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Der Zauberberg

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Gebirgsgegend bei Davos, Schauplatz des Romans

Der Zauberberg ist ein 1924 veröffentlichter Roman von Thomas Mann. Er handelt vom Reifeprozess eines jungen Mannes namens Hans Castorp, der während eines siebenjährigen Aufenthalts in einem Tuberkulose-Sanatorium den Einflüssen unterschiedlichster Menschen ausgesetzt ist und mit den verschiedensten Bereichen menschlichen Lebens wie Politik und Philosophie, aber auch Liebe, Krankheit und Tod konfrontiert wird.

Inhalt

Ankunft im Sanatorium

Castorp, Sohn eines bankrotten Hamburger Kaufmanns, ist nach dem Tod seiner Eltern zunächst bei seinem Onkel Tienappel aufgewachsen und hat schließlich ein Studium der Schiffbautechnik begonnen. Vor dem geplanten Eintritt als Volontär bei einer Schiffswerft reist er in die Schweizer Alpen, um dort im Sanatorium „Berghof“ nahe Davos seinen Vetter Joachim Ziemßen zu besuchen.

Ursprünglich beabsichtigt er, nur drei Wochen zu bleiben. Die Atmosphäre der von Hofrat Prof. Behrens und dem Psychoanalytiker Dr. Krokowski geleiteten Tuberkulose-Anstalt übt jedoch eine eigenartige Faszination auf Castorp aus. Beim Mittagessen trifft er auf vor Atemnot röchelnde oder Blut hustende Patienten, oder auch auf die aufgrund ihres Pneumothorax-Leidens aus der Lunge pfeifende Hermine Kleefeld. Er gewinnt den Eindruck, dass Krankheit den Menschen vergeistige und veredele, während Personen von robuster Gesundheit zu einer gewissen Einfalt neigten. Abstoßend findet er demgemäß die Kombination „krank und dumm“, wie er sie bei der „mörderlich ungebildeten“, zu fortwährenden Stilblüten neigenden Karoline Stöhr antrifft.

Settembrini

Bald lernt Castorp den Literaten Lodovico Settembrini kennen, einen Humanisten, Freimaurer und „individualistisch gesinnten Demokraten“, der ihm allmählich zum väterlichen Freund wird. In zahllosen Belehrungen über philosophische und politische Fragen aller Art betätigt sich der Italiener bereitwillig als pädagogischer Förderer Castorps. Jenen erinnert die Mischung aus geschmeidig-elegantem Gebaren und abgetragener Kleidung an einen „Drehorgelspieler“. Der Humanist, dessen erklärter Leitstern die "Sonne der Aufklärung" ist, bejaht, ehrt, liebt „den Körper (…), die Schönheit, die Freiheit, die Heiterkeit, den Genuss“. Er sieht sich selbst als Vorkämpfer der „Interessen des Lebens (…)gegen sentimentale Weltflucht“ und jedwede dunkle Romantik. Konsequenterweise erscheint ihm sogar die nachklassische Musik "politisch verdächtig", zumal sie emotional zu manipulieren vermag. Zwei Prinzipien lägen im ewigen Kampf um die Welt, „die Macht und das Recht, die Tyrannei und die Freiheit, der Aberglaube und das Wissen, das Beharren und der (…) Fortschritt“, Europa und Asien. Gemäß geheiligter Familientradition nimmt Settembrini an dem Kampf im Sinne „der Aufklärung, der vernunftgemäßen Vervollkommnung“ teil. Analyse tauge zwar „als Werkzeug der Aufklärung und der Zivilisation (…) insofern sie dumme Überzeugungen erschüttert, natürliche Vorurteile auflöst und die Autorität unterwühlt (…) indem sie befreit, verfeinert, vermenschlicht und Knechte reif macht zur Freiheit.“. Schädlich, „eine unappetitliche Sache“ sei sie indes, „insofern sie die Tat verhindert, das Leben an den Wurzeln schädigt.“ Eindringlich warnt Settembrini daher seinen Schützling insbesondere davor, sich allzusehr dem morbiden Reiz der Anstalt hinzugeben, empfiehlt ihm gar die Abreise nach Hamburg.

Madame Chauchat

Des Weiteren lernt Castorp die 28jährige Russin Madame Clawdia Chauchat kennen, die "kirgisenäugige" Gattin eines Beamten aus Daghestan am Fuße des Kaukasus, "schlaff, fiebrig und innerlich wurmstichig". Obgleich verheiratet, trägt sie keinen Ehering, hat dieser doch "etwas Abweisendes und Ernüchterndes, (...) ein Symbol der Hörigkeit". Am Mittagstisch fällt sie stets durch Zu-Spät-Kommen, lautes Türenschlagen, das Drehen von Brotkrümeln und ähnliche Ungezwungenheiten auf.

Anfänglich bringt Castorp der Russin neugieriges Interesse entgegen, lässt sich von seiner Tischgenossin Engelhardt ausführlich über sie berichten. Schon mit Blick auf ihren zweifelhaften Gesundheitszustand sieht er in dem "stillen Verhältnisse" zunächst aber lediglich "ein Ferienabenteuer, das vor dem Tribunal der Vernunft (... nicht bestehen) kann". Sehr bald steigert sich die affektierte Anteilnahme in innige Verliebtheit. Angeheizt wird Castorps Begehren noch durch eine gewisse Eifersucht auf Prof. Behrens, dem Frau Chauchat „beinahe täglich“ Modell für seine Ölgemälde steht.

Settembrini warnt ihn eindringlich davor, mit der Russin anzubändeln. In ihr sieht er ein Abbild des von ihm verachteten Asiens, der Heimat fortschrittsfeindlicher „Parther und Skythen“. Die im Sanatorium grassierende Sinnenlust erscheint ihm vor dem Hintergrund dekadenter Trägheit geradezu frevelhaft. Mehr noch - gerade am schlechten Beispiel von Madame Chauchat bewahrheite sich eindrucksvoll seine These, wonach Krankheit nicht nur eine Folge, sondern eine Form der Liederlichkeit sei.

Während eines Karnevalsfestes bittet Castorp Frau Chauchat bei einem Zeichenspiel um einen Bleistift. Sie überreicht ihm „ein kleines silbernes Crayon (…), dünn und zerbrechlich (…), zu ernsthafter Tätigkeit nicht zu gebrauchen“. Es kontrastiert zu dem Stift, den sich Castorp einst in seiner Jugend von seinem homoerotisch verehrten Mitschüler Přibislav Hippe ausgeliehen hatte, dem „versilberten Crayon mit einem Ring, den man aufwärts schieben musste, damit der rot gefärbte Stift aus der Metallhülse wachse“. Nachdem Frau Chauchat ihre unmittelbar bevorstehende Rückreise nach Daghestan angekündigt hat, gesteht ihr Castorp in einer ergreifenden, großteils in französischer Sprache gehaltenen Szene, überschwänglich seine Liebe.

Castorps Eingewöhnung

Nicht zuletzt mit Blick auf die äußere Routine des geregelten Sanatoriumlebens mit seinen festen Aufsteh-, Essens-, Untersuchungs- und Ruhezeiten nimmt Castorp die Zeit subjektiv anders wahr, sie wirkt auf ihn wie eine „ausdehnungslose Gegenwart“. Zunächst hält er sich für völlig gesund, eine Einschätzung, die die Klinikleitung nicht teilt. So wird auch im Rahmen einer Röntgenuntersuchung auf Castorps Lunge eine „feuchte Stelle“ gefunden, die sich zunehmend ausweitet. Auf Professor Behrens’ Rat bleibt er vorerst auf dem Berghof, nimmt zunehmend an therapeutischen Maßnahmen wie den Liegekuren teil. Die resolute Oberin Adriatica von Mylendonk verkauft ihm sogar ein Fieberthemometer, damit er, wie die anderen Berghofbewohner, mehrmals täglich seine Temperatur messen kann. Die Tagesordnung der Patienten begann, „in seinen Augen das Gepräge einer heilig-selbstverständlichen Unverbrüchlichkeit anzunehmen, so dass ihm das Leben im Flachlande drunten (…) fast sonderbar und verkehrt erschien.“

Auch besucht er Dr. Krokowskis Vortragsreihe, in der der Psychoanalytiker die zentrale These behandelt, dass „Krankheitssymptom(e) (…) verkappte Liebesbetätigung und alle Krankheit verwandelte Liebe“ sei. Schließlich treibt Castorp diverse Studien etwa auf medizinischem und psychologischem Gebiet.

Naphta

Settembrini, unheilbar krank, verlässt den Berghof, um ins nahegelegene Dorf zu ziehen. Er bezieht Quartier im Haus des Damenschneiders Lukaçek, in dem auch sein Bekannter und intellektueller Widerpart wohnt, der asketische Jesuit Naphta, ein zum Katholizismus konvertierter galizischer Jude mit bewegter Vergangenheit. Ein brillanter, rhetorisch begabter und sophistisch-kalter Logik verpflichteter Intellektueller, vor dessen Einflüssen Settembrini seinen jungen Freund erfolglos fernzuhalten versucht. In anarcho-kommunistischer Tradition strebt er nach der Wiederherstellung des „anfänglichen paradiesisch justizlosen und gottesunmittelbaren Zustands“ der „Staat- und Gewaltlosigkeit (…), worin es weder Herrschaft noch Dienst gab, nicht Gesetz noch Strafe, kein Unrecht, keine fleischliche Verbindung, keine Klassenunterschiede, keine Arbeit, kein Eigentum, sondern Gleichheit, Brüderlichkeit, sittliche Vollkommenheit.“. Nach Abschaffung „der Greuel des modernen Händler- und Spekulantentums (…) der Satansherrschaft des Geldes, des Geschäfts“ sei ein totalitärer, auf Terrorismus gestützter Gottesstaat zu errichten; das Prinzip der Freiheit sei ein überlebter Anachronismus.

Ziemßens Weggang und Tod

Auch Vetter Ziemßen kehrt dem Sanatorium zwischendurch den Rücken, um sich als Soldat aktiv und schaffenskräftig dem Weltleben zuzuwenden. Mit verschlimmertem Leiden kommt er nach einer Weile zurück, versucht die ihm verbleibenden Wochen noch nach Kräften zu genießen und stirbt schließlich auf dem Berghof. Im Rahmen einer der von Dr. Krokowski geleiteten spiritistischen Sitzungen wird sein Geist aus dem Totenreich heraufbeschworen, mahnt seinen Vetter Castorp zu tatkräftigem Wirken.

Der Schneesturm

Während eines Skiausflugs gerät Castorp, mutwillig die Gefahr suchend, in einen bedrohlichen Schneesturm. In der elementaren Urkraft der Naturgewalt, des "weißen Nichts", erlebt er, körperlich erschöpft und übermüdet, in seiner Phantasie eine „wunderschöne Bucht am Südmeer“, mit „verständig-heiterer, schöner, junger Menschheit“, „Sonnen- und Meereskinder“, die einander „mit Freundlichkeit, Rücksicht, Ehrerbietung“ begegnen. Im Rücken dieser erbaulichen Szenerie spielt sich freilich höchst Schauerliches ab. Über der Bucht erhebt sich ein Tempel, in welchem Hexen ihr widerwärtiges Blutmahl verzehren, indem sie kleine Kinder zerreißen und verschlingen. Schönheit und Harmonie sind sich dennoch ihrer selbst bewusst und behaupten sich auch vor dem nicht verleugneten grauenhaften Hintergrund. Von dieser Vision geläutert, zweifelt Castorp an seinen einseitigen Mentoren Settembrini und Naphta, aber auch an den Gegensatzpaaren „Tod-Leben“, „Krankheit-Gesundheit“, „Geist-Natur“. Der Mensch sei vornehmer als sie, und weil sie nur durch ihn existieren, sei er Herr über die Gegensätze. Aus Sympathie mit dem Menschengeschlecht beschließt Hans Castorp am Ende seines Wachtraums, dem Tode zwar nicht abzuschwören, aber fortan folgenden Leitsatz zu beherzigen: "Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken."

Mynheer Peeperkorn

Schließlich kehrt auch Clawdia Chauchat zurück, in Begleitung des niederländischen Kaffee-Pflanzers Mynheer Pieter Peeperkorn. Ungeachtet seiner Eifersucht gegen den neuen Rivalen, zeigt er sich von dessen kraftstrotzender Vitalität beeindruckt: Mit "sommersprossig-nagelspitzer Kapitänshand" trinkt der charismatische Lebemann Peeperkorn Wein aus Wassergläsern, er experimentiert mit Chinarinde, Schlangengiften und Drogen, das Leben betrachtet er als „ein hingespreitet Weib, mit dicht beieinander quellenden Brüsten (…), das in herrlicher, höhnischer Herausforderung unsere höchste Inständigkeit beansprucht, alle Spannkraft unserer Manneslust, die vor ihm besteht oder zuschanden wird.“ Peeperkorn kann den intellektuellen Disputen zwischen Settembrini und Naphta wenig abgewinnen. Seine Rhetorik, meist nicht viel mehr als gestammelte Phrasendrescherei, überzeugt einzig vermöge der Wucht seiner Persönlichkeit. Hans Castorp jedenfalls ist fasziniert davon, wie spielerisch leicht jener damit seine übrigen Bekannten "in die Tasche steckt". Nach schwerer Erkrankung, den Verlust seiner Lebens-, insbesondere Manneskraft fürchtend, stirbt Peeperkorn durch Suizid mit Gift, das er sich durch einen sonderbar konstruierten, an "das Beißzeug der Brillenschlange" erinnernden Apparat injiziert. Madame Chauchat verlässt den Berghof daraufhin für immer.

Endphase

Gegen Ende des Romans verflachen die Aktivitäten der meisten Berghofbewohner zu Langeweile und banalem Zeitvertreib wie Briefmarkensammeln, „Schweinchenzeichnen“ und Schokoladeessen. Castorp wendet sich mit Vergnügen dem neu angeschaffenen Grammofon zu. Der zwischen Settembrini und Naphta von jeher schwelende weltanschauliche Streit eskaliert indes. Schließlich mündet er gar in einem Pistolenduell, in dessen Verlauf sich Naphta aus Wut und Verzweifelung selbst tötet.

Aus dem ursprünglich geplanten dreiwöchigen Aufenthalt im Sanatorium waren für Castrop mittlerweile sieben Jahre geworden. Erst der Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist der unerwartete "Donnerschlag", der den vermeintlich Endgültigen aus der Passivität in Abgeschiedenheit reißt. Hastig kehrt die internationale Patientenschaft des Berghofs in ihre Herkunftsländer zurück, darunter auch Hans Castorp selbst. Dessen überstürzte Rückreise führt ihn jedoch in eine vollkommen veränderte - entbürgerlichte - Welt. Im letzten Kapitel nimmt Castorp, als gewöhnlicher Heeressoldat im Schlachtgetümmel anonymisiert, an einem der zahllosen Angriffe an der Westfront teil. Dort gerät er schließlich aus dem Blickfeld, wobei sein Überleben im Bombenhagel mehr als ungewiss erscheint.

Interpretation

Allgemeines

Der Zauberberg ist in gewissem Sinne eine Parodie auf den klassischen deutschen Bildungsroman. Wie dessen übliche Protagonisten verlässt Hans Castorp sein Vaterhaus und begegnet, im Sanatorium, Kunst, Politik und der Liebe. Besonders in den Gesprächen mit seinen Mentoren Settembrini und Naphta lernt er eine Reihe verschiedener Ideologien kennen. Anders jedoch als im klassischen Bildungsroman führt die "Erziehung" auf dem Zauberberg nicht dazu, Hans Castorp in ein tüchtiges und selbstbewusstes Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft zu wandeln. Vielmehr mündet sein persönlicher Entwicklungsprozess ins Leere, in die jede Individualität auflösenden Stahlgewitter des Weltkriegs.

Zusammenhang mit „Der Tod in Venedig“

Nach eigenem Bekunden des Autors war der ursprünglich als Novelle konzipierte Zauberberg als heiter-ironisches Gegenstück, als „Satyrspiel“ zu der erst 1912 vollendeten Novelle „Der Tod in Venedig“ gedacht. Ihre Atmosphäre sollte „die Mischung von Tod und Amüsement“ sein, die Mann beim Besuch seiner Frau im Sanatorium kennengelernt hatte. „Die Faszination des Todes, der Triumph rauschhafter Unordnung über ein der höchsten Ordnung geweihtes Leben, die im Tod in Venedig geschildert ist, sollte auf eine humoristische Ebene übertragen werden.“

Und so stellt der Zauberberg in vielerlei Hinsicht die Antithese zur genannten Novelle dar. Dem etablierten Schriftsteller Gustav von Aschenbach steht hier ein junger, lebensunerfahrener Ingenieur gegenüber. Dem schönen polnischen Knaben Tadzio entspricht die "asiatisch-schlaffe" Russin Madame Chauchat, der Cholera in Venedig schließlich die Tuberkulose im Sanatorium.

Zauber- und Bergsymbolik

Den „Berg“ trägt der Roman bereits im Titel. Die Bezüge hierzu sind vielschichtig: So liegt der Schauplatz der Handlung, das Sanatorium Berghof, nicht nur rein geographisch im Gebirge, sondern stellt auch, wie ein realer Berg, eine hermetisch abgeschlossene Welt für sich dar. Diese bildet überdies einen Gegensatz zu Castorps Heimat, dem nüchternen, geschäftlichen und (im Falle Joachim Ziemßens) tödlichen "Flachland".

Zum Blocksberg, wo sich im ersten Teil von Goethes Faust Hexen und Zauberer zu einem obszön-höllischen Fest treffen, wird das Sanatorium in jener grotesken mit "Walpurgisnacht" überschriebenen Karnevalsszene, während der Castorp Madame Chauchat seine Liebe gesteht.

Desweiteren gemahnt das Sanatorium an den Venusberg, einen verbreiteten, nicht zuletzt aus Richard Wagners Oper Tannhäuser bekannten Topos der deutschen Literatur, eine Art "höllisches Paradies", einen Ort der Wollust und Zügellosigkeit. Dort verläuft die Zeit anders: Der Besucher glaubt, im Venusberg nur wenige Stunden verbracht zu haben. Hat er aus ihm aber herausgefunden, so sind sieben Jahre vergangen. Auch Castorp geraten die ursprünglich geplanten drei Berghof-Wochen letztlich zu sieben Jahren.

Aber auch sonst verbringen die Bewohner des Sanatoriums ihre Tage in einer, mystisch-lebensentrückten Atmosphäre, insbesondere sind Anspielungen auf Märchen und Sagen jeglicher Art allgegenwärtig: Die Klinik und insbesondere ihr Röntgenkeller wird mehrfach mit dem Hades der griechischen Mythologie verglichen, in dem Prof. Behrens als Richterkönig Rhadamanthys waltet, während Castorp lediglich als flüchtiger Besucher, als Odysseus hinabsteigt. Behrens vergleicht die Vettern mit Castor und Pollux, Settembrini sich selbst mit Prometheus. Frau Stöhr bringt, wenngleich verwechselnd, Sisyphos und Tantalus ins Spiel.

Die üppigen Krankenmahlzeiten werden mit dem Tischlein-Deck-Dich aus dem Märchen verglichen, Frau Engelhardts hartnäckige Suche nach Madame Chauchats Vornamen erinnert an die Königstochter im Rumpelstilzchen. Castorp trägt nicht nur den Vornamen der Märchenfigur Hans im Glück, sondern teilt auch dessen frohgemute Naivität. Am Ende verliert er wie dieser den Lohn von sieben Jahren, endet sein vielschichtiger Reifeprozess auf dem Zauberberg doch letztlich abrupt mit dem sinnlosen Tod auf dem Schlachtfeld. Schließlich klingt natürlich auch das Siebenschläfer-Motiv an.

Selbst der Verkauf des Thermometers durch die Oberin gerät zum Initationsritus, der Castorp endgültig in die verschworene Gemeinschaft der Berghof-Bewohner aufnimmt. Sogar der Name der Oberin Adriatica von Mylendonk scheint einer anderen Welt zu entstammen. "Mein Herr, hier mutet Manches mittelalterlich an.", meint Settembrini hierzu.

Wie ein roter Faden durchzieht den Roman im Übrigen die magische Zahl Sieben. Sieben Jahre verbringt Castorp auf dem Berghof; der groteske Karneval, ein Höhepunkt des Romans, findet nach sieben Monaten statt. Weiter taucht die Zauberzahl in den jeweils sieben Buchstaben langen Nachnamen der Vettern auf, in der Zahl der Tische im Speisesaal, sowie als Quersumme in Castorps Zimmernummer 34. Settembrinis Name enthält die Zahl auf italienisch. Als Mynheer Peeperkorn seinen Entschluss zum Suizid in einer pathetischen Zeremonie besiegelt, sind sieben Personen zugegen.

Krankheit und Tod

Krankheit und Tod sind in dem Roman allgegenwärtig. Nahezu alle Protagonisten leiden in unterschiedlichem Maße an Tuberkulose, die auch den Tagesablauf, die Gedanken und Gespräche beherrscht („Verein Halbe Lunge“). Immer wieder sterben auch Patienten an der Krankheit, wie etwa Barbara Hujus, die dem Leser durch die düstere Viatikum-Szene im Gedächtnis bleibt, oder Vetter Ziemßen, der „heroisch“ wie ein antiker Held aus dem Leben scheidet. In den Gesprächen mit Settembrini und Naphta wird die Todesthematik schließlich auf eher metaphysischer Ebene disputiert. Neben die krankheitsbedingten Todesfälle treten schließlich mehrere Selbstmorde (Peeperkorn, Naphta) sowie schließlich der Tod des Protagonisten auf dem Schlachtfeld.

Zum Tod und zur Krankheit in seinem Roman kommentiert Thomas Mann: „Was er (gemeint ist Castorp) begreifen lernt, ist, daß alle höhere Gesundheit durch die tiefen Erfahrungen von Krankheit und Tod hindurchgegangen sein muß (...). Zum Leben, sagt einmal Hans Castorp zu Madame Chauchat, zum Leben gibt es zwei Wege: der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg. Diese Auffassung von Krankheit und Tod, als eines notwendigen Durchganges zum Wissen, zur Gesundheit und zum Leben, macht den Zauberberg zu einem Initiationsroman.“

Zeit

Verwoben mit der Leben/Tod-Thematik ist der Begriff der Zeit, ein weiteres zentrales Motiv im Zauberberg. Obwohl der Roman chronologisch aufgebaut ist, verläuft die Handlung nicht in gleichmäßiger Geschwindigkeit, sondern beschleunigt zunehmend. Die ersten fünf Kapitel, etwa die Hälfte des Textes, beschreiben zeitdehnend und detailreich lediglich das erste von Castorps sieben Zauberbergjahren, da dem Protagonisten täglich Neues, Interessantes bringt.

Die letzten beiden Kapitel drängen, raffen und verdichten indes einen Zeitraum von sechs für Castorp eher von Routine und Monotonie geprägten Jahren. Der Asymmetrie im Romanaufbau entspricht auf der Erzählebene selbst eine verzerrte Zeitwahrnehmung durch den Protagonisten selbst.

Schließlich wird im Roman fortwährend über das Phänomen der Zeit auch auf theoretischer Ebene diskutiert: Über die Frage etwa, inwieweit "Interessantheit und Neuheit des Gehalts die Zeit vertreibe, das heißt: verkürze, während Monotonie und Leere ihren Gang beschwerde und hemme.". Erörtert wird auch das Problem der "Erzählbarkeit" von Zeit, des Zusammenhangs zwischen der Dauer eines Berichts und der Länge des Zeitraums, auf den er sich bezieht.

Erotik

Der Protagonist Hans Castorp teilt die auch seinem Autor nachgesagte bisexuelle Orientierung. So liebt er einerseits emphatisch die Russin Clawdia Chauchat.

Seine homoerotische Ausrichtung kommt indes in seiner Neigung zu seinem Jugendfreund Přibislav Hippe zum Ausdruck, aber auch in der Faszination, die der lebenskräftige Weltmensch Peeperkorn auf Castorp ausübt. Verbunden werden die beiden Aspekte seiner Sexualität durch das Symbol des Bleistifts: Sowohl von Přibislav als auch von Clawdia borgt er sich einen "Crayon". Während dieser "dünn und zerbrechlich ist", erinnert der seines Schulfreundes, für den pubertierenden Castorp geradezu eine verehrte Reliquie, in Größe und Gestalt erkennbar an ein männliches Geschlechtsorgan.

Im Laufe des Romans wird die Thematik vielfach ironisch gebrochen. In den Liebesschwüren Castorps auf dem Karneval, die keineswegs frei von Komik sind. In den Röntgenbildern, die Prof. Behrens Castorp zu "Studienzwecken" zeigt, "ein Frauenarm, Sie ersehen es aus seiner Niedlichkeit. Damit umfangen sie uns beim Schäferstündchen". Schließlich in der seltsamen Dreierbeziehung, die Castorp und Clawdia zu gemeinsamen Verehrern Peeperkorns werden lässt.

Figuren

Zahlreiche Zeitströmungen finden sich in bestimmten Figuren des vielschichtigen Zauberberg-Kosmos verkörpert.

Castorp

Hans Castorp, nach des Autors eigenem Bekunden ein „Gralssucher“ in der Tradition Parzivals, ein „reiner Tor“, bleibt im Grunde relativ blass und mittelmäßig gezeichnet. Er steht für das deutsche Bürgertum, das sich, zwischen widersprüchlichen Einflüssen hin- und hergerissen, zu höchsten humanistischen Leistungen aufschwingen kann, aber auch dumpf-philiströser Kulturfeindlichkeit ebenso anheimfallen wie radikaler Ideologie. Wie bei Thomas Mann üblich verbirgt sich hinter der Namenswahl auch hier eine tiefere Bedeutung. "Hans" steht einerseits für den deutschen Allerweltsnamen schlechthin. Viele Märchenfiguren tragen ebenfalls diesen Namen, wie etwa der bereits erwähnte Hans im Glück. Wichtig ist zudem die biblische Konnotation: Hans als Kurzform von Johannes verweist auf den Lieblingsjünger Jesu sowie den Evangelisten, dem die Offenbarung zuteil wird. Die auf Castorp wirkenden Einflüsse werden durch weitere Hauptfiguren des Werks vertreten:

Settembrini

So repräsentiert Settembrini etwa die bürgerlichen Wertordnungen, die lebensbejahende Welt der Arbeit und des tätigen Schaffens. Deutlich wird dies etwa, soweit er Castorps Hang zur Morbidität entgegenwirkt, vor seiner Liebe zur kranken Madame Chauchat warnt und versucht, seinem Schützling positive Lebensperspektiven aufzuzeigen. Auch vertritt er mit Humanismus und Demokratie, mit Aufklärung, Toleranz und Menschenrechten ein positives kulturpolitisches Programm. Symbolisch kommt Settembrinis „aufklärende“ und damit „erhellende“ Funktion darin zum Ausdruck, dass er Castorp zumeist im Dunkeln vorfindet, vor dem Gespräch aber das Licht anknipst. Sich selbst vergleicht er mit Prometheus, der Gestalt aus der griechischen Mythologie, die den Menschen das Feuer und damit Erleuchtung gebracht hat. Sein verehrter Lehrmeister Carducci hat gar eine Hymne auf einen weiteren Lichtbringer geschrieben: Auf Luzifer, "la forza vindice della ragione". Von seinem Gegenspieler Naphta wird Settembrini als "Zivilisationsliterat" verspottet. Tatsächlich ist die Figur ursprünglich auch als Karikatur des westlich orientierten, liberal-demokratischen Schriftstellertyps, wie ihn etwa Thomas Manns Bruder Heinrich verkörperte, angelegt worden. Parallel zur Entstehungsgeschichte des Romans vollzog sich die Hinwendung des Autors zur demonstrativen Bejahung der demokratischen Weimarer Republik. Aus diesem Grund darf angenommen werden, dass die Figur Settembrinis - insbesondere in den späteren Kapiteln - bisweilen zum Sprachrohr des Autors Thomas Mann wird. Die äußere Erscheinung Settembrinis orientiert sich am italienischen Komponisten Ruggiero Leoncavallo.

Naphta

Naphta indes steht für die zersetzenden Kräfte, den Extremismus von beiden Seiten, wie er sich in der Weimarer Republik zunehmend etablieren konnte, für die Selbstzerstörung, die in ein totalitäres System führen sollten. Sein heterogen aus radikal-ideologischen Versatzstücken aller Art geformtes Weltbild trägt ebenso kommunistische, anarchistische wie faschistoide Züge. Zentrale Werte werden durch brillant-kalte Intelligenz und sophistische Rhetorik ihres Sinnes entkleidet und ad absurdum geführt, „als wollte er wahrhaben, dass sich die Sonne um die Erde drehe“. Naphta konkurriert mit Settembrini um die Gunst ihres wissbegierigen Schülers Hans Castorp. Letzterer anerkennt, dass die ätzende Rabulistik in den Wortgefechten zumeist obsiegt. Der Streit der beiden unversöhnlich gegeneinander stehenden Weltanschauungen eskaliert schließlich bis hin zum Duell mit Waffengewalt. Zuvor jedoch, im "Schneekapitel", als er seine beiden Mentoren als "Schwätzer" entlarvt, hat sich der bisher unentschiedenene Hans Castorp endgültig für die Seite Settembrinis entschieden, da jener es immerhin gut meine. Es ist gewiss kein Zufall, dass Naphta in Thomas Manns ursprünglicher Romankonzeption nicht vorgesehen war, sondern erst später eingearbeitet wurde. Als mögliche Vorbilder für die Figur werden eine Reihe radikaler Persönlichkeiten der Epoche genannt, u.a. Leo Trotzki und Georg Lukács.

Clawdia Chauchat

Clawdia Chauchat verkörpert im Roman die erotische Verführung, wenn auch in ihrer morbiden, zu "asiatischer Schlaffheit" degenerierten Form. Nicht zuletzt sie ist es, die Castorp länger als geplant auf dem Zauberberg verweilen lässt. Sinneslust, die männlichen Tatendrang hemmt - die Liste literarischer Vorbilder reicht von Circe bis hin zu den Nymphen in Wagners Venusberg. Auffallend erscheint die vielfach zum Ausdruck kommende, an Baudelaires berühmtes Gedicht in den "fleurs du mal" erinnernde "Katzen-Symbolik": Als "kirgisenäugig" wird die Russin bezeichnet, ihr Nachname erinnert an das französische "chaud chat", heisse Katze. Im Vornamen tauchen Krallen auf, englisch "claws" genannt. In der Figur der Clawdia soll Thomas Mann eine Mitpatientin seiner Frau namens Clawelia literarisch verarbeitet haben.

Mynheer Peeperkorn

Nicht unterschätzt werden darf schließlich die Rolle des erst relativ spät auftauchenden Pieter Peeperkorn, des neuen Partners von Madame Chauchat. Von Settembrini als „dummer alter Mann“ geschmäht, erinnert er erkennbar an jene zwiespältigen Figuren aus Manns früheren Werken, denen der Autor bzw. sein jeweiliger Protagonist ob ihrer naiv-vitalen Kraft Bewunderung, Neid und Verachtung gleichermaßen entgegenbringt. Zu nennen sind insbesondere Herr Klöterjahn aus der Novelle „Tristan“ sowie Tonio Krögers lebenskräftiger Freund Hans Hansen. Peeperkorn ist, indem er sich selbst seinem kruden Vitalitätskult ausliefert, ein Vertreter des rein dionysischen Prinzips. Damit steht er in starkem Kontrast zu Joachim Ziemßen, dem genau diese Seite seiner Persönlichkeit abhanden gekommen ist. Hier zeigt sich der Einfluss der Philosophie Friedrich Nietzsches. Beide Figuren, Peeperkorn wie Ziemßen, gehen letztlich an ihrer Unvollkommenheit zugrunde - nicht jedoch der "mittelmäßige" Hans Castorp, dem es im Laufe seines Aufenthalts auf dem Zauberberg gelingt, seine apollinische wie auch dionysische Seite zu fördern. Äußere Erscheinung und Wesenszüge Peeperkorns sind angelehnt an den älteren Gerhart Hauptmann, daneben trägt er aber auch einige von Thomas Mann kritisch bewertete Züge Goethes.

Ziemßen

Vetter Joachim Ziemßen schließlich erscheint als Vertreter der soldatisch-treuen Pflichterfüllung. Eine Figur, die sich - wenn auch nur vordergründig - den Herausforderungen des Lebens stellt und ihnen durch aktives Tätigwerden zu begegnen sucht. Trotz der vermeintlichen Andersartigkeit besteht zwischen Joachim und seinem Vetter Hans durchaus eine Seelenverwandtschaft. Hofrat Behrens spielt darauf an, wenn er die Vettern scherzhaft "Castor und Pollux" nennt. Zwischen beiden herrscht beredtes Schweigen - wichtig ist gerade das, was nicht offen gesagt wird. Parallel laufen auch die Liebesgeschichten der beiden Cousins ab. Während aber Hans sich allzu bereitwillig in den Rausch seiner Verliebtheit in Madame Chauchat ergibt, versagt sich Joachim, selbst heftig der ebenfalls russischen Mitpatientin Marusja verfallen, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Stattdessen setzt er, der ähnlich wie sein Vetter Gefährdete, willentlich alles daran, den hermetischen Mikrokosmos des Zauberbergs und seine körperliche, vor allem aber geistige Morbidität zu verlassen – um jedoch moribund zurückzukehren. Mit seinem stets tadellosen Benehmen und der ruhigen, zurückhaltenden Art gewinnt Joachim von Beginn an die Sympathie des Lesers für sich. Entsprechend anrührend ist das Kapitel "Als Soldat und brav" (eine Zeile aus Goethes Faust zitierend), welches seine resignative Rückkehr, sein stilles Leid und gefasstes Sterben schildert. Die Figur des "braven Joachim" weckt Anklänge an das in Thomas Manns Werken wiederholt aufgegriffene Motiv des heiligen Sebastian. Die Entschlossenheit, ein schweres Schicksal in Würde zu ertragen, erinnert an weitere bekannte Leistungsethiker wie Gustav Aschenbach oder Thomas Buddenbrook, die letztlich ebenso wie Joachim an ihrer selbstauferlegten Starre scheitern.

Weitere Figuren

Klinikleiter Hofrat Prof. Behrens trägt Züge des Dr. Jessen, jenes Mediziners, der seinerzeit Manns Frau Katja behandelt hatte. Vom Autor wird er wenig schmeichelhaft porträtiert, als "stiernackig (...) mit vorquellenden, blutunterlaufenen Augen, blauen Backen, Stumpfnase und riesigen Händen und Füßen". Geredet haben soll er wie "die Karikatur eines forschen Korpsstudenten". Karikiert wird insbesondere auch Jessens Neigung, aus wirtschaftlichem Interesse den Patienten medizinisch nicht indizierte Verlängerungen ihres Aufenthalts anzuraten. Den Besucher Thomas Mann selbst etwa hatte der Mediziner seinerzeit wegen eines harmlos-lästigen Katarrhs ein halbes Jahr in der Klinik behalten wollen.

Hinter Dr. Krokowski wird der Psychoanalytiker Georg Groddeck vermutet, der auch als Wegbereiter der Psychosomatik gilt. In seinem Sanatorium Marienhöhe bei Baden-Baden hatte er ab 1912 Vorträge gehalten, in denen er in ähnlicher Weise Zusammenhänge zwischen Liebe und Krankheit herstellt, wie dies Dr. Krokowski auf dem Berghof tut. Seine Thesen hat er insbesondere auch in dem 1913 veröffentlichten Werk "Nasamecu" (natura sanat - medicus curat) niedergelegt. Auch fällt natürlich schon rein äußerlich der lautliche Anklang "Kro"-"Gro" auf.

Pate gestanden für die ungebildete, ordinäre Frau Stöhr, die etwa "desinfiszieren" statt "desinfizieren" sagt und "kosmisch" mit "kosmetisch" verwechselt, hat eine gewisse Frau Plür, eine von Katjas Mitpatientinnen.

Entstehungsgeschichte

Äußerer Anlass für das Werk war ein Sanatoriumsaufenthalt von Thomas Manns Frau Katja in Davos im Jahre 1912. In zahlreichen, heute nicht mehr erhaltenen Briefen hatte sie ihrem Mann vom Alltag in der Heilanstalt berichtet. Bei einem dreiwöchigen Besuch lernte ihn Thomas Mann auch aus eigener Anschauung kennen. Ursprünglich hatte er die Absicht gehabt, die dort empfangenen Eindrücke im Rahmen einer Novelle zu verarbeiten; sie sollte "eine Art von humoristischem, auch groteskem Gegenstück", ein "Satyrspiel" zum 1912 erschienen Tod in Venedig werden und in der Neuen Rundschau veröffentlicht werden.

Bereits 1913 begann Thomas Mann mit der Niederschrift und unterbrach hierfür sogar die Arbeit am Felix Krull. 1915 zwang ihn der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu einer Pause. Die Arbeit sollte erst 1920 wieder aufgenommen werden, nachdem zwischendurch u.a. Herr und Hund, der Gesang vom Kindchen sowie die Betrachtungen eines Unpolitischen erschienen waren. Die ursprünglich geplante „Novelle“ war mittlerweile zu einem zweibändigen Roman angewachsen, zu einer "ausgedehnten short story", wie Thomas Mann später augenzwinkend kommentieren sollte. 1924 erschien das Werk im S. Fischer Verlag.

Wirkungsgeschichte

Weimarer Republik

Beim Publikum stieß der Zauberberg sofort auf große Resonanz und erreichte bereits nach vier Jahren eine Auflage von 100.000 Exemplaren. Übersetzungen erfolgten bislang in 27 Sprachen, darunter alle größeren europäischen Idiome. In Englisch gibt es sogar fünf, in Japanisch zwei Versionen.

Erhebliche Verärgerung rief der Roman indes bei einer ganzen Reihe von Zeitgenossen hervor, die im Zauberberg karikiert worden waren. Zu nennen ist insbesondere der alte Gerhart Hauptmann, der – für weite Kreise erkennbar - als Vorbild für die Figur des trunksüchtigen, anti-intellektuell gezeichneten Lebemanns Mynheer Peeperkorn gedient hatte. Trotz eines wortreichen Entschuldigungsbriefes vom 11. April 1925, in dem Thomas Mann bekennt, sich „versündigt“ zu haben, sollte es bis zum Goethejahr 1932 dauern, bis Hauptmann seinem jüngeren Kollegen endgültig verzieh.

Pikiert zeigte sich auch Dr. Jessen, der Davoser Anstaltsarzt, der 1912 Thomas Manns Frau Katja behandelt hatte, und sich unschwer im „geschäftstüchtigen“ Hofrat Prof. Behrens wiedererkannte. Aus Kollegenkreisen wurde ihm gar nahegelegt, den Autor zu verklagen, wobei jedoch die Erwartung einer gewissen Publicity für die Klinik und den Ort Davos mitgespielt haben mag. Jessen ließ indes die Sache letztlich auf sich beruhen. Auch im Übrigen stieß der Zauberberg bei der Ärzteschaft auf erhebliche Kritik. Vom fachlich-medizinischen Standpunkt konnte freilich gegen die Schilderung des Sanatoriumsbetriebs nichts eingewandt werden.

In den Kreisen der literarischen Fachwelt stieß der Zauberberg großteils auf positives Echo. Erwähnt sei etwa Arthur Schnitzler, der, obgleich selbst Arzt, die Vorbehalte seiner Kollegen gegen den Roman nicht teilte. Wohlwollend urteilten auch Georg Lukács, der sich zu Thomas Manns Verwunderung in der Figur des Leo Naphta nicht erkannte, André Gide sowie Ernst Robert Curtius. Kritischer fielen indes die Voten von Carl Sternheim, Alfred Döblin und insbesondere Bertolt Brecht aus, der Mann als „regierungstreuen Lohnschreiber der Bourgeoise“ schmähte. Auffällig erscheint, dass sich die Begründung des Stockholmer Komitees für den 1929 an Thomas Mann verliehenen Nobelpreis fast ausschließlich auf die Buddenbrooks stützte, seinen zweiten, aus heutiger Sicht gleichberechtigt daneben stehenden Roman indes unberücksichtigt ließ.

Drittes Reich

Die Nationalsozialisten schmähten zwar den Zauberberg als "Lob der Dekadenz" und Verunglimpfung des von ihnen propagierten "soldatischen Heldentums". Gleichwohl erschien das Werk nicht auf der "schwarzen Liste" von Goebbels' Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. In welchem Maße bei der berüchtigten Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 auch Thomas Manns Werke betroffen waren, wird bis heute kontrovers diskutiert.

Nachkriegszeit

Nach seinem Tod geriet Thomas Mann als „bürgerlicher“ Autor und damit auch sein Hauptwerk Der Zauberberg zunehmend in die Kritik linker Literatenkreise, wie etwa der „Gruppe 47“ oder der „Inneren Emigration“. Ihren Höhepunkt erreichen sollte diese Tendenz, nicht zuletzt auch unter dem Einfluss der 68er-Bewegung, im Thomas-Mann-Jahr 1975. Seither ist indes eine Mann-Renaissance zu beobachten. Zurückzuführen ist sie insbesondere auch auf das Wirken des einflussreichen Kritikers Marcel Reich-Ranicki, der in einem Interview bekannt hat, „keine besseren“ deutschen Romane zu kennen als Goethes Wahlverwandtschaften und eben den Zauberberg.

Nachdem der Roman lange Zeit als „unverfilmbar“ gegolten hatte, wagte sich 1981 der Münchner Regisseur Franz Seitz an diese Aufgabe. Unter der Regie von Hans W. Geißendörfer entstand eine deutsch-französisch-italienische Coproduktion mit einer Länge von 2½ Stunden in der Kino-, sowie 7 Stunden in der Fernsehfassung. In den Hauptrollen spielen Christoph Eichhorn, Marie-France Pisier, Flavio Bucci, Charles Aznavour sowie Rod Steiger.

Literatur

Textausgaben

  • Der Zauberberg. Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Band 5/1-2. S. Fischer, Frankfurt am Main 2002. ISBN 3100483243. Gut edierte Ausgabe, umfangreicher Kommentarband.
  • Der Zauberberg. Frankfurt 1991, ISBN 3596294339

Sekundärliteratur

  • Rudolf Kassner: Geistige Welten. Zürich 1958, S. 85-90
  • Borge Kristiansen: Zu Bedeutung und Funktion der Settembrini-Gestalt in Thomas Manns Zauberberg. In: Gedenkschrift für Thomas Mann, Kopenhagen 1975, S. 95ff.
  • Hermann Kurzke: Wie konservativ ist der Zauberberg?. In: Gedenkschrift für Thomas Mann, Kopenhagen 1975, S. 137ff.
  • Herbert Lehnert: Leo Naphta und sein Autor. In: Orbis Litterarum 37 (1982), S. 47ff.
  • Hans Mayer: Thomas Manns Zauberberg als Pädagogische Provinz. In: Sinn und Form – Beiträge zur Literatur I. 1949
  • Lotti Sandt: Mythos und Symbolik im Zauberberg von Thomas Mann. Bern 1979
  • Klaus Schröter: Thomas Mann. Reinbek 1995, S. 99ff.
  • Günther Schwarberg. Es war einmal ein Zauberberg. Steidl, Göttingen 2001, ISBN 3-88243-775-8. Hinweis: Das Buch bietet keinen exakten Nachweis von Zitaten; Bibliographie, Register und Bildnachweis fehlen.
  • Eva Wessel: Der Zauberberg als Chronik der Dekadenz. In: Thomas Mann – Romane und Erzählungen. Stuttgart 1993, S. 121ff.
  • Thomas Sprecher: Davos im Zauberberg. NZZ Verlag, Zürich, ISBN 3770531191

Verfilmung

Lesungen

Weblinks