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Birnbaumer Wald

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Lage des Birnbaumer Waldes (Hrušica)

Der Birnbaumer Wald (slowenisch Hrušica) ist ein etwa 100 km² großes, aus Kalkstein bestehendes Plateau am südöstlichen Rand der Alpen in Slowenien. Es bildete bis in die jüngste Zeit einen wichtigen Gebirgspass im östlichen Alpenraum.

Name

Der Name der Region hat seinen Ursprung bereits in der Antike. Auf der Passhöhe befand sich in römischer Zeit die Station Ad Pirum (lat. Beim Birnbaum). Auch der slowenische Name ist davon abgeleitet (hrušica = slow. Birne). Ob sich der Name wirklich von einem Birnbaum ableitet, der hier gestanden haben soll, ist nicht beweisbar.

Nach anderer Lesart soll sich der Name von der altgriechischen Bezeichnung für Feuer (pyr) herleiten, da es in dieser Gegend Signalfeuer gegeben haben soll. In der frühen Neuzeit wurde die Region in der Literatur als "Pyrpamerwald" erwähnt.

Geographie

Der Birnbaumer Wald erreicht eine Höhe bis zu 1020 m. Er gehört als Teil des Dinarischen Gebirges zusammen mit dem nordwestlich anschließenden Ternowaner Wald (slow. Trnovski Gozd) zum Karstgebiet der Innerkrain. Beide Regionen markieren als südalpine Mittelgebirge einen Teil des Südrandes der Alpen. Geologisch sind sie Stufen des nach Süden hin überschobenen südalpinen Deckensystems. Der Raum wird dem Alpinen Karst bzw. Hochkarst zugeordnet und ist von vielen Höhlensystemen durchzogen, die zu den längsten der Welt zählen. Der Karstwasserspiegel erreicht eine Höhe von 300–400 m Höhe. Hier finden sich auch bis zu 100 m tiefe Dolinen mit Vegetationsumkehr.

Der Birnbaumer Wald gehört zu den niederschlagsreichsten Gebieten Sloweniens (bis über 3000 mm). Im Südwesten wird das Gebiet durch den 1313 m hohen Berg Nanos begrenzt. Das Gebiet bildet auch eine wichtige Wasserscheide zwischen dem Einzugsgebiet der Adria und dem der Donau.

Die auch heute noch dünn besiedelte Region ist mit dichtem Nadelwald bewachsen, der forstwirtschaftlich genutzt wird. Bis in die Neuzeit hinein war ein wichtiger Erwerbszweig die Produktion von Holzkohle. Auf dem Hochkarst kommen Ansammlungen von Eis in Schachthöhlen vor, das in der Vergangenheit bergmännisch abgebaut und auch exportiert wurde.

Aufgrund seiner Lage in dem schmalen Gebiet zwischen der oberen Adria und dem südost- und mitteleuropäischen Binnenland bildete das Plateau schon seit ältester Zeit einen wichtigen Pass im östlichen Alpenraum. Der Pass liegt auf 883 m Höhe und verbindet heute die slowenische Hauptstadt Ljubljana über die Ortschaften Logatec, Podkraj, Col und Ajdovščina mit der Grenzstadt Görz (Nova Gorica bzw. Gorizia) in Nordostitalien. In früheren Zeiten führte der Hauptverkehr über den Pass, seit dem im 19. Jahrhundert erfolgten Bau einer Straßen- und Eisenbahntrasse, die von Ljubljana nach Triest über die Ortschaft Postojna (Adelsberg) südlich um den Birnbaumer Wald herum führt, ist es hier etwas stiller geworden.

Bedingt durch seine verkehrsgeographische und strategische Lage ist das Gebiet seit Jahrtausenden Grenzland. Noch heute ist dies durch die plötzliche Änderung des Charakters der Landschaft, Vegetation sowie Siedlungs- und Hausformen sehr gut sichtbar.

Geschichte

Antike

Dass der Birnbaumer Wald schon in der Antike ein wichtiger Verkehrsweg von und nach Italien war, zeigt sich durch seine Erwähnung in der griechischen Sagenwelt: Die Argonauten sollen auf ihrer Flucht, die von Kolchis am Schwarzen Meer die Donau aufwärts bis zur Adria führte, hier vorbei gekommen sein. Hinter der Sage verbirgt sich die bei den alten Griechen verbreitete Vorstellung einer Gabelung (Bifurkation) der Donau. Die Sage verweist auch auf den alten Handelsweg der Bernsteinstraße, der in der Antike von der Ostsee über die Region bis nach Aquileia in Nordostitalien führte.

Zu römischer Zeit wurde der Birnbaumer Wald den Julischen Alpen zugerechnet. Hier lag die Grenze zwischen der 10. italischen Region und der Provinz Pannonien. Als im Jahre 6 eine Rebellion in der Provinz Dalmatien ausbrach, ließ Kaiser Augustus die Straße über den Pass ausbauen. Damit verkürzte sich die Route von und nach Italien, die vorher südlich um den Birnbaumer Wald herumgeführt hatte. Die neue Straße war teilweise so steil, dass Wagengleise und Treppenstufen für Pferde in den Fels gehauen werden mussten. Der griechische Geograph Strabon bezeichnet den niedrigsten Teil der Alpen in dieser Region als Okra-Gebirge, worunter der Birnbaumer Wald zu verstehen ist. Er berichtet in diesem Zusammenhang, dass Frachtgüter von Aquileia aus auf Lastwagen über dieses Gebirge nach Nauportus (Vrhnika) geschafft wurden, wo sie auf Schiffe verladen und über die Flüsse Ljubljanica und Save weiter transportiert wurden. Entlang der Straße entstanden zivile Stationen zum Wechseln der Pferde und zur Versorgung der Reisenden.

Die höchste Stelle des Passes an der Via Gemina zwischen Aquileia und Aemona (Ljubljana) wurde durch die Station Ad Pirum (Beim Birnbaum) gesichert. Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. befand sich hier eine Poststation und ab dem 2. Jahrhundert ein Wachtposten von Beneficiariern, d. h. Soldaten mit zivilen Aufgaben, die die Reisenden vor Raubüberfällen schützen sollten.

Während der Markomannenkriege unter Kaiser Mark Aurel stießen im Jahre 170 Markomannen und Quaden von Pannonien aus durch diese Gegend bis nach Oberitalien vor, belagerten Aquileia und zerstörten das benachbarte Opitergium (Oderzo). Als sich im Laufe des 3. Jahrhunderts die Angriffe auf das Römische Reich verstärkten, wurde in der Spätantike zu Beginn des 4. Jahrhunderts unter der Herrschaft des Kaisers Diokletian die Claustra Alpium Iuliarum eingerichtet, ein Sperrsystem aus Mauern und Befestigungen in den Julischen Alpen, das den Zugang nach Italien sichern sollte.

Zentrum dieses Verteidigungssystems bildete die Station Ad Pirum im Birnbaumer Wald. Die Station wurde in eine militärische Anlage umgewandelt und zum Steinkastell ausgebaut. Das Kastell war 250 m lang, 75 m breit und von einer 2,70 m breiten und 8 m hohen Mauer umgeben. Der östliche Eingang war durch zwei Türme von etwa 10 m Höhe geschützt. Es besaß eine ständige Besatzung von 500 Mann. Zur Claustra gehörten außerdem die Stationen Nauportus (Vrhnika) und Castra (Ajdovščina) zu beiden Seiten des Passes.

In der Tabula Peutingeriana ist der Birnbaumer Wald als "in alpe Iulia" verzeichnet; er liegt zwischen "fluvio frigido" (Ajdovščina) und der Herberge (mansio) "Longatico" (Logatec). Im Itinerarium Burdigalense, einem Reisehandbuch eines anonymen Christen, der im Jahre 333 die erste schriftlich dokumentierte Pilgerreise von Bordeaux nach Jerusalem unternahm, ist Ad Pirum als Etappenstation auf dem Pilgerweg aufgeführt.

Auch bei Auseinandersetzungen innerhalb des Römischen Reiches spielte der Birnbaumer Wald eine Rolle: Im Jahre 351 beendete Kaiser Constantius II. den Kampf gegen seinen Rivalen Magnentius durch die Eroberung der Festung Ad Pirum. Im Jahre 394 unternahm Theodosius I., der Kaiser des Ostteils des Reiches, mit 100.000 Mann einen Feldzug gegen seinen Widersacher Eugenius, der von den heidnischen Senatoren Roms unterstützt wurde. Die Truppen des Eugenius hielten die Passhöhe und die Festung Ad Pirum besetzt. Die vom Magister militum Flavius Stilicho befehligte Armee des Theodosius, unter denen sich auch ein Kontingent von 20.000 Goten unter ihrem Anführer Alarich befand, eroberte die Festung. Wachend und betend verbrachte hier der Kaiser die Nacht zum 6. September. Am Morgen zog er bergabwärts Richtung Italien und traf am fluvius frigidus, dem heutigen Flüsschen Hubelj, im Tal der Vipava (Wippach) auf die Hauptarmee des Eugenius (Schlacht am Frigidus). Es kam zu einer der letzten großen Schlachten des Römischen Reiches, in der Theodosius den Sieg davontrug und sich damit das Schicksal zugunsten des Christentums entschied. Nach dieser Auseinandersetzung wurde das Befestigungssystem im Birnbaumer Wald aufgegeben, die Anlagen zerfielen.

Gerade in der Zeit der Völkerwanderung war das Sperrsystem bereits außer Funktion und hatte keine Bedeutung mehr, als der Birnbaumer Wald verschiedenen Völkern als Einfallstor nach Italien diente. Alarich hatte auf dem Feldzug des Theodosius das Terrain und die Schwächen des Verteidigungssystems kennengelernt. Im Jahre 401 fiel er mit den Westgoten über den Pass in Italien ein und belagerte Mailand. Alarichs Schwager Athaulf überquerte - von Alarich aus Pannonien herbeigerufen - im Jahre 408 die Julischen Alpen mit einer Armee, die aus Goten und Hunnen bestand.

Im Jahre 452 zogen die Hunnen unter Attila ohne Widerstand durch den Birnbaumer Wald. Auch Theoderich der Große, der im Jahre 489 mit den Ostgoten nach Italien zog, fand keinen Widerstand auf der Passhöhe, erst beim Übergang über den Isonzo traf er auf seinen Widersacher Odoaker. Mit dem Zug der Langobarden unter ihrem Anführer Alboin im Jahre 568 über den Pass des Birnbaumer Waldes und der Besetzung Norditaliens endete schließlich die Völkerwanderung.

Mittelalter

Um 590 rücken in die von den Langobarden verlassenen Gebiete die südslawischen Slowenen nach. Während des frühen Mittelalters ging die Bedeutung des Passes zurück. Erst im Hochmittelalter belebte der Aufschwung des Fernhandels die alte römische Route neu, eine Herberge und eine Poststation wurden errichtet. Gegen Ende des Jahres 1096 marschierte einer der Heerzüge des Ersten Kreuzzuges, bestehend aus Südfranzosen unter der Führung von Raimund IV. von Toulouse, auf dem Landweg über die Region in Richtung Konstantinopel.

Im Birnbaumerwald verlief im Mittelalter die Grenze zwischen den Territorien von Aquileia und Triest. Auf der Passhöhe entstand inmitten der römischen Ruinen eine Kapelle der heiligen Gertrudis, der Schutzpatronin der Reisenden. Jahrhunderte hindurch gehörte der Birnbaumer Wald zum Herzogtum Krain und damit zum Grenzgebiet des Habsburgerreiches.

Neuzeit

Zu Beginn der Neuzeit geriet der Birnbaumer Wald ins Blickfeld von Topographen, Kartographen und Historikern. Im Jahre 1560 erwähnte Wolfgang Lazius den "Pyrpamerwald" in seinem Werk "De gentium aliquot migrationibus" neben der Region Gottschee als Siedlungsgebiet einer deutschsprachigen Bevölkerung. In gleichem Zusammenhang wurde die Region von Hieronymus Megiser in den "Annales Carinthiae" aus dem Jahre 1612 erwähnt. Johann Weichard Valvasor beschrieb im Jahre 1689 in seinem Buch "Ruhm des Herzogtums von Crain" die zu dieser Zeit auf der Passhöhe bestehende Station für den Postverkehr zwischen Ljubljana und Görz.

Nach der Niederlage gegen die Truppen Napoleons im Norditalienfeldzug zog sich im Jahre 1797 ein Teil der österreichischen Armee unter dem Befehl von Erzherzog Karl durch den Birnbaumer Wald über Laibach und Krainburg nach Klagenfurt zurück.

Im 19. Jahrhundert wurde das heute noch vorhandene Postgebäude inmitten der römischen Ruinen neu errichtet. Nach dem Bau der Eisenbahntrasse von Ljubljana nach Triest diente es als Jagdhaus und beherbergte danach den staatlichen Waldaufseher.

Im Vertrag von Rapallo aus dem Jahr 1920 fiel das westslowenische Karstgebiet an das Königreich Italien. Der Birnbaumer Wald wurde dadurch unmittelbares Grenzgebiet. In den 30er und frühen 40er Jahren wurde er und die umliegenden Gebiete in den östlichen Teil des Vallo Alpino einbezogen, eines Systems aus Bunkeranlagen gegen das benachbarte Jugoslawien, dessen Anlagen noch heute im Gelände sichtbar sind. Im italienisch-jugoslawischen Friedensvertrag vom Jahre 1947 fiel der größte Teil der ehemaligen italienischen Provinz Venezia Giulia, darunter der Birnbaumer Wald, an Jugoslawien.

Die moderne Passstraße durch den Birnbaumer Wald benutzt teilweise noch die alte römische Straßentrasse. Sie führt wie in alter Zeit durch die römische Befestigung hindurch, deren Reste vor dem 2. Weltkrieg von österreichischen Archäologen ausgegraben und von italienischen Archäologen konserviert wurden. Sie sind im Gelände heute noch zu besichtigen. In jüngster Zeit wurde das ehemalige Posthaus zum Gasthaus Stara Pošta (Alte Post) umgebaut und beherbergt ein kleines Museum zur Geschichte des Birnbaumer Waldes mit archäologischen Funden aus der Festung.

Literatur

Ivan Gams, Geografija Slovenije (Ljubljana 1998). ISBN 961-213-060-4

Thilo Ulbert, Ad Pirum (Hrušica). Spätrömische Passbefestigung in den julischen Alpen; (= Münchner Beiträge zur Vor- u. Frühgeschichte 31), München 1981.

Weblinks