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Ende der Antike

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Der Mittelmeerraum unter Kaiser Justinian († 565)

Die Frage nach dem Ende der Antike beschäftigt seit Jahrhunderten die Gelehrten. Während früher das Ende der Antike mit den letzten olympischen Spielen 393, mit der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus 476 oder auf das Jahr 529 datiert wurde, in dem das erste Benediktinerkloster gegründet und die Platonische Akademie in Athen geschlossen wurde, hat es sich in der Forschungsdiskussion der letzten Jahrzehnte als sinnvoll erwiesen, es deutlich später anzusetzen. Mögliche Enddaten für die Antike sind der Tod des oströmischen Kaisers Justinian 565 oder der Beginn der islamischen Expansion 632.

Periodisierungsproblematik

Generelles

Das Vorhaben, das Ende der Antike zu bestimmen, führt wie jeder Versuch einer Periodisierung zu schweren Problemen. Jegliche Festlegung eines Enddatums ist bis zu einem gewissen Grad willkürlich, da sie abhängig davon ist, welche Phänomene jeweils für wesentlich für die Antike gehalten werden. So können beispielsweise die kulturelle und politische Einheit des Mittelmeerraums, die ethnische Vorherrschaft der Griechen und Römer, die auf Sklaverei basierende Wirtschaftsform, eine bestimmte Bildungstradition oder das Heidentum als charakterisch für diese Epoche betrachtet werden. Eine objektive Definition ist somit kaum möglich. Zudem sind Epochen nach einhelliger Überzeugung der heutigen Geschichtswissenschaftler nur Vereinbarungen zur Ordnung der ansonsten unüberschaubaren Stofffülle der Geschichte. Der italienische Philosoph Benedetto Croce (1866–1952) meinte sogar, sie wären lediglich von mnemotechnischen Interesse“. Hinzu kommt, dass historische Umbrüche, die sich im Rückblick zu Epochengrenzen bündeln lassen, nicht notwendig von den Zeitgenossen als solche wahrgenommen wurden und auch nicht in allen Regionen des Mittelmeerraums gleichzeitig eintraten.

Kontinuität

Der spätantike Philosoph Boëthius gilt als „letzter Römer“.
Mit Herakleios endete die spätantike Phase des Byzantinischen Reiches.

Schwierig wird die Festlegung eines Enddatums für die Antike aber vor allem dadurch, dass die Spätantike als eine Epoche des Übergangs gesehen werden muss. Die Spätantike stellt somit selbst schon eine „Antike nach der Antike“ dar. Einerseits war noch eine Kontinuität zur Antike gegeben, andererseits zeichnete sich bereits die Welt des Mittelalters ab. Verbunden waren die beiden Epochen durch die Verklammerung der Gesellschaft mit der christlichen Kirche. Kulturell unterscheidet sich die Spätantike vom Mittelalter vor allem dadurch, dass die Menschen noch Zugriff auf die klassischen Traditionen hatten. Noch im sechsten Jahrhundert hatten spätantike Autoren wie Boëthius, Cassiodor, Corippus, Prokopios von Caesarea und Agathias Zugang zur klassischen Bildung.[1] Die mittelalterliche Welt mit ihrer weitaus geringeren Arbeitsteilung konnte diese aber nicht mehr völlig bewahren. Der größte Teil der antiken Literatur ging im Westen deshalb nach 600 verloren.

Im Osten kam es zu keinem derart radikalen Bruch der antiken Tradition wie im Westen. Das oströmische bzw. byzantinische Reich existierte bis zum Fall Konstantinopels 1453 in einer relativ intakten Spätantike. Die Byzantinistik bezeichnet daher etwa den gleichen Zeitraum, der auf dem Boden des weströmischen Reichs als Spätantike gilt, auch als frühbyzantinisch. Für den Osten des Imperiums sind beide Begriffe mithin praktisch gleichbedeutend. Allerdings bestehen auch in Ostrom erhebliche Unterschiede zwischen den Zuständen im vierten bis sechsten Jahrhundert und der folgenden mittel- und spätbyzantinischen Zeit. Im Ostreich ist dabei neben der arabischen Expansion auch die endgültige Verdrängung der lateinischen Amtssprache durch das Griechische um 625 als signifikanter Einschnitt zu betrachten. Beide Ereignisse fielen in die Regierungszeit des Kaisers Herakleios, mit dem deshalb in den letzten Jahren vermehrt das Ende der Antike verbunden wird.

Die Germanenreiche, die die Nachfolge des Westreiches angetreten hatten, akzeptierten in der Regel noch lange die oströmische Oberhoheit. Ihre Herrscher bemühten sich um kaiserliche Anerkennung und die Verleihung römischer Titel. Souveränität konnten nur der Kaiser und der sassanidische Großkönig für sich beanspruchen. Nur sie hatten das Recht, ihr Bild auf Goldmünzen zu prägen. Noch im sechsten Jahrhundert setzten die meisten Germanenkönige ihr eigenes Porträt nur auf die Silbermünzen. All dies änderte sich erst im 7. Jahrhundert grundlegend, als die oströmischen Kaiser durch die Angriffe der Perser und Araber zu sehr geschwächt waren, um weiter im Westen aktiv zu werden. Die arabische Invasion zerstörte die freilich nur noch bedingt gegebene Einheit der Mittelmeerwelt endgültig. Auch die Kontakte zwischen Konstantinopel und dem Westen lockerten sich nun zusehends.

Wandel

Mit dem Ende der Antike endete auch die Zeit der Poleis (hier die Akropolis von Athen).

Die Angriffe der Araber beschleunigten in Ostrom den Untergang der spätantiken Senatsaristokratie und führten zu einem erheblichen Rückgang der antiken Bildung. Der weitgehende militärische und ökonomische Zusammenbruch des Reiches nach 636 brachte auch das endgültige Ende der klassischen Städte (Poleis) mit sich, die seit der archaischen Zeit (ca. 700 v. Chr. bis ca. 500 v. Chr.) den Mittelmeerraum geprägt hatten. Die Entwicklung der byzantinischen Themenordnung, die schließlich zur Auflösung der Trennung zwischen militärischer und ziviler Verwaltung führte, bedeutete auch im administrativen Bereich einen deutlichen Bruch mit der spätantiken Tradition.

Die „Transformation“, mit dem das Ende der Antike einherging, war in vielerlei Hinsicht mit Gewalt, Zerstörung und ökonomischem Niedergang verbunden. Dies betonten erst jüngst Bryan Ward-Perkins und Peter J. Heather in ihren neuesten Darstellungen, welche sich teils wie ein Gegenentwurf zu den Vertretern eines Transformationsprozesses um Peter Brown und Averil Cameron lesen.[2] Beide – Ward-Perkins und Heather – räumen aber ein, dass die Antike im römischen Osten, der erst nach 600 einen ökonomischen Verfall erlebte, deutlich länger gedauert habe als im Westen. Dort sei es bereits im fünften Jahrhundert zu einem „Ende der Zivilisation“ (Ward-Perkins) gekommen.

Die Forschungsliteratur hat inzwischen einen kaum noch zu bewältigenden Umfang erreicht. In vielen Punkten konnte bislang dennoch keine Einigkeit erzielt werden. Viele der alten Erklärungen sind inzwischen unhaltbar geworden, doch ist es oft noch nicht gelungen, sie durch überzeugende Alternativen zu ersetzen. Zu den besonders heftig diskutierten Fragen zählt unter anderem die nach den Prozessen, die im Westen zum Erlöschen des Kaisertums führten. Auch Henri Pirennes Auffassung, dass erst der Einbruch des Islams die antike Einheit der Mittelmeerwelt zerstört habe, findet inzwischen wieder Anhänger.[3] Einfache Antworten und allgemeingültige Aussagen sind vor dem Hintergrund der zunehmenden Erforschung der Spätantike aber fast unmöglich geworden.

Das Ende der Antike in den Regionen

Britannien vor dem Abzug der römischen Truppen

Britannien

In Britannien ist das Ende der römischen Herrschaft und damit verbunden das Ende der Antike relativ früh anzusetzen. Bereits 383, 401 und 407 wurden große Teile der römischen Truppen abgezogen. Als der weströmische Kaiser Honorius deren Bewohner 410 ihrem Schicksal überließ, mussten diese zur Selbsthilfe greifen.[4] Ein Hilfegesuch an den römischen Feldherrn Aëtius im Jahr 446 ist das letzte Zeichen römischer Präsenz in Britannien. Bald darauf erlosch hier auch das Christentum. In das von den Römern hinterlassene Machtvakuum strömten zunächst die Pikten aus dem Norden der Insel. Die von der gallorömischen Bevölkerung zu Hilfe gerufenen Angeln, Sachsen und Jüten nahmen schließlich das gesamte Land in Besitz. Das Ende der Antike war in Britannien wie im übrigen Reichsgebiet kein einzelnes Ereignis, sondern ein schleichender Prozess, der jedoch mit der Räumung der Insel durch das römische Heer zumindest eine starke Zäsur erlebte. Die lange tradierte Annahme vom plötzlichen Ende der Antike in Britannien kann heute aber nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Gallien

Auch in Gallien ist das Ende der Antike eng mit dem Ende der römischen Herrschaft verbunden. Als deren letzte Vertreter sind wohl Aegidius und Syagrius anzusehen. Diese wurden von den Franken bereits als Könige betrachtet.[5] Dass nun nicht mehr germanische Herrscher römische Titel annahmen, sondern römische Statthalter unter germanischen Titeln auftreten, zeigt die gewandelten Machtverhältnisse, auch wenn die gallo-römische Kultur noch eine letzte Spätblüte erlebte. Syagrius erkannte dennoch den neuen Herrn von Rom, den Skiren Odoaker, nicht an und bat den oströmischen Kaiser Zenon um Hilfe. Dieser war jedoch offensichtlich nicht in der Lage, dem letzten römischen Statthalter in Gallien Unterstützung zu schicken. 486 eroberte schließlich der fränkische König Chlodwig I. das Reich des Syagrius. Dessen ehemaliger Herr floh zu den Westgoten und wurde bald darauf ausgeliefert und getötet. Dass die gallischen Christen Chlodwig als Nachfolger der römischen Herrscher akzeptierten, markiert das Ende der Antike in Gallien.[6]

Hispanien um 565

Hispanien

In Hispanien ist das Ende der Antike nach 460 anzusetzen. In diesem Jahr betrat mit Majorian zum letzten Mal ein weströmischer Kaiser hispanischen Boden. Sein Feldzug gegen die Westgoten hatte jedoch keine größeren Auswirkungen mehr. Hispanien war nun bis ins 6. Jahrhundert fest in germanischer Hand. Erst 533 eroberten die Truppen des oströmischen Kaisers Justinian die Balearen und Gibraltar. Bis 554 waren auch Cordoba, Cartagena und Malaga unter oströmische Kontrolle geraten. Justinian ernannte sogar einen eigenen magister militum Spaniae, der für den Schutz der spanischen Gebiete zuständig war. Bis 625 gingen diese aber wieder an die Westgoten verloren. Nachdem in Nordspanien schon lange die Sueben herrschten, war das Ende der Antike nun auch Südspanien endgültig gekommen. Spuren römischer Rechtstradition bei den Westgoten (vgl. den Codex Euricianus) und die Entwicklung einer romanischen Sprache, des Spanischen, weisen aber weiterhin auf die Antike zurück.

Nordafrika

Der Anfang vom Ende der Antike kam für Africa im Jahr 429, als die Vandalen unter Geiserich weite Teile der Provinz eroberten. 431 fiel Hippo Regius, die Heimatstadt des Augustinus, und 439 schließlich Karthago, das immer noch eine der größten Städte des Mittelmeerraums war. 442 wurde Geiserich auch offiziell von Kaiser Valentinian III. als Herr Nordafrikas anerkannt. 455 plünderten die Vandalen sogar die Stadt Rom. Die Landung einer römischen Flotte in Africa verhinderte Geiserich mehrfach erfolgreich. Erst 534 konnte der oströmische Feldherr Belisar Nordafrika zurückgewinnen. Kaiser Justinian ernannte sofort einen Prätorianerpräfekten und einen Heermeister. Es dauerte aber noch bis 551, bis Africa endgültig für das Oströmische Reich gesichert war. Zu einem Wiederaufleben der antiken römischen Kultur kam es aber nicht mehr, die Bautätigkeit und das literarische Leben kamen weitgehend zum Stillstand. Noch Herakleios konnte allerdings Africa als Basis für die Machtergreifung im Oströmischen Reich nutzen. Erst mit dem Auftreten der Araber 647 endete die Antike hier endgültig. Karthago fiel 698, bald darauf erlosch auch das nordafrikanische Christentum.

Italien

Das Ende der Antike war in Italien ein Prozess, der mit dem Zerfall des Weströmischen Reiches nach der Ermordung des Heermeisters Flavius Aëtius 454 begann. In den nächsten Jahren wurde Italien vom Germanen Ricimer beherrscht, die von diesem eingesetzten Kaiser waren kaum mehr als Marionetten. Mit der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus durch Odoaker im Jahr 476 erreichte dieser Prozess einen ersten Höhepunkt. Noch bestanden aber die antiken Strukturen weiter, es gab weiterhin einen Senat und einen Stadtpräfekten. Auch Konsuln wurden weiterhin gewählt. Noch Odoakers Nachfolger, der Ostgote Theoderich, umgab sich mit römischen Beratern. Theoderichs Nachfahren gerieten jedoch mit dem oströmischen Kaiser Justinian in Konflikt. Die von Justinian ab 535 veranlasste Rückeroberung Italiens schien die antike Kultur zunächst wieder aufleben zu lassen. Die oströmischen Eroberungen hatten jedoch keinen Bestand. Mit dem Einfall der Langobarden 568 fand auch hier die Antike ihr Ende.

Römischer Orient

Im römischen Orient, der in den Diözesen Aegyptus und Oriens organisiert war, kam das Ende der Antike mit der islamischen Expansion ab 632. Das Ende der oströmischen Herrschaft hatte sich aber bereits zu Beginn des 7. Jahrhunderts abgezeichnet, als persische Truppen weite Teile des Gebietes eroberten. Auch das Heilige Kreuz, eine der kostbarsten christlichen Reliquien, fiel in die Hände der Perser. Nun endete auch die Zeit der spätantiken griechischen und syrischen Literatur, die noch im 6. Jahrhundert einige beachtenswerte religiöse und profane Werke hervorgebracht hatte. Kaiser Herakleios konnte zwar die Orientprovinzen 629/630 noch einmal für das Reich zurückgewinnen, er konnte sie jedoch nicht gegen die einfallenden Araber behaupten. Diese hatten innerhalb weniger Jahre das persische Sassanidenreich erobert und wandten sich nun gegen das Oströmische Reich. 636 fiel die syrische Metropole Damaskus, 642 die ägyptische Hauptstadt Alexandria. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte etablierte sich der Islam und die arabische Sprache im ehemals römischen Orient, die Antike war damit auch hier zu ihrem Ende gekommen.

Persien

In Persien fiel das Ende der Antike mit dem Zusammenbruch des Sassanidenreiches zusammen.[7] Das neupersische Reich der Sassaniden, das 224 das Partherreich abgelöst hatte, war die ganze Spätantike hindurch ein ebenbürtiger Gegner des römischen Reiches geblieben. Unter Chosrau II. (590–628) gelangte es noch einmal zu neuer Größe. Die Perser eroberten Ägypten und Syrien, die mehr als sechs Jahrhunderte lang von den Römern beherrscht worden waren (siehe Römisch-persische Kriege). Als jedoch 626 die Belagerung Konstantinopels scheiterte, zeigte sich, dass das Sassanidenreich seinen Zenit überschritten hatte. Nach einer Niederlage gegen den oströmischen Kaiser Herakleios bei Ninive und dem Tod Chosraus II. konnte keiner der rasch wechselnden Herrscher mehr an die frühere Macht der Sassaniden anknüpfen. Die nach dem Tod Mohammeds mit voller Wucht einsetzende islamische Expansion brach dem schwächelnden Reich schließlich das Genick. Zwei verheerende Niederlagen bei Kadesia 636 und bei Nehawend 642 besiegelten sein Schicksal. Spätestens mit dem Tod des letzten persischen Großkönigs Yazdegerd III. im Jahr 651 war auch hier das Ende der Antike gekommen.

Kleinasien

Kleinasien in der Antike

In Kleinasien kam das Ende der Antike relativ spät. Ein genaues Enddatum kann hier nur schwer angegeben werden. Der Übergang vom spätantiken oströmischen Reich zum mittelbyzantinischen Reich vollzog sich jedenfalls im 7. Jahrhundert. Zunächst wurde die Halbinsel von den Sassaniden bedroht, die Kaiser Herakleios jedoch zurückschlagen konnte, dann ab den 630er Jahren von den Arabern. Unter dem Eindruck dieser äußeren Bedrohungen wandelte sich die Verwaltungsstruktur des Reiches. In Kleinasien entstanden die Themen Anatolikon und Armeniakon, in denen militärische und zivile Gewalt wieder verbunden waren, während die Spätantike von einer Trennung dieser Gewalten geprägt gewesen war. In der älteren Forschung wurde diese Verwaltungsreform Herakleios zugeschrieben, in den letzten Jahren aber eher mit seinem Enkel Konstans II. verbunden. Das Christentum hatte in Kleinasien schon länger über die antiken heidnischen Kulte gesiegt und auch die lateinische Sprache wurde nun endgültig von der griechischen verdrängt.

Balkan

Der Balkan wurde am Ende der Antike weitgehend vom Oströmischen Reich beherrscht.

Auf dem Balkan, der in der Spätantike in die drei Diözesen Macedonia, Dacia und Thracia eingeteilt war, ist das Ende der Antike eher spät anzusetzen. Den oströmischen Kaisern gelang es mit Geld und Verhandlungsgeschick immer wieder, angreifende germanische Stämme nach Westen abzulenken. Nach Justinian verlor das Oströmische Reich jedoch mehr und mehr seinen antiken Charakter. Die Bedeutung des Lateinischen wurde auch auf dem Balkan zugunsten des Griechischen zurückgedrängt. Bereits Papst Gregor der Große (590–604) hatte Schwierigkeiten, sich mit oströmischen Gesandten zu verständigen. Auch die griechischen Poleis und die römischen Städte, die den Balkan seit Jahrhunderten geprägt hatten, verloren immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig bedrohte mit den Slawen ein neuer Gegner die Balkanprovinzen. Das Ende der Antike ist hier um die Mitte des 7. Jahrhunderts anzusetzen. Es wurde schließlich durch zwei Faktoren besiegelt, die Entwicklung des Oströmischen Reiches zum Byzantinischen Reich unter Kaiser Herakleios und der Abschied von der antiken Verwaltungsstruktur mit der Einführung der Themenverfassung unter dessen Enkel Konstans II.

Donauraum

In den Donauprovinzen des weströmischen Reiches, Raetien, Noricum und Pannonien, ist das Ende der Antike mit dem Ende einer römisch geprägten Verwaltung gleichzusetzen. In Pannonien trat es relativ früh ein. Bereits Ende des 4. Jahrhunderts wurden hier germanische und hunnische Foederaten angesiedelt. Die römische Herrschaft konnte nur um 410 noch einmal für wenige Jahre wiederhergestellt werden, bis Pannonien endgültig unter die Kontrolle der Hunnen geriet. Um die Jahrhundertmitte wurde es zum Ausgangspunkt der Offensiven Attilas. In Noricum blieben die Römer länger präsent. Wie der Vita des heiligen Severin von Noricum zu entnehmen ist, wurde das Gebiet erst Ende der 480er Jahre unter Odoaker von ihnen geräumt.[8] Große Teile der römisch geprägten Bevölkerung verließen Noricum allerdings auch unter germanischer Herrschaft nicht. Die Entwicklung in Raetien verlief ähnlich, der südliche Teil der ehemaligen Provinz blieben aber noch unter Odoakers Nachfolger Theoderich römisch geprägt. Das Ende der Antike ist hier erst um 506 mit der dauerhaften Ansiedlung der Alamannen anzusetzen.

Traditionelle Enddaten

476

Früher wurde das Ende der Antike vor allem mit der Absetzung des Romulus Augustulus verbunden.

Früher wurde das Ende der Spätantike oft mit dem Ende des römischen Reiches im Westen 476 n. Chr. gleichgesetzt. Diese Auffassung ist vor allem in der älteren Lehrmeinung verbreitet, beispielsweise in Otto Seecks sechsbändiger Geschichte des Untergangs der antiken Welt.[9] Anders argumentierten dagegen bereits Ernst Kornemann und auch Adolf Lippold. Auch der ältere Alfred von Gutschmid setzte das Ende der Antike später an.

Die Vorstellung vom Epochenjahr 476 lässt sich in den Quellen, etwa bei Marcellinus Comes, auch erst gut 40 Jahre später fassen. Dieser schrieb: Das westliche Reich des römischen Volkes ist mit diesem Augustulus untergegangen.[10] Ähnliche Einschätzungen lassen sich bei Eugippius[11], Prokopios[12] und Jordanes[13] fassen. Ihnen folgten die frühmittelalterlichen Chronisten Beda Venerabilis[14] und Paulus Diaconus[15].

Es erscheint heute dennoch mehr als fraglich, ob die damaligen Menschen dieses Jahr ebenfalls als Zäsur begriffen haben. Es gab zwar in Ravenna keinen Kaiser mehr, aber dies bedeutete nur, dass die Herrschaftsrechte im Westen nun auf den oströmischen Kaiser übergingen. Noch Justinian I. wollte diese Ansprüche auch tatsächlich verwirklichen. In der neueren Forschung wird dem Jahr 476 daher nicht mehr so viel Gewicht beigemessen wie früher.

565

Oft wird das Ende der Antike mit dem Tod Justinians verbunden.

Sehr vereinzelt wird heute schon die Reichsteilung nach dem Tod des römischen Kaisers Theodosius I. im Jahre 395 als entscheidende Zäsur gewählt, meist setzt man sie aber erst in die Regierungszeit Justinians I. Justinian stand noch weitgehend in der Tradition der antiken römischen Kaiser, was unter anderem in seiner universalen Herrschaftsauffassung deutlich wird. Er betrieb zudem eine Politik, die wohl auf die Wiederherstellung des Reiches in seinen alten Grenzen abzielte (Restauratio imperii), was in Teilen sogar kurzfristig gelang. Kulturell fällt in seine Regierungszeit ein deutlicher Bruch, da der Kaiser im Jahr 529 die Schließung der Platonischen Akademie verfügte. Damit kam eine über neunhundertjährige Tradition heidnisch-philosophischer Bildung an ihr Ende, weswegen vor allem bildungshistorisch orientierte Wissenschaftler hierin das Ende der Antike markiert sehen.

Von modernen Althistorikern wird das Ende der Antike dagegen noch etwas später eingeordnet: Der letzte große Zug der spätantiken Völkerwanderung, der Einfall der Langobarden in Italien, erfolgte 568, nur drei Jahre nach Justinians Tod, so dass die 560er Jahre für den ganzen Mittelmeerraum einen deutlichen Einschnitt markieren. Damit ergibt sich als die derzeit gängigste Begrenzung der Epoche also das Jahr 565. Dieses Jahr wurde bereits von Gutschmid als Enddatum der Antike angesehen und findet in der deutschsprachigen Forschung in den letzten Jahren wieder großen Anklang (siehe etwa Alexander Demandt[16], Heinz Bellen, Jochen Martin oder Hartwin Brandt[17]).

632

Nicht wenige Historiker setzen das Ende der Epoche aber deutlich später an, und zwar mit dem Einbruch der Araber in den Mittelmeerraum (siehe auch die so genannte Pirenne-These). Dass die Kontakte zwischen Ostrom und dem Westen noch zu Beginn des siebten Jahrhunderts recht eng waren, wird heute nicht mehr bestritten. Das letzte antike Monument auf dem Forum Romanum ist die Säule des oströmischen Kaisers Phokas (602–610).

Pirennes Annahme, erst islamische Seeräuber hätten die antike „Einheit der Mittelmeerwelt“ zerstört, gilt heute als widerlegt. Dennoch stellt die arabische Expansion zumindest für das Oströmische Reich einen massiven Einschnitt dar, da das Imperium nun im Wesentlichen auf Kleinasien und den Balkan beschränkt war und sich unter dem äußeren Druck auch im Innern vieler antiker Traditionen entledigte. Erst unter Kaiser Herakleios (610–641) endete somit die spätrömische Phase des Oströmischen Reiches. Dessen Reste verwandelten sich dann in das mittelalterliche Byzanz.

Datei:Eroberungen-Islam.JPG
Die 632 einsetzende islamische Expansion markierte das Ende der Antike.

Insgesamt herrscht im anglo-amerikanischen Raum die Tendenz vor, das Ende der Antike frühestens mit dem Ende der Herrschaft Justinians anzusetzen, so etwa Averil Cameron und John B. Bury (etwas eigenwillig Arnold Hugh Martin Jones 602 mit dem Tod des Kaisers Maurikios). Der letzte Band der neuen Cambridge Ancient History behandelt die Jahre 425 bis 600 und auch die Routledge History of the Ancient World endet mit dem Jahr 600. Die Prosopography of the Later Roman Empire und die neuere Darstellung von Stephen Mitchell dehnen die Spätantike sogar bis 641 aus. Auch im deutschsprachigen Raum ist man allgemein davon abgerückt, weiter am vermeintlichen Epochenjahr 476 festzuhalten.

Eine Ausweitung der Epoche bis 632 erscheint sinnvoll und setzt sich zunehmend durch, da zumindest für Ostrom erst der Einfall der Araber (siehe dazu Islamische Expansion) den entscheidenden Einschnitt markierte. Die arabischen Truppen eroberten dabei nicht nur den römischen Orient, sondern vernichteten auch das Neupersische Reich der Sassaniden. Das Sassanidenreich war die gesamte Spätantike hindurch als zweite Großmacht neben Rom ein bedeutender Machtfaktor gewesen und wird deshalb von einigen Althistorikern (so etwa Josef Wiesehöfer, Erich Kettenhofen, Ze’ev Rubin oder Michael Whitby) in die Erforschung der Epoche mit einbezogen.

Übergang zum Mittelalter

Theoderich residierte wie die letzten weströmischen Kaiser in Ravenna, wo er auch begraben ist.

Im Westen muss man die Zeit Theoderichs des Großen wohl eher zur Antike als zum Mittelalter zählen, sodass es fast unmöglich ist, ein exaktes Datum festzulegen. Bis zum Langobardeneinfall lässt sich antike Kultur in Italien nachweisen. Der weströmische Senat verschwindet erst gegen Ende des sechsten Jahrhunderts aus den Quellen. In ähnlicher Weise knüpften auch die frühen Merowinger an das antike Erbe an. Man muss so von einer Übergangsphase sprechen, die je nach Region unterschiedlich lange andauerte.

Man sollte allerdings nicht der Versuchung erliegen, das Mittelalter zu spät anzusetzen. Das Problem lässt sich auch umkehren: Viele Mediävisten, die sich mit dem Frühmittelalter beschäftigen (etwa Friedrich Prinz[18], Hans-Werner Goetz, Patrick Geary, Herwig Wolfram und andere) greifen auf die Antike zurück, um die Veränderungen im frühen Mittelalter zu erklären.

Nicht vergessen werden darf auch, dass im Mittelalter immer wieder versucht wurde, an die Antike anzuknüpfen. Ein Schlüsselbegriff ist hierbei die Translatio imperii, der Übergang der römischen Kaiserwürde auf die Byzantiner, die Franken unter Karl dem Großen und die „Deutschen“ unter Otto dem Großen. Das Heilige Römische Reich führte diesen Namen bis zu seinem Ende 1806. Auch in kultureller Hinsicht gab es immer wieder Versuche, das Gedankengut der Antike wiederzubeleben. Am wirkungsmächtigsten unter diesen Renaissancen (französisch „Wiedergeburt“) der Antike wurde wohl die italienische Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. Für weiterführende Informationen über die Literatur der ausgehenden Antike siehe Spätantike#Kulturelles Leben.
  2. Bryan Ward-Perkins, The Fall of Rome and the End of Civilization; Peter J. Heather, The Fall of the Roman Empire.
  3. Für die Hintergründe siehe Pirenne-These und Pirennes Bücher Mohammed and Charlemagne (englischsprachige Neuauflage Dover, Mineola 2001, ISBN 0-486-42011-6) und Economic and Social History of Medieval Europe.
  4. Prokopios, Bellum Vandalicorum 1,2,31.
  5. Gregor von Tours, Historia Francorum 2,12,27.
  6. Vgl. Remigius von Reims in Monumenta Germaniae Historiae epp. 3,113.
  7. Für eine ausführlichere Darstellung siehe Sassanidenreich#Das Ende der Sassaniden.
  8. Die Vita Sancti Severini des Eugippius wurde unter anderem 1898 von Theodor Mommsen herausgegeben. Aktuelle Ausgabe: Reclam, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-008285-4.
  9. Die Geschichte des Untergangs der antiken Welt erschien zuerst 1895–1921 und ist aktuell in einer von Stefan Rebenich eingeleiteten Sonderausgabe erhältlich (Primus Verlag, Darmstadt 2000, ISBN 3-89678-161-8).
  10. Theodor Mommsen (Hrsg.): Chronica Minora II, 91.
  11. Vita Sancti Severini 20.
  12. Bellum Gothicum 1,12,20.
  13. Romana 322; Getica 242.
  14. Chronica Minora III, 305; 423.
  15. Historia Romana 15,10.
  16. Demandts Geschichte der Spätantike reicht bis 565.
  17. Brandts Ende der Antike dauert von 284 bis 565.
  18. Prinz arbeitete bis kurz vor seinem Tod an Europäische Grundlagen deutscher Geschichte (4.–8. Jahrhundert), in: Alfred Haverkamp, Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 1: Perspektiven deutscher Geschichte während des Mittelalters, Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60001-9.