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Außerchristliche antike Quellen zu Jesus von Nazaret

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Außerchristliche Notizen zu Jesus von Nazaret findet man in einigen antiken jüdischen, römischen und sonstigen Quellen außerhalb des Neuen Testaments (NT) und außerhalb der apokryphen christlichen Literatur.

Die christlichen inner- wie außerkanonischen Quellen sind durchgängig von der Absicht der Verkündigung Jesu Christi bestimmt. Eigene schriftliche Werke hat Jesus nicht verfasst, da er als Wanderprediger mündlich das nahe Reich Gottes verkündete und nach wenigen Jahren seines öffentlichen Auftretens in Galiläa und Judäa als Messiasanwärter auf Anordnung des römischen Statthalters Pontius Pilatus gekreuzigt wurde.

Deshalb sind manche der außerchristlichen Notizen für die Frage nach dem historischen Jesus relevant. Ihre historische Auswertung ist jedoch umstritten, da sie selten sind, nur knappe Angaben zu Leben und Lehre Jesu bieten und meist nicht auf unabhängiger Nachforschung beruhten, sondern schon auf christliche Überlieferung reagierten: Die ältesten dieser Notizen tauchen frühestens 40 Jahre nach Jesu Tod auf. Doch sie geben Aufschluss über Jesu Rezeption in der nichtchristlichen Geschichtsschreibung des 1. und 2. Jahrhunderts. Trotz verschiedener Haltungen - von Sympathie und neutraler Distanz bis zu Ablehnung und Verachtung - zeigen sie, dass diese Autoren keinen Grund sahen, an Jesu Existenz zu zweifeln.

Der Artikel stellt die wichtigsten dieser Notizen und ihre Bedeutung für die historisch-kritische NT-Forschung dar.

Jüdische Notizen

Die jüdische Geschichtsschreibung war zur Zeit Jesu bereits recht ausgeprägt. Umso auffälliger ist das Schweigen wichtiger jüdischer Zeitzeugen des 1. Jahrhunderts zu Jesus. Weder Philo von Alexandria, der als Kenner der Sekten Palästinas galt, noch Justus von Tiberias, der in Jesu Nachbarschaft in Galiläa lebte und schrieb, erwähnen ihn in ihren Werken. Jedoch sind diese nur bruchstückhaft überliefert, so dass eine Erwähnung Jesu vielleicht verloren ging. Eventuell war Jesus für gebildete Angehörige der jüdischen Oberschicht einfach zu unbedeutend, oder Justus hatte als Hofschreiber der Herodianer kein Interesse, über aus seiner Sicht gescheiterte jüdische Gegner dieses Könighauses zu berichten.

Josephus Flavius

Dieser hellenistisch gebildete jüdische Historiker verfasste als Schützling des römischen Kaisers Vespasian in Rom einige historisch-apologetische Schriften auf Griechisch, um der römischen Oberschicht das Judentum näher zu bringen.

In seiner Darstellung des Bellum Judaicum, dessen Vorgeschichte die Zeit Jesu umfasst, kommt dieser nicht vor, obwohl Josephus als früherer Befehlshaber der aufständischen Galiläer von ihm gehört haben konnte.

Zwischen 79 und 94 schrieb Josephus seine Antiquitates Judaicae („Jüdische Altertümer"), die die Weltgeschichte des Judentums von der Schöpfung bis zur Gegenwart des Autors umfassen. Darin wird Jesus an zwei Stellen erwähnt (Ant 18,63-64; Ant 20,200). Die erste Stelle wurde als Testimonium Flavianum berühmt und lautet (übersetzt nach Gerd Theißen, Der historische Jesus, S. 75):

Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er vollbrachte nämlich ganz unglaubliche Taten und war der Lehrer aller Menschen, die mit Lust die Wahrheit aufnahmen. So zog er viele Juden und auch viele Heiden an sich. Dieser war der Christus. Und obgleich ihn Pilatus auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreuzestod verurteilte, wurden doch seine früheren Anhänger ihm nicht untreu. Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten dies und tausend andere wunderbare Dinge von ihm vorhergesagt hatten. Und bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, fort.

Dieser Text wurde schon seit der Reformation im 16. Jahrhundert als Fälschung verdächtigt. Kritische Historiker sehen den Text oft insgesamt als Einfügung (Interpolation) christlicher Kopisten. Dafür wurde angeführt:

  • Der Satz „Dieser war der Christus" sei nur als christliches Glaubensbekenntnis wie Lk 23,35; Apg 9,22 u.a. zu verstehen. Es könne nicht von Josephus stammen, da dieser sonst nicht Jude geblieben wäre (so schon Lukas Osiander).
  • Der zweifelnde Relativsatz „wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf" sei nur als dogmatische Richtigstellung zu verstehen, die Jesu Göttlichkeit voraussetze.
  • Auch der Satz „er erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend..." sei nur als christliche Aussage zu verstehen.
  • Frühe Kirchenväter wie Justin, Tertullian und Cyprian zitierten das Testimonium Flavianum nicht, obwohl sie Josephus sonst zur Bestätigung ihrer Auslegung des Alten Testaments heranzogen. Origines (um 185-254) schrieb, Josephus habe nicht geglaubt, Jesus sei der Christus: Er kann die Aussagen also nicht vorgefunden haben.
  • Erst Eusebius von Cäsarea (260-339) zitierte das Testimonium Flavianum. Ältere Handschriften oder Zitate davon gibt es nicht.
  • Obwohl der sonstige Sprachgebrauch gut zu Josephus und seiner Intention zu passen scheint - Jesus als „weiser Mann" und „Lehrer aller Menschen", der „unglaubliche Taten" vollbracht, dessen Wahrheit von allen „mit Lust aufgenommen" und auch Heiden „an sich gezogen" habe -, unterbricht der Text den Kontext: Dieser schildert die Amtszeit des Pilatus als Folge von Aufständen. Nur hier fehlt dieses Stichwort, so dass der Abschnitt als Einschub wirkt (E. Norden).

Seit dem 20. Jahrhundert wird oft die christliche Überarbeitung eines älteren Originaltextes von Josephus angenommen.

  • Die einfachste Rekonstruktion bot J.P. Meier (Marginal Jew), indem er nur die drei „christlichen" Sätze (s.o.) entfernte.
  • R. Eisler, W. Bienert, S.G.F. Brandon u.a. vermuteten nach dem Kontext einen ursprünglichen Bericht des Josephus über einen Aufstandsversuch Jesu, den die jüdischen Autoritäten durch Auslieferung an Pilatus verhindert hätten. Er habe Jesus analog zu den „Räubern", „Zauberern" und „Volksverführern" der jüdischen Widerstandsbewegung gezeichnet, von der er sich distanzierte. Christen hätten negativ wertende Ausdrücke (Jesus war ein „redegewandter Unruhestifter", vollbrachte „sonderbare" Taten, zog viele „auf seine Seite" usw.) durch neutrale oder positive ersetzt.
  • J. Klausner, P. Winter, G. Vermes u.a. nahmen dagegen einen Urtext mit positiver Tendenz an: Josephus habe Jesu Kreuzigung wie im Kontext (Ant 18,65: zu dieser Zeit erregte auch noch ein weiteres Unglück die Juden...) als Unglück dargestellt. Christliche Aussagen seien ursprünglich als Jüngermeinung über Jesus eingeführt worden: „Sie sagten, er sei der Christus".

Dieser Rekonstruktionsversuch ähnelt einer arabischen Fassung des Testimonium Flavianum, die der Bischof Agapius von Hierapolis in seiner christlichen Universalgeschichte im 10. Jahrhundert zitierte (übersetzt nach Theißen S. 81):

Zu dieser Zeit gab es einen weisen Menschen, der Jesus genannt wurde. Und er wies einen guten Lebenswandel auf und war als tugendhaft bekannt und hatte viele Leute aus den Juden und den anderen Völkern als seine Jünger. Pilatus hatte ihn zur Kreuzigung und zum Tode verurteilt; aber diejenigen, die seine Jünger geworden waren, gaben seine Jüngerschaft nicht auf und erzählten, dass er ihnen drei Tage nach der Kreuzigung erschienen sei und lebe und demnach vielleicht der Messias sei, über den die Propheten Wunderbares gesagt haben.

Der Text wurde erst 1971 von Sholomo Pines (An Arabic Version of the Testimonium Flavianum and its Implications) in die historische Debatte geworfen. Die Formulierungen wirken nicht als christliche Einfügungen, da sie Glaubensaussagen nur als Erwägung der Jünger Jesu zitieren. Woher Agapius die Version kannte, ist unbekannt. Er kann sie selbst nach einer Josephusvorlage für seine Auseinandersetzung mit dem Islam verfasst oder von einer älteren christlichen Überarbeitung des Testimonium Flavianum übernommen haben.

Die zweite Stelle bei Josephus erwähnt die Hinrichtung des Jakobus (62) unter dem sadduzäischen Hohenpriester Hannas II. (zitiert nach Theißen S. 411):

Zur Befriedigung seiner Hartherzigkeit glaubte Ananus jetzt, da Festus gestorben, Albinus aber noch nicht angekommen war, eine günstige Gelegenheit gefunden zu haben. Er versammelte daher den Hohen Rat zum Gericht und stellte vor diesen den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, sowie noch einige andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung führen ließ...

Diese Aussage wirkt nicht als Einfügung, da sie kein Interesse an Jesus zeigt, sondern ihn nur nennt, um seinen Bruder Jakobus zu bestimmen. Auch der Christustitel erscheint nur, um Jesus von anderen Juden dieses Namens - dreizehn kommen allein in den „Altertümern" vor - zu unterscheiden. Der Titel ist hier nicht zum Eigennamen geworden: Das entsprach jüdischem, nicht christlichem Sprachgebrauch. Jede inhaltliche Begründung dafür fehlt: Das wirkt, als sei vorher schon ausführlicher von Jesus berichtet worden und hier werde nur daran erinnert. Im weiteren Kontext missbilligt Josephus die Hinrichtung des Jakobus und erwähnt, dass Hannas deswegen bald darauf abgesetzt worden sei.

Deshalb halten die meisten Historiker diese Stelle für echt. Sie gilt als älteste außerchristliche Bestätigung der Existenz Jesu. Nur wenige Forscher, z.B. E. Schürer, halten auch hier den Satzteil „der Bruder des Jesus, der Christus genannt wird" für eine christliche Einfügung. Sie führen dafür an:

  • Josephus gebe nur eine nicht näher bestimmte „Gesetzesübertretung" als Grund des Todesurteils gegen Jakobus an.
  • Seine Steinigung werde in der Apostelgeschichte nicht bestätigt. Lukas berichte sonst von Prozessen des Sanhedrin und Hinrichtungen von Urchristen (Apg 7,58; 21,18).
  • Auch hier existiert eine – ältere? – Textvariante, die den Namen Jesus nicht erwähnt und Jakobus als Bruder von Barabbas bezeichnet. Dann wäre der auch unter Urchristen häufige Name „Jakobus" später irrtümlich oder absichtlich auf Jesu Bruder bezogen worden. „Bruder von Barabbas" könnte so auf den Zeloten bezogen sein, der im Tausch für Jesus freikam (Mk 15,15), und Zugehörigkeit zu seiner Zelotengruppe ausdrücken. Später könnten alle Hinweise darauf aus dem NT und den Kirchengeschichtsbüchern eliminiert worden sein.

Talmud

Auf die Entscheidung des Judentums zum Ausschluss der „Häresien", darunter der Christen (Synode von Jawne um 100) folgte die Kanonisierung des Tanach (um 135). Zugleich wurden die mündlichen Bibelauslegungen (Mischnah) der verschiedenen Rabbiner-Richtungen seit dem 2. Jahrhundert verstärkt gesammelt und seit dem 3. Jahrhundert in der babylonischen und palästinischen Version des Talmud schriftlich fixiert.

Obwohl Jesus selber wahrscheinlich eine Toraausbildung erhielt und seine Verkündigung der Theologie der galiläischen Pharisäer und Chassidim sehr nahe steht, wird er im Talmud nur sehr selten und polemisch erwähnt, etwa in Baraita Sanhedrin 43a:

Am Vorabend des Passafestes hängte man Jeschu. Vierzig Tage vorher hatte der Herold ausgerufen: Er wird zur Steinigung hinausgeführt, weil er Zauberei getrieben und Israel verführt und abtrünnig gemacht hat; wer etwas zu seiner Verteidigung zu sagen hat, der komme und sage es. Da aber nichts zu seiner Verteidigung vorgebracht wurde, so hängte man ihn am Vorabend des Passafestes...

Alter und Echtheit dieser Notiz sind umstritten. J. Klausner (Jesus 1952) hielt sie für ursprünglich und datierte sie auf etwa 200. J. Maier dagegen (Jesus von Nazaret in der talmudischen Überlieferung 1978) nahm an, dass sie nicht vor 220 entstanden sein könne. Der Name "Jeschu" sei erst später eingefügt worden, um einen schon vorliegenden anderen Rechtsprozess auf Jesus zu beziehen.

Die Stelle nennt wie das Johannesevangelium (Joh 19,31) den Vorabend des Passahfestes (14. Nisan = 7. April) als Todesdatum. Einige ihrer Motive widersprechen jedoch der neutestamentlichen Passionsüberlieferung:

  • Ein Ausrufer habe - anders als sonst in talmudischen Rechtsverfahren üblich - schon 40 Tage lang vor Jesu Prozess Entlastungszeugen gesucht.
  • Der Sanhedrin habe das Todesurteil allein gefällt und vollstreckt; von Römern ist keine Rede.
  • Jesus sei wegen „Zauberei" angeklagt, rechtmäßig als Verführer des Volkes zu falschen Göttern verurteilt, gesteinigt und erst dann „aufgehängt" worden.

Der Vorwurf der Zauberei war wohl schon zu Lebzeiten Jesu aufgrund seiner Heilungen in Galiläa in Umlauf (vgl. Mk 3,22). In den Passionsberichten des NT spielte er aber keine Rolle, sondern Jesus wurde hier der Falschprophetie angeklagt (Mk 14,58). Jedoch wurde Verführung zum Abfall von Gott schon in der deuteronomischen Gesetzgebung (Dtn 13,2f) mit dem Ankünden widergöttlicher „Zeichen und Wunder" in Verbindung gebracht und mit Steinigung bedroht. August Strobel (Die Stunde der Wahrheit) nahm daher an, Jesu Tempelkritik sei als Verstoß gegen dieses Gebot gewertet und er deshalb zum Tod verurteilt worden.

Dass der Sanhedrin ihn selber steinigen ließ, ist eindeutig unhistorisch, da er damals keine Kapitalgerichtsbarkeit besaß. Zudem weist die Betonung des Aufhängens nach der Hinrichtung - wiederum unüblich - auf die Kenntnis der tatsächlichen Todesart Jesu hin: Die römische Kreuzigung galt Juden wie das Aufhängen als Ausschluss aus dem Gottesvolk (Dtn 21,23).

Die meisten Historiker nehmen daher eher an, dass die Talmudstelle apologetisch auf christliche Pauschalvorwürfe an die Juden reagierte und keine unabhängige Quelle zum Religionsprozess Jesu darstellt. Sie gebe eher die Haltung der Autoren gegenüber dem ihnen gegenwärtigen Christentum wieder (Theißen S. 84).

Römische Notizen

Römische Chronisten berichten über Christen erstmals Anfang des 2. Jahrhunderts. Sueton, Tacitus und Plinius der Jüngere waren etwa gleich alt und kannten einander. Sie erwähnen Jesus und das Christentum jeweils in Randnotizen zu Ereignissen in Rom und in den Provinzen, die zeitweise die dortige Ordnung gefährdeten. Für den historischen Jesus haben diese Texte wenig Aussagekraft, da sie nur seinen Namen und seine Hinrichtung unter Pontius Pilatus zu kennen scheinen und dieses Wissen eventuell von Christen stammt. Als außerbiblischer Beweis für Jesu Existenz können sie daher nicht gelten. Sie zeigen aber, wie die römische Oberschicht damals das Christentum wahrnahm. Sie schildern überwiegend seinen verderblichen Einfluss und rechtfertigen damit schon die Christenverfolgungen ihrer Zeit.

Sueton

Dieser am Kaiserhof geachtete Autor erwähnt in seinen Kaiserbiografien (De vita Caesarum, 120 n. Chr.) ein Edikt des Kaisers Claudius (Kap. 25, 4), das die Juden aus Rom auswies:

Die Juden, welche von einem gewissen Chrestos aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten, vertrieb er aus Rom.

Die Notiz bezieht sich auf eine Ausweisung der Juden im Jahr 49 und geht offenbar davon aus, dass der Anstifter der „Unruhe" in Rom auftrat. Historiker verweisen darauf, dass „Chrestos" ein gängiger griechischer Name war, der in Rom als Sklavenname bekannt gewesen ist. Sueton könnte den Träger daher als Anführer eines lokalen jüdischen Aufstandes gesehen haben. Davon ist für dieses Jahr sonst nichts bekannt.

Dass Sueton nicht Jesus meinte, nehmen auch Historiker wie Hans Conzelmann an (Geschichte des Urchristentums S. 96f). Dieser sieht jedoch wie viele Christentumsforscher hier einen indirekten Hinweis auf „Christus"; Sueton habe hier nur nicht den „Anstifter" des christlichen Glaubens vermutet. „Chrestos" sei als römische Aussprache für den griechischen Messiastitel üblich gewesen. - Diese Variante findet sich auch in einigen alten Handschriften des Neuen Testaments. Daher wird die Suetonnotiz häufig als Hinweis auf eine damals schon bestehende Christengemeinde in Rom gewertet. Dafür sprechen drei Umstände:

  • Claudius drohte den Juden schon 42 im Zusammenhang mit Unruhen in Alexandria (Ägypten) eine allgemeine Verfolgung an für den Fall, dass sie ihren Unglauben an Roms Staatsgötter wie eine „Seuche" verbreiteten. Deshalb verhielten sich jüdische Gemeinden in der römischen Diaspora, besonders der Hauptstadt des Weltreichs, eher unauffällig, um ihr Privileg als religio licita (erlaubte Religion) nicht zu gefährden. Jüdische Aufstände dieser Zeit sind erst nach Claudius´ Tod und nur aus Palästina im Zusammenhang mit der römischen Missachtung des Jerusalemer Tempelkults bekannt.
  • Die Römer nahmen die Christen erstmals in Antiochien um 45 als eigene Gruppe wahr und nannten sie „Christianer" oder „Chrestianer" (Apg 11,26). Dies hing mit der dortigen Gründung einer ersten großen heidenchristlichen Gemeinde zusammen. Im übrigen Reich unterschieden sie jedoch vor dem Jüdischen Krieg des Jahres 70 noch kaum zwischen Juden und Christen. Denn auch die meisten Christen waren bis dahin Juden und richteten ihre Mission wie diese in den Synagogen an die „gottesfürchtigen" römischen Bürger.

In Rom wurden die Christen erst unter Nero als eigene Gruppe betrachtet und 64 beim Brand Roms verfolgt. Sueton selbst belegt dies mit einer lapidaren Notiz in seinem Kapitel über Neros Kaiserzeit:

Mit Todesstrafen wurde gegen die Chrestianer vorgegangen, eine Sekte, die sich einem neuen, gefährlichen Aberglauben ergeben hatte.
...und traf einen Juden mit Namen Aquila, von Geburt aus Pontus, der mitsamt seiner Frau Priscilla kürzlich aus Italien eingetroffen war, weil Kaiser Claudius allen Juden befohlen hatte, Rom zu verlassen.

Diese Angabe gilt als Schlüsselstelle zur Datierung der Christengemeinde in Rom, an die Paulus seinen in Korinth entstandenen Römerbrief adressierte. Denn er selbst traf das Paar in Korinth und lässt sie grüßen (1. Kor 16,19), zählte sie aber nicht zu den Juden, die er dort neu taufte (1. Kor 1,14ff; 16,15). Im Römerbrief wiederum grüßt er sie ebenfalls (Röm. 16,3.5). Daher geht Conzelmann davon aus, dass Paulus sie in Korinth als bereits getaufte Christen antraf, die aus der römischen Gemeinde kamen. Diese wäre dann vom Claudiusedikt mitbetroffen gewesen. Aus dem Römerbrief gehen dortige Konflikte zwischen Juden und Christen bzw. Judenchristen und Heidenchristen hervor: Darauf könnte sich die „Unruhe", die „Chrestos" auslöste, beziehen.

Tacitus

Tacitus war schon zu Lebzeiten nicht nur als erfolgreicher Politiker, sondern auch als römischer Historiker bekannt. Er schrieb 116-117 seine teilweise recht kaiserkritischen Annalen, deren Kapiteln 13-16 die Regentschaft Neros beschreiben: Auf die ruhigen Anfangsjahre (A. 13) sei mit dem Brand Roms 64 eine Tyrannei gefolgt (A. 14-16). Nero habe vergeblich versucht, den Verdacht, er selbst habe das Feuer befohlen, durch alle möglichen Anstrengungen zu beschwichtigen. In diesem Zusammenhang erwähnte Tacitus die Christen (A. 15,44 nach G. Theißen, S. 89):

Um das Gerücht aus der Welt zu schaffen, schob er die Schuld auf andere und verhängte die ausgesuchtesten Strafen über die wegen ihrer Verbrechen Verhassten, die das Volk 'Chrestianer' nannte. Der Urheber dieses Namens ist Christus, der unter der Regierung des Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war. Für den Augenblick war [so] der verderbliche Aberglaube unterdrückt worden, trat aber später wieder hervor und verbreitete sich nicht nur in Judäa, wo das Übel aufgekommen war, sondern auch in Rom, wo alle Greuel und Abscheulichkeiten der ganzen Welt zusammenströmen und gefeiert werden.

Die Haltung des Tacitus war also ambivalent: Einerseits missbilligte er die grausame Christenverfolgung Neros als offensichtliche Ablenkung von eigenem Versagen, andererseits sah er die Christen als Verbrecher, die diese Strafe verdient hätten, und übernahm die populären Vorurteile gegen sie.

Woher sein Wissen von ihrem Glauben stammte, ist ungewiss: Angenommen werden kann, dass Tacitus in seiner Zeit als Prokonsul Asiens (112-113) wie Plinius der Jüngere (s.u.) mit der Ausbreitung des Christentums konfrontiert war und eigene Nachforschungen anstellte. Zudem verarbeiteten seine Annalen ältere Quellen; schon Plinius der Ältere könnte den Brand Roms und die Christenverfolgung Neros verzeichnet haben. Die Bemerkung von der zeitweisen Unterdrückung des „Aberglaubens" zeigt Kenntnis amtlicher Maßnahmen und wirkt nicht, als stamme sie von Christen. Jedoch unterlief Tacitus ein Fehler: Pilatus war nach Philo und einer archäologisch aufgefundenen Inschrift in Judäa kein Prokurator, sondern Präfekt.

Immerhin zeigt die Tacitusnotiz, dass er keinen Anlass sah, zu bezweifeln:

  • „Christus" sei ein als Verbrecher durch Pilatus hingerichteter Jude,
  • er sei der Urheber der aus Judäa stammenden religiösen Bewegung, die in Rom als „Chrestianer" bekannt und verhasst waren.

Plinius der Jüngere

Dieser Schriftsteller war um 110 Statthalter in Bithynien (heute Izmir, Türkei) und führte einen regen Briefwechsel mit Kaiser Trajan, u.a. über den Umgang mit den Christen seines Regierungsbezirks. Seine Epistola 10, 96,7 nimmt ausführlich zu seinen Verhörmethoden und den damaligen Gebräuchen der Christen Stellung. Darin heißt es:

Denen, die bestritten, Christen zu sein oder gewesen zu sein, sprach ich die Formel vor und ließ sie die Götter anrufen und zu Deinem Standbild...mit Weihrauch- und Weinspenden beten und außerdem Christus lästern. Daraufhin konnten sie meines Erachtens freigelassen werden. Denn zu all dem sollen sich wahre Christen nicht zwingen lassen. [...]
Sie versicherten, ihre ganze Schuld oder ihr Irrtum habe darin bestanden, dass sie sich regelmäßig an einem bestimmten Tag vor Dämmerung versammelten, um Christus als Gott ein Lied darzubringen und sich durch Eid zu verpflichten - nicht etwa zu einem Verbrechen, sondern zur Unterlassung von Diebstahl, Raub, Ehebruch, Treulosigkeit, Unterschlagung von anvertrautem Gut.
Umso mehr hielt ich es für notwendig, von zwei sogenannten 'Dienerinnen' die Wahrheit auch noch durch Folter zu erforschen. Ich fand nichts als absurden, maßlosen Aberglauben. [...]
Denn nicht nur über die Städte, auch über die Dörfer hat sich die Seuche dieses Aberglaubens verbreitet. Doch es scheint möglich, sie einzudämmen und auszutilgen.

Aus diesem Schreiben geht hervor, dass das Christentum sich bereits auf dem Land verbreitet hatte, so dass es zum Problem für den Kaiserkult wurde. Dessen Tempel verödeten. Plinius probierte allgemeine Verfolgungsmaßnahmen aus und ersuchte den Kaiser um rechtliche Bestätigung dafür.

Indirekt erfährt man, dass die Christen damals jeden Sonntag - wie in der Osternacht - vor Tagesanbruch Gottesdienst feierten, dabei sangen und die Einhaltung der Zehn Gebote bekräftigten. Ihre „Dienerinnen" (Hausangestellte) waren in der Christengemeinde gleichgestellt und wurden nicht als Sklaven behandelt, was offenbar das besondere Misstrauen des Plinius weckte. Im Verhör verheimlichten sie ihren Glauben an „Jesus als Gott" gegenüber den römischen Behörden nicht, stellten aber ihre Einhaltung der biblischen Gebote als gutes Staatsbürgerverhalten dar. Deshalb fragte Plinius den Kaiser:

Ist der Christenname [das Glaubensbekenntnis] an sich strafbar, auch wenn kein Verbrechen vorliegt, oder sind es nur die Verbrechen, die mit dem Namen zusammenhängen?

Um herauszufinden, ob die Christen Staatsfeinde sind, drohte er ihnen mit der Todesstrafe und folterte einige von ihnen. Daraufhin ließen wohl viele verhörte Christen vom Christenglauben ab und wurden dann vorerst freigelassen.

Unter Trajans Nachfolgern änderte sich die römische Religionspolitik gegenüber dem stetig wachsenden Christentum: Es wurde nicht nur regional, sondern auch gesamtstaatlich von Generation zu Generation immer brutaler verfolgt.

Sonstige Notizen

Thallus

Dieser frühe Profanhistoriker - eventuell identisch mit einem Thallos, den Josephus erwähnt, einem von Kaiser Tiberius freigelassenen Samaritaner - schrieb nach 52 eine dreibändige Geschichte des östlichen Mittelmeerraums vom Trojanischen Krieg bis zu seiner Gegenwart. Davon sind nur noch Fragmente als Zitate anderer Autoren bekannt, u.a. durch den christlichen Chronisten Sextus Julius Africanus (um 170-240). Dieser schrieb sein Werk um 221.

Eine Passage darin bezieht sich auf die Gerichtsfinsternis, die sich am Nachmittag der Kreuzigung Jesu über das ganze Land ausgebreitet haben soll (Mk 15,33), und lautet:

Diese Finsternis nennt Thallus im dritten Buch der Historien eine Sonnenfinsternis. Wie mir scheint, gegen vernünftige Einischt.

Im Folgenden argumentiert Julius Africanus gegen Thallus, dass Jesus an einem Frühlingsvollmond gekreuzigt wurde und es dann keine Sonnenfinsternis gegeben haben könne.

Daraus kann man folgern, dass Thallus eine mündliche oder schriftliche Passionsüberlieferung bekannt war und er sich als Nichtchrist herausgefordert fühlte, deren Darstellung eines Naturwunders bei Jesu Tod zu „widerlegen". Fraglich ist aber, ob Thallus die erwähnte Finsternis überhaupt mit dem Todesdatum Jesu in Verbindung brachte, oder ob Julius Africanus diese Beziehung in die Erwähnung hineindeutete.

Mara bar Sarapion

Der syrische Stoiker Mara Bar Sarapion schrieb aus dem Gefängnis an unbekanntem Ort zwischen 73 und 135 n. Chr. einen Brief mit Lebensratschlägen an seinen Sohn Sarapion als Vermächtnis, falls er verurteilt würde. Er empfahl diesem, nur nach Weisheit zu streben, die trotz aller Verfolgung der Weisen ewig sei. Für diesen Gedanken nannte er eine Reihe von Beispielen, darunter Jesus, ohne diesen namentlich zu nennen:

Welchen Vorteil hatten die Athener davon, dass sie Sokrates zum Tode verurteilten? Hunger und Seuchen kamen über sie als Strafe für ihr Verbrechen.
Welchen Vorteil hatten die Männer von Samos davon, dass sie Pythagoras verbrannten? In einem Augenblick wurde ihr Land von Sand verschüttet.
Was hatten die Juden davon, dass sie ihren weisen König umbrachten? Bald darauf wurde ihnen ihr Reich weggenommen.
Denn Gott rächte diese drei Weisen: die Athener starben Hungers; die Bewohner von Samos wurden vom Meer bedeckt, die Juden umgebracht und aus ihrem Land vertrieben, nachdem es zerstört worden war. Danach lebten sie in vollständiger Zerstreuung.
Doch Sokrates starb nicht umsonst. Er lebt fort in den Lehren des Plato; auch Pythagoras starb nicht umsonst, er lebt fort in der Statue der Hera. Und auch der weise König der Juden starb nicht umsonst; er lebt weiter in den neuen Geboten, die er verkündet hat.

Das zweite Beispiel bezieht sich auf eine Vertreibung antirömisch gesinnter Bürger von Samosata, die mit der Absetzung ihres Königs im Jahr 73 zusammenhing, von der auch Josephus berichtet. Die Strafe Gottes für die Ermordung Jesu beschreibt offenbar den jüdischen Krieg 66-70 n.Chr.; ob Mara auch schon den Aufstand des Simon Bar Kochba 132-135 vor Augen hatte, ist ungewiss. Dass er nur Juden für Jesu Tod verantwortlich machte und den Verlust ihrer Eigenstaatlichkeit als Folge davon darstellt, setzt christliche Deutungsmuster voraus (vgl. Mt 22,7; 27,25). Auch der Ausdruck „weiser König" ähnelt der Geburtslegende von den drei „Königen" aus dem Orient, die Jesu Geburtsort suchen (Mt 2,1ff), oder spielt sogar auf sie an. Auch in der Passionsüberlieferung wird Jesus oft „König" genannt, und seine Gebote werden als Auftrag über seinen Tod hinaus betont (Mt 28,16-20).

Mara könnte also das syrische Urchristentum, aus dem das Matthäusevangelium stammt, gekannt haben. Jedoch war er kein Christ; er zeigt seine multikulturelle Außensicht durch fehlende Erwähnung der Auferstehung Jesu und dessen Einreihung unter andere antike „Weise". Was von ihnen ewig bleibe, sei ihr „Lob und ihre Gaben". Bei Jesus bestehen sie für Mara in den neuen Geboten, die er lehrte. Demnach stand Mara den Christen, die sich bemühten, gemäß dieser Gebote zu leben, sympathisierend gegenüber.

Lukian von Samosata

Der griechische Satiriker Lukian von Samosata (120 bis ca.180 n. Chr.) schrieb um das Jahr 170 n. Chr. über das Lebensende des Peregrinus (De morte Peregrini, 11):

Übrigens verehrten diese Leute den bekannten Magus, der in Palästina deswegen gekreuzigt wurde, weil er diese neuen Mysterien in die Welt eingeführt hatte... Denn diese armen Leute haben sich in den Kopf gesetzt, dass sie mit Leib und Seele unsterblich werden, und in alle Ewigkeit leben würden: daher kommt es dann, dass sie den Tod verachten und viele von ihnen ihm sogar freiwillig in die Hände laufen. Überdies hat ihnen ihr erster Gesetzgeber beigebracht, dass sie untereinander alle Brüder würden, sobald sie den großen Schritt getan hätten, die griechischen Götter zu verleugnen, und ihre Knie vor jenem gekreuzigten Sophisten zu beugen, und nach seinen Gesetzen zu leben.

Diese Passage zeigt die Sicht eines gebildeten Griechen, der Jesus aus der Perspektive anderer damaliger Mysterienkulte wahrnahm. Er führte die Bereitschaft mancher Christen zum Martyrium in den Christenverfolgungen seiner Zeit auf ihren Glauben an eine leibliche Auferstehung zurück. Er kannte also diese jüdisch-apokalyptische Lehre, setzte sie aber mit deutlich abwertender Intention mit dem Sophismus aus der griechischen Philosophiegeschichte gleich, der die Existenz der griechischen Götter als menschlich-allzumenschliche Projektion anzweifelte.

Literatur

  • J.B. Aufhauser: Antike Jesus-Zeugnisse. Bonn 1925 (Sammlung von Original-Zitaten)
  • F.F. Bruce: Außerbiblische Zeugnisse über Jesus und das frühe Christentum. Gießen 1992
  • Gerd Theißen, Anette Merz: Der historische Jesus. Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 352552143X (daraus: Die Quellen und ihre Auswertung, S. 35-124)

Weblinks

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