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Kettenschifffahrt auf dem Main

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Die Kettenschifffahrt auf dem Main war eine spezielle Art des Schiffstransports von 1886 bis 1936 auf dem Main. Entlang einer im Fluss verlegten Kette zogen sich Kettenschiffe mit mehreren angehängten Schleppkähnen stromaufwärts. Die Technik der Kettenschifffahrt löste die bis dahin übliche Treidelschifffahrt ab, bei der die Schiffe von Pferden gezogen wurden.

Durch die zunehmende Mainkanalisierung und die damit verbundenen Staustufen wurde die Kettenschleppschifffahrt erschwert und mit dem Aufkommen von wirtschaftlicheren Dieselmotorschiffen ganz eingestellt.

Datei:Kettenschlepper KBKS No V-14.JPG
Modell des bayerischen Kettenschleppschiffs K.B.K.S. No. V

Geschichte

Die Situation vor der Kettenschifffahrt

Vor 1800 war der Main ein seicht dahin fließendes Gewässer mit vielen Schleifen, Biegungen und Seitenarmen. Starke Hochwasser führten im Herbst und Frühjahr zu Überschwemmungen, Uferabbrüchen und Verlandungen. Im Sommer hingegen trocknete das ohnehin oft nur einen Meter tiefe Flussbett teilweise aus, und es entstanden Untiefen und Sandbänke.[1]

Flussaufwärts wurden die Schiffe von Pferden gezogen, meist als Verbund aus mehreren Schiffen. Der Leinpfad wechselte häufig von einem Ufer zum anderen, und die Pferde mussten übergesetzt werden. Flussabwärts ließen die Schiffer ihre Schiffe treiben oder als Segelboote von der Windkraft vorwärts bewegen. Die Kosten für das Treideln waren hoch, so dass den Schiffern oft nur auf der Talreise ein Verdienst blieb.[1]

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Dampfschifffahrt mit Raddampfern auf dem Main eröffnet, konnte sich jedoch aus mehreren Gründen nicht durchsetzen: Erstens behinderten die ungünstigen Fahrwasser des Mains bei niedrigen Wasserständen der Sommermonate die Dampfschiffe mit ihrem relativ großen Tiefgang, zumal die vom bayerischen Staat zugesagten Fahrwasserverbesserungen nicht in ausreichendem Maße vorgenommen wurden.[1] Zweitens war die etwa zeitgleich aufgebaute Eisenbahn den Dampfschiffen überlegen; sie fuhr schneller und hatte kürzere Wege. Der Wasserweg von Mainz nach Schweinfurt war um 88 Prozent länger.[1] Außerdem konnte die Bahn Zollstellen ohne Wartezeiten passieren und wurde finanziell nicht durch Zölle und Abgaben belastet. Schon 1858 wurde deshalb die Dampfschifffahrt mit Raddampfern wieder eingestellt.[1]

Die Zeit der Kettenschleppschifffahrt auf dem Main

Kettenschiffschleppverbund auf dem Main (ca. 1896)
Kettenschleppschiff der Mainkette-AG vor dem „Mainkai“ in Frankfurt

Bereits am 25. Mai 1840 richtete ein Buchhalter namens Jaeger ein Gesuch an König Ludwig I. von Bayern mit dem Ziel, sein Gewerbsprivileg dahingehend abzuändern, die „Erfindung, Schiffe auf Kanälen und Flüssen mittelst Ketten ohne Ende“ einführen zu dürfen. Das Gesuch blieb ohne Erfolg, auch weil Ludwig Bedenken wegen einer Beeinträchtigung der „inländischen“ Schifffahrt hatte, besonders auf dem Ludwig-Donau-Main-Kanal.

Ein weiterer, diesmal erfolgreicher Impuls zur Errichtung der Ketten-Schleppschifffahrt auf dem Main ging über drei Jahrzehnte später von Heino Held, dem Inhaber einer Mainzer Speditions- und Kohlenhandlung mit dem Namen C. J.H. Held & Cie. aus.[2] 1872 gründeten daraufhin die verschiedenen Länder und Städte entlang des Mains ein Komitee in Aschaffenburg. Zur Debatte standen die Kettenschiffahrt und die Kanalisierung des Mains. Das zum Großherzogtum Hessen gehörende Mainz trat für die Kettenschifffahrt ein, da es befürchtete, dass nach einer Kanalisierung des Mains die Rheinschiffe ihre Güter direkt bis nach Frankfurt bringen könnten und Mainz so seine Stellung als Umschlagplatz verlöre. Das damals zu Preußen gehörende Frankfurt wollte Rheinhafen werden und stimmte der Kette erst zu, nachdem die Kanalisierung bis Frankfurt vollendet war.[3] Der bayerische Landtag war ebenfalls Gegner der Kette; er fürchtete eine Konkurrenz für die staatliche bayerische Eisenbahn und genehmigte die Kette vorerst nur bis Aschaffenburg.

Die Kette im Main verlegte die hessische Aktiengesellschaft Mainkette-AG. Die Kettenboote wurden 1886 bei der Firma Gebr. Sachsenberg in Roßlau (Elbe) gebaut. Sie zogen sich selbst und bis zu zehn angehängte Kähne und erreichten dabei eine Geschwindigkeit von etwa fünf Kilometern pro Stunde.

Am 7. August 1886 wurde die Strecke zwischen Mainz und Aschaffenburg mit drei Kettenbooten (Mainkette I-III) in Betrieb genommen. Der Fränkische Kurier schrieb in einem Rückblick über die Anfänge der Kettenschifffahrt:

„Das war die Zeit, in der eines Tages das ‚Kettenboot’ die Dörfer und Städte überraschte. Welch ein Jubel damals! Als wäre ein Ueberseedampfer den Rhein und Main heraufgekommen! […] Meter um Meter stieg da triefend wie eine eiserne Schlange die Kette aus der Tiefe, rollte über das Verdeck, verkroch sich, und plötzlich war sie wieder da, um im nassen Element zu verschwinden. Und die Kinder und Alten standen und staunten.“[4]

In den folgenden Jahren vergrößerte die Mainkette-AG ihren Schiffspark um drei Schraubendampfschlepper, die hauptsächlich als Zubringer in Mainz-Kostheim und Frankfurt eingesetzt wurden.[3]

1892 stimmte die bayerische Regierung zögernd dem mehrfachen Antrag der Mainkette-AG zur Verlängerung der Kette bis Miltenberg zu, jedoch unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufes.[1] Sie beschloss allerdings schon zwei Jahre später ein Gesetz zur Einrichtung einer Kettenschifffahrt auf dem Main.[3] 1898 wurde vom bayerischen Königreich die Königlich Bayerische Kettenschleppschiffahrt-Gesellschaft (kurz KBKS) in Würzburg gegründet und von der bayerischen Staatseisenbahn verwaltet. Die neugegründete staatliche Gesellschaft vergab den Auftrag zum Bau von fünf Kettenschleppern K.B.K.S. No. I bis V an die Schiffswerft Übigau bei Dresden. Die Schlepper wurden in der Schiffswerft vorgefertigt, zerlegt mit der Bahn nach Aschaffenburg transportiert, zusammengenietet und zwischen 1898 und 1900 zu Wasser gelassen.

Der Main mit den wichtigsten Orten

Von 1895 bis 1901 fuhren noch die Kettenboote der hessischen Mainkette-AG auf den bayerischen Flussabschnitten bis Miltenberg oder Lohr. Mit dem Einsatz aller neuen bayerischen Kettenschlepper musste sich die Mainkette-AG jedoch aus Bayern zurückziehen. Die Königlich Bayerische Kettenschleppschiffahrt-Gesellschaft übernahm die Kette und verlängerte sie in den Folgejahren: 1903 bis Kitzingen, 1911 bis Schweinfurt und 1912 bis Bamberg. Damit hatte die Kette mit 314 Kilometern ihre größte Länge erreicht. In den Jahren 1910 und 1911 wurden drei weitere Kettenschlepper mit den Bezeichnungen K.B.K.S. No. VI bis VIII in Übigau gebaut. Ab 1912 waren somit acht bayerische Kettenschleppbote auf dem Main zwischen Aschaffenburg und Bamberg unterwegs.[1]

Die Kettenschiffe wurden meist nur auf der Bergfahrt benutzt. Die Situation der Kettenschifffahrt wird 1900 in der Aschaffenburger Zeitung wie folgt beschrieben:

Die königlich bayerischen Kettenschiffe beförderten im Monat Juni in 22 Schleppzügen 430 Fahrzeuge mit 24 568 t Tragfähigkeit und 4 706 t Ladung bergwärts. Thalwärts schleppten sie 4 Fahrzeuge mit 467 t Tragfähigkeit und 28 t Ladung. Die Einnahmen hierfür betrugen 8 026 M., 70 Pf. [5]

Nach dem Sturz des bayerischen Königs Ludwig III. im Jahr 1918 wurde das 'K' für königlich gestrichen und die Schiffe nur noch zum Beispiel B.K.S. No.VIII genannt. Mit der Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft 1920/21 wurde der Name DRG KS Nr VIII (Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft Kettenschiff Nummer 8) benutzt, ab 1936 DR. KS Nr VIII (Deutsche Reichsbahn Kettenschiff Nummer 8).

Das Ende der Kettenschifffahrt

Bestehende und geplante Wasserstraßen in Deutschland, 1903

So wie anfangs die Frankfurter an der Kanalisierung des Mains bis zu ihrer Stadt interessiert waren, zeigte nun der bayerische Staat größtes Interesse an der Mainkanalisierung bis Aschaffenburg. Alle Güter sollten bis dorthin per Schiff kommen und dort verteilt werden. Die mainaufwärts tätige staatliche bayerische Kettenschifffahrt wurde dadurch nicht beeinflusst, die Folgen hatte jedoch die Mainzer Gesellschaft Mainkette-AG zu tragen. Das Aufstauen des Flusses führte zu einer größeren Wassertiefe und reduzierte gleichzeitig die Fließgeschwindigkeit.[6] Vor allem mussten die langen Schleppzüge an den Schleusen der Staustufen aufgeteilt und getrennt geschleust werden. Das konnte bis zu fünf Stunden Verzögerung bedeuten, da die Schleppkähne mühsam per Menschenkraft in die Schleuse hinein und auch wieder herausgezogen werden mussten.[3]

Alles das verschob die Rentabilität von der Kettenschifffahrt zu schraubengetriebenen Schiffen. Die Mainkette-AG konnte mit der fortschreitenden Mainkanalisierung bis Aschaffenburg im Jahr 1921 nur noch ihre Schraubenschlepper wirtschaftlich einsetzen und gab den Schleppbetrieb Anfang der 1930er Jahre ganz auf.[3]

Auch für die bayerische Strecke musste die Reichsbahndirektion Nürnberg 1935 feststellen: „Das Verkehrsaufkommen bei der Kettenschleppschifffahrt auf dem Main ist in der 1. Hälfte dieses Jahres [1935] durch den Wettbewerb der Schraubenboote außerordentlich zurückgegangen, sodaß der Betrieb nahezu zum Erliegen gekommen ist und die Frage der völligen Auflassung des Unternehmens ins Auge gefaßt werden muß.“ [7] Als Grund hierfür wurde angegeben:

Dabei kommt den Schraubenschleppern zu statten, daß sie in ihrer Anschaffung und im Betriebe trotz der erforderlichen stärkeren Maschinenleistung erheblich billiger sind als die Kettenboote. Ein Motorschraubenschlepper von gleicher Leistung wie die Kettenschleppschiffe erfordert nur die halbe Bedienungsmannschaft (3 statt 6). Der ganze Kapitalaufwand für die Kette und ihre Erneuerung entfällt. Die Schraubenschlepper können ferner die Schleusen rascher und leichter befahren als die Kettenboote, auch die Störungen der Kettenbrüche treten nicht auf. Eine weitere, bei schwachem Verkehr wesentliche wirtschaftliche Überlegenheit liegt darin, daß sie als kleinere Einheiten nicht das Zustandekommen eines großen Schiffszuges abwarten müssen, daher den Verkehr rascher bedienen können und weiter, daß sie die jetzt auftretende neue Verkehrsaufgabe in dem mit viel geringerer Strömung fließenden Wasser auch talwärts schleppen, somit die Fahrt stromabwärts ausnutzen können. […] Außer den Schleppbooten kommen übrigens in jüngster Zeit auch motorisierte Kähne vom Rhein herauf, die also weder Schraubenschlepper noch die Kettenschlepper benötigen. [7]

Ein weiterer Nachteil der Kettenschleppschiffahrt lag in den Seitwärtsbewegungen der Kette über den Flussgrund hinweg, weil sie jeweils in das Kurveninnere gezogen werden konnte. Damit verschleifte die Kette manchmal auch größere Steinbrocken in die Fahrrinne oder kantete dort bereits liegende Steine auf. Außerdem wurde sie nach jedem Anheben nicht wieder genau dort abgelegt, wo sie vorher lag.

Die Bayerische Kettenschifffahrt wurde im Juli 1936 vollständig eingestellt und die Kette 1938 gehoben.[3] Der Fränkische Kurier beschreibt am 14. Mai 1938 die letzte Fahrt eines Kettenschiffs auf dem Main:

„Die ‚Mainkuh’ hat in Aschaffenburg ihre letzte Fahrt nach Bamberg angetreten. Die ganze Reise wird ein einziger Abschied sein; denn ihre Kette verlässt nun für immer den Fluss, und überall am Main, nicht nur in den bekannten alten Schifferstädtchen und Schifferdörfern […] sind mit dieser Mainkette und ihren ‚Kettenbooten’ tausend Erinnerungen verknüpft. Die Mää-, die Maa-, die Meekuh, wie man den Kettenschlepper mainaufwärts mit immer neuem Klang getauft hat, ist jedem Kind am Main bekannt. Heute noch. Morgen aber wird sie der Geschichte der Mainschifffahrt angehören.[4]

Der Name Mainkuh

Vor gefährlichen Flussstellen hatte der Kettenschleppverband Vorrang vor anderen Schiffen. Diese mussten beidrehen und den Schleppverband durchlassen. Um die anderen Schiffe zu warnen, gaben die Kettenschiffe schon lange vorher ein lautes Pfeifsignal ab. Ein solches Signal ertönte auch, bevor Schiffe an- oder abgekoppelt wurden. Passierte ein Schleppverband den Heimathafen des Kettenschleppers oder eines der Schleppkähne, wurden ebenfalls Signale gegeben. Die Familien der Schiffer wussten so von der Ankunft und konnten über kleine Boote, den sogenannten Nachen, Proviant, Kleidung und Neuigkeiten überbringen. Das Tuten der Kettenschleppschiffe, das sich wie lautes Muhen anhörte, und die laut rasselnden Ketten – wie in einem Kuhstall – führten landläufig zu der Bezeichnung Mainkuh oder je nach Dialekt und Aussprache auch zu Määkuh, Meekuh, Maakuh oder Meankuh.[3][2]

Technische Beschreibung

Die Kettenschlepper hangelten sich entlang einer im Flussbett verlegten Kette, die nur an ihrem Anfang und Ende im Fluss fixiert war. Die Kette bestand aus 18 cm großen eisernen Gliedern mit einer Stärke von 2,4 Zentimetern. Allein durch das Eigengewicht der Kette und das natürliche Verhaken mit dem Flussgrund konnte diese eine Zugkraft von etwa 40000 Newton (entsprechen etwa 4000 kg) aufnehmen. Am Bug und am Heck des Schiffes waren Verlängerungen (Ausleger) angebracht, die seitlich in beide Richtungen geschwenkt werden konnten. Die Kette wurde über den vorderen Ausleger aus dem Flussbett geholt und über Deck entlang der Schiffsachse zum Kettenantrieb in der Mitte des Schiffes geführt. Führungsrollen sorgten für eine exakte Ausrichtung der Kette. Von dort führte die Kette über Deck zum Ausleger am Heck und wieder zurück in den Fluss. Durch die seitliche Beweglichkeit des Auslegers und die beiden sowohl vorne und hinten angebrachten Ruder war es möglich, die Kette auch bei Flussbiegungen wieder in der Flussmitte abzulegen.[8]

Schematische Darstellung des Kettenverlaufs bei den bayerischen Kettenschiffen: Ausleger (grün), Ruder (violett), Führungsrollen (blau), Antriebsrolle (rot)

Eduard Weiß beschreibt die Boote in der Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure wie folgt: „Das Aussehen des Schiffes ist insofern eigenartig, als es in der Mitte am höchsten ist und nach den Enden zu stark abfällt, damit der durch das Heben der Schleppkette entstehende Arbeitsverlust möglichst gering wird.“[8] Diese Form ist typisch für alle Kettenboote und war optimiert für geringe Wassertiefen. Je größer die Wassertiefe ist, um so geringer ist der Wirkungsgrad, da immer mehr Energie aufgewendet werden muss, um die Kette vom Flussbett heraufzuholen.[3]

Die Kette hielt etwa 10 bis 15 Jahre. Aufgrund der Schleifwirkung des Sandes zwischen den Kettengliedern kam es dann vermehrt zu Kettenbrüchen. Um das Auffischen der Kette vom Grund mit Hilfe von Suchankern zu vermeiden, waren an den Auslegern der Schiffe Fangeinrichtungen in Form von Sperrhaken eingebaut, die ein Ablaufen der Kette nach einem Kettenbruch oder während der Reparatur der Kette verhinderten.[3]

Die hessischen Kettenschiffe

Die drei hessischen Boote mit der Bezeichnung Mainkette I-III wurden in Roßlau gebaut und hatten eine Länge über Deck von 49,80 m, sowie eine Breite an der Wasserlinie von 7,05 m.[1] Sie hatten außer dem Kettenantrieb in Form eines Trommelwindwerks keinen weiteren unabhängigen Antrieb. Bei der Fahrt zu Berg und zu Tal waren diese Schiffe folglich auf die Kette angewiesen. Schiffe, die sich begegneten, mussten mit einem komplizierten Manöver aneinander vorbeifahren. Zuerst musste die Kette an speziellen Schlössern, die sich im Abstand von 400 Metern in der Kette befanden, geöffnet werden. Mit Hilfe von Hilfskette und Seil musste das talwärts fahrende Schiff aus der Kette gehen und ankern. Nachdem das gegen die Strömung fahrende Schiff passiert war, konnte das talwärts fahrende Schiff mit einem Zeitverlust von etwa 45 Minuten wieder in die Kette gehen.[3]

Der Tiefgang mit 20 Tonnen Kohlen an Bord betrug 0,60 Meter. Die Boote wurden von einer Dampfmaschine mit 88 kW (120 PS) angetrieben. Typisch für diesen Bootstyp waren zwei nebeneinander angeordnete Kamine. Das war darauf zurückzuführen, dass das Boot zwei Kessel mit je einem Feuer besaß. Der Kohlenverbrauch pro Stunde betrug 3 Zentner (150 kg).[9]

Die bayerischen Kettenschiffe

Die bayerischen Kettenschleppschiffe mit den Bezeichnungen K.B.K.S. No.I-V wurden in Übigau gebaut und waren mit 50 Meter über Deck (entsprechend 46,80 m an der Wasserlinie) geringfügig länger als die Boote der Mainkette-AG. Dafür war jedoch die Breite an der Wasserlinie mit 6,40 Meter (Breite über Deck 7,40 m) geringer.[1] Bei einem Tiefgang von nur 0,56 Metern hatten sie eine Wasserverdrängung von 147 Kubikmeter, was ihrem Gewicht in Tonnen entspricht. Mit einer Antriebsleistung von 95 kW (130 PS), die eine Dampfmaschine lieferte, konnte sie bis zu 12 Lastkähne ziehen.

Die bayerischen Kettenschleppschiffe mit den Bezeichnungen K.B.K.S. No.VI-VIII waren an der Wasserlinie mit 48,00 Meter etwas länger als die Vorgängerversion. Die Breite an der Wasserlinie war mit 6,40 Metern jedoch unverändert geblieben.[1] Die Antriebsleistung der Dampfmaschine betrug bei diesen Schiffen 80 kW (110 PS). Bis 1924 wurde für die Kraftübertragung ein Kettengreifrad nach Bellingrath verwendet. Danach wurde ein 2-rädriges Kettenrad benutzt, um das die Kette geschlungen wurde.

Eine Besonderheit der bayerischen Boote waren zwei Wasserturbinen nach Gustav Anton Zeuner, Vorläufer des heutigen Wasserstrahlantriebs, mit denen das Schiff gelenkt werden konnte und ohne Kette mit einer Geschwindigkeit von rund 14 Kilometern pro Stunde zu Tal fuhr. Der zusätzliche Antrieb ermöglichte aber auch Richtungskorrekturen während der Fahrt an der Kette und erleichterte Wendemanöver.

Die bayerischen Kettenboote besaßen nur einen Kamin. Dieser war bei Bedarf abklappbar. Der Rumpf bestand aus sieben, durch sechs wasserdichte Schottwände getrennte Abteilungen. Die Besatzung bestand aus dem Kapitän, einem Steuermann, zwei Matrosen, einem Maschinisten und zwei Heizern.[6] Im Unterdeck befanden sich die Kojen und Kabinen. Die Steuerplattform war mit einer Tuchabdeckung umkleidet und ein Sonnen-/Regensegel war darüber gespannt. Später wurde der Steuerstand zu einem Steuerhaus umgebaut.

Schiffsmodelle

Kettenschleppschiff mit Teil der Originalkette im Schiffahrtsmuseum Wörth
Kettenschiff K.B.K.S. No.I im DB-Museum Nürnberg
Kartonmodell des Kettenschiffs K.B.K.S. No.V

Ein Modell eines Kettenschleppschiffes ist zusammen mit einem Stück der Originalkette im Schifffahrts- und Schiffbaumuseum Wörth am Main ausgestellt. Zusätzlich ist dort eine im Maßstab 1:5 nachgebaute Doppelwinde zu sehen, die auf Knopfdruck die Kette aufwickelt und abspult. Ein zweites Modell eines Kettenschleppschiffes steht im Sitzungzimmer des Wörther Rathauses und wird bei Bedarf an andere Museen und Ausstellungen verliehen.

Das im Heimatmuseum von Elsenfeld ausgestellte Modell eines Kettenschleppschiffes erlaubt die Bewegung der Kette am Modell. Außerdem ist dort eine Original-Schiffsglocke des Königlich Bayerischen Kettendampfschiffs Nr. 4[2] und ein Stück der Originalkette zu sehen. Das Museum ist nur wenige Tage im Jahr geöffnet.

Auch das Schlossmuseum in Aschaffenburg verfügt über ein Modell eines Kettenschiffes und ein Stück der Originalkette.

Ein weiteres Modell (Werftmodell des K.B.K.S. No. I im Maßstab 1:25) ist im Besitz des DB-Museums in Nürnberg. Dieses wird jedoch nur selten ausgestellt.

Außerdem gibt es das Kettenschiff K.B.K.S. No. V als Kartonmodell im Maßstab 1:250.

Die letzten Kettenschiffe Deutschlands

Der letzte Überrest eines Kettenschiffs vom Main war bis März 2009 im ehemaligen Floßhafen von Aschaffenburg zu sehen. Die Määkuh diente bis Anfang des neuen Jahrtausends als Restaurant und war wegen ihrer Aufbauten kaum noch als Kettenschiff zu erkennen. Danach lag sie in der Werft zu Erlenbach am Main und Oktober 2009 im SMA-Hafen in Aschaffenburg.[10] Sie ist nur noch bedingt schwimmfähig. Ihre Zukunft ist ungewiss. Die Vereine „Technikdenkmal Määkuh“ und „AbaKuZ e. V.“ kämpfen im Herbst 2009 um die Rettung vor Verschrottung, um sie später im Originalzustand wieder aufzubauen.[11] Aufgrund seiner Abmessungen gehört das Schiff zur Baureihe K.B.K.S. No. I bis V. Aufgrund seiner Geschichte wurde es als technisches Denkmal eingestuft.

Das letzte Kettenschiff, welches noch als solches zu erkennen ist, ist die „Gustav Zeuner“, die auf der Elbe eingesetzt war und zur Zeit (2009) in Magdeburg an Land liegt und zum Museumsschiff restauriert wird.

Siehe auch

Die Situation der Schleppschifffahrt auf anderen deutschen Flüssen wird beschrieben unter:

Literatur

  • Sigbert Zesewitz, Helmut Düntzsch, Theodor Grötschel: „Kettenschiffahrt“, 1987, VEB Verlag Technik, Berlin, ISBN 3-341-00282-0
  • Georg Schanz: „Studien über die bay. Wasserstraßen Band 1, Die Kettenschleppschiffahrt auf dem Main“, 1893, C.C. Buchner Verlag, Bamberg
  • Eduard Weiß: „Die Kettenschlepper der kgl. bayerischen Kettenschleppschiffahrt auf dem oberen Main“ in der Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Band 45, 1901, Nr. 17, Seite 578-584
  • Helmut Betz: Historisches vom Strom: Die Mainschiffahrt – Vom Kettenschleppzug zum Gelenkverband. Band 12. Verlag Krüpfganz, Duisburg 1996, ISBN 3-924999-13-9.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j Sigbert Zesewitz, Helmut Düntzsch, Theodor Grötschel: „Kettenschiffahrt“, 1987, VEB Verlag Technik, Berlin, ISBN 3-341-00282-0, Seite 142-151
  2. a b c Wolfgang Kirsten: Die „Maakuh“ – Kettenschifffahrt auf dem Main. (pdf) In: FITG-Journal No. 1-2007. Förderkreis Industrie- und Technikgeschichte e.V., April 2007, S. 13-20, abgerufen am 28. Oktober 2009.
  3. a b c d e f g h i j Heidemarie Kirchner, Schiffahrts- und Schiffbaumuseum Wörth a. Main, veröffentlicht von Weltkunst, 1994, ISBN 9783921669129, Seite 66-70
  4. a b Fränkischer Kurier vom 14. Mai 1938: Die Letzte Fahrt der „Mainkuh“, Die Kette wird aus dem Fluss gehoben, Redakteur W.St.
  5. Aschaffenburger Zeitung vom 17. Juli 1900 (Bilanz der Kettenschifffahrt auf dem Main)
  6. a b Georg Schanz: „Studien über die bay. Wasserstraßen Band 1, Die Kettenschleppschiffahrt auf dem Main“, 1893, C.C. Buchner Verlag, Bamberg – (digitalisierte Form) von Digitalis, Bibliothek für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Köln, Abgerufen am 29. Oktober 2009
  7. a b Bericht der Reichsbahndirektion Nürnberg vom 7. August 1935 an die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft (in: Mainschiffahrtsnachrichten, Verein zur Förderung des Schifffahrts- und Schiffbaumuseums Wörh am Main (Otto Berninger), Mitteilungsblatt Nr. 11, Dezember 1991)
  8. a b Eduard Weiß: „Die Kettenschlepper der kgl. bayerischen Kettenschleppschiffahrt auf dem oberen Main“ in der Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Band 45, 1901, Nr. 17, Seite 578-584
  9. Handschriftliche Aufzeichnung des Sendelbacher Schiffers Heinrich Ebert
  10. Fotoserie „Määkuh verlässt ihren Liegeplatz“. Abgerufen am 17. Oktober 2009.
  11. Technikdenkmal Määkuh e.V. (pdf) Abgerufen am 17. Oktober 2009.