Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Chikungunyafieber

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. November 2006 um 17:21 Uhr durch Kurpälzer (Diskussion | Beiträge) ({{Lesenswert}}). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
ICD-10-Code Chikungunya-Fieber
A92.0 Chikungunya-Viruskrankheit

Das Chikungunya-Fieber ist eine durch das Chikungunya-Virus (CHIKV) ausgelöste, mit Fieber und Gelenkbeschwerden einhergehende tropische Infektionskrankheit, die durch Stechmücken übertragen wird. Die Erkrankung ist insbesondere im östlichen und südlichen Afrika, auf dem indischen Subkontinent, in Südostasien und seit einigen Jahren auf den Inseln im Indischen Ozean verbreitet. Chikungunya heißt der gekrümmt Gehende und ist ursprünglich Makonde. Im Deutschen wird die Krankheit auch „Gebeugter Mann“ genannt. Die exakte Diagnose kann nur durch Blutuntersuchungen gestellt werden. Es besteht Labormeldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG). Eine ärztliche Meldepflicht besteht nur dann, wenn das klinische Bild eines hämorrhagischen Fiebers erfüllt ist.[1] Dies ist beim Chikungunya-Fieber, im Gegensatz zu einigen anderen tropischen Viruserkrankungen, nur selten der Fall. Bei den meisten Betroffenen verläuft die Erkrankung gutartig und selbstlimitierend, bleibende Schäden und Todesfälle sind selten. Eine spezifische Behandlungsmöglichkeit oder Impfung existiert derzeit nicht. Zur Vorbeugung kann die Vermehrung und Ausbreitung bestimmter Mückenarten bekämpft werden, Reisende in Risikogebiete können sich nur durch das Vermeiden von Mückenstichen schützen.

Erreger

Das krankheitsverursachende Chikungunya-Virus ist ein behülltes Einzel(+)-Strang-RNA-Virus [ss(+)RNA] und gehört zur Gattung Alphavirus aus der Familie der Togaviridae. Außerdem gehört das Virus zur Gruppe der Arboviren, wird also durch den Stich von Gliederfüßern übertragen. Die Entdeckung des Erregers wird auf das Jahr 1953 datiert. Das Virion hat einen Durchmesser von etwa 60 nm und gehört damit zu den kleineren Viren. Es ist empfindlich gegenüber Hitze (über 58 °C), Austrocknung, Seife und Desinfektionsmitteln.

Entsprechend der unterschiedlichen geographischen Verbreitung des Virus (siehe auch unter Vorkommen) wird das Virus heute in fünf verschiedene Varianten eingeteilt, die sich genetisch unterscheiden: eine westafrikanische, eine zentralafrikanische, eine ost- und südafrikanische, eine des Indischen Ozeans sowie eine asiatische[2].

Die möglichen Übertragungszyklen (Mensch-Mensch = urbaner Zyklus bzw. Tier-Mensch = sylvatischer Zyklus) ähneln wie auch das klinische Krankheitsbild teilweise dem Dengue-Fieber und Gelbfieber. Das Chikungunya-Virus ist eng mit dem das O'nyong-nyong-Fieber verursachenden O'nyong'nyong-Virus verwandt. Als Reservoirwirte sind bislang Affen und Nagetiere festgestellt worden[1].

Geschichte und Verbreitung

Das Chikungunya-Fieber ist erstmals 1952 in Tansania und Uganda beschrieben geworden. 1953 wurde das verursachende Virus entdeckt und in beiden Ländern in Zellkulturen isoliert. Später ist die Krankheit sowohl in Westafrika wie auch in Indien, Südostasien und auf den Philippinen ausgebrochen, in Asien erstmals 1958 in Thailand dokumentiert. Die Bevölkerung in diesen Regionen hat sich jedoch als weitgehend immun gegen diesen Krankheitserreger erwiesen. Dies spricht dafür, dass die Krankheit in diesen Gebieten auch schon vor der ersten Beschreibung endemisch war. Mittlerweile hat sich das Chikungunya-Fieber überwiegend zusammen mit der Asiatischen Tigermücke Aedes albopictus auf weite Teile des südlichen Afrikas und Südostasiens ausgebreitet. Seit etwa zehn Jahren sind auch Inseln im Pazifik und im Indischen Ozean betroffen. Im letzten Gebiet des Auftretens auf den Inseln vor Ostafrika fehlt den dortigen Bewohnern und den Urlaubern aus Europa eine Immunität. Außerdem besteht in den letzten Jahren die Tendenz, dass sich die afrikanischen Varianten in Richtung Asien ausbreiten.

Im Jahre 1999 gab es eine Chikungunya-Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo mit rund 50.000 Betroffenen. In den Jahren 2001 bis 2003 war die indonesische Insel Java von einer Epidemie betroffen, nachdem die Krankheit dort 20 Jahre lang nicht epidemisch aufgetreten war.

Ein gehäuftes Vorkommen des Chikungunya-Fiebers wird zur Zeit insbesondere aus folgenden Ländern bzw. Gebieten berichtet: Gambia, Guinea, Indien, Indonesien, Kambodscha, La Réunion, Madagaskar, Malaysia, Mauritius, Mayotte, Myanmar, Philippinen, Senegal, Seychellen, Sri Lanka, Tansania und Thailand[3],[4].

Seit Dezember 2005 grassiert auf der französischen Insel La Réunion eine schwere Chikungunya-Epidemie. Es sind dort nach Angaben der Behörden bislang 266.000 Personen und damit etwa ein Drittel der Bevölkerung infiziert, bei 249 Todesfällen zwischen Januar und Oktober 2006 wurde das Chikungunya-Fieber als Ursache vermutet. Von den vermuteten Todesfällen waren überwiegend ältere Menschen (über 70 Jahre) betroffen.

Die Epidemie auf La Réunion wurde dadurch begünstigt, dass das Virus dort bislang unbekannt war und die Bevölkerung zuvor keine Immunität besaß. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Epidemie auf die vom Tourismus abhängige Insel könnten schwerwiegend sein.

Auch andere Inseln im Indischen Ozean sind betroffen[5]. In Mauritius erkrankten im Jahre 2005 3.500 Personen. Es gab auch Fälle auf der Komoreninsel Mayotte, in Madagaskar und auf den Seychellen.

Zur Zeit besonders bemerkenswert ist auch der Ausbruch in Indien seit Februar 2006 (bisher ca. 1,25 Millionen Fälle).

In Europa ist das Chikungunya-Fieber bisher nur als importierte Erkrankung bei rückkehrenden Tropenreisenden diagnostiziert worden (Ausnahme ist ein gesicherter Fall in Frankreich, in dem die Krankheit von einer akut erkrankten Tropenrückkehrerin - vermutlich durch Kontakt mit deren Blut - auf eine Krankenschwester übertragen wurde). Die Zahl der gemeldeten Fälle in Deutschland betrug 38 im ersten Halbjahr 2006. Allerdings hat sich die Mückenart Aedes albopictus auch im südlichen Europa bereits relativ weit verbreitet, so dass theoretisch - zumindest im Sommer - die Möglichkeit von Epidemien auch in Europa gegeben ist. Experten schätzen das Risiko dafür zur Zeit als begrenzt ein, eine genaue Analyse ist allerdings anhand der momentanen Datenlage noch nicht möglich. In Deutschland wurden Mücken der Art Aedes albopictus bisher nicht beobachtet, so dass eine Epidemie hier zur Zeit nicht zu erwarten ist.

Übertragung

Weibliche Stechmücke der Art Aedes albopictus, ein wichtiger Überträger des Chikungunya-Fiebers

Das Chikungunya-Fieber kann nach Expertenmeinung theoretisch durch den Stich verschiedener Stechmücken der Gattungen Malariamücken (Anopheles), Aedes, Culex und Mansonia übertragen werden. Bislang sind als eindeutige Überträger (Vektoren) die Gelbfiebermücke Aedes aegypti und die ursprünglich aus Ostasien stammende Asiatische Tigermücke Aedes albopictus (neue Bezeichnung: Stegomyia albopicta) nachgewiesen [6]. Auch diese nur etwa fünf Millimeter große, schwarz-weiß gestreifte und sehr aggressive Mücke, die am Tage sticht und dies teilweise sogar durch die Kleidung hindurch, hat sich weltweit ausgebreitet und überträgt neben dem Chikungunya-Fieber auch noch das Dengue-Fieber, Gelbfieber, West-Nil-Fieber und weitere Krankheiten. Diese Mückenart kommt mittlerweile überwiegend in den heißen Sommermonaten auch in Südeuropa vor, doch sind hier bislang noch keine mit dem Chikungunya-Virus infizierten Exemplare festgestellt worden.

Das Chikungunya-Fieber wird üblicherweise nicht direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben, es sind jedoch bewiesene Einzelfälle berichtet worden[2]. Außerdem wurde die Übertragung von erkrankten schwangeren Frauen auf ihre ungeborenen Kinder nachgewiesen[7].

Krankheitsverlauf und Symptome

Nach einer kurzen Inkubationszeit von in der Regel drei bis sieben (Maximalbereich zwei bis zwölf[8]) Tagen entwickeln die Betroffenen in der Regel rasch ansteigendes und hohes Fieber mit schweren Gelenkschmerzen mit hoher Berührungsempfindlichkeit, so dass sie sich kaum noch aufrecht halten können. Die Gelenkbeschwerden treten dabei meist in beiden Körperhälften auf[3]. Das Fieber dauert in der Regel nur wenige (im Mittel drei) Tage an. Andere häufige Symptome sind:

  • Muskel- bzw. Gliederschmerzen (70-99 % der Fälle[4])
  • Lymphknotenschwellungen[4]
  • Hautausschlag (etwa 50 % der Fälle, meist makulo-papulös mit eingestreuten Inseln normaler Haut, nicht bis mäßig juckend[4],[6])
  • punktförmige Hautblutungen (Petechien)
  • leichtere Formen von Schleimhautblutungen, z. B. aus der Nase oder am Zahnfleisch (ca. 25 % der Fälle[4])
  • Kopfschmerzen
  • Erschöpfung („Fatigue“)
  • Augenentzündungen (meist als Injektion der Bindehäute erkennbar)

Normalerweise klingt die Erkrankung nach etwa zwei Wochen von selbst wieder ab und es bleiben keine Schäden zurück. Nach überstandener Krankheit kommt es zu lebenslanger Immunität. Auch asymptomatische Verläufe, bei denen die Infizierten keinerlei Beschwerden bemerken, sind möglich.

Komplikationen

Die oben geschilderten Symptome können gelegentlich wiederkehren oder bis zu mehreren Monaten (in seltenen Fälle auch Jahren) anhalten. Insbesondere lang andauernde Gelenkbeschwerden wurden in etwa 5 bis 10 % der Fälle beschrieben[3]. Weiterhin können durch die Erkrankung gelegentlich eine fulminante Leberentzündung (Hepatitis), starke neurologische Störungen, Hirnhautentzündungen oder sogar Gehirnschäden verursacht werden. Auf La Réunion kam es durch diese Erkrankung sogar zu mehreren Todesfällen (siehe unten). Im Gegensatz zu anderen Viren, die ähnliche Tropenkrankheiten verursachen können, ist aber bei Chikungunya die Verlaufsform eines hämorrhagischen Fiebers sehr selten.

Diagnose

Ein charakteristisches klinisches Zeichen ist die starke Druckschmerzhaftigkeit eines oder beider Handgelenke[2]. In den routinemäßigen Laboruntersuchungen findet man unspezifische Veränderungen wie eine Verringerung der Lymphozytenzahl (Lymphopenie), der Thrombozytenzahl (Thrombozytopenie), der roten Blutkörperchen (Anämie) und Erhöhung verschiedener Enzyme im Serum (vor allem LDH, ASAT, ALAT und CK). Das C-reaktive Protein (CRP) ist meist nur leicht erhöht. IgM-Antikörper sind in den meisten Fällen bereits wenige Tage nach Krankheitsbeginn vorhanden, häufig auch IgG-Antikörper. Zu deren Nachweis stehen verschiedenene serologische Methoden wie ELISA, Immunfluoreszenz-, Neutralisations- und Hämagglutinationshemmtests zur Verfügung[1]. In den ersten Tagen der Erkrankung kann die Virus-RNA auch direkt im Blut durch RT-PCR oder Virusanzucht in der Zellkultur nachgewiesen werden. In Frankreich wird daher folgende diagnostische Vorgehensweise empfohlen: Wenn ein Patient sich fünf Tage nach Symptombeginn oder später in einer medizinischen Einrichtung vorstellt, sollte eine serologische Untersuchung durchgeführt werden, davor eine RT-PCR[7].

Der Erregernachweis im Labor ist nach §7 Infektionsschutzgesetz meldepflichtig, da das Chikungunya-Virus ein möglicher (wenn auch seltener) Erreger eines viralen hämorrhagischen Fiebers (VHF) ist. Der Verdacht des behandelnden Arztes ist hingegen im Rahmen des dualen Meldesystems nur dann meldepflichtig, wenn tatsächlich das klinische Bild eines hämorrhagischen Fiebers vorliegt.

Differenzialdiagnose

Insbesondere die Unterscheidung vom Dengue-Fieber kann Probleme bereiten, da sich die geographische Ausbreitung beider Erkrankungen stark überschneidet und beide Krankheiten sich anhand der Symptome nicht eindeutig unterscheiden lassen[6]. Ähnliche Beschwerden wie das Chikungunya-Fieber kann auch das seltenere und insbesondere regional auf Ostafrika begrenztere O'nyong-nyong-Fieber verursachen.

Bei der Verlaufsform mit länger bestehenden Beschwerden in Gelenken des Handbereichs kann die Erkrankung als rheumatoide Arthritis fehlgedeutet werden.

Therapie

Bisher gibt es kein wirksames Medikament zur Behandlung dieser Erkrankung. Das verursachende Virus ist zwar seit etwa 50 Jahren bekannt, doch da dieses und das von ihm ausgelöste Chikungunya-Fieber bisher fast ausschließlich in Entwicklungsländern vorkamen, wurde kaum nach möglichen Medikamenten geforscht.

Es ist lediglich eine Symptomminderung möglich, bei der vor allem zur Schmerzbekämpfung Paracetamol gegeben werden kann. Die teilweise schweren Gelenkschmerzen können auch die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika erforderlich machen. Die Gabe von Acetylsalicylsäure sollte unbedingt vermieden werden, da dieser Wirkstoff die Funktion der Blutplättchen irreversibel beeinträchtigt und im Rahmen der Erkrankung ein Mangel an Blutplättchen sowie (selten) ein hämorrhagischer Verlauf mit schweren Blutungen vorkommen kann.

Vorbeugung

Es existiert bislang kein Impfstoff zur Vorbeugung dieser Erkrankung.

Einzig wirksame vorbeugende Gegenmaßnahmen sind die Bekämpfung der Mücken, geschlossene Kleidung, Mückenspray und Moskitonetze. Die Mückenbekämpfung in tropischen Regionen ist schwierig, da diese Insekten besonders zur Regenzeit dort auftreten, wo eine chemische Bekämpfung kaum möglich ist, ohne die Fauna nachhaltig zu schädigen. Im häuslichen Bereich ist eine Vorbeugung möglich, indem stehende Wasseransammlungen vermieden werden[9]. Dies erschwert den Überträgermücken die Vermehrung.

Quellen

  1. a b c Robert-Koch-Institut: Chikungunya-Fieber - eine Übersicht. In: Epidemiologisches Bulletin. 10. März 2006 / Nr. 10, S. 75-77, ISSN 1430-0265 (PDF; 117 kB)
  2. a b c Philippe Parola et al.: Novel Chikungunya Virus Variant in Travelers Returning from Indian Ocean Islands.. In: Emerging Infectious Diseases. Bd. 12, Nr. 10, 2006, S. 1493-1499, ISSN 1080-6040 (PDF; 363 kB).
  3. a b c Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Berlin 2006, ISBN 3-89606-095-3 (PDF; 4,3 MB).
  4. a b c d e Dokumentation des Institut Pasteur, Paris 2006 (frz.) [1]
  5. Isabelle Schuffenecker et al.: Genome Microevolution of Chikungunya Viruses Causing the Indian Ocean Outbreak.. In: PLoS Medicine. Bd. 3, Nr. 7, 2006, S. 1058-1070, ISSN 1549-1277 (PDF; 332 kB).
  6. a b c Patrick Hochedez et al.: Chikungunya Infection in Travelers. In: Emerging Infectious Diseases. Bd. 12, Nr. 10, 2006, S. 1565-1567, ISSN 1080-6040 (PDF; 128 kB).
  7. a b Zusammenfassung des Institut de veille sanitaire, Saint-Maurice (Frankreich) 2006 (frz.) (PDF; 40 kB)
  8. CDC Fact Sheet: Chikungunya Fever (engl.) [2]
  9. Zusammenfassung des WHO Regional Office for South-East Asia (engl.) [3]