„Entgrenzung der Arbeit“ – Versionsunterschied

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Es kann in [[Deutschland]] und vielen anderen Ländern zu Konflikten mit dem jeweils geltenden Arbeits- und Sozialrecht, insbesondere zu einem hohem [[Rechtsrisiko]] kommen.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.sueddeutsche.de/politik/verdacht-auf-scheinselbstaendigkeit-bundestag-soll-millionen-euro-nachzahlen-1.2160939 |titel=Bundestag soll 1,45 Millionen Euro nachzahlen |werk=sueddeutsche.de |datum=2014-10-07 |zugriff=2019-03-25}}</ref> In [[Österreich]] wird Scheinselbständigkeit unterstellt, wenn jemand als selbstständig tätiger Unternehmer auftritt, obwohl er eine Arbeit verrichtet, die der eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers gleich kommt.
Es kann in [[Deutschland]] und vielen anderen Ländern zu Konflikten mit dem jeweils geltenden Arbeits- und Sozialrecht, insbesondere zu einem hohem [[Rechtsrisiko]] kommen.<ref>{{Internetquelle|url=http://www.sueddeutsche.de/politik/verdacht-auf-scheinselbstaendigkeit-bundestag-soll-millionen-euro-nachzahlen-1.2160939 |titel=Bundestag soll 1,45 Millionen Euro nachzahlen |werk=sueddeutsche.de |datum=2014-10-07 |zugriff=2019-03-25}}</ref> In [[Österreich]] wird Scheinselbständigkeit unterstellt, wenn jemand als selbstständig tätiger Unternehmer auftritt, obwohl er eine Arbeit verrichtet, die der eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers gleich kommt.


Die Entgrenzung ist auch ein treibender Faktor für die zunehmende Mobilität in der Gesellschaft, wie dies zum Beispiel in der Studie [[Mobilität in Deutschland]] untersucht wird. Bei den Themen [[Umweltschutz]], [[Arbeitsschutz]], [[Mindestlohn]] und [[Sozialsystem]] werden die Folgen teilweise sehr kritisch gesehen. Beispiele sind die [[Migration (Soziologie)|Migration]] von Arbeitskräften von [[Niedriglohnland|Niedriglohnländern]] in Hochlohnländer und das [[Lohndumping]]. Nach den Angaben im vierten [[Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung]] ([[2013]]) ist der Anteil der Beschäftigten mit niedrigen Löhnen in Deutschland in den Jahren 1995 bis 2010 von 17,7 Prozent auf 23,1 Prozent gestiegen. Nach Einschätzung der [[Internationale Arbeitsorganisation|Internationalen Arbeitsorganisation]] (IAO) sind Deutschland, [[Polen]] und die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] die Industriestaaten mit der stärksten Zunahme der Lohnungleichheit.<ref>[http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/a334-4-armuts-reichtumsbericht-2013.pdf?__blob=publicationFile Vierter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2013)] (PDF), Seite 334</ref>
Die Entgrenzung ist auch ein treibender Faktor für die zunehmende Mobilität in der Gesellschaft, wie dies zum Beispiel in der Studie [[Mobilität in Deutschland]] untersucht wird. Bei den Themen [[Umweltschutz]], [[Arbeitsschutz]], [[Mindestlohn]] und [[Sozialsystem]] werden die Folgen teilweise sehr kritisch gesehen. Beispiele sind die [[Migration (Soziologie)|Migration]] von Arbeitskräften von [[Niedriglohnland|Niedriglohnländern]] in Hochlohnländer und das [[Lohndumping]]. Nach den Angaben im vierten [[Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung]] ([[2013]]) ist der Anteil der Beschäftigten mit niedrigen Löhnen in Deutschland in den Jahren 1995 bis 2010 von 17,7 Prozent auf 23,1 Prozent gestiegen. Nach Einschätzung der [[Internationale Arbeitsorganisation|Internationalen Arbeitsorganisation]] (IAO) sind Deutschland, [[Polen]] und die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] die Industriestaaten mit der stärksten Zunahme der Lohnungleichheit.<ref>[http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/a334-4-armuts-reichtumsbericht-2013.pdf?__blob=publicationFile Vierter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2013)] (PDF), Seite 334</ref> In der Sendung „Leitkultur in den USA“ des [[Deutschlandradio]] wurde geschildert, dass die dortigen Einwanderer einem unheimlich großen Druck ausgesetzt sind, ihre Lebensgewohnheiten und damit auch ihre Kultur aufzugeben.<ref>Deutschlandradio: ''Leitkultur in den USA - Gesprächsreihe'', 27. Oktober 2002, 9:30-10:00 Uhr</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 25. März 2019, 13:51 Uhr

Entgrenzung der Arbeit beschreibt in der Arbeits-, Wirtschafts- und Industriesoziologie die zunehmende Auflösung von zeitlichen, räumlichen und sachlichen Strukturen der Erwerbsarbeit. Im engeren Sinne ist damit oft die Auflösung von Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben gemeint. Man spricht auch von Work-Life-Blending (englisch), einem fließenden Ineinander-Übergehen von Berufs- und Privatleben.

Die Entgrenzung wird auch im Zusammenhang mit dem Begriff Arbeitskraftunternehmer diskutiert. Der Soziologe Gerd-Günter Voß geht davon aus, dass neue betriebliche Rationalisierungsstrategien verstärkt auf die Nutzung der Fähigkeit der Arbeitskräfte zur Eigenmotivierung und selbständigen Sinnsetzung abzielen und Entgrenzung damit auch bei der Motivation des Menschen zu beobachten ist. Ein entscheidender Aspekt bei der Entgrenzung von Arbeit ist die Flexibilisierung.[1] Teilweise werden dabei auch die jeweiligen geltenden gesetzlichen Bestimmungen missachtet.

Untersuchungsgegenstände

Entgrenzungsprozesse werden in der Regel als Wandel der Erwerbsarbeit in betrieblichen Organisation untersucht. Referenzpunkt für den Wandel ist dabei meist ein Idealtypus des Normalarbeitsverhältnisses in industriellen Großbetrieben. Da sich die übliche Arbeitszeit eines Vollzeit-Erwerbstätigen von beispielsweise 40 Stunden je Woche in einigen Wirtschaftszweigen verändert hat und zum Beispiel in Deutschland seit 1995 nur noch 35 Stunden in der Druck-, Metall- und Elektroindustrie beträgt, ist bei allen Untersuchungen zu berücksichtigen, welche Datengrundlage verwendet wurde. Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Wochenarbeitszeit in vielen Branchen – meist unter dem Stichwort „Rücknahme der Arbeitszeitverkürzung“ – wieder deutlich angestiegen.[2] Ein traditionelles Untersuchungsthema ist die Teilzeitarbeit, welche bisher noch eine wesentliche Rolle bei der Flexibilisierung spielt.

Einige Wirtschaftszweige sind geprägt durch extensive oder atypische Arbeitszeiten und ein besonders hohes Maß an Flexibilität, mit der Erwerbstätige ihre Arbeitszeiten an die wechselnden Erfordernisse der Arbeit anpassen. Das Forschungsprojekt „Entgrenzte Arbeit – entgrenzte Familie“ des Deutschen Jugendinstituts und der TU Chemnitz zeigte auf, dass in den zwei untersuchten Branchen dieser Art – dem Einzelhandel und der Film- und Fernsehbranche – berufstätige Eltern einen „hohen, äußerst differenzierten und komplexen Bedarf an Kinderbetreuung“ haben.[3] Durch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten infolge der Föderalismusreform hat sich in Deutschland seit 2006 eine neue Entwicklung ergeben, weil zum Beispiel Ladengeschäfte an Wochentagen bis 24 Uhr geöffnet haben.

Ein besonderer Themenkomplex ist die Schichtarbeit, die nach verschiedenen Studien als gesundheitlich belastend gilt.[4][5] Zu berücksichtigen ist dabei zwar, dass es unterschiedliche Modelle gibt, aber sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungsbereich (z. B. Krankenhäuser) eine 40-Stunden-Woche zunächst auf fünt Tage verteilt wird, so dass sich ein Achtstundentag ergibt, der in einem 24-Stunden-Betrieb zu drei Schichten führt. Arbeit an Sonn- und Feiertagen sind eher die Ausnahme und unterliegen in Deutschland starken gesetzlichen Einschränkungen.

Bei der funktionalen Flexibilisierung wird einerseits eine breitere Qualifikation der Arbeitnehmer verlangt, andererseits kann in einigen Berufen auf die herkömmliche Spezialisierung verzichtet werden,[6] so dass sich auch das jeweilige Berufsbild im Laufe der Zeit verändert.

Entstehung

Die Siedlung Eisenheim im Ruhrgebiet gilt als eine der ältesten Arbeitersiedlungen in Deutschland

Das fließende Ineinander-Übergehen von Berufs- und Privatleben ist kein neues Phänomen. Der Lehrling früherer Zeiten wohnte in der Familie seines Meisters. Seit Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert entstanden neuartige Strukturen: Es entstanden die verschiedensten Formen von Werkswohnungen bis hin zu Arbeitersiedlungen. Der jeweilige Arbeitgeber bestimmte somit weitgehend über die Form und Ausgestaĺtung der Wohnung, die nach heutigem Verständnis zur Privatsphäre gehört. Dies hatte einen beträchtlichen Einfluss auf die Lebensgewohnheiten der Arbeiterschaft, vor allem durch die Standardisierung der Gebäude, und brachten die Bewohner in immer stärkere Abhängigkeit. Durch die massenweise Verbreitung von Mietwohnungen hält diese Entwicklung bis heute an. Beschäftigte ziehen vielfach an den Ort ihrer Arbeit und sind bei einer Verlagerung des Betriebes auch oft zum Umzug gezwungen.

In der Zeit des Nationalsozialismus erfuhr der Einfluss auf die Lebensgewohnheiten einen nochmaligen politische Schub durch den Blockwart. Der US-amerikanische Publizist Vance Packard beschrieb 1964 in seinem Buch The Naked Society, dass Arbeitgeber sich aus verschiedenen Gründen für das das Privatleben ihrer Angestellten interessieren, und sah darin eine Einmischung in das Privatleben.[7]

Für Betriebe kann Entgrenzung der Arbeit das Ergebnis eines betrieblichen Rationalisierungsprozess darstellen, mit dem Ziel eines erweiterten Zugriffs auf die zeitliche Verfügbarkeit der Beschäftigten. Gesetzliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Ladenöffnungszeiten haben unmittelbare Auswirkungen auf die Beschäftigten und die Arbeitszeitorganisation. Auch die allgemeine Wirtschaftslage kann sich auf Entgrenzungstendenzen auswirken.[8]

Teilzeit und Kurzarbeit sind die herkömmlichen Maßnahmen der zeitlichen Flexibilisierung. In Deutschland arbeiteten 2002 bei 32,5 Mio. abhängig Beschäftigten rund 6,9 Mio. in Teilzeit. Das waren 21 %. Dabei waren 86 % aller Teilzeitbeschäftigten die Frauen.[9]

Weiterhin werden Entgrenzungstendenzen in der Sozialorganisation von Arbeit durch betriebsinterne Umstrukturierungen und die Ausdünnung betrieblicher Steuerungsvorgaben ausgemacht. Daneben wird eine Entgrenzung der Betriebsorganisation im Sinne der Auflösung der Unternehmensgrenzen gegenüber dem Markt sowie die Entstehung neuer Betriebstypen und Organisationsformen als Analysedimension benannt. Dabei spielen die verschiedenen Formen des Outsourcing bis hin zur Scheinselbständigkeit eine zunehmende Rolle bei der räumlichen Entgrenzung. Die Informations- und Kommunikationstechnologie und die Digitalisierung führen zu neuen Entwicklungen in der Entgrenzung und Flexibilisierung der Arbeit. Laut einer Studie der Warwick Business School aus dem Jahr 2009 hatte jedoch weniger als die Hälfte der befragten CIOs versucht, die Wirtschaftlichkeit von IT-Outsourcing zu quantifizieren.[10]

Andererseits wird eine „softwaregestützte Arbeitszeitgestaltung“ aus Sicht des Arbeitsschutzes und der Arbeitsmedizin auch positiv gesehen.[11] Die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle senkt die Zahl von Überstunden und kann somit Personalkosten sparen.

Das Recht auf Mobilität wird oft als Grund- bzw. Menschenrecht gesehen. Damit sind auch das Recht auf freie Berufsausübung und die freie Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes verbunden. Diese Freiheitsrechte sind eine Errungenschaft moderner Industriegesellschaften. Die Freizügigkeit, die in Deutschland durch Art. 11 GG als Grundrecht garantiert ist, gibt es jedoch in dieser Ausprägung nicht in allen Staaten der Erde. Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt jedem Menschen das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen sowie jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.[12] In der Europäischen Union ist die Personenfreizügigkeit seit 1993 als eine der vier Grundfreiheiten,

Folgen

Für bestimmte Gruppen, beispielsweise für berufstätige Eltern, kann die Entgrenzung eine Chance für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten, weil durch Heimarbeit (oft Home-Office genannt) eine selbstbestimmte Flexibilität möglich ist. Kritisch wurde 2008 hervorgehoben, dass sich durch eine zunehmend räumlich und zeitlich entgrenzte Erwerbsarbeit ein hohes Belastungspotenzial für Familien ergab.[13] Vielfach sehen sich Männer und Frauen genötigt, den Anforderungen der Erwerbstätigkeit Vorrang über alle anderen Lebensbereiche zu geben, sowohl vor dem familiären als auch vor dem sozialen Engagement.[14] Die Hyperinklusion stellt dabei eine extreme Form der Entgrenzung für bestimmte Berufsgruppen dar. Im Jahr 2010 gab es in Deutschland – je nach Berechnung – etwa 5,5 Millionen Heimarbeiter,[8] doch hat ihre Zahl seit 2008 abgenommen und lag 2012 nur noch auf dem Niveau von 1992.[15]

Bei Selbständigen wird davon ausgegangen, dass die Arbeitszeit frei gewählt wird,[16][17] doch findet auch hier ein ständiger Anpassungsprozess an den Markt statt, wobei es im Einzelfall zu Konflikten kommen kann.[18] Eine sehr weitgehende räumliche und zeitliche Entgrenzung ist dabei der digitale Nomade – eine moderne Form des Wanderarbeiters. Solchen Trends versuchen einige Staaten mit gesetzlichen Bestimmungen entgegenzuwirken,[19] da sich Auswirkungen auf das Steuerkommen ergeben können.[20]

Weltweit ist eine zunehmende Arbeitsmigration zu beobachten. Die Internationale Organisation für Migration erwartet bis zum Jahre 2050 einen jährlichen Zuwachs der Wanderarbeiter um 2,3 Millionen, die weltweite Anzahl wurde 2008 auf rund 200 Millionen geschätzt.[21]

Die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitswelt, zwischen Freizeit und Arbeitszeit vermischen sich. Soziologen sehen die Folgen insgesamt kritisch: „Mehr als 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung empfindet die Vermischung als so weit vorangeschritten, dass sie keine Grenze mehr ausmachen kann. Das Phänomen der verschwimmenden Grenzen ruft in der Bevölkerung ganz unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Wenigsten sehen dies negativ, die breite Masse ist sich nicht schlüssig, was sie davon halten soll.“[22] In diesem Zusammenhang fallen auch Begriffe wie Crowdworking und Coworking, wobei teilweise ein höheres Einkommen als Motivation angeführt wird.[23]

Für Arbeitnehmer ergeben sich besondere Probleme: „Die Anpassung der gesetzlichen Regelungen hängen oft hinterher und die Rechtslage der Arbeitenden ist nicht immer geklärt.“[22] Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind schwer kalkulierbar, da viele Faktoren zusammenwirken. Die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen spielt hier ebenso eine Rolle wie die Automatisierung und die Frage der Standardisierung, welche als Gegenpol zur Flexibilisierung gesehen wird. Der sich abzeichnende Systemwandel wurde bis in die 1980er Jahre noch nicht erkannt.[24] Erste systematische Untersuchungen stammen von dem US-amerikanischen Soziologen Jeremy Rifkin, der insgesamt eine Reduzierung der arbeitenden Menschen in der Industrieproduktion erwartete.[25]

Die Publizistin Simone Janson sieht in einer Vermischung von Arbeit und Privatleben einige Gefahren. Es komme „zu Unsicherheiten auf beiden Seiten und ständigen Grenzüberschreitungen“. Auch könne „der private Umgang mit gleichgestellten Kollegen“ zu Problemen führen.[26] Der zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung warnt vor den Gefahren, die in einer Überforderung und Überlastung mit mobiler Arbeit verbunden sein können.[27] Ein langes Wochenende (Samstag und Sonntag) im Kreise der Familie ist heute für viele Beschäftigte in Deutschland immer weniger möglich. Gut 45 Prozent von ihnen arbeiteten 2008 zumindest gelegentlich wie an anderen Werktagen.[28]

Es kann in Deutschland und vielen anderen Ländern zu Konflikten mit dem jeweils geltenden Arbeits- und Sozialrecht, insbesondere zu einem hohem Rechtsrisiko kommen.[29] In Österreich wird Scheinselbständigkeit unterstellt, wenn jemand als selbstständig tätiger Unternehmer auftritt, obwohl er eine Arbeit verrichtet, die der eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers gleich kommt.

Die Entgrenzung ist auch ein treibender Faktor für die zunehmende Mobilität in der Gesellschaft, wie dies zum Beispiel in der Studie Mobilität in Deutschland untersucht wird. Bei den Themen Umweltschutz, Arbeitsschutz, Mindestlohn und Sozialsystem werden die Folgen teilweise sehr kritisch gesehen. Beispiele sind die Migration von Arbeitskräften von Niedriglohnländern in Hochlohnländer und das Lohndumping. Nach den Angaben im vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2013) ist der Anteil der Beschäftigten mit niedrigen Löhnen in Deutschland in den Jahren 1995 bis 2010 von 17,7 Prozent auf 23,1 Prozent gestiegen. Nach Einschätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sind Deutschland, Polen und die Vereinigten Staaten die Industriestaaten mit der stärksten Zunahme der Lohnungleichheit.[30] In der Sendung „Leitkultur in den USA“ des Deutschlandradio wurde geschildert, dass die dortigen Einwanderer einem unheimlich großen Druck ausgesetzt sind, ihre Lebensgewohnheiten und damit auch ihre Kultur aufzugeben.[31]

Literatur

  • Karin Jurczyk, Michaela Schier, Peggy Szymenderski, Andreas Lange, G. Günter Voß: Entgrenzte Arbeit – entgrenzte Familie: Grenzmanagement im Alltag als neue Herausforderung, Berlin: edition sigma, 2009, ISBN 978-3-8360-8700-1
  • Inge Baxmann, Sebastian Göschel, Melanie Gruß, Vera Lauf (Hg.): Arbeit und Rhythmus. Lebensformen im Wandel, München 2009
  • Gerrit Herlyn, Johannes Müske, Klaus Schönberger, Ove Sutter (Hg.): Arbeit und Nicht-Arbeit. Entgrenzungen und Begrenzungen von Lebensbereichen und Praxen. München/Mering 2009. Beiträge der 13. Arbeitstagung der Kommission Arbeitskulturen innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde. Band I der Schriftenreihe „Arbeit und Alltag. Beiträge zur ethnografischen Arbeitskulturenforschung“ – Schriftenreihe der Kommission Arbeitskulturen in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, herausgegeben von Irene Götz, Gertraud Koch, Klaus Schönberger und Manfred Seifert. ISBN 978-3-86618-308-7
  • Karin Gottschall, G. Günter Voß (Hrsg.): Entgrenzung von Arbeit und Leben. Zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag. München, Mering: R. Hampp Verlag 2005 (2. Auflg.).
  • Nick Kratzer: Arbeitskraft in Entgrenzung. Grenzenlose Anforderungen, erweiterte Spielräume, begrenzte Ressourcen. Berlin: edition sigma, 2003. ISBN 3-89404-979-0
  • Hans J. Pongratz, G. Günter Voß: Arbeitskraftunternehmer. Erwerbsorientierungen in entgrenzten Arbeitsformen. Berlin: edition sigma, 2003. ISBN 3-89404-978-2
  • Jutta Anna Metzger: Arbeit und Familie – Individualisierung im Quadrat. Grenzverschiebungen zwischen Arbeits- und Familienleben, Interdisziplinäre Zeitschrift für systemorientierte Praxis und Forschung, Arnold Retzer und Fritz B. Simon (Hrsg.), Heft 3 Juli 2001. (PDF)
  • Karin Jurczyk, G. Günter Voß: Entgrenzte Arbeitszeit – Reflexive Alltagszeit. Die Zeiten des Arbeitskraftunternehmers. In: Eckart Hildebrandt (Hg.): Reflexive Lebensführung. Zu den sozialökologischen Folgen flexibler Arbeit. Berlin: edition sigma, 2000, S. 151–206. ISBN 3-89404-884-0
  • G. Günter Voß: Die Entgrenzung von Arbeit und Arbeitskraft. Eine subjektorientierte Interpretation des Wandels der Arbeit. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 31 (3), 1998, S. 473–487. (PDF)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Georg Vobruba: Grundlagen der Soziologie der Arbeitsflexibilität, Berliner Journal für Soziologie, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Band 16, Nr. 1, Januar 2006, S. 1
  2. Arbeitszeitkalender 2008: Daten aus 25 Wirtschaftszweigen. (PDF; 2,0 MB) Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI), August 2008, abgerufen am 19. März 2019.
  3. Michaela Schier, Peggy Szymenderski, Karin Jurczyk: Teilergebnisse einer qualitativen Studie im Einzelhandel und in der Film- und Fernsehbranche. (PDF; 137 kB) In: Projekt „Entgrenzte Arbeit – entgrenzte Familie“. DJI, Juli 2007, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 10. Januar 2009.@1@2Vorlage:Toter Link/www.dji.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  4. Internationale Agentur für Krebsforschung: IARC Press Release 180 vom 5. Dezember 2007 (englisch)
  5. Hiltraut Paridon, Sabine Ernst, Volker Harth, Peter Nickel, Annette Nold, Dirk Pallapies: Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (= DGUV Report 1/2012). Berlin 2012, ISBN 978-3-86423-022-6 (online (PDF; 4,0 MB) [abgerufen am 19. März 2019]).
  6. "Sachzwang Flexibilisierung"? Unternehmensreorganisation und flexible Beschäftigungsformen. (PDF; 195 kB) In: Forba Schriftenreihe 2/1999. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 25. Januar 2010.@1@2Vorlage:Toter Link/forba.at (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  7. Vance Packard: Die wehrlose Gesellschaft, deutsche Taschenbuchausgabe, Droemer Knaur 1968, Seite 46
  8. a b spiegel.de 20. Februar 2014: Interview mit Karl Brenke, Arbeitsmarkt- und Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
  9. Neun von zehn Teilzeitkräften in Deutschland sind Frauen. Statistisches Bundesamt, 24. März 2003, archiviert vom Original am 26. September 2003; abgerufen am 19. März 2019.
  10. Warwick Business School – Business leaders 'not sure' about contribution of outsourcing, Pressemitteilung vom 12. August 2009 (englisch)
  11. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): Positive Gestaltungsbeispiele der softwaregestützten Arbeitszeitgestaltung. Dortmund: baua, 2008. ISBN 978-3-88261-604-0. S. 11. PDF
  12. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte#Artikel 13 auf Wikisource
  13. Karin Jurczyk, Barbara Thiessen: Väterbilder – Mütterbilder: Die Kluft zwischen Leitbildern und Alltag. In: DJI Bulletin 83/84 – 4/4/2008. Deutsches Jugendinstitut e.V., 2008, abgerufen am 7. November 2009.
  14. S. Dahlmann, U. Huws, M. Stratigaki, M. (2009), Changing patterns of gender segregation and power relations in the workplace: results from the WORKS project, WORKS report, HIVA-Katholieke Universiteit Leuven, 2009. Darin: S. 84
  15. https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.437991.de/14-8-1.pdf
  16. im Sinne des § 611 BGB.
  17. BAG, Urteil vom 11. August 2015, Az.: 9 AZR 98/14
  18. BAG, Urteil vom 29. Januar 1992, Az.: 7 ABR 25/91 = BAG NZA 1992, 835
  19. THE LEGALITY OF BEING A DIGITAL NOMAD | Chiang Mai Buddy. In: Chiang Mai Buddy. (chiangmaibuddy.com [abgerufen am 19. März 2019]).
  20. Ausstieg aus dem System – Mein Weg zur Steuer- & Bürokratie-Freiheit. Abgerufen am 19. März 2019.
  21. Die Hälfte der Wanderarbeiter sind Frauen Frankfurter Rundschau vom 2. Dezember 2008
  22. a b Digitalisierung/Arbeit 4.0, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 2017, Institut für Soziologie
  23. Deskmag: Was macht Coworking Spaces bei Coworkern beliebt?. 31. Januar 2011
  24. Ulrich Beck: Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne, edition suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, Seite 223
  25. Interview (Memento vom 3. Mai 2005 im Internet Archive) in: Stuttgarter Zeitung, 29. April 2005.
  26. https://www.xing.com/news/klartext/die-vermischung-von-job-und-privatleben-birgt-gefahren-773?sc_o=da536_df2_2_d
  27. Deutsche Bundesregierung: Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Bundestags-Drucksache 18/12840 vom 29. Juni 2017
  28. WSI-Experte Alexander Herzog-Stein: Das gemeinsame Wochenende fällt oft aus. Böckler-Impuls (PDF; 100 kB).
  29. Bundestag soll 1,45 Millionen Euro nachzahlen. In: sueddeutsche.de. 7. Oktober 2014, abgerufen am 25. März 2019.
  30. Vierter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2013) (PDF), Seite 334
  31. Deutschlandradio: Leitkultur in den USA - Gesprächsreihe, 27. Oktober 2002, 9:30-10:00 Uhr