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Theodor von Neuhoff

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Theodor von Neuhoff (zeitgenössischer Kupferstich)

Theodor Stephan Freiherr von Neuhoff (* 25. August 1694 in Köln[1]; † 11. Dezember 1756 in London), in Italien bekannt unter dem Namen Teodoro da Neuhoff und aus dem westfälischen Adelsgeschlecht von Neuhoff stammend, war ein politischer Abenteurer und als Theodor I. erster und einziger König von Korsika.

Leben

Familie

Theodor von Neuhoff wurde 1694 als Sohn des Offiziers Leopold von Neuhoff, der bereits 1695 verstarb, und dessen Frau Amélie geboren. Die im westfälischen Raum als Politiker und Militärs sehr bekannte Familie Neuhoff stellte zu dieser Zeit (1632 bis 1701) die Drosten des Amtes Altena in der Grafschaft Mark (heute Märkischer Kreis). Leopold von Neuhoff war Offizier in französischen Diensten und kommandierte ein Militärfort in der Nähe der Stadt Metz. Amélie war die Tochter eines Armeelieferanten aus Visé im Stift Lüttich, dessen Name nicht überliefert ist. Zu seiner näheren Verwandtschaft gehörten zudem Franz Bernhard Johann von Neuhoff auf der Burg Pungelscheid (bei Altena), der als Schlosskommandant, kurbrandenburgischer Regierungsrat und Drost in Altena und Iserlohn wirkte, sowie Johann Heinrich von Neuhoff, der siegen-nassauischer Gesandter in Preußen war. Theodors Schwester Elisabeth heiratete den Grafen von Trévoux und war damit Gräfin des Hauses.

Theodor von Neuhoff heiratete wahrscheinlich nach 1718 eine heute unbekannte Engländerin in Madrid, von der sein angeblicher Sohn Frederick von Neuhoff sein soll, der als Oberst und württembergischer Gesandter in London wirkte und nach dem Tode Theodors dessen Biographie Mémoires pour servir à l’histoire de Corse (1768) schrieb. Später heiratete Theodor von Neuhoff die Lady Sarsfield, eine Hofdame der spanischen Königin und Tochter des Lord Kilmarlock, mit der er eine Tochter heute unbekannten Namens hatte.

Ausbildung und frühe Jahre

Nach seiner Kindheit auf dem Schloss Pungelscheid, wo er mit seiner Mutter und seiner Schwester aufwuchs, ging Theodor von Neuhoff zur Ausbildung in Griechisch und Latein an das Jesuitenkolleg nach Münster und danach zum Studium nach Köln. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt kam es hier zu einem Duell aus Eifersucht zwischen ihm und einem spanischen Grafensohn um die Tochter eines Professors der Kölner Hochschule, bei dem letzterer getötet wurde und Theodor fliehen musste.

Liselotte von der Pfalz (Gemälde von Hyacinthe Rigaud)

Einige Zeit danach erhielt Theodor eine Ausbildung als Page bei Liselotte von der Pfalz in Paris, deren Bekanntschaft seine Mutter über den Grafen von Montague machen konnte und bei der auch seine Schwester bereits als Hofdame tätig war. Über den Grafen erhielt er eine militärische Ausbildung, Liselotte brachte ihm alles über die höfischen Umgangsformen bei. Außerdem ging er mit ihr auf die Jagd und lernte das Reiten. Zugleich wurde er jedoch auch in die französischen Adelskreise eingeführt, bei denen zur Zeit des französischen Königs Ludwig XIV. vor allem das Glücksspiel im Vordergrund stand. Wie viele Pariser Edelleute machte auch Theodor sehr hohe Schulden und musste die Stadt schließlich verlassen.

Liselotte von der Pfalz vermittelte ihn an den Kurfürsten Max II. Emanuel von Bayern und 1714 trat von Neuhoff als Rittmeister in die kurbayerische Armee ein. Er wurde als Jungoffizier in ein Regiment bei Biberach eingeteilt und kämpfte gegen Österreich im Spanischen Erbfolgekrieg. Danach kam er nach München an den Hof der Kurfürstin und nahm sein höfisches Leben wieder auf. Wie in Paris verlor er hohe Beträge im Glücksspiel und machte Schulden. In der Folge bezahlte der Graf von Montague die Schulden und Theodor von Neuhoff wechselte in das französische Reiterregiment Fürstenberg unter General Marquis Courcelles. Liselotte von der Pfalz wendete sich von ihm ab, da sie seine Spielsucht und sein Verhalten nicht länger dulden wollte.

Leben als Agent und Diplomat

Bereits während seiner Pagezeit in Paris lernte Theodor von Neuhoff den Staatsminister des holsteiner und schwedischen Königshauses, den Freiherren Heinrich Georg von Görtz, kennen. 1714 kehrte Heinrich von Görtz zurück, um in Paris an geheimen Verhandlungen mit dem französischen König Ludwig XIV. sowie der Witwe von Jakob II. Stuart, Maria Beatrix von Modena, und ihrem Sohn James Francis Edward Stuart teilzunehmen. Sie planten den Sturz des aktuell regierenden englischen Königs Georg I. und die Unterstützung von James Francis, der als Jakob III. den Thron besteigen sollte. Theodor von Neuhoff, der auch James Francis sehr gut kannte, wurde von Heinrich von Görtz als Geheimer Informant eingesetzt. Er sollte von Maria Beatrix und ihrem Sohn, die unter ständiger Überwachung durch englische Agenten stand, eine Bestätigung für die Teilnahme an den Plänen einholen und zu ihm nach Holstein bringen – das Ganze getarnt als Flucht vor seinen Pariser Gläubigern. Theodor erfüllte diese Aufgabe und brachte die unterschriebene Bestätigung nach Schloss Gottorf und blieb einige Zeit als Geheimsekretär in Diensten des Freiherrn von Görtz.

Datei:KardinalAlberoni.JPG
Kardinal Alberoni

Später im Jahr versah Heinrich von Görtz ihn mit dem Auftrag, als Diplomat nach Spanien zu reisen und am dortigen Hof mit dem spanischen Minister Kardinal Giulio Alberoni zusammentreffen, der als Berater Philipp V. und dessen Gemahlin Elisabetta Farnese wirkte. Alberoni und Elisabetta befürworteten ebenfalls eine Rückkehr der Stuarts auf den englischen Thron, das Verhältnis zwischen Spanien und Schweden war allerdings sehr gespannt. Theodor gelangte tatsächlich an den Hof, verkleidet als katholischer Priester, und drang bis zu dem Kardinal vor. Bei den Unterredung einigten sich beide sehr schnell auf ein gemeinsames Vorgehen, bei dem Spanien die Landung und den Vormarsch von James Francis mit Truppen und Schweden selbiges mit Waffen unterstützen sollten. Im Gegenzug sollte Gibraltar und Menorca an Spanien zurückgegeben werden.

Die Pläne wurden durchkreuzt vom plötzlichen und unerwarteten Tod Ludwigs XIV. im Jahr 1715, sein Nachfolger Ludwig XV. verbot Maria Beatrix von Modena und James Francis Edward Stuart sowie ihren Anhängern den Aufenthalt in Frankreich. Heinrich von Görtz reiste nach Den Haag, um eine Audienz beim russischen Zaren Peter I. zu erhalten und befahl auch Theodor von Neuhoff, mit dem Schiff dorthin zu reisen, Alberoni verschaffte ihm Kontakt zum dortigen spanischen Gesandten. Die Gespräche zwischen Heinrich von Görtz und dem Zaren verliefen positiv, der Zar versicherte seine Sympathie zu den Plänen Görtz in England. Theodor von Neuhoff sollte diese Nachrichten dem in England agierenden Grafen Gyllenborg und den schottischen Aufständischen überbringen. Als er dort eintraf, war Gyllenborg gerade verhaftet worden und Theodor konnte der Verhaftung ebenfalls nur knapp entrinnen, er kehrte unverrichteter Dinge nach Den Haag zurück. Dort wurde auch Görtz kurze Zeit später inhaftiert während Theodor bei dem spanischen Botschafter Asyl bekam. Da Karl XII., König von Schweden, im Gegenzug auch die englischen Vertreter und Botschafter inhaftieren ließ, befanden sich nach den Verhandlungen im August 1717 alle Beteiligten wieder auf freiem Fuß.

Am 5. Januar 1717 schlossen England und Frankreich eine Allianz, als Reaktion erfolgte im Sommer 1718 ein Bündnis von Schweden und Russland gemeinsam mit Spanien als Gegengewicht. Die Verhandlungen wurden wieder von Görtz geführt, als russischer Verhandlungsführer trat der aus Bochum stammende Baron Heinrich Ostermann auf – auch Theodor von Neuhoff war bei dem Treffen auf Åland anwesend. Zur gleichen Zeit befand sich der König Karl XII. bei der Belagerung des norwegischen Fredrikshald und wurde dort am 11. Dezember 1718 von einer Kugel tödlich getroffen. Seine Schwester Ulrike Eleonore übernahm die Regierung und beschloss als einen ihrer ersten Schritte die Verhaftung des Freiherrn von Görtz. Sie misstraute dem Ratgeber ihres Bruders und ließ ihm in Stockholm den Prozess machen, Heinrich von Görtz wurde dort zum Tode verurteilt. Mit der Verurteilung wurden die Verhandlungen nichtig und Theodor von Neuhoff war erneut auf der Flucht.

Die korsischen Befreiungskämpfe und die Zeit als Theodor I.

Für Juan Guillermo Herzog von Ripperda arbeitete er als politischer Agent, später wurde er Gesandter des Kaisers Karl VI. und kam in dieser Funktion 1732 nach Florenz. Hier lernte er emigrierte Korsen kennen, die in die Befreiungskämpfe Korsikas von Genua involviert waren. Vor allem mit Luigi Giaffari verstand er sich sehr gut und sicherte ihm Hilfe gegen die Genueser, die die Insel besetzt hielten, zu. Er unterstützte die Korsen mit Waffenkäufen und durch Finanzbeiträge und landete gemeinsam mit einer relativ kleinen Gruppe italienischer Soldaten am 12. März 1736 in Aléria auf der Insel, wo er sich aktiv an den Kämpfen beteiligte.

Die Genueser wurden zurückgeschlagen und am 15. April 1736 wurde er von einem Konvent der korsischen Bevölkerung im Kloster Alesani zum König Theodor I. von Korsika gewählt. Theodor I. beschloss eine Wahlkapitulation und setzte sich selbst nur als konstitutionellen Herrscher Korsikas ein, während ein Parlament aus 24 vom König ernannte Korsen die Regierungsgeschäfte führten. Dabei durften diese Titel, ebenso wie Titel der geistlichen Elite der katholischen Insel, nur von Korsen besetzt werden. Er residierte im ehemaligen Bischofspalais in Cervione.

Um seine Macht zu sichern, baute Theodor I. die Infrastruktur aus, ließ Münzen pressen, sorgte für eine regelmäßige Besoldung und verlieh eine Reihe von Orden und Adelstiteln. Außerdem informierte er die Herrscher Europas über seine Funktion als König und bat sie, auch im Falle der Nichtanerkennung zumindest eine zwischenstaatliche Neutralität zu wahren. Kurz nach seiner Ernennung eroberte er Porto-Vecchio und Sartène und drängte so die Genuesen in ihre Festungen am Meer zurück.

Politischer Niedergang

Trotz seiner Bemühungen bildete sich sehr schnell eine Gegenpartei in der korsischen Befreiungsbewegung. Die Interessen der verschiedenen Gruppierungen waren so verschieden, dass eine Vereinigung nicht möglich war und das sehr harte Vorgehen gegen Kritiker stärkte die Opposition. Zudem konnte er die Genuesen nicht aus der Stadt Bastia vertreiben und so setzte er einen Regentschaftsrat ein und verließ am 11. November 1736 Korsika, um Unterstützung zu finden. Diese fand er bei jüdischen Kaufleuten in den Niederlanden, die ihn mit finanziellen Mitteln ausstatteten und so versuchte er 1738 erneut, die Genuesen zu vertreiben. Er erreichte Korsika mit drei Kriegsschiffen und etlichen Lastkähnen sowie Waffen - Kanonen und Flinten - für ein mehrere tausend Mann starkes Heer.

Die Genuesen besiegten ihn jedoch mit französischer Hilfe und drei Schweizer Regimentern in Bastia, da die korsische Bevölkerung von den Kämpfen vor seiner Ankunft zu stark geschwächt waren, und vertrieben ihn vom Thron. Er verließ Korsika erneut. Einen neuerlichen Versuch im Jahr 1743, kurz nach dem Abzug der Franzosen dem Freiheitskampf der Korsen gegen Genua zum Sieg zu verhelfen und so die Herrschaft über die Mittelmeerinsel wieder zu erlangen, scheiterten jedoch kurzfristig aus Geldmangel und mangelnder Unterstützung in Korsika, wo man keinen König mehr haben wollte.

Theodor reiste erst nach Livorno und beobachtete von dort die Ereignisse auf Korsika. 1749 ging er ins Exil nach London, wo er in Armut lebte und aufgrund seiner Schulden in ein Schuldgefängnis gesperrt wurde. Aus der Haft befreite ihn der Einfluss Horace Walpoles 1755. Theodor von Neuhoff starb völlig verarmt am 11. Dezember 1756 in London.

Trivia

Der mit Stirnband geschmückte Moorenkopf, das Logo einer korsischen Fährgesellschaft stammt ursprünglich von Theodor. Sein Schiff, auf dem er in Korika als König anlangte, war damit beflaggt.

Rezeption in der Literatur

Die Geschichte von Theodor von Neuhoff wurde in der Folgezeit an verschiedenen Stellen in der Literatur und auch in der Musik verarbeitet. So machte Giovanni Paisiello ihn zur Hauptfigur seiner Oper Il Re Teodoro in Venezia, die 1784 in Wien uraufgeführt wurde. Den Text für diese Oper schrieb sein Landsmann Giambattista Casti, der dabei vor allem die erheiternden Passagen des Lebens Neuhoffs ausarbeitete.

In Voltaires Abenteuerroman Candide ist Neuhoff einer der sechs Exkönige, mit denen Candide in Venedig soupiert. Johannes Tralow verarbeitete den Stoff in seinem historischen Roman König Neuhoff (1929) und im Jahr 2001 erschien der Roman Der König von Korsika von Michael Kleeberg.

Literatur

  • Hans Dietrich Mittorp: Theodor von Neuhoff, König von Korsika – Ein genialer Taktiker ohne Fortune, Veröffentlichungen des Heimatbundes Märkischer Kreis Band 10, Altena 1990. ISBN 3-89053-034-6
  • André Le Glay: Théodore de Neuhoff. Roi de Corse. Picard & Fils, Paris 1907.
  • Antoine-Marie Graziani: Le Roi Théodore. Tallandier, Paris 2005, ISBN 2-84734-203-6.
  • Karl August Varnhagen von Ense: Théodore I. Roi de Corse. Ollagnier, Bastia 1894.
  • Martin Vogt: Neuhof(f), Theodor. In: Neue Deutsche Biographie XIX; Duncker & Humblot, Berlin 1999. ISBN 3-428-00200-8.
  • Valerie Pirie: His Majesty of Corsica. The true story of the adventurous life of Theodore 1st. Collins, London 1939. (keine ISBN) [1]

Weblinks

Zitierte Quellen

  1. Angabe nach NDB 1999, andere Quellen sprechen von Schloss Pungelscheid als potentiellen Geburtsort