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Clemens August Graf von Galen

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Clemens August Graf von Galen (* 16. März 1878 in Dinklage, Oldenburger Münsterland; † 22. März 1946 in Münster, Westfalen) war ein deutscher Bischof und Kardinal. Am 9. Oktober 2005 wurde er selig gesprochen.

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Clemens August Graf von Galen

Leben

Er wurde als elftes von 13 Kindern des Zentrumsabgeordneten Ferdinand Heribert Graf von Galen und dessen Ehefrau Elisabeth geb. von Spee geboren. Nach Studien in Freiburg im Üchtland, Innsbruck und Münster (Westfalen) wurde er 1904 zum Priester geweiht. Er war zunächst als Kaplan seines Onkels Maximilian Gereon Graf von Galen, des Weihbischofs von Münster, tätig. Ab 1906 arbeitet von Galen als Kaplan in der Kirche St. Matthias am Winterfeldtplatz in Berlin und übernimmt das Amt des Seelsorgers in Sankt Clemens Maria Hofbauer am Anhalter Bahnhof. Aus seinem Erbvermögen unterstützt er den Bau eines Handwerkergesellenhauses in der Nachbarschaft. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs wirbt er dort für den freiwilligen Kriegsdienst. Auch nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches am Ende des Krieges 1918 bleibt von Galen deutsch-national-konservativ. Bei den Wahlen zum Reichspräsidenten 1925 unterstützt er nicht den Kandidaten des katholischen Zentrums, Wilhelm Marx, sondern den Kandidaten der nationalen Rechten, Paul von Hindenburg. Mit umfangreichen Erfahrungen einer säkularisierten Gesellschaft und der Berliner Diaspora kehrt er 1929 nach Münster zurück und wird Pfarrer der traditionsreichen Stadtgemeinde St. Lamberti am Prinzipalmarkt in Münster.

Bischofswahl 1933

1933 wurde er zum Bischof von Münster geweiht, nachdem andere Kandidaten des Domkapitels verzichtet hatten. Seit der im Jahre 2003 erfolgten Öffnung der vatikanischen Archive für die Zeit bis 1939 ist Näheres zum Ablauf der Bischofswahl bekannt geworden: Von Galen stand zwar auf der Vorschlagsliste, die das Domkapitel eingereicht hatte, nicht aber auf der Dreierliste, die der Heilige Stuhl dem Kapitel zur Wahl vorlegte. Als ausschlaggebend wird hierfür die Einschätzung von Galens durch den Nuntius Cesare Orsenigo angesehen, der an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli von herrischer (arroganter) Auftretensweise, Starrsinn und zu schulmeisterlichem Ton für einen einfachen Pfarrer schrieb. Erst als der zunächst gewählte, aus dem Bistum Münster stammende Berliner Domkapitular Heinrich Heufers die Wahl aus Gesundheitsgründen abgelehnt hatte und der sodann von den verbliebenen zwei Kandidaten gewählte Paderborner Professor Adolf Donders darum gebeten hatte, das Amt nicht antreten zu müssen, erweiterte der Papst – damit dem Kapitel überhaupt eine Wahl blieb – die auf einen Kandidaten (den Trierer Weihbischof Antonius Mönch) geschrumpfte Liste um von Galen, den das Kapitel am 18. Juli 1933 einstimmig wählte. Am 28. Oktober 1933 wurde er geweiht und in das Amt eingeführt. Als Wappenspruch wählte er ein Versprechen des Weihekandidaten aus der Liturgie der Bischofsweihe: Nec laudibus, nec timore (lat. „Weder durch [Menschen-]Lob, noch durch [Menschen-]Furcht [weiche ich von Gottes Wegen ab]“).

Galen war der erste deutsche Bischof, der nach Inkrafttreten des sogenannten Reichskonkordats sein Amt antrat. Wie im Konkordat festgelegt, leistete er daher als erster deutscher Bischof einen Treueeid auf den Staat. Die Eidesformel lautete:

„Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande Preußen Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen.“

Diese Eidesformel gilt (mit kleinen Änderungen wie Bundesrepublik Deutschland statt Deutsches Reich und z. B. Nordrhein-Westfalen statt Preußen) noch heute.

Zeit des Nationalsozialismus

Von Galen wird von einer breiten Öffentlichkeit als Gegner des NS-Regimes angesehen. Kurz nach seiner Amtseinführung hatte er in einer Predigt in Xanten die Aktualität des Martyriums hervorgehoben. In einer breiten Öffentlichkeit wurde von Galen unter anderem deshalb als Widerstandskämpfer angesehen, weil er in seiner Diözese die gegen die Rassenideologie Alfred Rosenbergs gerichtete anonyme Schrift Studien zum Mythus des 20. Jahrhunderts und die Enzyklika Mit brennender Sorge Papst Pius XI. verteilen ließ, an deren Beratung im Vatikan er vermutlich zuvor teilgenommen hatte. Als er eine Liste beschlagnahmter Klöster und kirchlicher Einrichtungen vorgelegt bekam, sprach er sich in Briefen an Amtsbrüder immer deutlicher gegen die leisetreterische Diplomatie der meisten Bischöfe hinter geschlossenen Türen und für die Einschaltung der Öffentlichkeit gegen die Machthaber aus. Die Enzyklika Mit brennender Sorge ließ er deshalb durch Sonderdrucke in seiner Diözese verbreiten. In drei im Juli und August 1941 gehaltenen und durch illegale Flugblätter sowie Nachdrucke der Alliierten in Deutschland weiterverbreiteten Predigten wandte er sich gegen die Maßnahmen der Gestapo gegen katholische Einrichtungen, Heime und Klöster und die Euthanasie im Rahmen der so genannten Aktion T4 an geistig Behinderten. Wegen der Tötung der Behinderten erstattete er schriftlich Strafanzeige wegen Mordes. Aufgrund seiner mutigen Predigten hat er im Volksmund den Beinamen „Der Löwe von Münster“ erhalten. Zeitweilig wurde das Euthanansieprogramm daraufhin unterbrochen. Martin Bormann erwog, von Galen hängen zu lassen. Joseph Goebbels sprach sich dafür aus, keine katholischen Märtyrer während des Krieges zu schaffen und die Beseitigung von Galens auf die Zeit „nach dem Endsieg“ zu verschieben, womit er sich letztlich durchsetzte. Quellen, die der wissenschaftlichen Öffentlichkeit erstmals durch Dokumente aus dem Seligsprechungsprozess bekannt geworden sind, deuten darauf hin, dass von Galen Kontakte zum Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler unterhielt und Goerdeler im November 1943 in Münster getroffen hat.

Kritiker Galens weisen allerdings auch darauf hin, dass er ein scharfer Kritiker der Weimarer Verfassung war und dass er als streng antiliberal und antisozialistisch galt. Der spanische Putschist, Falangistenführer und Diktator Francisco Franco wurde von ihm als der „spanische Befreier“ bezeichnet, und er begrüßte ausdrücklich den Einmarsch deutscher Truppen in das seit dem Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinland 1936. Zum Zweiten Weltkrieg bemerkte er:

„Der Krieg, der 1919 durch einen erzwungenen Gewaltfrieden äußerlich beendet wurde, ist aufs neue ausgebrochen und hat unser Volk und Vaterland in seinen Bann gezogen. Wiederum sind unsere Männer und Jungmänner zum großen Teil zu den Waffen gerufen und stehen im blutigen Kampf oder in ernster Entschlossenheit an den Grenzen auf der Wacht, um das Vaterland zu schirmen und unter Einsatz des Lebens einen Frieden der Freiheit und Gerechtigkeit für unser Volk zu erkämpfen“.

Wie diese Äußerungen belegen, war auch von Galen unzweifelhaft ein typischer Vertreter seiner Zeit, der wie weite Teile der Eliten des Kaiserreichs die Weimarer Republik ablehnte und den Feldzug gegen die Sowjetunion als Kampf gegen die „Pest des Bolschewismus“ ansah.

Sein politisches Denken kann insofern als „obrigkeitsstaatlich“ angesehen werden, als er sich – als zutiefst schrifttreuer Christ – die Mahnung des Apostels Paulus zueigen machte: „Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt“ (Röm 13,1 f.). Gerade in der Erkenntnis, dass ein Regime, das die fundamentalen Menschenrechte verletzt, die Berechtigung seiner göttlichen Einsetzung verwirkt hat, sehen heute nicht wenige die herausragende Leistung von Galens.

Kardinal von Galen wurde noch im Jahre 1936 Mitglied bei der katholischen Studentenverbindung FAV Rheno-Guestfalia (Hann. Münden) im CV zu Göttingen. Die Aufnahme in den Cartellverband war 1936 nur heimlich möglich, da das NS-Regime die Auflösung des CV angeordnet hatte.

Nachkriegszeit

1945 erklärte von Galen in seinem ersten Interview gegenüber der anglo-amerikanischen Presse, dass, obwohl er und andere gebildete Deutsche Antinazis sein könnten, sie trotzdem treu gesinnt sein müssten gegenüber dem Vaterland und sie daher die Alliierten als Feinde betrachten müssten. Von Galen kritisierte in den nächsten Monaten verschiedene Maßnahmen der Besatzungsmächte, insbesondere die Internierung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes und der NSDAP in Lagern sowie die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Ostgebieten. Die verbreitete These von einer deutschen Kollektivschuld wies er öffentlich zurück. John S. Conway (Department of History, University of British Columbia) ist in der unten zitierten Rezension der Auffassung, ein zutreffendes Epitaph werde von Galen mit der Einschätzung des britischen Foreign Office gesetzt, das ihn als

"the most outstanding personality among the clergy in the British zone.... Statuesque in appearance and uncompromising in discussion, this oak-bottomed old aristocrat ... is a German nationalist through and through."
Übersetzung: „die herausragende Persönlichkeit des Klerus der britischen Zone, statuesk in der Erscheinung, unnachgiebig in der Diskussion, ist dieser fest verwurzelte Aristokrat ... ein deutscher Nationalist durch und durch“

eingeschätzt hat.

Am 18. Februar 1946 wurde er von Papst Pius XII. als Kardinalpriester mit der Titelkirche San Bernardo alle Terme in das Kardinalskollegium aufgenommen. Die überraschende Ernennung dreier deutscher Bischöfe zu Kardinälen deutet Galen als einen

„Ausdruck der Liebe des Papstes für unser armes deutsches Volk. Vor aller Welt hat er als übernationaler und unparteiischer Beobachter das deutsche Volk als gleichberechtigt in der Gesellschaft der Nationen anerkannt.“

Er verstarb wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Rom, zu der ihn die Stadt Münster zu ihrem Ehrenbürger ernannt hatte, an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs im St.-Franziskus-Hospital in Münster. Seine letzten Worte waren: „Wie Gott es will. Gott lohne es Euch. Gott schütze das liebe Vaterland. Oh, Du lieber Heiland!“. Er wurde in der Ludger-Kapelle des Doms zu Münster beigesetzt.

Seligsprechung

Der Seligsprechungsprozess wurde 1955 eingeleitet und im November 2004 positiv abgeschlossen. Am 9. Oktober 2005 wurde Clemens August Graf von Galen durch den portugiesischen Kardinal José Saraiva Martins, den Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, im Petersdom in Rom selig gesprochen. Sein Gedenktag ist der 22. März.

Werke

  • Die „Pest des Laizismus“ und ihre Erscheinungsformen. Aschendorff, Münster 1932
  • Akten, Briefe und Predigten, 1933–1946; bearbeitet von Peter Löffler, Matthias-Grünewald, Mainz 1988. ISBN 3786713944 (Rezension der englischen Ausgabe von John S. Conway, Januar 1997, bei H-Net Reviews)

Literatur

  • Vorlage:PND
  • M. Bierbaum: Nicht Lob, nicht Furcht. Das Leben des Kardinals von Galen nach unveröffentlichten Briefen und Dokumenten. Regensberg, Münster 1955
  • Irmgard Klocke: Kardinal von Galen. Der Löwe von Münster. Pattloch, München 1978, ISBN 3557911543
  • Stefania Falasca: The bishops and the coup. 30Days, Januarheft 2005 Onlineausgabe
  • Ludger Grevelhörster: Kardinal Clemens August Graf von Galen in seiner Zeit. Aschendorff Münster, 2005, ISBN 3402035065

Weblinks

Biographien

Quellen

Einzelne Beiträge


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