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The Velvet Underground

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The Velvet Underground
Allgemeine Informationen
Genre(s) Rock, Alternative
Gründung 1965
Auflösung 1973
(1993 Wiedervereinigung)
Letzte Besetzung
Gitarre, Gesang
Lou Reed (bis 1970; 1993)
Bass, Viola, Keyboard, Gesang
John Cale (bis 1968; 1993)
Gitarre, Gesang, Bass
Sterling Morrison (bis 1971; 1993)
Schlagzeug, Gesang
Maureen „Mo(e)” Tucker (bis 1971; 1993)
Ehemalige Mitglieder
Gesang, Gitarre, Bass
Doug Yule (1968 - 1973)
Schlagzeug
Angus MacLise (1965; 1966)
Tamburin, Gesang
Nico (1967)
Willie Alexander (1971)
Gesang, Bass
Walter Powers (1971)
Bass
Larry Estridge (1971)
Schlagzeug
Billy Yule (1970 - 1973)
Rhythmusgitarre
Don Silverman (1973)
Gitarre
Rob Norris (1972)
Schlagzeug
Mark Nauseff (1972)
Gitarre
George Kay (1972/1973)

The Velvet Underground (VU) war eine experimentelle Rockband aus den 1960er- und frühen 1970er-Jahren. In ihrer Anfangsformation bestand sie aus Lou Reed (Gitarre, Gesang), John Cale (Bass, Viola, Keyboard und Gesang), Maureen Tucker (Schlagzeug) und Sterling Morrison (Gitarre), auf dem Debütalbum durch Nico (Gesang) ergänzt.

Bekannt wurde die Band als Protégées von Andy Warhol, der auch ihr Debütalbum produzierte. Mit ihren provokanten Texten über Sadomasochismus, Transvestitismus und Drogensucht blieb sie während ihres Bestehens kommerziell erfolglos, wird heute jedoch als einflussreicher Vorreiter experimenteller Rockmusik angesehen.

Bandgeschichte

Vorgeschichte (1964–1965)

Die Gründungsgeschichte der Band reicht zurück bis ins Jahr 1964. Der Sänger, Songwriter und Gitarrist Lou Reed hatte gerade eine kurzlebige Garagenband gegründet und arbeitete als Texter für Pickwick Records. Den Job bezeichnete Reed als „a poor man’s Carole King („eine Carole King für Arme“).[1]

Bald traf Reed auf John Cale, einen jungen Waliser, der in die USA gezogen war, um klassische Musik zu studieren. Cale verfügte über eine klassische Kompositionsausbildung, hatte bereits mit Musikern der Neuen Improvisationsmusik wie John Cage oder La Monte Young zusammengearbeitet und war ebenso wie Reed an Rockmusik interessiert. Der Einfluss von La Monte Young und dessen als „Drones“ (Dröhnen, Brummen) bezeichnete Kadenzen auf den Sound von Velvet Underground sowie Cales und Reeds spätere Solokarrieren waren erheblich.[2] Cale war überrascht, in Reed jemanden gefunden zu haben, der wie er ein offenes Ohr für Experimente hatte: Reed stimmte seine Gitarrensaiten oft alle auf dieselbe Tonlage und erzielte damit den „Drone“-Effekt. Die beiden jammten immer häufiger zusammen, und es entstand eine kreative Partnerschaft, die bereits die Richtung für das spätere Bandprojekt The Velvet Underground vorgab.

Gründung

Reeds erste Gruppe zusammen mit Cale nannte sich The Primitives. Verstärkt durch Reeds früheren Studienkollegen, den Gitarristen Sterling Morrison, und Angus MacLise am Schlagzeug nahmen sie den Reed-Song The Ostrich als Single auf. Das Quartett tingelte anfangs durch schmuddelige New Yorker Klubs und Kneipen und nannte sich anschließend noch The Warlocks und The Falling Spikes.[3] Der Stil der Gruppe war zunächst eher dem Rock ’n’ Roll zuzuordnen. John Cale beschrieb diese Vorgeschichte und Entstehungsphase der späteren VU als „Reminiszenz an die Beatnik-Poetik mit Angus MacLise als lockeren Rhythmusdrummer hinter all den Gitarren- und Bassattacken.“[4] Reed, Cale und Morrison nahmen ein Demotape auf, das Cale auf einer Englandreise Marianne Faithfull in der Hoffnung gab, sie würde es Mick Jagger zuleiten. Daraus wurde jedoch nichts, und so sollte das gesamte unveröffentlichte Bandmaterial im Archiv verschwinden, um erst dreißig Jahre später auf einer Kompilation veröffentlicht zu werden.[1]

Angus MacLise spielte nur noch kurzfristig in dieser Band mit; als sie im Sommer 1965 ein von Al Aronowitz, ihrem damaligen Manager, vermitteltes Angebot für ihren ersten bezahlten Auftritt annahm, gab er seinen Ausstieg bekannt, weil er eine Kommerzialisierung der Band befürchtete.[1]

MacLises Nachfolgerin am Schlagzeug, Maureen Tucker, kam durch Sterling Morrison, mit dem sie befreundet war, in die Band und beeindruckte durch ihr ungewöhnliches Schlagzeugspiel: Sie spielte im Stehen, benutzte für die Bassdrum keine Fußmaschine und hatte eine eigene Anordnung der Schlaginstrumente, überdies legte sie gern ein Tamburin auf ihre Snaredrum. Als zusätzliche Innovation war Tucker eine der ersten Schlagzeugerinnen der Rockgeschichte. Angus McLise indes kehrte später noch einmal für kurze Zeit als Ersatzmann zu The Velvet Underground zurück, als Reed an Hepatitis erkrankte; Tucker übernahm in dieser Zeit den Bass.[5]

Der Bandname

„The Velvet Underground“ war ein Buch von Michael Leigh, das von Sadomasochismus und dem abseitigen Sexualleben der amerikanischen Mittelschicht handelte. Reed hatte es beim Umzug in sein New Yorker Appartement im Müll seines Vormieters gefunden. Bei der Wahl des Gruppennamens dachten Reed und Morrison jedoch weniger an die Thematik von Leighs Buch als vielmehr an die zu dieser Zeit gerade angesagten Undergroundfilme, überdies passte der Name zu Reeds bereits fertiggestelltem Song Venus In Furs (in Anspielung auf den gleichnamigen sadomasochistischen Roman „Venus im Pelz“ von Leopold von Sacher-Masoch). Alle Bandmitglieder waren mit dem Namen einverstanden, und so wurde der Buchtitel umgehend der neue Name für das neue Bandprojekt. Der Gitarrist Sterling Morrison dazu:

„Immer wenn ich das Wort ‚Underground‘ höre, fühle ich mich an diese Zeit in den frühen Sechzigern erinnert, als dieser Begriff zum ersten Mal eine spezielle Bedeutung annahm. Damit waren Undergroundfilme gemeint und die Leute, die diese Kunstform produzierten und unterstützten. Und derjenige, der mich mit dieser Szene bekanntmachte, war Piero Heliczer, ein lupenreiner ‚Underground-Filmemacher‘, der erste, den ich kennenlernte […] Endlich hatten wir einen Namen! Und aufgegriffen und für gut befunden wurde er von uns nicht nur wegen der Sadomaso-Thematik, sondern weil der Begriff auf unsere Tätigkeit im Undergroundfilm und in der Kunstszene verwies.“

Ihr erstes Konzert unter dem Namen The Velvet Underground gab die Band am 11. Dezember 1965 an der Summit High School in New York.[6]

Karriere

Der Aufstieg der Band begann, als die Filmemacherin Barbara Rubin kurz vor Weihnachten 1965 im Cafe Bizarre im Greenwich Village auf die Gruppe aufmerksam wurde und dem Pop-Art-Künstler Andy Warhol davon erzählte. Warhol war gerade auf der Suche nach einer Band für seinen neu gegründeten Club „Andy Warhol’s Up“. Wenig später besuchten Rubin und Warhol in Begleitung von Gerard Malanga, Paul Morrissey und Edie Sedgwick das Lokal, um sich die Gruppe anzusehen.[7][8] Warhol war auf Anhieb von der skurrilen Band begeistert, da die „Velvets” es sich zur Angewohnheit gemacht hatten, stoisch mit dem Rücken zum Publikum zu spielen. „Wir gingen definitiv nach draußen, um zu beleidigen, da war eine gewisse Grenze, uns war das Publikum scheißegal, wir drehten ihm den Rücken zu“, sagte John Cale in einem späteren Interview.[9] Da Warhol stets von Kuriosität fasziniert war und die „Velvets” mit all ihrer in Kakophonie verwobenen Lyrik wie eine finstere Nemesis auftraten, engagierte er die Band für sein neues Multimediaprojekt „Exploding Plastic Inevitable” (E.P.I.).

Andy Warhol und die Factory

Plakat von 1966

Die Zusammenarbeit mit Andy Warhol lässt sich auf das gesamte Jahr 1966 und die erste Hälfte des Jahres 1967 datieren.[10] Im Januar 1966 hatte die Gruppe einen gemeinsamen Auftritt mit Warhol im Delmonico’s Hotel an der Park Avenue, wo Warhol als Vortragsredner zum Festbankett der New York Society for Clinical Psychiatry geladen war. Da sich Warhol jedoch weigerte, vor Publikum zu reden, unterhielt er die Gäste mit der Musik von Velvet Underground, zu der er seine Filme Harlot und Henry Geldzahler zeigte. Während des Auftritts führte Gerard Malanga einen Peitschentanz auf, zu dem das Model Edie Sedgwick, die damalige Warhol-Muse, in kreisenden Bewegungen tanzte. Die Filmemacher Jonas Mekas und Barbara Rubin gingen derweil mit einem Scheinwerfer durch den Saal und stellten den verstörten Psychiatern peinliche Fragen nach ihren Sexualpraktiken. Die International Herald Tribune titelte am darauf folgenden Tag: „Psychiater ergreifen vor Warhol die Flucht“.[11]

Bereits im April 1966 fand die Eröffnung einer Serie von Multimedia-Shows im New Yorker Club The Dom statt, die Warhol zusammen mit Velvet Underground konzipiert hatte. Der Club, gelegen im geschäftigen East Village, besaß einen großen Tanzsaal, den Warhol für den gesamten Monat April mietete.[11] Die Band gehörte dann kurzfristig Warhols „Factory“ an, der als Manager und Produzent die Karriere der Gruppe nun entscheidend förderte, ihnen die Factory als Übungsraum zur Verfügung stellte und sie als Zugpferd in seine provokativen Performanceshows integrierte. Er entwarf auch das Cover für das Debütalbum The Velvet Underground and Nico mit der (in der ersten Auflage als Siebdruck abziehbaren) Banane und konzipierte eine umfangreiche Promotion für „sein” neues Produkt.

Als Gegenleistung verlangte Warhol, das attraktive blonde Kölner Fotomodell Nico in die Band aufzunehmen, was von den übrigen Bandmitgliedern nur widerwillig akzeptiert wurde, da sie nach Ansicht von Reed und Cale zwar eine starke erotische Ausstrahlung besaß, jedoch beim Singen große Intonationsprobleme habe. Nebenbei hatte sie eine Liaison mit Reed, und überdies war es zu Konflikten mit Maureen Tucker gekommen. Später sagte Tucker in der ZDF-Dokumentation Nico Icon über Nico: „To me she was just a great pain in the ass.“ („Für mich war sie einfach eine Nervensäge“). Nico verließ die Band nach dem ersten Album wieder, um ihre Solokarriere zu beginnen.[12]

Nach der „Factory”-Zeit

Gegen Ende des Jahres 1966 verlor Warhol deutlich das Interesse am E.P.I. und an der Gruppe. Nach ihrer Trennung von Warhol versuchte die Band in New York eigene Räumlichkeiten aufzutreiben, in denen sie das E.P.I. weiter aufführen konnten, zumal sich für die aufwändige und kostenintensive Show immer weniger Auftrittsmöglichkeiten fanden. Ihre Versuche, einen eigenen Club zu gründen, scheiterten jedoch. The Velvet Underground gaben zwischen April 1967 und Juni 1970 kein einziges Konzert mehr in ihrer Heimatstadt. Ein Auftritt im Club Boston Tea Party am 26./27. Mai 1967 war ihr erster Versuch, sich als eigenständige Rockband ohne Nico und E.P.I. zu etablieren.[13]

1967 übernahm Steve Sesnick das Management, der eher am Erfolg der Band als an ihrem künstlerischen Anspruch interessiert war. Mit Tom Wilson als Produzent nahm die Band von September 1967 bis Januar 1968 das experimentelle Album White Light/White Heat auf. Nach der Veröffentlichung von White Light/White Heat kam es zu Streitereien zwischen John Cale und Lou Reed, die dazu führten, dass Cale 1968 seinen Ausstieg bekanntgab. Er produzierte anschließend noch einige Songs und Schallplattenaufnahmen von Nico (unter anderem die Alben The Marble Index, Desertshore und The End) und begann, sich eigenen Soloprojekten zu widmen.

Steve Sesnick konnte Reed überzeugen, Lieder für die Band zu schreiben, die mehr am allgemeinen Publikumsgeschmack orientiert waren. Die drei verbliebenen Bandmitglieder nahmen, verstärkt durch den Neuzugang Doug Yule, zwei gefälligere Studioalben - The Velvet Underground und Loaded - auf. Das letzte Konzert in dieser Besetzung gab die Band am 23. August 1970[14]; kurz darauf stieg Lou Reed aus, 1971 folgten Maureen Tucker und Sterling Morrison.

Letzte Auftritte

Yule, der mit dem Ausstieg Reeds die Führung der Band übernommen hatte, trat mit wechselnden Musikern bis 1972 weiterhin als The Velvet Underground auf, anschließend spielte er in einer lokalen Band, die sowohl Velvet-Underground- als auch eigene Stücke aufführte. Vor Beginn der letzten Tour beendete Steve Sesnick die Zusammenarbeit mit der Band. 1973 nahm Yule gemeinsam mit Ian Paice das Album Squeeze auf. Im Mai desselben Jahres folgte ein letztes Konzert unter dem Namen The Velvet Underground:

„Wir trafen jemanden, der anfing, uns rund um Neuengland zu buchen. Er sollte uns als mit mir von The Velvet Underground bewerben, aber er sollte nicht sagen, es handele sich um The Velvet Underground. [...] Der letzte Auftritt war ein Skiort in Vermont oder irgendwo, wir fuhren hin, sahen ‚The Velvet Underground‘ und sagten: ‚Jetzt reicht's!‘“

Doug Yule[15]

Erneute Zusammenarbeit und Reunion

1989 spielten Lou Reed und John Cale den Liedzyklus Songs for Drella zum Gedenken an ihren zwei Jahre zuvor verstorbenen früheren Mentor Andy Warhol ein.[16] Bei der letzten Aufführung am 3. Dezember 1989 übernahm Maureen Tucker das Schlagzeug in dem Lied Pale Blue Eyes.[17] Am 15. Juni 1990 kam es zu einem spontanen Auftritt anlässlich einer Andy-Warhol-Ausstellung; mit den herumliegenden Instrumenten einer anderen Band spielten die vier Urmitglieder Heroin. Aufnahmen dieses Auftritts wurden später auf Bootlegs veröffentlicht.[17]

1993 kam es zu einer kurzfristigen Wiedervereinigung der Originalbesetzung, die zu diesem Anlass erstmals seit ihrer Gründung durch Europa tourte; allerdings hatte diese Reunion nicht lange Bestand. Das letzte Konzert unter dem Namen The Velvet Underground gab die Band im Juli 1993 als Vorgruppe von U2.[18]

Ihren bislang letzten gemeinsamen Auftritt hatten Reed, Cale und Tucker am 17. Januar 1996 anlässlich der Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame[19]. Dem im Vorjahr verstorbenen Sterling Morrison widmeten sie das Stück Last Night I Said Goodbye To My Friend.[17]

Studioproduktionen

The Velvet Underground and Nico (1967)

Hauptartikel: The Velvet Underground and Nico

Das Debütalbum der Velvet Underground, wegen des Covers als „Bananenalbum“ bekannt[20], wurde mit Ausnahme des ersten Titels „Sunday Morning“, der von Tom Wilson produziert worden ist[21], komplett von Andy Warhol produziert, gestaltet und vermarktet. Das Album gehört zu den Klassikern der Rockmusik.[20]

Auf diesem Album zeichnete sich bereits der Stil des Folgealbums ab: Neben ruhigen Stücken (unter anderem „Sunday Morning“ und dem von Nico gesungenen „I'll Be Your Mirror“) fand sich hier auch experimentelleres wie „Heroin“, das später unter anderem von Billy Idol gecovert wurde.[22] Die Texte dieser experimentellen Stücke handeln unter anderem von Drogenmissbrauch („I'm Waiting For My Man“, „Heroin“) und Sadomasochismus („Venus In Furs“).

„European Son“ wurde auf der Erstpressung Lou Reeds Mentor Delmore Schwartz gewidmet.

White Light/White Heat (1968)

Hauptartikel: White Light/White Heat

Das zweite Album White Light/White Heat, das nicht mehr unter dem Einfluss von Andy Warhol stand, ist in mancherlei Hinsicht wesentlich radikaler als sein Vorgänger. Es fällt besonders durch den exzessiven Gebrauch von Verzerrern und Feedbacks auf, so z. B. in „I Heard Her Call My Name“ und dem 17-minütigen „Sister Ray“ (unter anderem 1980 gecovert von der englischen Gruppe Joy Division auf dem Live-Album Still).

The Velvet Underground begannen als eine der ersten Rockgruppen bewusst, den „Krach“ – also den nach tradierten ästhetischen Vorstellungen „unschönen“ Klang beziehungsweise die Kakophonie – zu einem besonderen Merkmal ihrer Ästhetik zu erheben. Vehemente Gitarren-Rückkopplungen und ein treibendes, oft metronomartiges Schlagzeug bestimmen den Sound des Albums. Überdies experimentierte die Band auf diesem Album verstärkt mit der Stereotechnik, indem sie verschiedene akustische Elemente vom linken zum rechten Kanal wechseln ließ. Bei The Gift wurde über Gitarrenfeedback die Geschichte eines skurrilen Todesfalls erzählt.

The Velvet Underground gingen mit diesem radikalen Stilbruch weit über etwa zeitgleiche musikalische Experimente von Jimi Hendrix (z.B. Star Bangled Banner), den Beatles (etwa mit Tomorrow Never Knows auf dem Album Revolver), den Rolling Stones (auf dem Album Their Satanic Majesties Request) und der Psychedelic-Gruppe The United States of America hinaus. Diese Entwicklung führte allerdings dazu, dass White Light/White Heat jene lyrischen Momente, über die das erste Album mit Liedern und Balladen wie Sunday Morning oder I'll Be Your Mirror verfügte, fast vollkommen vermissen ließ. Als ein eher experimentell konzipiertes Album sollte White Light/White Heat kein kommerzieller Erfolg beschieden sein.

The Velvet Underground (1969)

Hauptartikel: The Velvet Underground (Album)

In völligem Gegensatz zu White Light/White Heat zeigt sich das dritte Album der Gruppe, das schlicht mit „The Velvet Underground“ betitelt war. Nachdem Lou Reed seinen Rivalen John Cale aus der Band gedrängt hatte, war Reed nun der einzige kreative Kopf der Band. Damit ging der experimentelle Charakter der Band weitgehend verloren. Reed legte nun ein besonderes Augenmerk auf die Texte. Allerdings bekam er mit dem Nachwuchstalent Doug Yule erneut Konkurrenz in der Band: Als „Mann für alle Fälle“ bediente Yule den Bass, war zweiter Lead-Gitarrist und übernahm den Hintergrundgesang.

Loaded (1970)

Hauptartikel: Loaded

Nachdem es nicht zur Veröffentlichung eines vierten Albums bei MGM gekommen war, wechselte die Band zu Atlantic Records. Resultat war das Album Loaded aus dem Jahre 1970, das der größte kommerzielle Erfolg der Gruppe wurde: Der Titel weist auf den Druck der Plattenfirma hin, ein erfolgreiches Album herauszugeben (loaded with hits). Mit vielen vergleichsweise eingängigen Songs (Rock and Roll, Sweet Jane, Who Loves the Sun) besitzt Loaded schon nicht mehr den charakteristischen Velvet-Underground-Sound. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Maureen Tucker schwanger geworden war und bei den Aufnahmen durch Billy Yule, den Bruder Doug Yules, ersetzt wurde, sowie darauf, dass Lou Reed die Band vor Herausgabe der Platte verließ[14] und somit fast die Hälfte der Songs ohne ihn fertiggestellt werden musste.

Squeeze (1973)

Hauptartikel: Squeeze (Album)

Nachdem mit Lou Reed das letzte ursprüngliche kreative Mitglied die Band verlassen hatte, verlor die Gruppe an Identität und Qualität. Ungeachtet dessen versuchte Manager Steve Sesnick, den kommerziellen Erfolg des Namens „Velvet Underground“ bis zum Ende auszunutzen.[23]

1973 löste sich die Band endgültig auf, da die nachrückenden Musiker die Ausstrahlung der Originalbesetzung nicht mehr auf die Bühne bringen konnten. Das letzte Album Squeeze, auf dem Yule komplett selbst die Instrumente spielte, gilt heute als besonders schwaches Album.[24] Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Squeeze verfolgten Nico, John Cale und Lou Reed längst erfolgreiche Solo-Karrieren, die im Falle Cales und Reeds bis heute andauern.

VU / Another View (1984/85)

Bereits nach der Veröffentlichung von White Light/White Heat, vor allem aber nach Veröffentlichung des dritten Albums The Velvet Underground nahm die Band weiteres Material auf, das aber von der Plattenfirma MGM nicht veröffentlicht wurde, da ein kommerzieller Erfolg für die Band zunächst ausgeblieben war. Das Material wurde erst 1984 und 1985 auf den beiden Alben VU und Another View veröffentlicht. Inzwischen waren The Velvet Underground im Zuge des New Wave zu einer Kultband avanciert, die von Künstlern wie David Bowie, den Sex Pistols, Siouxsie and the Banshees oder Bauhaus als wichtiges Vorbild benannt wurde.

Liveproduktionen

1969 Velvet Underground Live With Lou Reed (Volume 1)

Eine Kompilation verschiedener Liveauftritte Velvet Undergrounds in Texas und San Francisco aus dem Jahr 1969. Das Album besteht aus zwei Schallplatten und skizziert letztmalig das gesamte kreative Live-Spektrum der Gruppe vor ihrer Auflösung; so finden sich überlange Versionen von Heroin, Ocean und Rock and Roll auf der Produktion. Bemerkenswert ist die fast neun Minuten andauernde, enervierend treibende Version von What Goes On, die von einem „metronomartigen“ Gitarren- und Schlagzeugspiel unterstützt wird.

Bootleg series vol. 1: The Quine tapes

Diese Liveaufnahmen, die erst 2001 veröffentlicht wurden, waren das erste offizielle Bootleg der Velvet Underground. Mit offizieller Genehmigung der Band - eine Ausnahme bei Bootlegs - nahm Robert Quine 1969 einige Konzerte in San Francisco auf. Enthalten sind unter anderem drei Versionen von Sister Ray, einem Stück, das sonst live nur selten gespielt wurde.

The Velvet Underground Live At Max’s Kansas City (1972)

Hauptartikel: Live at Max’s Kansas City

Diese Liveaufnahme entstand am 23. August 1970 bei einem Konzert in dem legendären Nachtklub und Restaurant Max’s Kansas City in New York. Die Aufnahmen wurden von der Factory-Mitarbeiterin Brigid Berlin alias Brigid Polk mit einem Kassettenrekorder gemacht. Die Aufnahme ist eher als Zeitdokument zu betrachten, da sehr viel Stimmengewirr und Kommentare des Publikums mit aufgezeichnet worden sind. Es war das letzte Konzert mit Lou Reed vor seinem Ausstieg.

Live MCMXCIII (1993)

Hauptartikel: Live MCMXCIII

1993 gab es eine kurze Wiedervereinigung der Band mit einer Tour in der ursprünglichen Besetzung ohne Nico, die bereits 1988 verstorben war. Mitschnitte dieser Tour, auf der zudem einige neue Stücke gespielt wurden, sind auf dem Livealbum Live MCMXCIII zu finden. Zu neuen Studioaufnahmen kam es jedoch nicht. Sterling Morrison starb 1995 an Krebs.

Bedeutung

Dass die Musik der Velvet Underground erst mehrere Jahrzehnte nach ihrer Erstveröffentlichung populär wurde, deutet darauf hin, dass die Band ihrer Zeit weit voraus war. Etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung ihres Debütalbums wurde die Hippiebewegung mit Bands wie den Beatles von der Nischen- zur Massenkultur. Dem gegenüber standen die nonkonformistischen Velvets, die das Gegenstück zu den Idealen dieser Bewegung darstellten.[25]

Aufgrund ihrer experimentellen, rohen Musik und ihrer provokanten Texte über Tabuthemen wie Gewalt, Sadomasochismus, Trans- und Homosexualität oder Drogensucht war die Band, die, zumal als Teil des Exploding Plastic Inevitable, auf die Öffentlichkeit eine verstörende, schockierende Wirkung ausübte, ein Kuriosum in den konservativen USA. Sie orientierte sich bis zum Ausstieg Cales nur selten am allgemeinen Publikumsgeschmack und war an Chartplatzierungen kaum interessiert. Mit der von Steve Sesnick betriebenen Hinwendung zum Mainstream änderte sich dies, jedoch blieben Erfolge weiterhin aus. Sterling Morrison sagte 1969 in einem Interview:[12]

„Ich würde es gern sehen, wenn wir eine Hitsingle hätten. Es ist wirklich wichtig, dass man eine hat. Unsere bisherigen Singles sind ein Witz.“

Das allgemeine Interesse an der Band wurde erst später geweckt, als Künstler wie David Bowie sie als frühe Inspirationsquelle benannten.[26] Bis heute nennen zahlreiche Bands, von Sonic Youth[27] bis zu The Strokes[28], aus Punk, Gothic Rock, New Wave, Industrial und Alternative The Velvet Underground als eines ihrer musikalischen Vorbilder.

Diskografie

Reguläre Veröffentlichungen

Studioalben

Jahr Album
1967 The Velvet Underground and Nico
1968 White Light/White Heat
1969 The Velvet Underground
1970 Loaded
1973 Squeeze

Livealben

Jahr Album Anmerkungen
1972 Live at Max’s Kansas City Lou Reed, John Cale und Nico
1993 Live MCMXCIII Auch als VHS-Kassette und DVD erschienen

Singles

Die folgende Liste enthält parallel zum jeweiligen Album erscheinende Singles in verschiedenen Ländern. Eine vollständige Liste von Singles, EPs und zu Promotionszwecken erstellte Aufnahmen enthält The Velvet Underground Web Page.[29]

USA
Jahr Single Album
1966 All Tomorrow's Parties / I'll Be Your Mirror The Velvet Underground and Nico
1966 Sunday Morning / Femme Fatale The Velvet Underground and Nico
1967 White Light/White Heat / Here She Comes Now White Light/White Heat
1969 What Goes On / Jesus The Velvet Underground
1971 Who Loves The Sun / Oh! Sweet Nuthin' Loaded
1971 Who Loves The Sun Loaded
Australien und Kanada
Jahr Single Album
1967 Sunday Morning / Femme Fatale The Velvet Underground and Nico
Großbritannien
Jahr Single Album
1971 Who Loves The Sun / Sweet Jane Loaded
1973 Sweet Jane/Rock And Roll Loaded
Frankreich
Jahr Single Album
1971 Head Held High / Train Round The Bend Loaded

Spätere Veröffentlichungen von Archivmaterial

Studioaufnahmen

Jahr Album Anmerkungen
1984 VU Aufnahmen von 1968/1969
1985 Another View Aufnahmen von 1968/1969
1995 Peel slowly & see 5-CD-Box mit den ersten vier Studioalben
1997 Loaded (Fully Loaded Edition) Um Demoaufnahmen erweiterte Fassung des Albums Loaded (1970)

Liveaufnahmen

Jahr Album Anmerkungen
1974 Live 1969 -
2001 Bootleg series vol. 1: The Quine tapes Liveaufnahmen von 1969, offizielles Bootleg
2001 Final V.U. 1971–1973 Liveaufnahmen von den Konzerten nach Reeds Ausstieg
2005 Live at Max’s Kansas City Deluxe Edition Remasterte Fassung von Live at Max’s Kansas City

Außerdem existieren zahlreiche inoffizielle Bootlegs[30], deren Tonqualität aufgrund der oft unprofessionellen Aufnahmetechnik zum Teil stark variiert.

Film und Fernsehen

Der von Andy Warhol im Januar 1966 gedrehte, circa 70-minütige 16-mm-Schwarzweißfilm The Velvet Underground And Nico (A Symphony of Sound), der die Gruppe beim Proben in der Factory zeigt, gilt als das bekannteste Filmdokument. Die Dreharbeiten wurden von der New Yorker Polizei wegen ruhestörenden Lärms abgebrochen. Der Film wurde später bei einigen Auftritten als Stummfilm-Kulisse gezeigt.[31]

Mit Ausnahme der Warhol-Produktion sind insgesamt nur vier weitere Filme bekannt, die allerdings nur selten zu sehen sind: Rosalind Stevenson machte 1965 in ihrem Appartement einige primitive Filmaufnahmen von der Band; Jonas Mekas und Barbara Rubin filmten am 8. Januar 1966 den Psychiaterkongress im New Yorker Delmonico’s Hotel, bei dem die Gruppe ihren ersten Auftritt in Zusammenarbeit mit Andy Warhol hatte; Ron Nemeth filmte im Juni 1966 einen Auftritt im Poor Richards in Chicago und im Oktober 1966 drehte ein Filmteam einen Auftritt in der New Yorker Balloon Farm (das frühere Dom).[32] Einige dieser Aufnahmen wurden später auf Video-Bootlegs veröffentlicht.[33]

Ihren ersten Fernsehauftritt hatten The Velvet Underground zu Silvester 1965 in der CBS-Nachrichtensendung mit Walter Cronkite, in der über den Undergroundfilmer Piero Heliczer berichtet wurde, der wiederum die Band beim Spielen von Heroin filmte.[31]

Literatur und Medien

  • Victor Bockris, Gerard Malanga: Up-tight. The Story of The Velvet Underground. Cooper Square Press, 1983 (Reprint 2003), ISBN 0815412851 (englisch); deutsche Übersetzung Up-tight. Die Velvet Underground Story. Sonnentanz-Verlag, 1988, ISBN 3-926794-00-3.
  • Lynne Tillman, Stephen Shore: The Velvet Years – Warhols Factory 1965–67. Pavilion Books Ltd., London 1995, ISBN 1-85793-323-0. (englisch)
  • Victor Bockris, John Cale: What’s Welsh For Zen. London 1999.
  • Klaus Gier: Andy Warhols Record- und Cover Design. Verlag Peter Lang, 2001, ISBN 978-3-631-37418-4.
  • Nico Icon. (Dokumentation des ZDF zum Leben und Werk von Christa Päffgen alias Nico)

Referenzen

  1. a b c David Fricke in seinen Anmerkungen zu Peel Slowly and See; 5-CD-Box (Polydor, 1995)
  2. „John Cale made me more aware of electronic music and he had worked with [avant-garde musician] Lamont Young. He had introduced me to the idea of drone.“ - Lou Reed im Interview mit The Stranger, abgerufen am 25. Mai 2009
  3. „They formed a band with John Cale and Angus MacLise, calling themselves the Warlocks (occasionally calling themselves the Falling Spikes).“ Andy Warhol Chronology - 1965, abgerufen am 25. Mai 2009
  4. zitiert von David Fricke in seinen Anmerkungen zu Peel Slowly and See
  5. Angus-MacLise-Biografie auf Pandora.com, abgerufen am 25. Mai 2009
  6. Uwe Husslein: Pop goes art. Andy Warhol & Velvet Underground. Institut für Popkultur, Wuppertal 1990, S. 9
  7. Victor Bockris: Andy Warhol. Claasen Verlag, Düsseldorf 1989, S.258f.
  8. Andy Warhol And The Dom, abgerufen am 6. Juni 2009
  9. Lynne Tillman, Stephen Shore: The Velvet Years – Warhols Factory 1965–67. Pavilion Books Ltd., London 1995, S. 64
  10. Uwe Husslein: Pop goes art. Andy Warhol & Velvet Underground, S. 5
  11. a b David Bourdon: Warhol. DuMont, Köln 1989, S. 221ff
  12. a b Interview mit Sterling Morrison, abgerufen am 6. Juni 2009
  13. Uwe Husslein: Pop Goes Art, S. 20f
  14. a b The Velvet Underground - Live performances and rehearsals - 1970, abgerufen am 28. Mai 2009
  15. The Velvet Underground - Live performances and rehearsals - 1971-73, abgerufen am 28. Mai 2009
  16. Songs for Drella auf RollingStone.com, abgerufen am 27. Mai 2009
  17. a b c The Velvet Underground - Live performances and rehearsals - Reunions, abgerufen am 27. Mai 2009
  18. The Velvet Underground - 1993 European Reunion Tour, abgerufen am 28. Mai 2009
  19. Rock and Roll Hall of Fame The Velvet Underground in der Rock and Roll Hall of Fame
  20. a b "Rejected as nihilistic by the love crowd in '67, the Banana Album (so named for its Warhol-designed cover), is the most prophetic rock album ever made." Rolling Stone Magazine
  21. der Titel wurde auf der Verve-US-Pressung entsprechend mit „Produced by Tom Wilson“ gekennzeichnet
  22. Quelle: http://coverinfo.de
  23. Head Held High, Interview mit Doug Yule, abgerufen am 22. Mai 2009
  24. Rarebird's Velvet Underground Reviews, abgerufen am 22. Mai 2009
  25. From Revolution to Reconstruction: What made the Velvet\Warhol connection special, abgerufen am 6. Juni 2009
  26. „I was the biggest fan in the UK, I believe.“ (David Bowie im Interview mit Esquire, 2004)
  27. Interview mit Sonic Youth im Magazin Intro
  28. „Being compared to the Velvet Underground is cool because we were influenced by them.“ (Nick Valensi im Interview mit 2-4-7-music.com, 2001)
  29. The Velvet Underground - Singles & EPs
  30. The Velvet Underground - Bootleg CDs, abgerufen am 25. Mai 2009
  31. a b Victor Bockris, Gerard Malanga: Up-tight – Die Velvet Underground Story, S. 26f.
  32. Victor Bockris, Gerard Malanga: Up-tight – Die Velvet Underground Story, S. 83
  33. The Velvet Underground - DVDs, Home Videos & Laserdiscs, abgerufen am 3. Juni 2009

Weblinks

Vorlage:Allmusic Guide