aus dem syrisch-palästinensischen Raum. Das Glas stimmt verblüffend in seiner Zusammensetzung mit Funden aus Ägypten der 18. Dynastie und Perlenfunden aus Mykene überein und beweist, dass Glas in dieser Zeit im gesamten Ost-Mittelmeer gehandelt wurde. Solch farbiges Glas diente oft zur Imitation von Edel- und Schmucksteinen wie Lapislazuli, Türkis und Amethyst.

Unter den vorhandenen Luxuswaren sind afrikanisches Ebenholz, Elfenbein, Nilpferdzähne, Bergkristall, Achat und Fayence sowie drei Straußeneier zu erwähnen, sowie die zahlreichen Goldfunde. Neben kleinen Bruchstücken und Barren fand man typisch kanaanäischen Schmuck, darunter auch eine kleine Göttinnenfigur mit zwei Gazellen in den Händen, wahrscheinlich die Verkörperung der Astarte. Zu den wichtigsten Funden dieser Gruppe gehört ein goldener Skarabäus der ägyptischen Königin Nofretete. Er wird als der bedeutendste ägyptische Fund außerhalb Ägyptens angesehen, so dass Spekulationen darüber angestellt wurden, ob das Schiff eine diplomatische Mission hatte. Ein goldenes Pektorale (Halsschmuck) in Form eines Falken findet sich ähnlich ebenfalls aus Ägypten. Die Taucher fanden auch eine aufklappbare Holztafel. Solche zum Schreiben gedachten kleinen „Bücher“ sind in der Ilias des Homer erwähnt und hier zum erstenmal konkret gefunden worden. Auch wurden Fertigprodukte aus Elfenbein gefunden, so zwei entenförmige Behälter mit beweglichen Flügeln als Deckel. Sie dienten vermutlich der Aufbewhrung von Kosmetika und waren ein typisches Erzeugnis des syro-palästinensischen Handels. Viele tausend Perlen aus Bernstein, Achat, Karneol, Bergkristall, Gold, Bein/Knochen, Muscheln, Straußeneierschalen, Fayence und Glas wurden gefunden.

Auf dem Schiff fanden sich auch 149 Gewichte aus Stein und Bronze, mit denen Waren exakt abgewogen werden konnten. Sie waren in festgelegte Einheiten unterteilt und zum Teil in Tiergestalt ausgeführt. 24 schwere Steinanker konnten nur durch mehrere Besatzungsmitglieder gehoben werden, da sie bis zu 200 Kilogramm wogen. Diese Ankerform stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum, ist in der Ägäis aber unbekannt. Diese Anker dienten wohl u.a. als Ballast.

An persönlichem Besitz fanden sich neben Waffen aus dem nordgriechisch-thrakischen Raum auch eine vorderasiatische Schuppenpanzerrüstung, kanaanitische, italische und mykenische Schwerter. Daneben fand man ein Rasiermesser, einige Trinkbecher in Widderkopfform und mehrere offensichtlich benutzte Öllampen. Werkzeug wie Sicheln, Ahlen, Bohrer, Sägen usw. fanden sich ebenso wie Angelhaken, Netzgewichte, eine Harpune und ein Dreizack zur Nahrungsergänzung auf der Reise. Auch Brot wurde offensichtlich frisch gebacken, da sich eine Reibschale zum Mahlen von Getreide fand.

Die Funde belegen ausführlich Umfang und Bedeutung des Handels des 14. Jahrhunderts, der bislang nur aus Keilschriftquellen bekannt war. Das betrifft u.a. den Rohstoffhandel: die naturwissenschaftlichen Analysen zeigen, dass ein wichtiger Teil der Ladung, nämlich das Kupfer, von der Insel Zypern stammte, während die Herkunft des Zinns noch nicht geklärt ist. Das Zinn stellt bisher den ältesten Barrenfund, den wir kennen dar und beweist, dass auch Zinn in der gleichen Form gehandelt wurde wie Kupfer. Altassyrische Quellen legen nahe, dass Zinn bereits seit längerer Zeit damals aus dem Osten eingeführt wurde, vielleicht aus Zentralasien. Andere Forscher denken an das anatolische Taurusgebirge. Interessanterweise wurden die beiden Metalle im Verhältnis 10 Teile Kupfer und ein Teil Zinn gefunden, dem Mischungsverhältnis, das für die Herstellung von Bronze benötigt wird.

Das Schiff von Uluburun war offenbar ein Handelsschiff auf einer Rundroute im östlichen Mittelmeer und gilt somit als Nachweis einer regen Handelstätigkeit im Gebiet. Die Route selbst ist nicht restlos geklärt, da das Schiff Waren aus allen bekannten Gegenden der Zeit beherbergte. Es wird allerdings vermutet, dass es aus dem östlichen Mittelmeerbereich Levante, via Zypern unterwegs in die Ägäis war. Die Öllampen des Schiffes waren eindeutig levantinisch und deuten somit auf die Phönikischen Städte hin. Die Waffenfunde auf dem Schiff deuten auf die Mitreise zweier mykenischer Personen höheren Ranges, möglicherweise Abgesandte oder Diplomaten eines mykenischen Palastes zur Begleitung und Bewachung der Ladung.

Das Schiff

Das Schiff gilt als das älteste bekannte Überseeschiff und wurde aus Zedernholz, nach einigen Quellen aus Pinienholz, und Klammern aus Eiche gefertigt. Es war etwa 15 Meter lang und 5 Meter breit. Die Steinanker und die Verteilung der Ladung deutet auf eine Traglast von 20 Tonnen hin. Allerdings ist nicht bekannt, wieviel Ladung abhanden kam, so dass jede Schätzung der Tragfähigkeit unsicher bleibt. Leider sind vom Rumpf nur wenige Reste (etwa 3%) erhalten. Das ursprüngliche Aussehen konnte aber anhand von Abbildungen rekonstruiert werden. Die türkische Gruppe 360 Derece (360 Grad) baute die Uluburun II, einen Nachbau des Originals, der sich als absolut seetüchtig erwies. Sie kreuzte bereits einige Monate im Mittelmeer und dem Schwarzen Meer. Angetrieben wird dieser Nachbau durch ein rechteckiges Segel, dabei erreicht er Geschwindigkeiten bis zu sieben Knoten, manövriert wird mit zwei Steuerrudern. Wenn dieser Nachbau nicht auf den Meeren unterwegs ist befindet er sich im Museum in Bodrum. Eine weitere Rekonstruktion findet sich momentan in der Ausstellung in Bochum.

Bedeutung

Die gefundene Vielfalt an Objekten der unterschiedlichsten Herkunft ist bisher einmalig. Bisher war die Wissenschaft auf schriftliche und bildliche Überlieferungen angewiesen, um das damalige Wirtschaftssystem und den Handel der späten Bronzezeit zu rekonstruieren. Nun ist bewiesen, das alle damaligen Staaten an diesem Handel teilnahmen, es existierte ein weit gespanntes Handelsnetz, das sogar so entfernte Regionen wie die Ostsee mit einbezog. Funde aus dem östlichen Mittelmeerraum, wie z. B. die Ochsenhautbarren fanden sich andererseits auch in Süddeutschland und Südfrankreich.

Wissenschaftliche Fragestellungen

Aufgrund der ungewöhnlichen Fülle an Fundgegenständen lässt sich ein ganzer Katalog an wissenschaftlichen Fragestellungen erörtern:

  • Wie sah der Seehandel in Umfang und Detail im 14. Jahrhundert v. Chr. aus?
  • Wer waren die Auftraggeber der Handelsfahrt?
  • Gab es nur ein Ziel oder ein ständiges Pendeln an der Küste entlang, verkaufte das Schiff dort in jedem Hafen Waren und nahm neue auf (große Vielfalt der Güter)?
  • War das bereits Fernhandel oder sogenannter Etappenhandel?
  • Wer waren Schiffseigener, Händler und Käufer?
  • Woher kamen die Güter? Woher stammten die Metalle, das Elfenbein, Ebenholz und Bernstein?
  • Was war der Grund für den Untergang? Ein Sturm?

Museale Aufbereitung

Das Wrack und die Funde befinden sich heute im Museum für Unterwasserarchäologie in Bodrum (Türkei). Das Museum ist angegliedert an die Kreuzritterburg Bodrum. Mit dem originalgetreuen Nachbau des Schiffes werden Reisen zu Forschungszwecken im Mittelmeer unternommen.

Vom 16. Oktober 2005 bis 16. Juli 2006 findet im Deutschen Bergbau-Museum Bochum eine Sonderausstellung über das Wrack statt.

Literatur

  • Ünsal Yalcin, Cemal Pulak, Rainer Slotta (Hrsg.): Das Schiff von Uluburun – Welthandel vor 3000 Jahren. Katalog zur Ausstellung. Deutsches Bergbaumuseum, Bochum 2005, ISBN 3937203184.
  • Manfred Linden, Ünsal Yalcin, Cemal Pulak: Vom Meeresgrund ins Rampenlicht. In: Archäologie in Deutschland. Konrad-Theiss-Verlag, Stuttgart 2006,1, S. 14–19, ISSN 0176-8522.
  • Ünsal Yalcin: Export – Import. In: Abenteuer Archäologie. Kulturen, Menschen, Monumente. Spektrum der Wissenschaft Verl.-Ges., Heidelberg 2006,1, S. 52ff., ISSN 1612-9954.

Weblinks