Simultankirche Bechtolsheim

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Die Simultankirche Bechtolsheim (vollständiger Name: St. Maria und St. Christophorus, bzw. Maria Himmelfahrt und St. Christophorus) ist ein dreischiffiges Kirchengebäude mit spätgotisch verzierten Kirchengestühl und einer Stumm-Orgel im Ort Bechtolsheim in Rheinland-Pfalz.

Simultankirche mit freistehendem Glockenturm

Das Kirchenbauwerk wurde 1492 fertiggestellt und ist den Heiligen Maria und Christophorus geweiht. Während der kurpfälzischen Reformation wurde Bechtolsheim 1544[1] oder 1556 lutherisch.[2] Seit Palmsonntag 1685 wird die Kirche von der katholischen und der evangelischen Gemeinde als Simultankirche, auf Befehl von Ludwig XIV.[1][3] genutzt.

Vorbemerkung

Im heutigen Rheinhessen gab es bis 1798 insgesamt 30 verschiedene evangelische Territorialkirchen. Mit 82 Pfarreien hatte das Kurfürstentum Pfalz den größten Anteil davon. Gefolgt von der Wild- und Rheingrafenschaft mit neun und der Grafschaft Falkenstein mit sieben Stück. Die restlichen 42 Pfarreien zählten zu 27 Territorialkirchen wovon vier eine eigenständige bildeten, dies waren die Ganerbschaften Nieder-Saulheim, Mommenheim, Schornsheim und Bechtolsheim.[2] Die Ganerbschaft in Bechtolsheim bestand seit 1270.

Baugeschichte

Vorgängerbau

Das Wegekreuz in der heutigen Sulzheimer Straße erinnert an die alte Kirche und den alten Friedhof an dieser Stelle. Die Aufnahme entstand bei der Fronleichnamsprozession.

In Bechtolsheim existierte bereits ein Vorgängerbau an einem anderen Platz, im sumpfigen Gelände außerhalb der Dorfwehranlage. In der jetzigen Sulzheimer Straße bezeichnet ein Wegkreuz an einer Hausfassade knapp 200 Meter (Luftlinie) südwestlich der heutigen Kirche den Standort dieses ersten Gotteshauses.

Im Pfarrarchiv haben sich Ablassbriefe zugunsten der Erbauung der Kirche von den Päpsten Nikolaus IV. vom Jahr 1292, Bonifatius VIII. von 1300 und Benedikt XII., ausgestellt 1341, erhalten.[4] Demnach dauerte der Bau offensichtlich mehr als ein halbes Jahrhundert. Die Kirche erhielt den Namen der großen Muttergotteskirche, Ecclesia Major, B. M. V. (= Beatae Mariae Virginis, „der seligen Jungfrau Maria“) und hatte neben dem Hochaltar noch sieben gestiftete Altäre,[5] die im Laufe der Jahrhunderte errichtet wurden und für die die Edelleute das Präsentationsrecht ausübten.[6] Die Adeligen aus dem Ort und der Umgebung wählten sie zu ihrer Grabstätte. Die meisten von ihnen gehörten zu den Ganerben. Nach dem Bau der neuen Pfarrkirche verfügte Bechtolsheim über zwei gottesdienstliche Stätten. Mit Einführung der Reformation wurde die am Kirchhof gelegene Kirche als Friedhofskapelle weiterbenutzt.[2] Die Mauern der alten Kirche waren noch 1790 vorhanden. Nach einer Beschreibung von 1612 enthielt sie viele Grabsteine von Ganerben. Bis 1876 befand sich an dieser Stelle auch der alte Friedhof.

Bau der Kirche

Am Gründonnerstag 1482 verhandelte Philipp von Dalberg als Sprecher der Ganerbengemeinschaft mit seinem Verwandten Johann von Hohenfels, Herr zu Reipolskirchen, über den Bau einer neuen Kirche. Dieser erteilte als Oberlehnsherr und Patron der Bechtolsheimer Kirche in einem Brief seine Zustimmung.[7] Als Standort wurde der Platz zwischen dem damaligen schon vorhanden Wehrturm, dem heutigen Glockenturm und dem Gebück am Ortsrand gewählt. Nach fünfjähriger Bauzeit war der Rohbau 1487 vollendet. Im gleichen Jahr bestätigten die Kirchengeschworenen und Kirchenmeister Peter Ledderhose und Hans Reßeler schriftlich, dass Adam von Rockenhausen als Altarist des St.-Theobalds-Altars eine Schenkung von 20 Gulden gemacht hatte.[7] Die Fertigstellung fand 1492 unter der Leitung des Baumeisters Jakob von Landshut statt.

Datei:Grundriss-Kriche-Bechtolsheim.jpg
Grundrisszeichnung (Oben = Osten)

Die dreischiffige spätgotische Hallenkirche süddeutscher Prägung hat eine Länge von fünf Joch. Der einschiffige Chor misst drei Joch und ist dreiseitig geschlossen. Die Seitenschiffe sind etwa halb so breit wie das Mittelschiff und haben auf jeder Seite im zweiten Joch vor dem Chorbogen eine kapellenartige Erweiterung zwischen den Strebepfeilern. In der nördlichen Kapelle befindet sich ein geschlossener Beichtstuhl mit drei Innenräumen. Die südliche Kapelle enthält eine seitliche Sitzreihe, die früher vom evangelischen Kirchenvorstand benutzt wurde. Am Chor befindet sich auf der Nordseite die zweistöckige Sakristei, sie dient als Vorbereitungs- und Umkleideraum, das obere Stockwerk als Abstellraum.

Der Bau mit 36 Meter Länge und fast 16 Meter Breite wirkt außen blockhaft geschlossen. Ein hohes, abgewalmtes Satteldach überdeckt alle drei Schiffe. Das Dach über dem Chor ist etwas niedriger, obwohl die Gewölbescheitel gleich hoch sind.

Zahlreiche Baudetails sowie der Innenraum mit einem Rauminhalt von 4200 Kubikmetern weisen auf architektonische Zusammenhänge mit Kirchenbauten außerhalb Rheinhessens hin. Verwandte Kirchenbauwerke dieser Zeit sind die bayerische Pfarrkirche St. Jakob in Burghausen und die Landshuter Heilig-Geist-Kirche. Alle drei Kirchen haben ein ähnliches Gewölbesystem.

Aus Bayern dürfte die von Hans Stethaimer erstmals in der Landshuter St.-Martins-Kirche angewandte Achtkantpfeilertechnik stammen. In noch ausgeprägterer Form ist sie in St. Nikolaus in Neuötting und in St. Jakob in Wasserburg am Inn vorhanden.

In den Außenwänden des Chores sind sechs Epitaphien eingelassen, die aus der alten Kirche dorthin gebracht wurden. Die Grabplatten sind zum großen Teil sehr verwittert. Auf drei Platten ist ein Esel im Wappen zu erkennen, der auf Johann Esel († 1380), Heinrich Esel († 1398) und Latelmus Esel († 1400) hinweist. Bei den Bildnisfiguren handelt es sich um Limanis Bube von Geispitzheim und Peter Kämmerer von Worms, genannt von Dalberg (beide † 1397). Ein Ritter von Bechtolsheim († 1339) vervollständigt die Reihe.[8]

Restaurierungen

Blick vom Chor ins Mittelschiff

Im Pfälzischen Erbfolgekrieges 1695 wurde die Kirche von den Franzosen in Brand gesteckt. Der Dachstuhl brannte zwar komplett aus, das Gewölbe hielt aber stand. 1699 legt man ein Notdach aus Holzbalken, welche man von der älteren Kirche geholt hatte, auf. Der Dachstuhl wurde erst 1709 mit Schiefer gedeckt.[9] Nach einem Gemälde hinter der Stumm-Orgel wurde 1742 die Kirche renoviert. Weitere Renovierungen folgten 1839/40 und 1887.

Bei der letzten grundlegenden Renovierung 1971 bis 1977 wurde auch die Stumm-Orgel demontiert und in einem Orgelbauerbetrieb generalüberholt. Die erst 1960/1961 installierte elektrische Rohrheizung, die beiden Konfessionen zusammen 26.000 DM gekostet hatte (entspräche heute inflationsbedingt über 69.000 Euro), wurde wieder entfernt, da die direkt am Falkner-Gestühl angebrachte Heizung mit dem ständigen Temperaturwechsel Risse im Holz verursacht hatte. Sie wurde gegen eine mit Öl betriebene Warmluftheizung, die eine gleichmäßige Temperatur und Luftfeuchtigkeit gewährleistet, ausgetauscht. Als Ergänzung dazu wurde eine elektrische Fußbodenheizung eingebaut. Dazu wurden Ende 1973 die Gestühle im Langhaus und im Chor entfernt und in einem Fachbetrieb restauriert. Die Gottesdienste beider Konfessionen fanden seitdem im benachbarten Saal des evangelischen Jugendheims statt. Die damaligen Geldgeber von weit über einer Million DM[10] (entspräche heute inflationsbedingt über 1 Million Euro) teuren Renovierung ehrte man mit der Einfügung ihrer Wappen in die Decke. Es handelt sich um das Landeswappen von Rheinland-Pfalz, die Lutherrose, das Wappen des Bischofs von Mainz Hermann Volk sowie das Papstwappen von Johannes Paul II..

Die Außenfassade wurde zuletzt 2001 mit Mineralfarbe aufgefrischt. Die Strebepfeiler und das Maßwerk heben sich in einem leicht rötlichem Ton vom übrigen weißen Mauerwerk ab, Gleiches gilt auch für die Achtkantpfeiler und das Sterngewölbe im Innenraum.

Innenausstattung

Während des Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche 1625/1626 geplündert.[11]

Altäre

Innenraum mit Blick auf den Hochaltar von der Empore, auf der sich die Stummorgel befindet
Kreuz- bzw. Volksaltar

Die Simultankirche verfügt über insgesamt vier Altäre, von denen nur der Kreuzaltar von beiden Kirchengemeinden gemeinsam genutzt wird. Die anderen drei gehören der katholischen Gemeinde.

Der zweistöckige Hochaltar wurde 1761 gekauft. Er war ursprünglich 1699 von Franz Hügelij für das Wormser Kloster Maria Münster gebaut worden und ist mit Nussbaumfurnier versehen. Das Altarbild gestaltete Matthäus Lohmann und zeigt die Himmelfahrt der Gottesmutter Maria. In der darüberstehenden Ädikula halten in dem ovalen Gemälde Gottvater und Christus die Krone für die auffahrende Maria. Über ihnen schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes. Über dem Tabernakel sind der Heilige Clemens, die Heilige Barbara und der Heilige Tiburtius dargestellt. Die großen Figuren stellen den Heiligen Bernhard und den Heiligen Antonius dar. Der Hochalter und das darauf stehende Ewige Licht sind der alleinigen Nutzung der katholischen Gemeinde vorbehalten.

Der Kreuzaltar (Volksaltar) in der Mitte des Choreinganges unterhalb des Triumphbogens wird gemeinschaftlich benutzt und besteht aus insgesamt 52 Steinen, als Anspielung auf alle Bücher des Alten und Neuen Testamentes.

Über dem nördlichen Seitenaltar (Evangelienseite) befindet sich ein Epitaph für Johann Hund von Saulheim († 1595) mit Reliefbild der Bekehrung des Apostels Paulus. Den knieenden Figuren wurden die Köpfe abgeschlagen, dies geschah entweder während des Pfälzischen Erbfolgekrieges (auch: Orléansscher Krieg von 1688 bis 1697) oder durch Französische Revolutionssoldaten 1795[12]. Auf dem Altar steht in der Adventszeit die Weihnachtskrippe.

Über dem südlichen Seitenaltar (Epistelseite), dem Marienaltar, gruppieren sich um die im Jahr 2007 restaurierte Muttergottesfigur Rochus und Christophorus, Katharina und Barbara, Georg und Hieronymus. Ein weiterer männlicher Heiliger trägt ein offenes Buch. Im Flachrelief befinden sich zwei heilige Mönche, der eine mit Hindin und ein unbekannter Bischof. Die Statue einer weiblichen Heiligen mit Buch rundet das Ensemble ab.[13] Einige dieser Figuren wurden 1927 auf der Ausstellung für alte Kunst am Mittelrhein in Darmstadt gezeigt. Die Figuren vom „bayuvarischem Typ“ vom alten Flügelaltar stammen wie das Gestühl von Ehrhard Falkner vom Ende des 15. Jahrhunderts. Die Muttergottesfigur ist jünger und stammt ungefähr aus dem Jahr 1887.

Taufstein und Kanzel

Taufstein und Kanzel

Das runde Taufbecken ist aus rötlichem Sandstein mit Groteskornamenten im Flachrelief gefertigt und stammt aus dem Jahre 1530. Erst seit 1977 wird es von beiden Gemeinden genutzt[14], zuvor wurde es nur von den Katholiken benutzt.[15] Das Kesselbecken ist mit Blech ausgekleidet und kann bei Nichtgebrauch abgedeckt werden um zum Beispiel ein Blumengesteck zu tragen.

Die steinerne Kanzeltreppe mit Maßwerkbrüstung stammt aus der Zeit um 1500.[16] Die heutige Kanzel und der Schalldeckel wurden 1690 aus Holz hergestellt[17]. Die Bemalung ist eine Marmorimitation. An der Säule hinter der Kanzel befindet sich eine gemalte Verzierung in Form eines Baldachins. Die Kanzel ruht auf einer Stützsäule. An der alten Kanzel hatten 1667 evangelischen Gemeindemitglieder eine Sanduhr angebracht, damit der Geistliche die Predigt nicht über eine Stunde ausdehnte. Im 18. Jahrhundert wurde diese Sanduhr erneuert. Heute wird die Kanzel nur noch gelegentlich im evangelischen Gottesdienst benutzt.

Gestühl

Kalligraphischer Flachschnitt (re: "maria", li: "jesus"). Östliche Vorderfront der südlichen Laiengestühlbankgruppe

Die wertvollen Kirchengestühle im Schiff und im Chor stiftete Gräfin Lisa von Ingelheim.[18]

Chorgestühl

Im Chor befindet sich das Gestühl aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Seine wiederhergestellte barocke Farbigkeit bezieht sich deutlich auf den Hochaltar. Die einzelnen Klappsitze sind mit Misericordien versehen, so dass bei hochgeklapptem Sitz eine Stehhilfe vorhanden ist. Darüber befinden sich Relieffiguren aus einem spätgotischen Altaraufsatz.

Kirchengestühl

Das Kirchengestühl von 1496 von Erhart Falckener aus Abensberg ist das älteste der vollständig erhaltenen Laiengestühle in Deutschland. Zudem befindet sich das im spätgotischen Stil erbaute Gestühl heute noch in den Originalfarben der Erstbemalung. Insgesamt sind es 30 Bänke mit Bankwangen in Flachschnitztechnik (dargestellt sind Heiligennamen, Inschriften, Stifterwappen, Ranken und Maßwerk) aus Tannen- oder Fichtenholz in einer Rahmenkonstruktion, die Eckwangen mit den achteckigen geschnitzten Knäufen bestehen aus Eichenholz.

Das Gestühl ist signiert und datiert:

„Diß werck hait gemacht Erhart valckener von Abensperg uß baern In dem Jar da man zalt nach cristi unserß lieben hern geburt MCCCCLXXXXVI Jar“

Es folgt die Bitte: „b g v m“ = bit got vor mich.

Empore

In der ursprünglichen Erbauungszeit war keine Emporbühne vorgesehen. Die Tragsteine haben ein jüngeres Beschlagmuster. 1716 wird erstmals von einer Bordhöhe gesprochen. Mit Einbau der Stumm-Orgel wurde spätestens 1756 eine Empore notwendig und eine aus Holz eingebaut. Die beiden Säulen aus Bornheimer Stein (→Flonheimer Sandstein) kosteten damals inklusive Fuhrlohn 9 fl. 40 kr. Die Seitenteile gingen in den beiden Querschiffen bis an die Kapellen vor. Bei der Restaurierung 1887 wurden diese um eine Jochlänge gekürzt.[17] Neunzig Jahre später wurde die Empore nochmals gekürzt und verfügt heute über keine Seitenteile mehr.

Orgel

Die Orgel wurde 1756 von den Brüdern Johann Philipp und Johann Heinrich Stumm aus Sulzbach bei Rhaunen für 900 Reichsgulden gebaut.

Die 27 klingenden Register sind auf zwei Manuale und ein Pedal verteilt; sie gehört damit zu den größeren Stumm-Orgeln.[19] Der Spieltisch befindet sich auf der linken Seite des Gehäuses, das sich im Originalzustand befindet. Das Pfeifenwerk besteht aus Holz und Zinn.

Die Orgel wurde bisher dreimal restauriert bzw. umgebaut:[20] 1765/1767 erfolgten Reparaturen durch die Werkstatt Stumm. 1899 baute sie Heinrich Bechstein aus Groß-Umstadt um und während der großen Restaurierungsaktion in den 1970er Jahren restaurierten die Gebrüder Oberlinger aus Windesheim die Stumm-Orgel.

Es sind noch bis zu drei Viertel des ursprünglichen Materials vorhanden. Die sichtbaren Orgelpfeifen im Prospekt sind noch im Originalzustand erhalten. Die Register Gamba, Mixtur (teilweise) und Vox angelica im Hauptwerk sowie Flaut travers, Solicional, Quint, Mixtur, Krummhorn und Vox humana im Unterwerk wurden 1977 erneuert. Die Bälge bestehen aus einem Magazinbalg von Bechstein. Die Disposition lautet:

Stumm-Orgel in Bechtolsheim
I Unterwerk C–d3
Hohlpfeiff 8′
Flaut travers (D) 8′
Principal 4'
Rohrflöte 4′
Solicional 2′/4′
Quint 11/3′/3′
Octav 2′
Mixtur III 1′
Krummhorn 8′
Vox humana 8′
Tremulant
II Hauptwerk C–d3
Großhohlpfeiff 16′
Principal 8′
Gamba 8′
Quintathen 8′
Hohlpfeiff 8′
Octav 4′
Solicional 4′
Flöt 4′
Quint 3′
Octav 2′
Terz 13/5
Mixtur IV 1′
Trompete (B/D) 8′
Vox angelica (B) 2′
Pedal C–d1
Subbaß 16′
Octavbaß 8′
Posaune 16′

Wandmalereien

Die gesamte Bemalung des Innenraums wurde nach Forschungen von Karl Oberle 1787 im Rokokostil übermalt. Diese Bilder wurden 1887 aufgefrischt.[21] Dies bestätigten auch Untersuchungen der Restauratoren in den 1970er-Jahren, die verschiedene alte Malereien wieder zum Vorschein brachten. Im Chor wurden alte Fensterumrahmungen entdeckt, an den Wandflächen der Seitenschiffe tauchten verstreut medaillonartige Verzierungen auf, die ebenfalls farblich aufgefrischt wurden. Ergänzt wurde auch ein Malereiband, das den Bogen der nördlichen Seitenkapelle gegenüber dem Seitenschiff absetzt.[22]

Über dem Seiteneingang (Nordportal) befindet sich eine Bemalung in Form einer Sonne, darüber ein Gemälde des Heiligen Christophorus (Öl auf Leinwand) von 1887.[16] Es ist mit A. Volk signiert.[23] Vor der Sanierung der Kirche wurde es 1972 von Dehio als „stark restauriertes Wandbild des Hl. Christophorus um 1500“ bezeichnet.[24] Es ist neben dem Hochaltarbild der Himmelfahrt Mariens das flächenmäßig größte Gemälde mit der typischen Darstellung als Hüne mit Stab, der das Jesuskind auf den Schultern über einen Fluss trägt.

Trägergemeinschaft

Im Laufe der Geschichte gab es mehrere Versuche von beiden Seiten, das Simultaneum zu lösen. Erstmals machten die Protestanten 1790 den Katholiken das Angebot, 400 Gulden für den Wiederaufbau der alten Kirche im Ortsteil Sulzheim in Aussicht zu stellen. Ein zweiter Versuch ging 1802 vom Bischöflichem Ordinariat Mainz aus. Aber aufgrund der Kostenlast und der anhaltenden Baumaterialverschleppung von der alten zur neuen Kirche konnte sich niemand diesen Alleingang leisten.[7] Es folgten noch drei weitere Versuche das Simultaneum zu lösen.[25]

Die Kirche wird von beiden Konfessionen gleichberechtigt benutzt, Gleiches gilt auch für die Eigentumsverhältnisse, obwohl die Bevölkerung des Ortes heute zu 53 Prozent aus evangelischen und zu 26 Prozent aus katholischen Christen besteht.[26] Die vertraglichen Regelungen wurden zuletzt nach der umfangreichen Sanierung und feierlichen Wiedereröffnung am 29. Januar 1977 in Kraft gesetzt. Diesen gingen Regelungen von 1886 und vom 27. November 1974 voraus.[27] Die Federführung für Unterhaltungsmaßnahmen hat die evangelische Gemeinde, die katholische beteiligt sich mit der Hälfte der jeweiligen Kosten.

Das evangelische Pfarramt in Bechtolsheim gehört zur Landeskirche Hessen-Nassau und betreut zusätzlich die Kirchengemeinden in Biebelnheim, Ensheim und Spiesheim.

Die katholische Pfarrgemeinde gehört zusammen mit St. Mariae Himmelfahrt in Biebelnheim zum Pfarramt Gau-Odernheim im Katholischen Dekanat Alzey/Gau-Bickelheim des Bistums Mainz.

Nutzung

Sonderstempel: 100 Jahre Glockenturm

Jeden Samstagabend und Sonntagmorgen findet entweder katholischer oder evangelischer Gottesdienst statt. Das Kirchengebäude wird auch für Konzerte benutzt. Seit Anfang der 1980er Jahre findet in Bechtolsheim am letzten Wochenende im August auf dem dafür angelegten Kerbeplatz die Kerb von Freitag bis Montag statt. Auch der ökumenische Gottesdienst am Kerbesonntag wird bei schönem Wetter dort unter freiem Himmel abgehalten.

Auf dem Kirchenvorplatz findet jeweils am Ersten Advent ein Weihnachtsmarkt unter Beteiligung der ortsansässigen Betriebe und Vereine statt. Führungen finden meist am Tag des offenen Denkmals statt. Am 23. Juni 2007 wurde zum 100-jährigen Bestehen des Glockenturms ein Sonderstempel der Post, der gleichzeitig auf das Weinfest der Verbandsgemeinde in Bechtolsheim hinwies, ausgegeben.

Geschütztes Kulturgut

Die Simultankirche ist im Sinne des Artikels 1[28] in Verbindung mit Artikel 17[29] der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten seit dem 30. September 1988 geschützt.[30] Es darf als „Schutzwürdiges Kulturgut“ somit die dreifache Kennzeichen zur Markierung von Kulturgut unter Sonderschutz verwenden. Die Kennzeichnung befindet sich am Eingangsportal.

Im „Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler Rheinland-Pfalz für den Landkreis Alzey-Worms“ (→ Liste der Kulturdenkmäler in Bechtolsheim) wird die Simultankirche in der „Denkmalzone Ortsbefestigung“, zusammen mit dem Glockenturm und dem auf der Südseite der Kirche befindlichen Gebück, sowie als „Einzeldenkmal“ geführt.

Weitere Bauwerke

Glockenturm

spätbarockes Friedhofskreuz mit Korpus, um 1755 welches vor dem Glockenturm steht

Der benachbarte Glockenturm neben der Sakristei gehört der Ortsgemeinde Bechtolsheim und hat keine direkte Verbindung zum Sakralbau. Turm, Glocken und Uhr sind im Eigentum der politischen Gemeinde. Die Kirchengemeinden haben das freie Nutzungsrecht.

Kirchenvorplatz

Der Kirchenvorplatz ist dreigeteilt, jeweils ein Drittel gehört den beiden Konfessionen und das letzte Drittel der Ortsgemeinde. Lediglich das aus Stein gefertigte Kruzifix (spätbarockes Friedhofskreuz mit Korpus von 1755) gehört der katholischen Kirchengemeinde.

Der Treppenaufgang zum Kirchenvorplatz ist von den beiden ehemaligen konfessionellen Schulgebäuden eingefasst, die als spätklassizistische Putzbauten um 1854 errichtet wurden und heute als Wohngebäude dienen.[31]

Literatur

  • Karl Oberle: Geschichte von Bechtolsheim, Rheinhessische Druck-Werkstätte Alzey, 1. Auflage 1951, Verlag der Rheinhessischen Druckwerkstätte Alzey, 2. erweiterte Auflage 1995, ISBN 3-87854-111-2
  • Evangelische und Katholische Kirchengemeinde Bechtolsheim (Hrsg.): Festschrift zur Wiedereröffnung der Simultankirche Bechtolsheim nach einer umfassenden Restaurierung, 29. Januar 1977
  • Otto Böcher: Die Simultankirche in Bechtolsheim in Ärzteblatt Rheinland-Pfalz; Mainz und Kirchheim, 3/1980
  • Regine Dölling: Die Simultankirche in Bechtolsheim (Rheinhessen), Rheinische Kunststätten, 1. Auflage 1980, ISBN 3-88094-316-8.
  • Heinrich Steitz: Die rheinhessischen Dorfkirchen in Dittelsheim, Bechtheim, Bechtolsheim, Hessische Kirchengeschichtliche Vereinigung, Darmstadt 1980
  • Gerhard Fillinger: 100 Jahre Glockenturm – Fotokalender 2007 – Heimatverein Bechtolsheim, MF Druck-Service, Ober-Ramstadt, 2006
  • Helmut Maas, Johannes Witting: Simultankirche Bechtolsheim – Kleiner Kirchenführer, Faltblatt zum Tag des offenen Denkmals 2007

Nur zur Stummorgel:

  • Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins, Band 1, Mainz: B. Schott’s Söhne, 1967, S. 249–251
  • Hans Martin Balz/Reinhardt Menger: Alte Orgeln in Hessen und Nassau, Kassel, Verlag Merseburger Berlin GmbH, 1997, S. 34–35

Weblinks

Commons: Simultankirche Bechtolsheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Festschrift 1977, S. 26
  2. a b c Heinrich Steitz, S. 20
  3. Abschrift im Dalberg-Archiv in Darmstadt (alte Signatur: gelb, Nr. 54, St.A.Nr. 842, Konvolut 31, Bechtolsheim 6, Kirche II)
  4. Festschrift 1977, S. 21
  5. Karl Oberle, S. 81
  6. Stephan Alexander Würdtwein: Dioecesis Moguntina in Archidiaconatus distincta, 1767.
  7. a b c Festschrift 1977, S. 22–23
  8. Regine Dölling, Die Simultankirche in Bechtolsheim (Rheinhessen), S. 15.
  9. Karl Oberle, S. 72
  10. Festschrift 1977, S. 36
  11. Karl Oberle, S. 72
  12. Heinrich Steitz, S. 22
  13. Karl Oberle, S. 74
  14. Festschrift 1977, S. 35
  15. Karl Johann Brilmayer: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart - Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung., Verlag Emil Roth, Mainz, 1905, S. 48
  16. a b Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz/Saarland, Deutscher Kunstverlag 1984, S. 83.
  17. a b Karl Oberle, S. 77
  18. Josef Rick, Die Weinbaugemeinde Bechtolsheim, in der Festschrift zum Feuerwehrfest 1972.
  19. Orgellandschaft Rheinhessen
  20. Bischöfliches Ordinariat, Dez.IX/4, Orgelakte Bechtolsheim.
  21. Karl Oberle, S. 78
  22. Festschrift 1977, S. 34
  23. Joachim Glatz, Die Mittelalterliche Wandmalerei in der Pfalz und in Rheinhessen, Dissertationsschrift, Mainz 1981, Verlag der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte, S. .
  24. Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz/Saarland, Deutscher Kunstverlag, 1972, S. 81
  25. Karl Oberle, S. 73
  26. Gemeindestatistik der Verbandsgemeinde Alzey-Land: Ortsgemeinde Bechtolsheim, Stand 31. Dezember 2008.
  27. Festschrift 1977, S. 29
  28. Art. 1 Begriffsbestimmung des Kulturguts
  29. Art. 17 Verwendung des Kennzeichens
  30. Urkunde der Bundesrepublik Deutschland vertreten durch die Kreisverwaltung Alzey-Worms, 30. September 1988.
  31. Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler Rheinland-Pfalz für den Landkreis Alzey-Worms.

Koordinaten: 49° 48′ 7,6″ N, 8° 11′ 31,9″ O

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