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Bergpark Wilhelmshöhe

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Historische Karte um 1810

Der Bergpark Wilhelmshöhe ist der größte Bergpark Europas und einer der bedeutendsten Landschaftsparks Deutschlands. Er liegt im Westen von Kassel, am Osthang des Habichtswaldes.

Der Park erstreckt sich in West-Ost Richtung von einem hochgelegenen Bergkamm mit dem sogenannten Herkules und den Kaskaden bis hinunter zum Schloss Wilhelmshöhe. Um 1700 begann der Bau der Anlage, deren Erweiterung sich über einen Zeitraum von etwa 150 Jahren hinzog. Bauherren waren die Landgrafen und Kurfürsten von Hessen-Kassel.

Der Bergpark Wilhelmshöhe ist einmalig in der Geschichte der europäischen Gartenkunst: Italienische Gärten des Barock waren auch an Berghängen, in Terrassenform, angelegt, umfassten jedoch nie ein so großes Areal, und französische Barockparks erstreckten sich lediglich in der Ebene. Die heutige Form des Bergparks Wilhelmshöhe, besonders im unteren Bereich, ist jedoch kein Barockgarten, sondern folgt den Ideen des englischen Landschaftsparks. Bekannt ist die Anlage heute insbesondere aufgrund der Wasserspiele im Park, sie ist jedoch mehr: ein Abbild der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte.

Geschichte und Bauphasen

Schloß Wilhelmshöhe
Herkules
Schloss Wilhelmshöhe

Am Ort des heutigen Bergparks befand sich im 17. Jahrhundert ein bewaldeter Hang des Habichtswaldes, etwa fünf Kilometer westlich - und damit weit außerhalb - der damaliger Kasseler Stadtgrenze. An der Stelle des jetzigen Schlosses Wilhelmshöhe war im Jahr 1143, von Mainz aus, das Kloster Weißenstein der Augustinermönche gegründet worden. Es bestand ab 1193 als Frauenkloster und wurde nach der Reformation in Hessen (um 1517/1518) aufgelöst. Die verbliebenen Gebäude nutzte Landgraf Philipp I. als Jagdsitz. 1606 bis 1610 erbaute Landgraf Moritz von Hessen-Kassel dort ein Jagdschloss, das weiterhin den Namen Weißenstein trug. Der Bergpark entstand ab 1696 in barocker Form unter Landgraf Karl und wurde bis weit in das 19. Jahrhundert nach den jeweils aktuellen Vorstellungen fortentwickelt. Dabei waren insbesondere zwei Bauphasen wichtig, die den Park heute prägen:

Der barocke Karlsberg ab 1700
Im Jahr 1701 wurde mit dem Bau des hochgelegenen Herkules und den vorgelagerten Kaskaden begonnen. Landgraf Karl und sein italienischer Architekt Francesco Guerniero schufen eine 250 Meter lange Wasserachse nach dem feudalen Zeitgeschmack des Barock, die im Jahr 1714 zum ersten Mal mit Wasserspielen öffentlich präsentiert wurde. Ursprüngliche Planungen, dieses Bauwerk bis hinunter zum Schloss weiterzuführen wurden nicht umgesetzt und der untere Bereich, also dreiviertel des Berghanges wurde bis Ende des 18. Jahrhunderts zunächst nur geringfügig umgestaltet. Die Anlage trug damals noch den Namen Karlsberg.

Die romantische, englische Wilhelmshöhe ab 1785
Unter Landgraf Wilhelm IX. (später Kurfürst Wilhelm I. von Hessen-Kassel) begann nach dessen Regierungsantritt im Jahr 1785 eine große Umbau- und Erweiterungphase in dem Bereich zwischen den Kaskaden und dem Schloss. Gleichzeitig wurde Schloss Weißenstein ab 1786 abgerissen und als Schloss Wilhelmshöhe nach den klassizistischen Entwürfen von Simon Louis du Ry neu gebaut. In der Gartengestaltung hatten sich die Ideale inzwischen von "französischer Strenge" zu "englischer Natürlichkeit" verlagert: statt gerader barocker Achsen spielten überraschende Wegeführung und Aussichtspunkte die neue Hauptrolle. Im Rahmen der Umgestaltungs- und Erweiterungsmaßnahmen ab 1785 entstanden die Bauten von Heinrich Christoph Jussow, die das Gelände bis heute prägen. Von Jussow, dem Gartenarchitekten des Landgrafen, stammt mit der Löwenburg (1793 bis 1800) eines der wichtigsten Gebäude im Bergpark. Er entwickelte den Schlossteich (1785 bis 1791), den heutigen Lac, und erweiterte die Wasserspiele durch Bauwerke wie den Fontänenteich (1789/90) und die Teufelsbrücke mit dem Höllenteich (1792/93). Jussow entwarf auch den faszinierenden Aquädukt (1788 bis 1792), das architektonische Zitat einer verfallenen römischen Wasserleitung, von deren Höhe das Wasser in eine 43 Meter tiefer gelegene Schlucht stürzt. Eine wichtige Rolle als Gestalter von Park und Wasserspielen hatte auch der "Brunneninspektor" Karl Steinhöfer (1747 - 1829), auf ihn geht der heutige Steinhöfer Wasserfall (früher "Waldwasserfall", 1793) und der Neue Wasserfall zurück. Hofgärtner dieser Jahre war Daniel August Schwarzkopf, er drückte die Ziele der Parkneugestaltung so aus:

Fast die allermeisten Spazier-Gänge haben ihre Absicht und führen nach einem gewissen Gegenstand hin, welche allemal die Mühe des Spazier-Ganges belohnen. Ein Kenner und Freund der Natur wird in der Anlage selbst Plätze finden, welche ihren besonderen Reiz und Schönheit zu jeder Tageszeit haben. Man findet angenehme Plätze vor dem Morgen und vor dem heißen Mittag, die vor dem Abend sind fast noch die schlechtesten, weil durch die Einfassung durch hohe Gebürge gegen Westen die Wirkung der untergehenden Sonne nicht recht empfunden werden kann. Alle Spazier-Gänge sind guth und feste gemacht, mit Sand und Grant belegt, werden guth unterhalten und die Reinlichkeit sehr strenge beobachted, ja sogar die Chauseen werden wie Garten Wege unterhalten. (zitiert nach Lit.: Heidelbach, 1909)

1806 bis 1866
1806 erreichten die europäischen Umwälzungen den Bergpark Wilhelmshöhe: Die Truppen Napoleons standen vor Kassel und vertrieben Kurfürst Wilhelm I. Nepoleons jüngster Bruder, Jérôme Bonaparte, regierte von Schloss und Bergpark aus das neugeschaffene Königreich Westphalen. Die napoleonischen Jahre wurden von einigen Kasselern als Besatzung, von vielen jedoch als Befreiung empfunden. Von den Chronisten der Wilhelmshöhe - jetzt in "Napoleonshöhe" umgetauft - wird diese Episode als Zeit zahlreicher öffentlicher Festivitäten beschrieben und von Jérôme der Beiname "König Lustik" überliefert. Baumaßnahmen dieser Jahre waren die Erweiterung des Schlosses - die bisherigen drei Einzelflügel wurden durch Zwischenbauten verbunden - sowie der Naubau des Ballhauses unmittelbar neben dem Schloss.

Im Jahr 1813, nach der Niederlage Napoleons, kehrt der geflüchtete Kurfürst Wilhelm I. zurück nach Kassel und in den Bergpark. Sein Nachfolger Wilhelm II., ließ 1826 mit dem Neuen Wasserfall das letzte große Bauwerk der Wasserspiele anlegen. Der auf ihn folgende Friedrich Wilhelm I. symphatisierte im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 mit Österreich. Da nutzten auch die verwandtschaftlichen Beziehungen zum preußischen Hof nichts mehr: Nach dem militärischen Sieg Preußens wurde dieser inhaftiert und die jahrhunderte währende Geschichte des Herrscherhauses von Hessen-Kassel, der Bauherren des Bergparks, war abgeschlossen.

1866 bis 1918
Kassel wurde preußische Provinzhauptstadt und der Ausbau des Bergpark Wilhelmshöhe damit endgültig beendet, stattdessen wurde er 1870 kurzzeitig zum Staatsgefängniss des neuen Deutschen Reiches: Der im Deutsch-Französischen Krieg unterlegene Kaiser Napoleon III. war als Gefangener auf Schloss Wilhelmshöhe interniert.

Ab 1899 nutzte der deutsche Kaiser Wilhelm II. Schloss Wilhelmshöhe als jährliche Sommerresidenz. Schloss und Park bildeten damit in den folgenden Jahre wieder einen Handlungsort der europäischen Politik. 1918, nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, organisierte und leitete Paul von Hindenburg vom Schlosshotel in Wilhelmshöhe aus Rückzug und Demobilisierung der deutschen Truppen und damit letztendlich auch das Ende der Monarchie in Deutschland.

Heute
Im 20. Jahrhundert erfolgten keine zeitgenössischen Ausbauten oder Erweiterungen der eigentlichen Parkanlage. Es fanden ausschließlich konservatorische Maßnahmen statt, die die vorhandene Substanz des 18. und 19. Jahrhunderts bewahren sollten. Zusätzlich kam es zu Infrastrukturbauten in Form von Straßen und Parkplätzen die eine problematische Beeinträchtigung des Bergparks darstellen.

Momentan werden seitens der Landesregierung von Hessen Umbaupläne für die Museen in Kassel vorangetrieben, um deren Besucherattraktivität zu steigern. Davon ist zum Teil auch der Bergpark betroffen, wobei auch die seit 1986 bestehende Bewerbung zum Weltkulturerbe befördert werden soll.

Der Park

Blick von Süden auf den Lac im Hintergrund Schloss Wilhelmshöhe

Die Gesamtgröße des Bergparks wird mit 240 Hektar angegeben (das sind ca. 350 Fußballfelder), es finden sich aber auch Größenangaben, die bis zu 300 Hektar reichen. Vor allem im oberen, westlichem Bereich ist der Park nicht klar abgegrenzt. Die gestaltete Landschaft geht stattdessen fließend in den Baumbestand des umgebenden Habichtswaldes über. Die Größe des Bergparks, die komplexe Topografie, das ausgedehnte Wegenetz und der Einfluss von Wetter und Jahreszeiten führen dazu, dass sich selbst langjährigen Parkbesuchern bei jedem Aufenthalt neue Eindrücke und Ausblicke bieten können.

Als Teil der barocken Gesamtkonzeption Bergpark-Wilhelmshöhe kann auch die Wilhelmshöher Allee betrachtet werden. Sie wurde als kilometerlange, schnurgerade Ost-West-Achse vom damaligen Stadtrand Kassels zum Schloss Wilhelmshöhe und damit auch in Ausrichtung zum Herkules angelegt. Eine weitere Achse, die Rasenallee führt direkt aus dem Park zum Schloss Wilhelmsthal.

oben und unten

Zwischen dem höchsten Punkt des Bergparks, dem Karlsberg mit dem Herkules und dem Schloss Wilhelmshöhe im unteren Teil des Parks liegt eine Höhendifferenz von ca. 250 Metern.

Dieser Höhenunterschied ist für den Parkbesucher unmittelbar erlebbar: Am Herkules ist es meist etwas kühler und oft auch windiger, als am tiefer und geschützter liegendem Schloss. Die Topografie bildet sich aber auch in der Vegetation ab: Oben, am Karlsberg wirkt die Bepflanzung karg, beinahe eintönig, Nadelbäume überwiegen. Nach unten hin nimmt die Zahl der Baumarten zu, bis die Vegetation am Schlossteich, dem Lac, der nochmals etwas tiefer als das Schloss liegt, vielfältig und fast tropisch wirkt.

Bäume

Den Schwerpunkt der Bepflanzung im Bergpark Wilhelmshöhe bilden weniger Blumen als vielmehr Gehölze, also Sträucher und vor allem Bäume. Fast schon eine Ausnahme bilden die Rosen auf der im Lac gelegenen Roseninsel.

Die dominierende Rolle der Bäume und Sträucher geht bereits auf das späte 18. Jahrhundert zurück, als der Park nach dem Vorbild des englischen Landschaftsparks umgestaltet wurde. Viele verschieden Baumarten aus unterschiedlichen Herkunftsländern zu pflanzen und damit auch zu sammeln war eine Zeiterscheinung, die dem aufkommenden naturkundlichem Interesse entsprang. 1777 wurden bereits 329 Arten gezählt, davon 128 aus Nordamerika. Ein Verzeichnis aus dem Jahre 1785 führt dann schon 431 Arten an. Die ersten Gehölze aus fremden Kontinenten stammten überwiegend von der nordamerikanischen Ostküste. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts vermehrt auch von der amerikanischen Pazifikküste und ab Mitte des 19. Jahrhunderts aus Asien. Bis heute prägt der vielfältige Baumbestand aus allen Erdteilen den Park, auch wenn das meiste davon Neuanpflanzungen sind. Ca. 500 unterschiedliche Gehölze des Bergparks sind nummeriert und in einem dendrologischen Führer erfasst (siehe Lit.: Hoffmann und Mielke, 1994).

Wasser und Wasserspiele

Wasserspiele - Aquädukt
Wasserspiele - Große Fontäne
Beleuchtete Wasserspiele - Aquädukt
Datei:WasserspieleKasselNachts.jpg
Beleuchtete Wasserspiele - Herkules und Kaskaden
Ballhaus
Großes Gewächshaus
Pagode von Mou-lang

Ein wichtiges Element im Bergpark Wilhelmshöhe ist das Wasser. Man begegnet ihm in Form von gefassten Wasserbecken oder scheinbar natürlicher Seen, als Bachlauf und als Wasserfall. Besonders in der Hauptachse des Parks ist Wasser immer präsent, sichtbar und oft auch hörbar.

Ständig fließt das Wasser den Berghang hinab, am Schloss vorbei, Richtung Schlossteich, dem Lac. Bauherren und Architekten ließen dafür sorgen, dass sich auf Wunsch auch gewaltige Mengen den Hang hinunter ergießen können. Dafür wird auf den Höhen des Habichtswaldes Regenwasser in Speicherbecken gesammelt. Dieses Wasser passiert dann, auf seinem Weg den Berg hinunter, in einer komplexen Choreografie eine Reihe von einzig und allein zu diesem Zweck errichteter Bauwerke. Von diesen ist der Neue Wasserfall nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg nicht wieder in den Ablauf eingebunden worden. Zudem wird der Steinhöfer Wasserfall zur Zeit (2005) saniert und daher nur einmal im Monat "bespielt".

Die Wasserspiele im Bergpark Wilhelmshöhe
Heute finden in den Sommermonaten, von Anfang Mai bis Ende September, zweimal wöchentlich, Mittwochs und Sonntags, die sogenannten Wasserspiele statt (ursprügl. und teilweise auch heute wieder als Wasserkünste bezeichnet). Jeden ersten Samstag im Monat außerdem "beleuchtete Wasserspiele", bei denen farbige Scheinwerfer die einzelnen Orte markieren. Diese Wasserspiele wurden im Zuge der Errichtung des Herkules ab 1701 und der Erweiterungen ab 1785 über ein detailreich ausgeklügeltes System angelegt. Es ergießen sich dabei über Kaskaden, Kanäle und andere Bauwerke im Laufe von ungefähr einer Stunde ca. 1200 Kubikmeter Wasser durch den Bergpark bis hinunter zum Schloss Wilhelmshöhe. Die Wasserspiele basieren noch immer auf der jahrhundertealten Technik, funktionieren ausschließlich mit dem natürlichen Gefälle und kommen daher völlig ohne Pumpen aus. Es existieren zwei unterschiedliche Wasserwege, die manuell bedient, beziehungsweise geöffnet werden, wozu sechs bis sieben Personen notwendig sind. An den einzelnen Orten benötigt das Wasser etwa zehn Minuten, um diese komplett zu passieren. Der Ablauf ist so konzipiert, dass die Besucher das Wasser und seinen Lauf von oben nach unten begleiten und alle einzelnen Stationen betrachten können.

Ausgangspunkt der Wasserspiele ist der Herkules, beziehungsweise die dem Bauwerk vorgelagerten Kaskaden. Den nächsten Ort bildet der Steinhöfer Wasserfall und die Teufelsbrücke, genauer der Wasserfall, der sich unter ihr in den Höllenteich ergießt. Darauf folgt der Sturz der Wassermassen vom Aquädukt. Den Schlusspunkt markiert die Große Fontäne, im Fontänenteich am Schloss Wilhelmshöhe, die ebenfalls nur durch natürlichen Wasserdruck von über acht Bar erzeugt wird und bis zu 52 Meter Höhe aufsteigt. Die Veranstaltung zieht - insbesondere bei gutem Wetter im Hochsommer und Sonntags - teilweise bis zu mehrere Tausend Besucher an. Wer eine ruhigere Atmosphäre bevorzugt, dem sei der Mittwoch-Termin und eine eher "ungünstige" Wetterlage in der Früh- oder Spätphase, also im Mai oder September empfohlen.

Gebäude im Bergpark

Keimzelle des gesamten Bergparks war das Schloss Wilhelmshöhe. An der Stelle des früheren Kloster Weißenstein der Augustinermönche ließ Landgraf Moritz von Hessen-Kassel 1606 bis 1610 ein Jagdschloss erbauen.

Siehe dazu den Fachartikel Schloss Wilhelmshöhe

Den westlichsten und höchstgelegenen Punkt des Parks bildet der von 1701 bis 1717 entstandene Herkules. Das Bauwerk gilt heute als das Wahrzeichen von Kassel und liegt - schon von Weitem sichtbar - auf einem Bergkamm des Habichtswaldes. Die dem Herkules vorgelagerten Kaskaden sind der Ausgangspunkt der Wasserspiele.

Siehe dazu den Fachartikel Herkules

Am Rande des Bergparks liegt die Löwenburg. Sie entstand nach Entwürfen von Heinrich Christoph Jussow in der Zeit von 1793 bis 1800. Die Löwenburg ist die Nachahmung einer mittelalterlichen englischen Ritterburg und wurde, romantisch historisierend, bewusst als verfallende Teilruine erbaut.

Siehe dazu den Fachartikel Löwenburg

Neben dem Schloss Wilhelmshöhe befindet sich das Ballhaus. König Jérôme von Westfalen, der jüngste Bruder von Napoleon, ließ es 1809/1810 als Hoftheater von Leo von Klenze erbauen. Der klassizistische Pavillon ist das erste Werk des später berühmten Architekten. 1828 bis 1830 wurde es unter Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Cassel von Johann Conrad Bromeis in einen Ballsaal umgewandelt. In unmittelbarer Nähe findet sich auch das Große Gewächshaus. Es ist eine der ersten Stahl-Glas-Konstruktionen überhaupt und wurde 1822 nach Plänen von Bromeis errichtet. Bauherr war Kurfürst Wilhelm II.

Die Pavillons

Das architektonische Element des Pavillons hat in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. Doch vor allem in der Gartenkunst des Barocks erhält er (abgeleitet vom französischen Wort "papillon", Schmetterling) eine zentrale Funktion und nimmt eine Vermittlerposition zwischen Architektur und Natur ein. Im Bergpark finden sich zahlreiche kleine Pavillons, denen sich keine unmittelbare Funktion zuordnen lässt. Sie liegen meist etwas abseits der Hauptachse, an der Grenze zum ungestalteten Wald. Jeder Pavillon ist einzigartig, zitiert die Kunst- und Kulturgeschichte und markiert einen besonderen Aussichtspunkt in der Parklandschaft.

Eine Sonderolle nimmt das "chinesische Dorf" Mou-lang ein, dessen Überreste am südlichen Rande des Bergparks, auf dem Hang oberhalb des Lac liegen. Erbaut wurde das Ensemble ab 1781 von Landgraf Friedrich II., erneuert und weiterentwickelt von Wilhelm IX. (Wilhelm I.). Mou-lang war einerseits eine zeitgenössische Chinoiserie, das "Dorf" und seine "Bewohner" dienten jedoch auch landwirtschaftlichen Zwecken.

Der Bergpark, die Stadt und die Bürger

Der feudale landgräfliche Park ist inzwischen im Besitz des Landes Hessen und für jedermann jederzeit frei zugänglich. Die Lage des Bergpark Wilhelmshöhe - früher weit vor, heute am Rande der Stadt - führt jedoch dazu, dass das Gelände bis heute kein städtischer "Bürgerpark" ist: Die Besucher des Parks halten sich dort bewußt auf, sind extra angereist und durchqueren ihn nicht nur zufällig. Nach Einbruch der Dunkelheit ist der in den Kernzonen unbeleutete Park (lediglich Schloss und Herkules werden angestrahlt) in der Regel menschenleer.

Für die Stadt Kassel bildet der Bergpark mit Schloss und Herkules eine wichtige Sehenswürdigkeit, die im Rahmen ihres Tourismusmarketing herausgestellt wird. Das Gelände lockt an historischer Gartenarchitektur interessierte Besucher selbst aus dem asiatischen Raum an den Hang des Habichtswaldes. Der Park spricht jedoch auch Menschen an, für die seine kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung keine Rolle spielt, seine Wasserflächen und Wasserläufe faszinieren selbst Kinder.

Der Bergpark Wilhelmshöhe bildet heute die Kulisse für unterschiedlichste Veranstaltungen und Aktivitäten: Die Bundeswehr nutzte den Park bereits für öffentliche Rekrutengelöbnisse. Künstler für Ausstellungen, wie die nächtlichen Licht(e)wege in den Jahren 2002 und 2005. Aber auch einzelne Bürger eignen sich das Gelände - oft inoffiziel - an: Während einige den Park für mittelalterliche Rollenspiele benutzen, trommeln andere regelmäßig in den sommerlichen Vollmondnächten. Als traditionelle winterliche Institution gilt das Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenem Lac und das Rodeln am Schlosshang.

Literatur

  • Paul Heidelbach, Die Geschichte der Wilhelmshöhe. Klinkhardt & Biermann, Leipzig, 1909
  • Marianne Bolbach, Geschichte und soziale Bedeutung des Bergparks Wilhelmshöhe, Kassel, 1988
  • Alfred Hoffmann und Herrmann Mielke, Kassel - Schlosspark Wilhelmshöhe - Bäume und Sträucher, Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten, Bad Homburg vor der Höhe, 1994 (3. überarbeitete Aufl.)

Weblinks