Dies ist ein als exzellent ausgezeichneter Artikel.

Frankfurter Judengasse

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. August 2006 um 15:52 Uhr durch Southpark (Diskussion | Beiträge) (exzellent). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Datei:Frankfurt Judengase 1628.jpg
Die bogenförmige Judengasse auf einer Stadtansicht von Matthäus Merian aus dem Jahr 1628

Die Frankfurter Judengasse war das von 1462 bis 1796 bestehende jüdische Ghetto in Frankfurt am Main. In der frühen Neuzeit lebte hier die größte jüdische Gemeinde Deutschlands. Nach der Aufhebung des Ghettos entwickelte sich die Gasse zunächst zu einem Armenviertel. 1874 bis 1885 wurden die alten Häuser bis auf wenige Ausnahmen abgerissen, und die in Börnestraße umbenannte Gasse neu bebaut. Die ehemalige Hauptsynagoge in der Börnestraße brannte 1938 während der Novemberpogrome nieder. 1944 wurden auch die übrigen Häuser der Börnestraße durch Bomben zerstört. Nach dem Krieg wurde das Areal neu gestaltet, so dass vom ursprünglichen Straßenbild heute nichts mehr erkennbar ist. Ende der achtziger Jahre wurden beim Bau eines Verwaltungsgebäudes Reste der alten Judengasse entdeckt und nach langer öffentlicher Diskussion als Museum Judengasse in den Neubau integriert.

Lage und Bebauung

Die Judengasse um 1868

Die Judengasse lag östlich der Staufenmauer, die die Frankfurter Altstadt von der nach 1333 entstandenen Neustadt trennte. Nur wenig mehr als 3 Meter breit und etwa 330 Meter lang, beschrieb sie einen Bogen, der ungefähr von der Konstablerwache bis zum heutigen Börneplatz reichte. Sie war rundum von Mauern umschlossen und nur über drei Tore zugänglich. Aufgrund der engen Bebauung wurde die Judengasse allein im 18. Jahrhundert dreimal durch Feuersbrünste zerstört: 1711, 1721 und 1796.

Da der Frankfurter Magistrat sich jahrhundertelang einer Erweiterung des Ghettos widersetzte, lebten auf dem Areal, das ursprünglich für 15 Familien mit etwas mehr als 100 Mitgliedern geplant war, am Ende des 18. Jahrhunderts rund 3.000 Menschen. Nicht weniger als 195 Häuser und Hinterhäuser bildeten je zwei doppelte Gebäudezeilen zu beiden Seiten der Gasse. Zeitgenossen schildern sie als äußerst drangvolles, düsteres Stadtquartier, so z.B. Johann Wolfgang von Goethe in Dichtung und Wahrheit:

Zu den ahnungsvollen Dingen, die den Knaben und auch wohl den Jüngling bedrängten, gehörte besonders der Zustand der Judenstadt, eigentlich die Judengasse genannt, weil sie kaum aus etwas mehr als einer einzigen Straße besteht, welche in frühen Zeiten zwischen Stadtmauer und Graben wie in einen Zwinger mochte eingeklemmt worden sein. Die Enge, der Schmutz, das Gewimmel, der Akzent einer unerfreulichen Sprache, alles zusammen machte den unangenehmsten Eindruck, wenn man auch nur am Tore vorbeigehend hineinsah.

Die Frankfurter Juden vor der Ghettoisierung

Juden gehörten wahrscheinlich bereits zu den ersten Bewohnern Frankfurts. Ihre erste urkundliche Erwähnung stammt vom 18. Januar 1074: Heinrich IV. bewilligte den Bürgern und Juden von Worms und anderen Orten, darunter auch Frankfurt, gewisse Privilegien wie den Erlass von Zollgebühren. Achtzig Jahre später wird die jüdische Gemeinde Frankfurts in der Handschrift „Eben ha Eser“ des Rabbis Elieser ben Nathan aus Mainz erwähnt, der zwischen 1145 und 1152 starb. Die Gemeinde war damals wahrscheinlich noch sehr klein. Bis zum Spätmittelalter lebten die Frankfurter Juden in der heutigen Altstadt, im wesentlichen im Viertel zwischen Bartholomäuskirche, Fahrgasse und Main. In diesem Viertel, einer der besten Gegenden der Stadt, spielte sich auch das politische Leben ab: Hier befanden sich das Rathaus, die Münze, die Häuser der Färber und der Lohgerber - das Komphaus und der Loher- oder Lower-Hof - sowie ein Hof des Erzbischofs von Mainz. In Frankfurt genossen die Juden größere Bewegungsfreiheit als in anderen Städten des Reichs. Sie durften sich überall in der Stadt niederlassen. Umgekehrt lebten auch viele Nichtjuden im Judenviertel. Dessen nördliche Häuser gehörten dem Domstift. Obwohl es Synodalbeschlüsse gab, nach denen kein Jude in einem der Kirche gehörenden Haus oder in der Nähe eines christlichen Friedhofes wohnen sollte, überließ das Bartholomäusstift die Häuser den Juden gegen hohe Kautionen zur Miete.

Die „Judenschlacht“ von 1241

Im Mai 1241 fielen die meisten Frankfurter Juden einem Pogrom zum Opfer, dem nur wenige durch Annahme der Taufe entgingen. Die wenigen erhaltenen Quellen aus dieser Zeit ergeben nur ein unvollständiges Bild der Vorgänge, die als „Frankfurter Judenschlacht“ bezeichnet wurden. Auslöser der Gewaltakte waren eskalierende Streitigkeiten um eine jüdisch-christliche Mischehe und um die Zwangstaufe.

Nach den Annalen der Erfurter Dominikaner kamen im Verlauf der Ausschreitungen nur wenige Christen, aber 180 Juden um. 24 Juden, darunter angeblich auch ein Gemeindevorsteher, entgingen dem drohenden Tod nur, indem sie sich taufen ließen. Die Synagoge wurde geplündert und zerstört und die Torarollen zerrissen. Anschließend breitete sich ein Feuer aus, das fast die Hälfte der Stadt erfasste.

Der Pogrom geschah, obwohl alle Juden im Reich seit 1236 durch das Privilegienrecht Kaiser Friedrichs II. geschützt waren. Sie waren darin zu Kammerknechten des Kaisers erklärt worden, und hatten Steuern direkt an ihn zu entrichten. Zudem unterstand Frankfurt damals noch einem königlichen Schultheißen, der dem Gericht vorstand und das städtische Militär befehligte. Warum er oder die den Staufern ergebenen Ministerialen die Juden nicht schützten, ist nicht bekannt. Dass die Kämpfe mehr als einen Tag dauerten und ein stark befestigter Turm erstürmt wurde, auf den sich 70 Juden geflüchtet hatten, weist jedenfalls auf die Beteiligung bewaffneter Kräfte hin. Ein jüdisches Klagelied berichtet von Bogenschützen, die die Rabbiner und ihre Schüler in den beiden Lehrhäusern angriffen. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass es sich bei der „Judenschlacht“ um eine organisierte Aktion handelte und nicht um ein spontanes Massaker der städtischen Bevölkerung.

Welche Täter für die „Judenschlacht“ verantwortlich waren, lässt sich angesichts der unsicheren Quellenlage nur vermuten. Ob Ordensleute des Dominikanerklosters, die sich im päpstlichen Auftrag dem Kampf gegen Häresien widmeten, daran beteiligt waren, ist fraglich. Vermutet wurde auch eine Verwicklung des Mainzer Erzbischofs Siegfried III., der sich Ende April 1241 mit dem Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden gegen die Staufer verbündet hatte und den Bau des Frankfurter Dominikanerklosters unterstützte. Einige Quellen legen nahe, dass der Pogrom antistaufische Hintergründe hatte, zweifelsfrei belegen lassen sich diese jedoch nicht.

Friedrich II. ordnete eine Untersuchung an, die mehrere Jahre dauerte. 1246 gewährte König Konrad IV. im Auftrag seines Vaters den Frankfurtern in einer Urkunde Verzeihung für die „Judenschlacht“ und verzichtete auf Schadensersatz, da die Bürger den Pogrom „eher aus Nachlässigkeit denn aus Vorsätzlichkeit“ hätten geschehen lassen. Diese Amnestie wird als Ausdruck der schwachen politischen Situation der Staufer in Frankfurt gewertet: Der Verzicht auf eine Verfolgung des Pogroms an ihren Schutzbefohlenen sollte ihnen möglicherweise die Unterstützung durch die Bürgerschaft sichern.

Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde 1349

Im 14. Jahrhundert erreichte Frankfurt unter den Kaisern Ludwig dem Bayern und Karl IV. die Anerkennung als Freie Reichsstadt. Die Regierungsgewalt hatte nun der von Patriziern dominierte Rat inne.

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts kam es erneut zu Gewaltakten gegen die Frankfurter Juden. Kaiser Ludwig zog verschiedene Mitglieder der Gemeinde wegen angeblicher Verbrechen vor Gericht. Die Juden gerieten in Panik und eine Anzahl von ihnen floh aus der Stadt. Dem Kaiser entgingen damit Einkünfte, die ihm das Judenregal, das Herrschaftsrecht über die Juden, bis dahin gesichert hatte. Er hielt sich schadlos, indem er Häuser und Besitzungen der geflohenen Juden einzog und sie der Stadt Frankfurt verkaufte. Rückkehrer durften nach dem Willen des Kaisers mit dem Frankfurter Rat über den Preis für die Rückgabe ihres konfiszierten Eigentums verhandeln. Von dieser Möglichkeit machten einige zuvor geflohene Juden Gebrauch.

Im Juni 1349 verpfändete Kaiser Karl IV. für 15 200 Pfund Heller das Judenregal der Stadt Frankfurt, so dass die Juden rechtlich gesehen von kaiserlichen Kammerknechten zu Untertanen des Rates wurden. Die Herrschaftsrechte des Rats über die Juden erstreckten sich auf die Personen, ihr Gut, das sie innerhalb und außerhalb Frankfurts besaßen, ihre Höfe, Häuser nebst Friedhof und Synagoge mit allen Nutzen und Diensten, und dies solange, bis der Kaiser selbst oder einer seiner Nachfolger die Rechte wieder einlösen würde. Die Urkunde darüber enthielt die Bestimmung, dass der Kaiser die Stadt nicht dafür zur Verantwortung ziehen werde, falls die Juden „von Todes wegen abgingen oder verdürben oder erschlagen würden“.

Tatsächlich wurden, am 24. Juli 1349, nur zwei Wochen nachdem der Kaiser die Stadt verlassen hatte, sämtliche Frankfurter Juden erschlagen oder in ihren Häusern verbrannt. Die Zahl der Opfer ist nicht genau bekannt, sie wird auf etwa 60 geschätzt. In der älteren Literatur werden durchweg Geißler, eine Schar umherziehender religiöser Fanatiker und Bußprediger, für die Tat verantwortlich gemacht. Bereits an anderen Orten waren sie die Urheber von Pogromen gewesen, weil man den Juden die Schuld für die zu dieser Zeit in Europa grassierende erste große Pestepidemie gab. Insgesamt wurden damals allein in Deutschland etwa 300 jüdische Gemeinden vernichtet.

Gegen die Urheberschaft der Geißler spricht aber zum einen die oben zitierte Formulierung aus der Urkunde Karls IV. sowie die Tatsache, dass die Pest in Frankfurt erst im Herbst 1349 ausbrach. Nach neueren Forschungen handelte es sich bei dem Mordüberfall womöglich nicht um einen spontanen Aufruhr, sondern um ein von langer Hand vorbereitetes Massaker. Die Ermordung der Juden lag im wirtschaftlichen Interesse einiger Patrizier und Zunftmeister, die sich auf diese Weise ihrer Schulden entledigen und ungehindert den frei gewordenen jüdischen Besitz aneignen konnten. Der Pfarrkirchhof der Bartholomäuskirche beispielsweise wurde um Flächen erweitert, auf denen Hofstätten der Juden gelegen hatten.

Die Neugründung der Gemeinde

Seit 1360 siedelten sich wieder Juden in Frankfurt an, nachdem ein kaiserliches Privileg die Neugründung einer Gemeinde ermöglicht hatte. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war die Gemeinde bereits wieder so groß, dass sie an der Stelle der alten zerstörten Synagoge eine neue errichten konnte. In ihr begingen die Juden nicht nur den Gottesdienst, sondern leisteten auch gerichtliche Eide, schlossen Geschäfte ab und nahmen Erlasse des Kaisers oder des Rates entgegen. Nach dem Gottesdienst mahnte der Rabbiner rückständige Steuern an und verhängte den Bann über Gemeindemitglieder, die sich strafbar gemacht hatten. Als bei Ausgrabungen die Fundamente der Synagoge freigelegt wurden, entdeckte man einen 5,6 Quadratmeter großen Raum, der so tief war, dass er bis zum Grundwasserspiegel gereicht haben könnte. Daher handelte es sich bei ihm vermutlich um eine Mikwe. Die größte Liegenschaft der damaligen jüdischen Gemeinde war der seit ca. 1270 genutzte Friedhof, der erstmals in einer Kaufurkunde von 1300 erwähnt wird. Vor der 1333 von Kaiser Ludwig dem Bayern gestatteten zweiten Stadterweiterung lag er noch außerhalb der Stadt. Er grenzte an den Kustodiengarten des Bartholomäusstiftes und war frühzeitig mit Mauern umgeben worden. Als Frankfurt sich 1349 für Günther von Schwarzburg als König erklärt hatte und einen Angriff von dessen Gegenkönig Karl IV. erwartete, wurden um die Altstadt und den Judenfriedhof elf Erker angebracht. Auch im großen Städtekrieg von 1388 wurde der jüdische Friedhof in Verteidigungszustand gebracht.

Die Judenstättigkeit

Bis 1349 waren Frankfurts Juden in die städtischen Bürgerlisten eingetragen worden. Die zweite Gemeinde, die sich nach 1360 wieder bildete, hatte einen anderen rechtlichen Status. Jedes ihrer Mitglieder musste einzeln einen Schutzvertrag mit dem Rat abschließen, worin Aufenthaltsdauer, regelmäßig zu leistende Abgaben und zu beachtende Vorschriften geregelt waren. 1424 wurden alle einzelnen Regelungen vom Rat erstmals in der Juden stedikeit zusammengefasst und von da an jährlich in der Synagoge verlesen. Schon die erste Stättigkeit von 1424 zeigt deutliche Tendenzen, Juden vom Grundbesitz auszuschließen.

Krise und Wiederaufstieg der Gemeinde im 15. Jahrhundert

Frankfurt hatte im 14. Jahrhundert noch keine ausgeprägte kaufmännische Oberschicht. Trotz der Messe, die bereits existierte, war der Warenhandel in Frankfurt weit weniger ausgeprägt als in anderen deutschen Städten. Daher betätigten sich viele Frankfurter Juden wirtschaftlich im Kreditgeschäft mit Handwerkern, Bauern und Adligen vorwiegend aus der näheren Umgebung, aber auch aus Frankfurt. Ein Nebenprodukt der Geldleihe war der Verkauf verfallener Pfänder. Dazu kam der Kleinhandel mit Pferden, Wein, Getreide, aber auch Tuchen, Kleidern und Schmuck. Der Umfang dieser Geschäfte war nicht bedeutend. Gemessen an den Summen der Königssteuern, welche die Frankfurter Juden entrichteten, lag die Wirtschaftskraft ihrer Gemeinde noch bis Mitte des 15. Jahrhunderts weit hinter der der Nürnberger, Erfurter, Mainzer oder Regensburger Juden zurück.

Seit Ende des 14. Jahrhunderts waren die Frankfurter Juden zunehmenden Beschränkungen ausgesetzt: 1386 verbot der Rat ihnen die Anstellung christlicher Dienstmägde und Ammen. Zudem legte er genau fest, wieviele Dienstboten jeder jüdische Haushalt halten durfte. Ein allgemeiner Judenschuldenerlass Kaiser Wenzels enteignete die Juden faktisch zugunsten ihrer Schuldner. Gleichzeitig versuchte der Rat durch eine rigide Steuerpolitik das Wachstum der jüdischen Gemeinde zurückzudrängen. Zwischen 1412 und 1416 sank die Zahl der jüdischen Haushalte von ca. 27 auf ca. vier. 1422 verweigerte der Rat unter Berufung auf seine Privilegien die Zahlung einer von Kaiser Sigismund den Juden auferlegten Ketzersteuer, woraufhin die Frankfurter Juden mit der Reichsacht belegt wurden und die Stadt verlassen mussten. Erst 1424 konnten sie zurückkehren, nachdem der Kaiser die Frankfurter Rechtsposition anerkannt hatte.

Im Jahr 1416 erreichte die Zahl der jüdischen Haushalte einen Tiefstand. Danach aber wuchs sie kontinuierlich an und in der zweiten Jahrhunderthälfte erbrachten die Frankfurter Juden ein erhebliches Steueraufkommen. Nach der Vertreibung der Juden aus den Städten Trier 1418, Wien 1420, Köln 1424, Augsburg 1438, Breslau 1453, Magdeburg 1493, Nürnberg 1499 und Regensburg 1519 nahm auch Frankfurts Bedeutung als Finanzplatz allmählich zu. Denn nicht wenige der Ausgewiesenen zogen in die Stadt am Main, deren Rat aber nur den finanzkräftigsten der Vertriebenen die Niederlassung erlaubte.

Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden auf Drängen der Handwerkszünfte, die sich immer mehr einer ernstzunehmenden Konkurrenz ausgesetzt sahen, der Geld- und Warenhandel der Juden Beschränkungen unterworfen. Als König Maximilian 1497 die Judengemeinden in 17 Reichsstädten zu einer Steuer für seinen Italienfeldzug veranlagte, zahlte Worms die höchste Summe, die Frankfurter Gemeinde schon die zweithöchste.

Das Frankfurter Ghetto

Die Vorgeschichte

Bereits 1431 stellte der Rat erneut Überlegungen an, wie er der Juden, deretwegen es immer wieder zu Konflikten mit dem Kaiser und dem Mainzer Erzbischof gekommen war, gänzlich quit mochte werden. 1432 und 1438 debattierte er die Einschließung der Juden in einem Ghetto, jedoch ohne unmittelbare Konsequenzen. 1442 verlangte Kaiser Friedrich III. auf Betreiben der Geistlichkeit die Umsiedelung der Juden aus ihren Wohnungen in der Nähe des Doms, weil der Synagogengesang angeblich den christlichen Gottesdienst in der nahegelegenen Kirche störte. 1446 geschah ein Mord an dem Juden zum Buchsbaum, den der Ratsschreiber im Bürgermeisterbuch mit drei Kreuzen und den Kommentaren Te deum laudamus und Crist ist entstanden vermerkte. 1452 verlangte der Kardinal Nikolaus von Kues bei seinem Aufenthalt in Frankfurt, dass der Rat auf die Einhaltung der kirchlichen Kleiderordnung für Juden zu achten hatte. Jüdinnen hatten einen blaugestreiften Schleier zu tragen, Juden gelbe Ringe an den Rockärmeln. Allerdings wurde die Einhaltung dieser Vorschriften auch künftig nicht sehr nachhaltig betrieben.

Die Errichtung des Ghettos

Nach einer weiteren Intervention Kaiser Friedrichs III. im Jahr 1458 begann der Rat schließlich mit dem Bau von Häusern außerhalb der alten Stadtmauer und des Stadtgrabens, in die die Juden 1462 umziehen mussten. Dies war der Beginn der Einrichtung eines abgeschlossenen Ghettos. 1464 hatte die Stadt elf Häuser, ein Tanzhaus, ein Hospital, zwei Wirtshäuser und ein Gemeindehaus auf eigene Kosten errichtet. Das Kalte Bad und eine Synagoge wurden hingegen auf Kosten der jüdischen Gemeinde erbaut.

Diese erste Ghetto-Synagoge, auch Altschul genannt, stand auf der Ostseite der Judengasse und wurde wie die alte nicht nur für religiöse Zwecke benutzt. Sie war das soziale Zentrum der Gemeinde, wo man auch durchaus profane Tätigkeiten verrichtete. Das entsprach der engen Verknüpfung von Alltag und Religion im Judentum. Die Judenstättigkeit brachte eine teilweise Eigenständigkeit der Gemeinde mit sich. So wurden in der Synagoge auch die Gemeindevorsteher gewählt, Verordnungen des Rabbinats angeschlagen, mutwillige Bankrotteure für unwürdig erklärt und körperliche Züchtigungen vor versammelter Gemeinde vollzogen. Die Sitzplätze in der Synagoge wurden vermietet. Wer der Gemeinde Geld schuldig blieb, dessen Sitz wurde meistbietend versteigert.

1465 beschloss der Rat der Stadt, den Weiterbau der Gasse den Juden auf eigene Kosten zu überlassen. Diese ließen daraufhin 1471 weg und platz pflastern, einen zweiten Brunnen anlegen und eine Badestube bauen. Grund und Boden gehörtem dem Rat, der sich auch das Eigentumsrecht an den Häusern vorbehielt, unabhängig davon, ob er selbst oder die Juden sie gebaut hatten. Für die bebauten Flächen erhob er Grundzins.

Erst ein Jahrhundert nach der Zwangsumsiedlung, als die Häuser in der Judengasse nicht mehr ausreichten, erlaubte man den Juden, auch einen Teil des Grabens zu bebauen. So entstand zwischen 1552 und 1579 die Judengasse in der Form, wie sie bis ins 19. Jahrhundert existierte.

Durch ihren wirtschaftlichen Aufschwung war die jüdische Bevölkerung von ehemals 260 Personen im Jahre 1543 auf ca. 2700 Personen im Jahre 1613 angewachsen. Da die Judengasse nicht erweitert werden durfte, wurden neue Häuser dadurch geschaffen, dass vorhandene geteilt wurden. Zu beiden Seiten der Gasse wurden Hinterhäuser gebaut, so dass nun sie nun vier Reihen von Häusern hatte. Schließlich erhöhte man noch die Anzahl der Stockwerke und ließ die oberen Geschosse soweit in die Gasse ragen, dass die Häuser sich fast berührten. Auf niedrige Häuser setzte man große mehrstöckige Aufbauten, sogenannte Zwerchhäuser.

Die Rabbinerversammlung von 1603

Die jüdische Gemeinde Frankfurts gehörte seit dem 16. Jahrhundert zu den bedeutendsten in Deutschland. In der Judengasse gab es eine Art von talmudischer Akademie, in der hervorragende halachische Rabbiner lehrten. Auch kabbalistische Werke wurden in der Judengasse gedruckt. Was in den jüdischen Gemeinden Deutschlands an Geldern für die armen Juden Palästinas gesammelt wurde, wurde nach Frankfurt geschickt und von dort weiter überwiesen.

Welch zentrale Rolle die Frankfurter Gemeinde für das jüdische Geistesleben in der frühen Neuzeit spielte, zeigte sich an der großen Rabbinerversammlung, die 1603 in der Judengasse stattfand. Einige der bedeutendsten Gemeinden Deutschlands – (Mainz, Fulda, Köln und Koblenz) – entsandten Vertreter nach Frankfurt. Die Versammlung beschäftigte sich vor allem mit der Gerichtsbarkeit, die die Juden autonom regeln durften, und für die fünf Gerichtshöfe eingerichtet worden waren (Frankfurt am Main, Worms, Friedberg, Fulda und Günzburg). Betrug in Handel und Münzwesen gehörten zu den Themen, aber ebenso Fragen der Abgaben an die Obrigkeit, religiöse Fragen des Schächtens und rituelle Regelungen. Die Beschlüsse der Rabbinerversammlung von 1603 lösten einen Hochverratsprozess gegen die Juden in Deutschland aus. Kaiser Rudolf II. ging gegen die „Frankfurter Rabbinerverschwörung“ vor. Die von der Versammlung erlassenen Verordnungen überschritten die Privilegien, die er ihnen zuerkannt habe. Die jurisdictio, die höchste Gewalt zu befehlen und zu verbieten, stand nur dem Territorialherren zu, und die Juden durften kein Land besitzen. Der Prozess dauerte 25 Jahre, der kaiserliche Schutz war mit dem Prozess offenbar aufgekündigt und es folgten Bürgeraufstände und Pogrome in Frankfurt und Worms, den beiden größten Gemeinden des deutschen Judentums. 1631 wurde für die Frankfurter Gemeinde und ganz Aschkenas eine hohe Summe aufgenommen, die der Kölner Kurfürst, der als Untersuchungsführer gedient hatte, als Strafzahlung erhielt.

Der Fettmilch-Aufstand

Die Plünderung der Judengasse am 22. August 1614

Soziale Spannungen zwischen den Patriziern, die den Frankfurter Magistrat dominierten, und den Handwerkszünften führten 1612 zum so genannten Fettmilch-Aufstand – benannt nach seinem Anführer, dem Lebkuchenbäcker Vinzenz Fettmilch – in dessen Verlauf die Judengasse überfallen und geplündert und die Juden erneut zeitweilig aus Frankfurt vertrieben wurden.

Die Proteste der Zünfte richteten sich zunächst gegen das finanzielle Gebaren des Rats und zielten auf eine stärkere Beteiligung an der städtischen Politik. Neben einer Regulierung der Getreidepreise verlangten die Zünfte aber auch antijüdische Maßnahmen, insbesondere eine Beschränkung der Zahl der in der Stadt ansässigen Juden sowie eine Halbierung des Zinssatzes, den die Juden bei ihren Geldgeschäften fordern durften. Damit fanden die Anhänger Fettmilchs Unterstützung bei Kaufleuten und Handwerkern, die von einer Vertreibung der Juden auch die Erledigung ihrer Schulden erhofften.

Ende 1613 schloss der Rat einen Bürgervertrag mit den Aufständischen, der im wesentlichen eine Verfassungsreform bedeutete, die den Vertretern der Zünfte mehr Rechte und mehr Einfluss gewährte. Als die hohe Verschuldung der Stadt öffentlich wurde und sich zugleich herausstellte, dass der Rat die von den Juden gezahlten Schutzgelder veruntreut hatte, ließ Fettmilch den Rat für abgesetzt erklären und die Stadttore besetzen. Es kam zu ersten Ausschreitungen gegen die Juden. Nun schaltete sich der Kaiser, der sich bis dahin neutral verhalten hatte, in den Konflikt ein. Er forderte die Wiedereinsetzung des Rates und drohte allen Bürgern die Reichsacht an, falls sie sich nicht unterwerfen sollten.

Nach Bekanntwerden der kaiserlichen Drohung zogen am 22. August 1614 aufständische Handwerker und Gesellen protestierend durch die Straßen. Ihr Zorn richtete sich gegen das schwächste Glied in der Kette ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner: die Juden. Die Aufrührer stürmten die Tore der Judengasse, die von den jüdischen Männern verteidigt wurden, und drangen nach mehrstündigen Barrikadenkämpfen in das Ghetto ein. Alle Bewohner der Judengasse, insgesamt 1380 Menschen, wurden auf dem jüdischen Friedhof zusammengetrieben, ihre Häuser geplündert und teilweise zerstört. Am nächsten Tag mussten sie die Stadt verlassen. Sie fanden Zuflucht in den umliegenden Gemeinden, vor allem in Hanau, Höchst und Offenbach.

Daraufhin ließ der Kaiser am 28. September 1614 die Reichsacht über Fettmilch und mehrere seine Anhänger verhängen. Am 27. November wurde Fettmilch verhaftet. Ihm und 38 weiteren Angeklagten wurde der Prozess gemacht. Das Gericht verurteilte sie jedoch nicht wegen der Ausschreitungen gegen die Juden, sondern wegen Majestätsverbrechen und Missachtung der kaiserlichen Befehle. Am 28. Februar 1616 wurden Fettmilch und sechs seiner Anhänger auf dem Frankfurter Roßmarkt hingerichtet. Am selben Tag, dem 20. Adar nach jüdischem Kalender, wurden die geflohenen Juden von kaiserlichen Soldaten in die Judengasse zurückgeführt. An ihren Toren wurde ein steinerner Reichsadler angebracht sowie die Inschrift „Römisch kaiserlicher Majestät und des heiligen Reiches Schutz“. Als erste Maßnahme stellten die zurückgekehrten Frankfurter Juden die entweihte Synagoge und den verwüsteten Friedhof wieder für den religiösen Gebrauch her. Den Jahrestag der feierlichen Rückführung begingen sie künftig als Freudenfest Purim Vinz nach dem Vornamen des Rädelsführers, der Purim-Kaddisch hat eine fröhliche Marschmelodie in Erinnerung an den Festzug der Wiederkehr.

Die zugesagte Entschädigung erhielten die zurückgekehrten Juden allerdings nie. Der Fettmilch-Aufstand war einer der letzten Judenpogrome in Deutschland vor der Zeit des Nationalsozialismus. Die zeitgenössische Publizistik zu den Ereignissen von 1612 ist insofern bemerkenswert, als erstmals auch christliche Kommentatoren mehrheitlich für die Juden Stellung bezogen.

Die Stättigkeit von 1616

Die neue „Judenstättigkeit“ für Frankfurt, die von den kaiserlichen Kommissaren aus Hessen und Kurmainz 1616 erlassen wurde, reagierte auf den Fettmilch-Pogrom. Sie bestimmte, dass die Zahl der jüdischen Familien in Frankfurt auf 500 beschränkt bleiben sollte. In den 60 Jahren vor dem Pogrom war die Anzahl der jüdischen Haushalte in Frankfurt von 43 auf 453 angestiegen, also um mehr als das zehnfache. Diese Bestimmung setzte dem schnellen Bevölkerungswachstum in der Judengasse nun eine Obergrenze. Die Anzahl der Heiraten von Juden war auf 12 beschränkt, während Christen für eine Heiratserlaubnis dem Schatzamt nur genügend Vermögen nachweisen mussten. In wirtschaftlicher Hinsicht wurden die Juden weitgehend den christlichen Beisassen gleichgestellt; wie diese durften sie keine offenen Läden halten, keinen Kleinhandel in der Stadt betreiben, keine Geschäftsgemeinschaft mit Bürgern eingehen und keinen Grundbesitz erwerben, alles Einschränkungen, deren Wurzeln weit ins Mittelalter zurückreichen. Neu in der Stättigkeit war, dass den Juden nun der Großhandel ausdrücklich gestattet war, so der Handel mit Pfandgütern wie Korn, Wein und Spezereien oder der Fernhandel mit Tuch, Seide und Textilien. Es steht zu vermuten, dass der Kaiser mit dieser Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Juden ein Gegengewicht gegen die christlichen Kaufleute-Familien schaffen wollte, die nach der Entmachtung der Zünfte nun in Frankfurt herrschten. Der gegenüber Bürgern und Beisassen niedrigere Status der Juden dagegen zeigte sich in ihrer seit 1462 bestehenden Abdrängung in das Ghetto außerhalb der Stadtmauer, im Ausgehverbot am Sonntag und im Aufenthaltsverbot für den Römer und andere Stadtteile. Christen konnten beim Rat eine Antrag auf Aufnahme in den Bürgerstand stellen, Juden konnten dies nicht. Sich Bürger zu nennen war ihnen in der Stättigkeit von 1616 ausdrücklich verboten. Mit Abgaben waren die Juden stärker belastet als die christlichen Beisassen: für sie gab es höhere Zölle und zusätzliche Steuern.

Die Stättigkeit von 1616 wurde noch einige Male revidiert, so z.B. 1660. Die Veränderungen verbesserten die Situation der Juden. Trotz dieser Erleichterungen blieb die Stättigkeit dennoch bis ins 19. Jahrhundert hinein der mittelalterlichen Vorstellungswelt verhaftet.

Der Große Judenbrand von 1711

Stammhaus der Bankiersfamilie Rothschild in der Judengasse

Am 14. Januar 1711 ereignete sich in der Judengasse eine der größten Brandkatastrophen, die Frankfurt jemals betroffen haben. Sie blieb im kollektiven Gedächtnis der Stadt als Großer Judenbrand erhalten. Das Feuer brach gegen acht Uhr abends im Hause Eichel des Oberrabbiners Naphtali Cohen aus. Mit einer Frontbreite von über 9,50 Metern war das gegenüber der Synagoge gelegene Haus eines der größten in der ganzen Gasse. Der starke Wind und die Enge der Gasse begünstigten die rasche Ausbreitung des Feuers ebenso wie die Bauweise der Häuser in Fachwerk, ohne hinreichende Brandmauern und mit weiten Überhängen zur Mitte der Gasse hin.

Aus Angst vor Plünderungen hielten die Bewohner die Tore der Gasse lange verschlossen, bis sich die Bevölkerung der christlichen Stadtviertel um die Judengasse aus Angst vor einem Übergreifen des Feuers gewaltsam Zutritt verschaffte. Trotzdem gelang es nicht, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Nach 24 Stunden waren alle Häuser des Ghettos bis auf eines verbrannt. Weil der Wind sich im letzten Augenblick gedreht hatte, griff der Brand nicht auf die umliegenden Viertel über.

Vier Menschen verloren in der Feuersbrunst ihr Leben und zahlreiche Kostbarkeiten gingen verloren, darunter Bücher, Handschriften und Thorarollen. Nach der Katastrophe durften die Bewohner der Gasse bis zum Wiederaufbau ihrer Häuser zur Miete in christlichen Häusern Frankfurts wohnen. Wer sich das nicht leisten konnte, war gezwungen, in Offenbach, Hanau, Rödelheim und anderen Orten der Umgegend mit jüdischen Gemeinden Unterschlupf zu suchen. Juden, die ohne Stättigkeit in der Gasse gewohnt hatten, wurden ausgewiesen. Die jüdische Gemeinde Frankfurts beging den Jahrestag des Brandes, nach jüdischem Kalender der 24. Tewet, fortan als Buß- und Fasttag.

Die erste Sorge der jüdischen Gemeinde galt dem Wiederaufbau ihrer abgebrannten Synagoge. Bereits Ende September 1711 wurde der Neubau, der auf den alten Fundamenten errichtet worden war, eingeweiht. Er bestand aus drei Teilen: der eigentlichen Synagoge (Altschul), der dreistöckigen Frauensynagoge nördlich davon, die fast gänzlich von der Synagoge getrennt war, und der Neuschul im Süden. Nur die Altschul wies mit einem gotischen Gewölbe, einer eigenen Fassade, zwei vorgelagerten Halbsäulen und größeren Rundbogenfenstern im Obergeschoss einige dekorative Elemente auf. Im Vergleich mit anderen Synagogenbauten der Barockzeit in Prag, Amsterdam oder Polen wirkte diese Synagoge mittelalterlich und rückständig und spiegelte so die Lage der in ein Ghetto gezwängten jüdischen Gemeinde wieder.

Für den Wiederaufbau der Gasse erließ der Rat strenge Bauvorschriften. Die erhaltenen Bauzeichnungen erlauben heute eine recht gute Rekonstruktion der alten Judengasse.

Der Gassenbrand von 1721

Nur zehn Jahre nach dem großen Judenbrand brach am 28. Januar 1721 erneut ein Feuer in der Gasse aus. Innerhalb von elf Stunden stand der gesamte nördliche Teil der Gasse in Flammen. Über 100 Häuser brannten nieder. Weitere Häuser wurden bei den Rettungsarbeiten durch christliche Bewohner der Stadt geplündert und beschädigt, so dass Kaiser Karl VI. den Rat der Stadt ermahnte, gegen die Plünderer vorzugehen und die Juden besser zu schützen. Nach langen Verhandlungen verzichtete der Rat, der der jüdischen Gemeinde Geld schuldete, auf die Zahlung von ausstehenden Gemeindesteuern. Trotzdem ging der Wiederaufbau diesmal nur langsam voran, weil ein großer Teil der Gemeinde durch die erlittenen Katastrophen verarmt war.

Wieder hatte ein Teil der geschädigten Bewohner die Gasse verlassen und war bei christlichen Vermietern in Frankfurt untergekommen. 1729 zwang der Rat jedoch die letzten 45 außerhalb der Judengasse wohnenden Familien, ins Ghetto zurückzukehren.

Die Beschießung von 1796

Das Ende der Judengasse am 13./14. Juli 1796

Im Juli 1796 belagerten französische Revolutionstruppen unter General Jean-Baptiste Kléber Frankfurt. Da die Stadt von österreichischen Truppen besetzt gehalten wurde, fuhr die französische Armee Geschütze auf den Anhöhen nördlich der Stadt, zwischen Eschenheimer Tor und Allerheiligentor auf. Um den österreichischen Kommandeur Graf Wartensleben zur Kapitulation zu zwingen, ließ er die Stadt am Abend des 12. Juli und am Mittag des 13. Juli beschießen. Besonders schwere Schäden richtete ein einstündiges Bombardement in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli an. Vor allem der Nordteil der Judengasse wurde getroffen und geriet in Brand. Etwa ein Drittel ihrer Häuser wurden vollkommen zerstört. Die österreichischen Besatzer mussten daraufhin kapitulieren.

Trotz der schweren Schäden hatte der Brand der Judengasse für die jüdische Gemeinde auch sein Gutes, da er de facto zur Aufhebung des Ghettozwangs führte.

Das Ende des Ghettos

Abriss der Judengasse 1875, Aquarell von Carl Theodor Reiffenstein

Frankfurt hatte als eine der letzten Städte in Europa an der Ghettoisierung seiner jüdischen Bevölkerung festgehalten. Der Frankfurter Senat war von Grund auf antijüdisch eingestellt. 1769 wies er eine Petition der Juden, am Sonntagnachmittag das Ghetto verlassen zu dürfen, zurück und betrachtete sie als

Beweis für den grenzenlosen Hochmut dieses Volkes, das alle Mühe anwende, um sich bei jeder Gelegenheit den christlichen Einwohnern gleich zu setzen.

Als 1779 das Drama Nathan der Weise von Lessing erschien, ordnete er ein Verbot und die Konfiszierung der Bücher an. Die Frankfurter Juden bemühten sich beim Kaiser und beim deutschen Reichstag in Regensburg um eine Verbesserung ihrer Lage, die sich aber auch nach den Toleranzpatenten Kaiser Josephs II nicht wesentlich veränderte. Erst der Krieg zwischen Frankreich, und der Koalition aus Österreich, England und Preußen brachte den Juden die Freiheit. Nachdem das Ghetto bei der Belagerung Frankfurts 1796 in Brand geschossen worden war, durften sich betroffenen Bewohner im christlichen Teil der Stadt niederlassen. 1806 verfügte der von Napoleon eingesetzte Großherzog von Frankfurt Carl Theodor von Dalberg die Gleichberechtigung aller Konfessionen. In einem seiner ersten Verwaltungsakte hob er eine alte städtische Verfügung auf, die den Juden den Zutritt zu den öffentlichen Promenaden, den Anlagen verbot. Für das Philanthropin, die neue Schule der Gemeinde, leistete er eine großzügige Spende. Die Stadt Frankfurt erstellte 1807 zwar noch einmal eine neue Stättigkeit und wies den Juden wiederum die Judengasse als Quartier zu. Erst Dalbergs Höchste Verordnung, die bürgerliche Rechtsgleichheit der Judengemeinde zu Frankfurt betreffend hob 1811 Ghettozwang und Sonderabgaben endgültig auf. Dafür allerdings hatte die Gemeinde eine Abschlagszahlung von 440.000 Gulden zu leisten.

Nach dem Ende des von Napoleon protegierten Großherzogtums und der Wiederherstellung Frankfurts als Freie Stadt im Jahr 1816, beschnitt der Senat die bürgerlichen Rechte der Juden erneut, unter Berufung auf den mehrheitlichen Willen der christlichen Bürgerschaft. Der Ghettozwang aber blieb aufgehoben.

Erst 1864 hob die Freie Stadt Frankfurt als zweiter deutscher Staat nach dem Großherzogtum Baden (1862) alle Beschränkungen der Bürgerrechte auf und stellte die Juden den übrigen Bürgern gleich.

Aufgrund der beengten Wohnverhältnisse verließen die meisten Juden im Laufe des 19. Jahrhunderts das ehemalige Ghetto und ließen sich überwiegend im benachbarten Ostend nieder. Die Judengasse wurde zu einem Armenviertel. Obwohl das pittoreske Straßenbild Touristen und Maler anzog, wollte sich die Stadt der Reste des Ghettos entledigen. So wurden 1874 zunächst die mittlerweile als unbewohnbar geltenden Häuser auf der Westseite abgerissen, 1884 bis auf wenige Ausnahmen auch die auf der Ostseite. Zu den wenigen Gebäuden, die vorerst erhalten blieben, gehörte das als Museum genutzte Stammhaus der Rothschilds in der Judengasse Nr. 148. Mayer Amschels Witwe, Gutele Rothschild, geborene Schnaper, hatte es auch nach der 1817 erfolgten Erhebung ihrer fünf Söhne in den Adelsstand nicht verlassen, sondern blieb bis zu ihrem Tode in diesem kleinen Haus im Ghetto, in dem die Finanzdynastie gegründet worden war.

Mit der Neubebauung wurde die Judengasse 1885 nach einem ihrer berühmtesten Bewohner, Ludwig Börne, in Börnestraße umbenannt. Dort stand bis zu den Novemberpogromen von 1938 auch eine der Hauptsynagogen der Stadt.

Leben im Ghetto

Das Leben in der Judengasse wurde bis ins Kleinste von der so genannten Judenstättigkeit reglementiert. Diese Verordnung des Frankfurter Rats legte unter anderem fest, dass die Juden das Ghetto nachts, Sonntags und an christlichen Feiertagen nicht verlassen durften. Über diese Isolierung hinaus enthielt die Judenstättigkeit eine Unzahl weiterer, zum großen Teil diskriminierender und schikanöser Bestimmungen.

Sie regelte Aufenthaltsrecht, die Erhebung von Abgaben, und die berufliche Tätigkeit der Juden ebenso wie ihr Verhalten im alltäglichen Leben. So war der Zuzug ins Ghetto von außerhalb Frankfurts streng begrenzt. Insgesamt durften nach der seit 1616 gültigen Judenstättigkeit nur 500 Familien in der Judengasse leben, und ihren Bewohnern waren pro Jahr nur zwölf Hochzeiten erlaubt. Selbst wohlhabende und angesehene Bewohner wie der Bankier Mayer Amschel Rothschild waren von den diskriminierenden Beschränkungen nicht ausgenommen.

Überreste des Ghettos

Gedenktafeln erinnern an die 11.134 ermordeten jüdischen Frankfurter

Nachdem die Nationalsozialisten fast alle Frankfurter Juden vertrieben, deportiert oder ermordet hatten, wurde in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs auch die ehemalige Judengasse vollständig zerstört. Nach den Zerstörungen des Krieges wurde das Areal völlig neu gestaltet und überbaut. In den 1950er Jahren wurde die Durchbrüche der heutigen Kurt-Schumacher-Straße und der Berliner Straße angelegt und Neubauten errichtet. Infolge dessen ist die Lage der früheren Judengasse im heutigen Straßenverlauf nur noch rudimentär erkennbar.

Die Nordhälfte der heutigen Straße An der Staufenmauer südlich der Konstablerwache entspricht dem nördlichen Ende der Börnestraße und vormaligen Judengasse. Hier ist auch der letzte erhaltene Rest der Mauer selbst zu sehen, auf deren Ostseite das Ghetto lag. Die breite Kurt-Schumacher-Straße schneidet den ehemaligen Verlauf der Judengasse in spitzem Winkel und bedeckt dadurch einen großen Teil des früheren Ghettobezirks. Die Hauptsynagoge befand sich gegenüber der Einmündung der Allerheiligenstraße in die Kurt-Schumacher-Straße. Das südliche Ende der Judengasse liegt heute unter dem 1990 eröffneten Kundenzentrum der Stadtwerke und ist im Museum Judengasse zugänglich.

Museum Judengasse

Ende der 1980er Jahre wurden beim Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes für die Frankfurter Stadtwerke Reste einer Mikwe und Fundamente von Häusern der Judengasse freigelegt. Daraufhin entwickelte sich eine bundesweite Debatte über den angemessenen Umgang mit den Überresten jüdischer Kultur. Schließlich wurden einige Grundmauern und archäologische Zeugnisse gesichert und in das 1992 eröffnete „Museum Judengasse“ im Untergeschoss des Verwaltungsgebäudes integriert. Das „Museum Judengasse“ ist eine Außenstelle des Jüdischen Museums Frankfurt.

Jüdischer Friedhof Battonnstraße

Alter jüdischer Friedhof Battonstraße
Nur wenige der Grabmäler sind der Zerstörung entgangen

Ein weiteres Zeugnis des Ghettos ist der 11.850 m² große, alte jüdische Friedhof an der heutigen Battonnstraße. Er wurde 1180 erstmals urkundlich erwähnt und diente der jüdischen Gemeinde bis 1828 als Begräbnisstätte. Die ältesten Gräber stammen aus der Zeit um 1270. Damit ist der jüdische Friedhof von Frankfurt nach dem von Worms der zweitälteste in Deutschland. Das bekannteste Grab ist das von Mayer Amschel Rothschild.

Seit 1828 wurden die jüdischen Toten der Stadt auf dem zusammen mit dem Hauptfriedhof angelegten Jüdischen Friedhof an der Rat-Beil-Straße begraben, seit 1929 auf dem neuen Friedhof an der Eckenheimer Landstraße. Der alte jüdische Friedhof wurde geschlossen, blieb aber erhalten, um die Totenruhe zu wahren.

Anfang des 20. Jahrhunderts standen hier noch rund 7.000 Grabsteine. Im November 1942 ordnete der nationalsozialistische Oberbürgermeister Friedrich Krebs ihre Zerstörung an. Bis Ende des Krieges wurden etwa zwei Drittel der Grabsteine zertrümmert. Nur ein kleiner Teil des Friedhofs befindet sich heute noch im Originalzustand. 1996 wurden in der Friedhofsmauer 11.134 kleine Namenssteine eingesetzt, um an die während des Holocaust ermordeten jüdischen Bürger Frankfurts zu erinnern.

Literatur

  • Fritz Backhaus (Hrsg.): „Und groß war bei der Tochter Jehudas Jammer und Klage...":die Ermordung der Frankfurter Juden im Jahre 1241. Band 1 der Schriftenreihe des Jüdischen Museums Frankfurt am Main. Sigmaringen 1995, Thorbecke-Verlag, ISBN 3-7995-2315-4
  • Fritz Backhaus, Gisela Engel, Robert Liberles, Margarete Schlüter (Hrsg.): Die Frankfurter Judengasse. Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit. Band 9 der Schriftenreihe des Jüdischen Museums Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 2006. Societäts-Verlag, ISBN 3-7973-0927-9
  • Amos Elon: Der erste Rothschild. Biographie eines Frankfurter Juden, Reinbek 1999 ISBN 3-4996-0889-8
  • Frankfurter Historische Kommission (Hrg.): Frankfurt am Main – Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen. Sigmaringen 1991. Jan Thorbecke Verlag, ISBN 3-7995-4158-6
  • Walter Gerteis: Das unbekannte Frankfurt. Neue Folge. Frankfurt am Main 1961. Verlag Frankfurter Bücher
  • Egon Wamers, Markus Grossbach: Die Judengasse in Frankfurt am Main. Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen am Börneplatz, Thorbecke-Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-7995-2325-1
  • Eugen Mayer: Die Frankfurter Juden, Frankfurt am Main 1966, Waldemar Kramer Verlag
  • Michael Best (Hrsg.): Der Frankfurter Börneplatz. Zur Archäologie eines politischen Konflikts, Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1988, ISBN: 3-596-24418-8
  • Isidor Kracauer, Geschichte der Juden in Frankfurt a. M. (1150-1824). 2 Bände, Frankfurt a. M. 1925/1927

Siehe auch

Weblinks

Vorlage:Koordinate Artikel