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Carrara-Marmor

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Weißer Marmor aus Carrara. Das Muster ist ca. 13  cm hoch
Steinbruch bei Carrara in den apuanischen Bergen im Bacino di Fantiscritti

Carrara-Marmor ist einer der bekanntesten Marmore weltweit. Carrara-Marmor ist der Oberbegriff für mehr als 50 unterschiedliche Handelsnamen, die je nach Steinbruch, Tradition, Güte und Konvention, wie z. B. Carrara-Marmor C, Ordinario, Venato, Calacatta usw. benannt werden. Carrara ist keltisch und heißt Steinbruch. Carrara ist eine Stadt in der italienischen Provinz Massa-Carrara und liegt in der Region Toskana.

Carrara-Marmor wird bereits seit Ende der römischen Republik abgebaut. Erst der Renaissance-Bildhauer Michelangelo verschaffte diesem Marmor Berühmtheit. Durch ungünstige wirtschaftliche und politische Verhältnisse sowie durch Kriegseinflüsse blieb die Marmorproduktion in Carrara jahrhundertelang hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Gewinnung der schweren Steinblöcke war bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts überaus mühselig und aufwändig und erst technische Neuerungen, wie die mit Dampf, Dieselkraftstoff und elektrischer Energie angetriebenen Steinbearbeitungsmaschinen, ermöglichten den Abbau in großem Umfang. Dadurch wurde Carrara zum internationalen Zentrum der Marmorbearbeitung. Anfang der 1960er Jahre gelang es, die Produktion der Nachfrage anzugleichen, als die Steinbrüche in exponierter Lage durch ein Netz von Straßen erschlossen wurden.

Entstanden ist Carrara-Marmor vor 30 Millionen Jahren, weil sich die Kontinentalplatten von Afrika und Europa aufeinander zu bewegten und zu den apuanischen Alpen aufwölbten. Dabei wurden die Calcit-Ablagerungen aus abgestorbenen Meeresorganismen unter hohem Druck zusammengepresst und die dadurch bedingten sehr hohen Temperaturen zu Marmor verändert.
Neben einer Verwendung für Bildhauerarbeiten und Denkmäler wird Carrara-Marmor heute vor allem als Boden- und Treppenbeläge und Fensterbänke im Innenausbau sowie als Natursteinfliesen in Bädern verbaut.
Die Steinbildhauer verwenden wie früher den legendären und teuren Statuario.

Steinbildhauer und Bauwerke

Aus den Steinbrüchen der Berge Carraras haben Michelangelo, Gian Lorenzo und Luigi Bernini, Pisano, Donatello, Canova und weitere bekannte Bildhauer ihre Marmorblöcke bezogen. Carrara-Marmor wurde im Dom von Florenz, im Campanile von Pisa, im Petersdom zu Rom, im ehemaligen World Trade Center in New York, in Kasinos von Las Vegas und als Außenverkleidung an der Finlandia Hall in Helsinki und am Grande Arche de la Défense in Paris verbaut.

Geschichte

Trajanssäule

Römische Zeit

Carrara-Marmor wurde etwa ab 50 v. Chr. von den Römern gebrochen, nachdem sie die Bewohner der apuanischen Berge im Zweiten Punischen Krieg niedergeworfen hatten. Laut Plinius dem Älteren war Mamurra, der praefectus fabrum Caesars im gallischen Krieg, der erste, der im Jahr 48 v. Chr. sein Haus ganz aus Marmor errichten ließ und dafür, neben karystischem, auch lunensischen Marmor benutzte.[1] Der Begriff lunensisch geht auf die römische Kolonie Luna zurück. Carrara-Marmor wurde ab dem letzten Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. zum üblichen Baumaterial der Prestigebauten Roms.[2] Zuvor importierten die Römer vor allem griechischen Marmor aus Paros. Carrara-Marmor wurde in römischer Zeit sowohl in der Architektur als auch in der Skulptur weit verbreitet eingesetzt. Als Beispiele der Architektur seien der Dioskurentempels auf dem Forum Romanum, das Augustusforum und die Trajanssäule auf dem Trajansforum, die aus 18 Marmorblöcken besteht, genannt; aus dem Bereich der Skulptur sei auf die Laokoon-Gruppe verwiesen, deren berühmte römische Kopie aus Carrara-Marmor gefertigt wurde.

In der Nähe des heutigen Carrara gründeten die Römer die Siedlung Luni und einen Hafen, dessen Ausgrabungen besichtigt werden können. In Luni wurden von Arbeitern und Sklaven die Oberflächen der Steinblöcke grob bearbeitet, um sie für die Verschiffung vorzubereiten. Der Fluss Magra versandete (der archäologische Ort Luni liegt heute etwa zwei Kilometer vom Meer entfernt) und behinderte den weiteren Marmorhandel. Diese Schwierigkeiten und Überfälle der Langobarden im Jahre 640, sarazenischer und normannischer Piraten im 9. und 10 Jahrhundert führten zum Niedergang von Luni.[3] Die Phokas-Säule auf dem Forum Romanum aus dem Jahre 608 war vermutlich das letzte römische Werk aus lunensischem Marmor.[4] Der Ort Luni wurde endgültig im 13. Jahrhundert aufgegeben.

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Um 1000 gründeten Bauern den Weiler Cararia. Gegen 1250 könnte die Wiedereröffnung der Steinbrüche für den Bau der Pfarrei von Carrara erfolgt sein, da hierfür Marmor benötigt wurde.[5] Einen Anstoß zum Wiederaufleben des Marmorhandels gaben Aufträge Genueser Kaufleute für Säulen, Kapitelle und Platten. Sie betrieben damit einen schwunghaften Handel im Mittelmeerraum. Den Ausschlag zur Wiederinbetriebnahme der Marmorsteinbrüche gaben vor allem die Aufträge von Niccolò Pisano für den Dombau in Pisa.

Statue von Niccolò Pisano in den Uffizien, Florenz
Evangelist Johannes von Donatello
David von Michelangelo aus Carrara-Marmor

Am Ende der italienischen Romanik war es üblich geworden, dass die Bildhauer ihre Rohblöcke in den Bergen Carraras selbst aussuchten. Diese Rohblöcke wurden an den Aufstellungsbauort transportiert, wo sie bearbeitet wurden. Die Rohblöcke wurden, nachdem sie mit der Lizzatura (siehe weiter unten) zur Tale gebracht waren, mit zweirädrigen (sogenannte carrette) oder vierrädrigen (sogenannte currus) Karren mit Ochsengespannen transportiert. Dabei errechnete man, dass jedes Ochsenpaar in der Ebene circa 800 Kilogramm ziehen konnte. Die Anzahl der Ochsenpaare wurde zur Berechnung der Transport- und Zollkosten herangezogen.[6]

Der Renaissance-Bildhauer Michelangelo, der den David, die Pietà, den Moses und andere berühmte Skulpturen aus dem Bildhauermaterial Statuario schuf, verhalf diesem Stein zu seiner Berühmtheit.

Kunstinteressierte aus Europa reisten zu den Marmorskulpturen der Renaissance und berichteten in ihren Heimatländern davon. Die italienischen Städte Florenz, Rom und Neapel waren zwar Abnehmer des Marmors, aber der Absatz in Italien blieb im Verhältnis zm Absatz in England, Frankreich und Spanien gering. Italien war, wie Deutschland auch, in Kleinstaaten zersplittert und die Zollabgaben waren immens. Der Transport stellte nicht nur wegen der Größe der Steinblöcke ein technisches Problem dar und die Frachtkosten überstiegen die Kosten für die Steine erheblich.

Die Besitzer der Steinbrüche in Carrara erhielten durch den Zwischenhandel nur einen Bruchteil der Erlöse, die im Marmorhandel erzielt wurden. Die genuesischen Kaufleute, die den Vertrieb dominierten, prägten den Spruch: „Marmor ist weißes Gold“. Der Betrieb der Steinbrüche war finanziell unattraktiv geworden, einige wurden aufgegeben. Carrara versuchte im 16. Jahrhundert mit geringem Erfolg den weißen Marmor direkt zu vermarkten. In Folge dieser Absatzkrise wurde nicht nur das Einkommen, sondern auch das Selbstbewusstsein der Steinmetzen und Steinarbeiter beeinträchtigt. Selbst die Steinbildhauermeister hatten keine meisterliche Arbeit mehr. Sie mussten in Gruppen in den Werkstätten der Steinbruchbesitzer arbeiten und veredelten Mörser und kleine Säulen für Balustraden, aber auch Sarkophage, Vasen und Ölgefäße. Ein anderes Produkt, das gänzlich in Hausarbeit, auch unter Mithilfe von Frauen und Kindern, gefertigt wurde, waren Bodenfliesen aus Marmor. Diese wurden direkt von Genueser Kaufleuten übernommen, die das Monopol auf den Vertrieb innehatten.

In der Barockzeit kam es für weiße Marmore zu einer verringerten Nachfrage, da bunte und gesprenkelte Kalksteine und Marmore bevorzugt wurden.[7]

Klassizismus

In der Zeit des Klassizismus besann sich Europa wieder auf weißen Marmor. 1769 wurde die Accademia di Belle Arti di Carrara, eine Bildhauerschule, gegründet. Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa blieb die Erweiterung des Marmorhandels eingeschränkt. Nach der Besetzung Carraras durch die napoleonischen Truppen, die die österreichische Besatzung vertrieben, kam es 1800 zum Erliegen der Produktion. Nach dem Abzug der Franzosen stieg die Marmorproduktion wieder an und 1857 gab es 600 Steinbrüche. Nicht nur Italiener, auch Franzosen, Schweizer und Engländer waren am Aufbau der Marmorindustrie beteiligt. Um 1815 erfand ein italienischer Arbeiter, Giuseppe Perugi, die Steinsäge mit mehreren Sägeblättern, die erste Gattersäge für Naturstein, die von schnelllaufenden Wasserrädern angetrieben wurde. Diese Technologie verbesserte der Schweizer Carlo Müller und 1831 konstruierte der Franzose Nerier acht Eisengestelle, die es ermöglichten, mehrere großformatige, einen Zentimeter dünne Marmorplatten herzustellen. Dieses Verfahren wurde 1867 bei der Weltausstellung in Paris prämiert.[8] Im Jahr 1870 gab es schon 40 Sägereien dieser Art in Carrara, 15 in Massa, 26 in Seravezza.[9] 1895 fand in Carrara erstmals Spiraldraht, der von Dieselmotoren angetrieben wurde, zum Heraussägen der Steinblöcke im Steinbruch Einsatz. Die Stahlseile waren Hunderte von Metern lang und wurden über Umlenkrollen durch die Steinbrüche geführt, um sie abzukühlen. Später wurden die Dieselmotoren durch Elektromotoren ersetzt. Mit den Seilsägen konnte der Sprengmitteleinsatz minimiert werden, der zu den gewaltigen Gesteins-Schutthalden führte, die bis heute als der Schnee der Berge Carraras zu sehen sind. Die Verwendung von Explosivstoffen wurde weitgehend nach dem Zweiten Weltkrieg eingestellt.[10]

Industrialisierung

Neben den technischen Neuerungen im Zuge der Industrialisierung wurde der Handel mit Carrara-Marmor durch neue Finanzierungskonzepte des Engländers Thomas Robson für die Steinbruchbesitzer erleichtert. Die Infrastruktur wurde durch den Bau von Schwebeseil- und Eisenbahnen zum Steintransport ins Tal sowie durch den Bau von Verladebrücken im Hafen von Avenza erheblich verbessert. Mit dem Bau der Marmor-Eisenbahn in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts konnten die Transportkosten um zehn Prozent gesenkt werden, weil sie die Verbindung zwischen den Steinbrüchen und den Sägereien, dem nationalen Eisenbahnnetz und den Verladebrücken der Schiffe herstellte. Zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in den Bergen, in denen der Transport weiterhin auf der Straße erfolgen musste, Ochsengespanne durch schwere Dampftraktoren abgelöst.

Bei den Einigungsbestrebungen in Italien schlug sich die Arbeitnehmerschaft und die liberale Bürgerschaft Carraras auf die Seite der Republikaner. Nachdem Italien geeint war, stieg die Marmorproduktion an und die Anzahl der Steinarbeiter verdoppelte sich auf 10.000.[11] Der Handel wurde allerdings durch den amerikanischen Sezessionskrieg und hohe Schutzzölle in Europa behindert.
Die Arbeitnehmerschaft kam nicht nur aus Carrara, sondern auch aus den umliegenden Dörfern. Der Weg zu den im Gebirge liegenden Steinbrüchen war lang. Die Woche über mussten die Steinbrucharbeiter in den Steinbruchhütten übernachten, harte Handarbeit war üblich und um die Arbeitssicherheit war es schlecht bestellt; es kam häufig zu schweren Unfällen. Neben den schlechten Arbeitsbedingungen war die Arbeitszeit ungeregelt und lang. Auch die Altersversorgung war völlig ungeklärt. Diese Faktoren führten zu heftigen Arbeitskämpfen, als deren Ergebnis es unter anderem zum Bau von Kinderheimen und Armenhäusern, zur Gründung öffentlicher Fürsorgeeinrichtungen und zur Errichtung einer Berufsschule in Carrara kam.

20. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Der Erste Weltkrieg brachte das Erliegen der Marmorproduktion mit sich und die Weltwirtschaftskrise von 1929 verringerte die langsam wieder anlaufende Produktion um die Hälfte. Die Folgen des Krieges mit Äthiopien und die daraus resultierenden Absatzeinbußen bei Carrara-Marmor versuchte die faschistische Regierung Mussolinis durch Monumentalaufträge zu kaschieren. Dabei wurde beispielsweise ein einzelner Rohblock (19,00×2,35×2,35 m) mit rund 300 Tonnen Gewicht mit der sogenannten Lizzatura (siehe weiter unten) ins Tal bewegt. Zur Verschiffung im Hafen von Massa zogen 30 Paar Ochsen den Monolith.[12] Derartige monumentale Aufträge änderten die wirtschaftliche Lage Carraras kaum. Der Zweite Weltkrieg brachte nicht nur die Marmorproduktion zum Erliegen, sondern die deutsche Wehrmacht zerstörte im Kampf gegen Partisanen in den Jahren 1944/45 auch größtenteils die Einrichtungen in den Steinbrüchen. Unweit von Carrara verübte die Waffen-SS das Massaker an der Dorfbevölkerung von Sant'Anna di Stazzema mit mehr als 500 Ermordeten.[13] Am erbitterten Widerstand gegen die deutschen Besatzer war ein Großteil der Bevölkerung, vor allem die Frauen und die Arbeitnehmerschaft Carraras beteiligt.[14]

Marmorblöcketransport mit der sog. Lizzatura

Durch den Wiederaufbau nach Kriegsende und den europäischen Bauboom in den 1960er Jahren stieg das Produktionsvolumen auf 500.000 Tonnen an.[15] Im Zuge dieser Entwicklung wurde das Straßennetz in den Bergen ausgebaut. Der Transport der Rohblöcke aus den Bergen Carraras in die Täler erfolgte teilweise bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts mit einer speziellen Methode, der sogenannten Lizzatura. Dabei wurden die riesigen Blöcke an zwei Seilen aus Hanf (ab 1920 mit Stahlseilen) befestigt bzw. gesichert und auf Holzschlitten (italienisch Lizza) auf einer eingeseiften Unterlage aus Holz zu Tale befördert; ein überaus gefährliches Unterfangen, bei dem zahlreiche Menschen ums Leben kamen. Der Transport der Steinblöcke auf Schlitten soll erstmals im Antiken Griechenland und auch in römischer Zeit in Carrara angewendet worden sein.[16] Heute werden die gewaltigen, zum Teil mehr als 20 Tonnen wiegenden Rohblöcke auf Lastkraftwagen auf den unfallträchtigen, gewundenen Bergstraßen ins Tal verfrachtet.

Carrara muss sich heute als Steinzentrum Europas nicht nur gegenüber dem steinverarbeitenden Zentrum um Verona im eigenen Land behaupten, sondern auch gegenüber Steinverarbeitungszentren in China, Indien und Brasilien. Heute verarbeiten die Firmen in Carrara nicht ausschließlich Carrara-Marmor, sondern alle Gesteine der Welt.

Lage der Steinbrüche

Cervaiole-Steinbruch mit stillgelegtem Gittermastkran
Unterirdischer Steinbruch bei Carrara (Galleria Ravaccione)
Seilsäge trennt einen Rohblock aus Carrara-Marmor auf
Datei:Kopierfräser1.jpg
Kopierfräser fräst Skulptur aus Carrara-Marmor vor

Die Marmorsteinbrüche um Carrara befinden sich in den apuanischen Alpen, hauptsächlich in vier Tälern (Valle di Torrano, Valle di Misseglia, Valle di Bettizano, Valle di Colonnata) um Carrara. Die meisten Steinbrüche liegen in etwa 1000 Meter Höhe. Das kleine Dorf Colonnata ist der ursprünglichste Ort der Steinbrucharbeiter mit einem sehenswerten Friedhof der bei der Arbeit Verunglückten.

Besonders bemerkenswert ist der unterirdisch in der Mitte eines Berges liegende Steinbruch Galleria Ravaccione bei Fantiscritti, der besichtigt werden kann. Im 18.  Jahrhundert wurde zur Erschließung der apuanischen Bergtäler ein 1.200 Meter langer Straßentunnel angelegt. Nachdem man die Güte des Marmors in der Mitte eines Berges erkannte, entstand dieser einmalige Steinbruch, über dem ein Marmorberg und ein weiterer Steinbruch im Tagebau auf knapp unter 500 Meter Höhe liegt. Es gibt weitere Untertage-Steinbrüche, dennoch wird der größte Teil im Tagebau betrieben. Der Steinbruch, den Michelangelo im Auftrag Papst Leos X. erschloss, liegt hoch in einer Flanke des Berges Monte Altissimo in der Nähe des Ortes Seravezza. Eine bemerkenswerte technische Leistung ist im Cervaiole-Steinbruch mit einer riesigen Aushöhlung von etwa 80 Metern Länge, einer Tiefe von 25 Metern und einer Höhe von 40 Metern zu bestaunen. Dieser Steinbruch wird von der Firma Henraux aus Carrara seit der nachnapoleonischen Zeit betrieben.

Gewinnung

Heute wird der Carrara-Marmor in circa 150 Brüchen mit Seilsägen und mit Schrämen herausgesägt und nicht mehr in manueller Handarbeit aus den Steinbruchwänden gelöst.
Seilsägen führen je nach Bedarf lange, dicht mit Hartmetallperlen besetzte Stahlseile durch die Marmorschichten im Steinbruch oder durch die Rohblöcke in den Verarbeitungsbetrieben. In den Hartmetallperlen befinden sich Industriediamanten. Ein ständiger Wasserstrom kühlt die Sägeseile. Schrämen schneiden mit Sägeschwertern bis zu einer Länge von vier bis fünf Metern in einer Arbeitstiefe von circa zwei bis zweieinhalb Meter Lösefugen in die Gesteinsschichten. Die Schrämen sind fahrbare überdimensionierte Kettensägen, die ohne Wasserkühlung arbeiten. Die Rohblöcke werden unter Einsatz von Druckluftbohrhämmern und Steinspaltwerkzeugen weiter nach Bedarf geformt. Diese Geräte bringen die tonnenschweren Rohblöcke zur weiteren Bearbeitung auf das entsprechende Maß. Die Rohblöcke werden auf Lastkraftwagen auf den gefährlichen, gewundenen Bergstraßen ins Tal gebracht. Dabei kommt es oft zu Unfällen. Die Blöcke werden in die mehr als 250 steinverarbeitenden Betriebe in Carrara und Massa transportiert, wo sie mit Gattersägen, Blockkreissägen oder Seilsägen weiter zu Tranchen, Platten, Fliesen und anderen Steinprodukten verarbeitet werden.

Mineralbestand und Entstehung

→siehe Hauptartikel: Marmor

Carrara-Marmore sind Metamorphite (Umwandlungsgesteine), die mindestens 50 Volumenprozent Calcit enthalten. Sie bestehen aus fast nur einem Karbonatmineral, sie sind monomineralisch. Marmore haben eine Umwandlung unter hohem Druck und hoher Temperatur eine Metamorphose erfahren. Die Kristallkörner des Calcits sind im Carrara-Marmor zumeist mit dem Auge erkennbar.

Die Bildung dieses Gesteins, das sich später zu einem Marmorgebirge aufgetürmt hat, begann vor 200 Millionen Jahren. Damals befand sich in der Region um Carrara noch ein flaches, warmes Meer. Gehäuse und Skelette abgestorbener Meeresorganismen sanken auf den Grund und bildeten im Laufe der Zeit mächtige Sedimente (Ablagerungen), die zu Kalkstein verfestigt wurden. Vor etwa 30 Millionen Jahren kam Bewegung in die Struktur der Region. Zwei Platten der erkalteten Erdkruste, Afrika und Europa, bewegten sich aufeinander zu, die Sedimentschichten wurden in großer Erdtiefe unter sehr hohen Drücken zusammen gepresst und bei sehr hohen Temperaturen chemisch verändert, verformt und in Marmor umgewandelt. Bei Metamorphosen des Marmors entstehen Drücke von 10 Kilobar und Temperaturen über 400 °C.[17]

Verwendung

Marmor-Waschbecken aus Carrara-Marmor
Bodenbelag aus Carrara-Marmor mit dunklem Gabbro
→ siehe Hauptartikel: Marmor

Es gibt im Raum Carrara circa 50 verschiedene Sorten (z. B. Carrara-Marmor C, Ordinario, Venato, Calacatta, Statuario, Bardiglio, Gioa usw.).[18] Der wertvollste ist der sogenannte Statuario, der Marmor für Statuen. Große Statuario-Blöcke sind heute selten und teuer geworden. Der Statuario ist nicht in Gänze weiß, sondern teilweise gelblich gestreift. Statuario ist besonders feinkörnig und ermöglicht filigrane Bearbeitungen durch die Steinbildhauer.
Die Farben von Carrara-Marmor sind nicht nur weiß, sondern auch grau bis blau, gelblich oder rötlich. Die gelbe Farbe wird durch Limonit, die blaue und graublaue durch Graphit, kohlige Substanzen oder Bitumen und die rötliche durch Hämatit hervorgerufen. Es gibt aber auch extrem dunkelblaue Carrarasorten. Chlorit und Serpentin-Minerale färben grün. Eine unter den Carrara-Marmoren einmalige Färbung haben Calacatta Vagli, der rotbraune bis rötlich-graue Arabesken auf weißem Grundton, und Calacatta Rocchetta, der graugrünliche Arabesken zeigt.[19] Diese stofflichen Beimengungen in den ursprünglichen Kalksteinen führen zu dem für Marmore typischen Dekor, zur Marmorisierung, die sich in unterschiedlichen Farbschattierungen zeigen kann.[20] Die weißen Carrara-Sorten können im Einzelfall feinstverteiltes Pyrit-Mineral enthalten und sich nach dem Einbau gelb bis bräunlich verfärben. Es ist ein Mineral, das sich unter Einwirkung von Wasser zu Schwefelsäure zersetzen kann.

Bardiglio, eine Sorte des Carrara-Marmors (Muster ca. 20×15 cm)

Neben einer Verwendung für Bildhauerarbeiten und Denkmäler wird Carrara-Marmor als Boden- und Treppenbeläge und Fensterbänke im Innenausbau sowie als Natursteinfliesen in Bädern verbaut. Carrara-Marmore haben eine unter 0,5 Volumenprozent liegende Wasseraufnahme und zählen aufgrund dieser Eigenschaft zu den frostfesten Gesteinen.

Ein Kubikmeter Carrara-Marmor kostet als Rohblock etwa 1.500 €, wobei hochwertigster Carrara-Marmor einen Preis von 10.000 € und mehr je Kubikmeter erzielen kann. 50 Prozent der heutigen Förderung gehen in arabische Länder, um beispielsweise Flughäfen stilistisch zu verfeinern oder Moscheen zu bauen. Insgesamt gehen drei Viertel der Gesamtproduktion ins Ausland. 3.500 Menschen verdienen heute noch ihr Geld mit dem Marmor, davon gut 1.000 im direkten Abbruch. Im Jahre 1999 wurde eine Million Kubikmeter verarbeitet, dabei entstanden etwa drei Millionen Kubikmeter nicht verwertetes Material, also Steintrümmer. Die Trümmer werden teilweise weiter zu Marmormehl für industrielle Zwecke, zu Marmorsplitt und zu Kies für Gartengestaltungen verarbeitet.
Eine Besonderheit am Rande sollte nicht unerwähnt bleiben, die inzwischen eine Spezialität für Feinschmecker geworden ist: Speck der Steinbrucharbeiter aus Colonatta, der Lardo, wird in mit Salzlake gefüllte Marmortröge ein halbes Jahr zum Reifen eingelegt. Für die Marmortröge eignet sich nur ein speziell ausgesuchter großkristalliner Carrara-Marmor.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Marble quarry – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Material und Kultur, Callwey, München 1980, ISBN 3-766-70505-9.
  • Karlfried Fuchs: Natursteine aus aller Welt, entdecken, bestimmen, anwenden, Callwey, München 1997.
  • Mario Pinzari: Methods, techniques and technologies for quarrying ornamental stones. In: Marble in the world, hrsg. v. Società Editrice Apuana S.r.l., Carrara 1990.
  • Dietmar Reinsch: Natursteinkunde. Eine Einführung für Bauingenieure, Architekten, Denkmalpfleger und Steinmetze, Enke, Stuttgart 1991, ISBN 3-432-99461-2.

Einzelnachweise

  1. Plinius, naturalis historia 36,7; siehe auch Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 185, siehe Lit.
  2. Der Konsul M. Claudius Marcellus konnte die ligurischen Apuaner 155 endgültig besiegen und Sicherheit für die Bewohner von Luni herstellen. Als Dank haben sie ihm ein Denkmal aus lunensischem Marmor errichtet. Von dem Denkmal ist lediglich ein Säulenkapitel, in dem sein Namen eingemeißelt ist, ausgegraben worden. Wenn es sich um eine zeitgenössische Darstellung handelt, ist es das erste Werkstück aus Carrara-Marmor, das architektonisch verwendet wurde. Siehe Luciana und Tiziano Mannioni, Marmor, Seite 184, siehe Lit.
  3. Luciana und Tziana Mannoni: Marmor, Seite 185, siehe Lit.
  4. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 188, siehe Lit.
  5. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 191, siehe Lit.
  6. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 102, siehe Lit.
  7. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 203, siehe Lit.
  8. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 208, siehe Lit.
  9. Marmorsägen in Carrara
  10. „«The great massive blasting operation», perhaps the most spectacular ever, which occurred in a Torrione quarry (Carrara, Italy) in 1932. 200 quintals of blasting powder brought down approx. 700.000 tons of stone towards the valley.“ Mario Pinzari: Methods, Seite 165, siehe Lit.
  11. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 212, siehe Lit
  12. Mario Pinzari: Methods, Seite 164, siehe Lit.
  13. Massaker von Sant'Anna di Stazzema
  14. Resistenza von Carrara
  15. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 216, siehe Lit
  16. Luciana und Tiziano Mannoni: Marmor, Seite 99, siehe Lit.
  17. Karlfried Fuchs: Natursteine, Seite XII, siehe Lit.
  18. Abbildungen von Carrara-Marmorsorten
  19. Karlfried Fuchs: Natursteine, Seite 84, siehe Lit.
  20. Dietmar Reinsch: Natursteinkunde, Seite 179, siehe Lit.